Die Bundeswehr und ihre Reserve: Jetzt neu mit Kundenbindung
Gut zehn Jahre nach Aussetzung der Wehrpflicht hat die Bundeswehr damit begonnen, ausscheidende Soldatinnen und Soldaten verpflichtend als Reserve für die Streitkräfte vorzusehen. Die neu eingeführte so genannte Grundbeorderung für sechs Jahre setzt allerdings weiterhin auf die – in Friedenszeiten – freiwillige Bereitschaft, als Reservist*in Dienst zu leisten.
Während sich jede Kreissparkasse und jeder Mobilfunkanbieter so lange wie rechtlich zulässig an ausgeschiedene Kunden mit der Frage wendet, ob sie nicht zurückkehren wollen, hatten die Streitkräfte das in den vergangenen Jahren ignoriert: Wer als Soldatin oder Soldat aus der Truppe ausschied, wurde von der Bundeswehr schlicht nicht weiter beachtet. Nur wer von sich aus die Bereitschaft zeigte, als Reservist zur Verfügung zu stehen, und sich auch aktiv um eine Beorderung bemühte, wurde zu den so genannten Reservistendienstleistungen (RDL, früher schlicht Wehrübung) einberufen.
Seit Anfang September greift die Neuregelung, die 2019 mit der damals beschlossenen Strategie der Reserve angelegt wurde: Beim Ausscheiden werden alle Soldatinnen und Soldaten von Amts wegen grundbeordert. In den letzten sechs Monaten vor Dienstzeitende, erläuterte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, werden dafür Gespräche über eine so genannte Beorderungsstelle geführt, auf der Reservist*innen Dienst leisten können oder sollen. Dabei sollen Ausbildung und Kenntnisse berücksichtigt werden, damit die Bundeswehr diese Qualifikationen auch weiterhin nutzen kann.
Erstmals verschaffen sich damit die Streitkräfte auch den Überblick, welche Reserve mit welcher Ausbildung überhaupt zur Verfügung steht. Bislang war auch dieser Informationsstand vom eigenen Engagement der Reservisten abhängig.
Die sechs Jahre dauernde Grundbeorderung ist für alle vorgesehen, die bei Ausscheiden höchstens 57 Jahre alt sind, und endet – dann ggf. auch früher – mit Vollendung des 60. Lebensjahres. Allerdings: Am Prinzip der Freiwilligkeit wird nicht gerüttelt; es werden also keine Soldaten wie zu Zeiten der Wehrpflicht zu verpflichtenden Wehrübungen einberufen.
Die Grundbeorderung (GBO) ist die grundsätzliche Einplanung (Beorderung im Ergänzungsumfang der Bundeswehr) aller wehrdienstfähig aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in die Reserve für einen Zeitraum von sechs Jahren, heißt es in der Strategie der Reserve. Damit solle die personelle Grundlage für den zügigen Aufwuchs in einem möglichen Bereitschafts-, Spannungs- oder Verteidigungsfall geschaffen werden.
Interessant ist dabei nicht nur der – gesetzlich eindeutig geregelte – Verteidigungs– und Spannungsfall, der vom Bundestag beschlossen werden muss. Bereits unterhalb dieser doch recht hohen rechtlichen Schwelle soll die Heranziehung von Reservisten auch ohne freiwillige Zustimmung eben auch im Bereitschaftsfall gelten, der nicht der Billigung des Parlaments bedarf. Was das eigentlich ist, erklärt das Verteidigungsministerium so:
Der Bereitschaftsfall liegt vor, wenn von der Bundesregierung Wehrübungen als Bereitschaftsdienst gemäß § 6 Absatz 6 des Wehrpflichtgesetzes angeordnet worden sind.
Das setzt grundsätzlich eine relativ spät anzusiedelnde Stufe einer außenpolitische Krisenlage voraus, d.h. einer Phase steigender internationaler Spannungen, die den bestehenden Zustand soweit stört, dass besondere Maßnahmen zu ihrer Bewältigung erforderlich werden, ohne dass schon der Spannungs- oder Verteidigungsfall eingetreten ist.
Für diesen Fall sind zusätzliche Erleichterungen und Beschleunigungen für das Musterungs- und Einberufungsverfahren vorgesehen.
Die Ermächtigung der Bundesregierung zur Anordnung des Bereitschaftsdienstes ist von keiner im Gesetz formulierten Voraussetzung, auch nicht vom Spannungsfall, abhängig.
Es handelt sich nicht um einen Akt der Rechtsetzung, sondern um einen Regierungsakt, der nur auf der Einschätzung einer politischen Situation beruht und für den die Bundesregierung lediglich parlamentarisch verantwortlich ist.
Die Bundesregierung handelt insofern nur nach ihrem politischen Ermessen. Es handelt sich hierbei nicht um den Einsatz bewaffneter Streitkräfte.
Mit der Neuregelung soll die Bundeswehr schon im Frieden die – derzeit praktisch nicht vorhandenen – Strukturen für einen raschen Aufwuchs der Streitkräfte bekommen. Jährlich wächst damit die Größe der Reserve um die rund 20.000 Männer und Frauen, die im Schnitt pro Jahr ausscheiden. Zum Vergleich: Derzeit sind rund 30.000 Reservistinnen und Reservisten beordert, also auf Dienststellen vorgesehen – allein aufgrund ihrer frewilligen Meldung.
(Archivbild April 2020: Stabsunteroffizier der Reserve Frank Sann, der sich freiwillig zur Hilfe in der Corona-Pandemie gemeldet hatte, bei der Unterstützung auf einer internistischen Intensivstation – Andreas Weidner/Bundeswehr via Reservistenverband)
@TW
a) es wäre interessant, etwas mehr über das Konstrukt „Bereitschaftsfall“ zu erfahren – gibt es dadurch mehr Befugnisse für die Bw (hoheitliche Aufgaben)? Muß der Einberufung zwingend Folge geleistet werden (dies wird angedeutet) , ggf. unter Vorführung durch FJgKr? Welche Rechtsfolgen entstehen falls man dem nicht nachkommt („fahnenflüchtig“)? Wehrüberwachung? SÜ, Einhaltung von Auflagen (z.B. Verbindungen/Kontakte zu/in SMBS?
Daß dies quasi nebenbei und lapidar ins WPflG eingeschoben wurde ist trotz des Einflusses auf die Grundrechte bemerkenswert, es ist die Ermöglichung der allgemeinen Wehrpflicht ohne Einbeziehung des BT.
„(6) Für Wehrübungen, die als Bereitschaftsdienst von der Bundesregierung angeordnet worden sind, gilt die zeitliche Begrenzung des Absatzes 1 nicht. Auf die Gesamtdauer der Wehrübungen nach den Absätzen 2 und 3 werden sie nicht angerechnet; das Bundesministerium der Verteidigung kann eine Anrechnung anordnen.“
https://www.gesetze-im-internet.de/wehrpflg/__6.html
Gab es hierüber eine Aussprache im BT, bzw. wurden die Auswirkungen überhaupt erkannt?
b) Grundbeorderung: dies betrifft wohl fast ausschließlich SaZ – da wäre es interessant zu erfahren, wie denn die DG-Struktur der „Ausscheider“ ist. Zudem: werden diese dann weiterhin komplett ausgekleidet oder darf / muß man (einen Teil) der Ausstattung mit nach Hause nehmen?
Fragen über Fragen.
Man kann so langsam wieder annehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland richtige Streitkräfte unterhält, die personelle und materielle Reserven bilden.
Chapeau!
Die Grundbeorderung ist aber nur ein kleines Puzzlestück, um am Ende wieder kampffähig und kampfwillig zu sein. Es wird noch ein langer Weg werden. Leider.
Schön, und wer hält die Reservisten nach? Die Karrierecenter als Nachfolgeorganisation der Kreiswehrersatzämter? Spätestens nach dem zweiten Umzug, bei dem die Adresse nicht nachgehalten wird, ist der Soldat/die Soldatin aus dem Fokus und nicht mehr auffindbar.
Mal abgesehen davon, das man die ersten 3-5 Jahre braucht, um zivil vernünftig Fuß zu fassen. Und dabei hat man alles andere im Kopf – aber bestimmt nicht Bundeswehr.
@Thomas Melber sagt: 01.11.2021 um 13:33 Uhr
„gibt es dadurch mehr Befugnisse für die Bw (hoheitliche Aufgaben)?“
Nein.
„Muß der Einberufung zwingend Folge geleistet werden (dies wird angedeutet)“
Ja.
„ggf. unter Vorführung durch FJgKr?“
Ja. Und ggf. sogar Polizei.
„Welche Rechtsfolgen entstehen falls man dem nicht nachkommt („fahnenflüchtig“)?“
Zunächst Eigenmächtige Abwesenheit dürfte hier der Regelfall sein (auch eine Straftat). Fahnenflucht ist an besondere Qualifikationsmerkmale gebunden.
„Wehrüberwachung? SÜ, Einhaltung von Auflagen (z.B. Verbindungen/Kontakte zu/in SMBS?
Nein.
„Daß dies quasi nebenbei und lapidar ins WPflG eingeschoben wurde ist trotz des Einflusses auf die Grundrechte bemerkenswert,“
Was heisst den hier lapidar?!
„es ist die Ermöglichung der allgemeinen Wehrpflicht ohne Einbeziehung des BT.“
Nein. Es ist keine allgemeine Wehrpflicht.
„Gab es hierüber eine Aussprache im BT, bzw. wurden die Auswirkungen überhaupt erkannt?“
Ja.
KORREKTUR
„Wehrüberwachung?“
Ja, wenn der Bereitschaftsfall angewiesen wurde. Nein, wenn „nur“ Grundbeorderung außerhalb Bereitschaftsfall.
„SÜ“
Ja, wenn der Beorderungsdienstposten dies erfordert. Nein, wenn nicht.
@Florian Staudte:
Auf diesem sehr langen Weg sind noch sehr viele Hürden (Motivation des Personals, Administration, Strukturen, Finanzierung, usw.).
Da können schon Zweifel aufkommen, ob man jemals an das Ziel kommt.
Ich habe eher den Eindruck, dass man mittlerweile im BMVg die vielen Konzepte und Weisungen mit der Realität verwechselt. Es werden seit Jahren ja gute Ideen entwickelt und aufgeschrieben, aber bei der Umsetzung hapert es halt immer, da man selten zur Kenntnis nehmen will wie groß die Probleme schon sind.
Ach ist das wieder ein schöner Kniff der Planer im BMVg, um wenigstens auf dem Papier passende Zahlen für eine Reserve zu haben!! Es ist wie bei der (Freiwilligen) Feuerwehr: Wenn man nicht regelmäßig (pflichtgemäß) übt bzw. üben m u s s, macht es keinen Sinn!
Überzeugend im Sinne einer nachhaltigen Stärkung der Einsatzbereitschaft der Bw zur LV/BV ist das (wieder) nicht.
Mal sehen ob bzw. was sich die „Strategen“ unter der neuen Bundesregierung einfallen lassen…
@Koffer, und welchen Sinn hat das die Wehrüberwachung erst im Bereitschaftsfall zu aktivieren?
Die Frage die Thomas Melber da aufwirft ist ja schon relevant. Wenn ich erst nach Rücklauf der unzustellbaren Einberufungsbescheide anfange nach aktuellen Adressen zu forschen ist im Extremfall der Verteidigungsfall ausgerufen wenn ich die ersten Rückläufer aus den Meldeämtern bezüglich aktueller Adressen bekomme.
Oder gibt’s da dann einen kurzen (elektronischen) Dienstweg über den auch 4 und 5 Umzüge innerhalb von Minuten nachvollzogen bekomme?
Bin ich der einzige, dem auffällt, dass dieses Konstrukt „Bereitschaftsfall“ bei aktueller Gesetzeslage ein Wunschtraum ist:
§ 2 WpflG:
Die §§ 3 bis 53 gelten im Spannungs- oder Verteidigungsfall.
https://www.gesetze-im-internet.de/wehrpflg/BJNR006510956.html#BJNR006510956BJNG000208310
Oder auf Deutsch: Kein Bereitschaftsdienst ohne Spannungs- oder Verteidigungsfall….
Es sei denn man findet den politischen Willen, das Wehrpflichtgesetz auch nur mit der Kneifzange anzurühren.
@Koffer / 01.11.2021 um 14:08 Uhr
KORREKTUR
„Wehrüberwachung?“
Ja, wenn der Bereitschaftsfall angewiesen wurde. Nein, wenn „nur“ Grundbeorderung außerhalb Bereitschaftsfall.
„SÜ“
Ja, wenn der Beorderungsdienstposten dies erfordert. Nein, wenn nicht.
+++++
Sinnvollerweise erfolgt die Wehrüberwachung während der gesamten Zeit der Grundbeorderung – d.h. auch Pflicht zur Angabe von längeren Abwesenheitszeiten vom Wohnort und Anzeigen von Änderungen im Familienstand, Anschrift, u.a.
Der Erhalt einer SÜ ist eine „Daueraufgabe“ – das fängt bei Urlaubsreisen an (Kuba, St. Petersburg – letzteres gerne auch bei einer Ostseekreuzfahrt) und endet nicht beim Arbeitgeber und Geschäftsverbindungen, z.B. nach China. Ist dies ggf. sogar vorab zu melden bzw. genehmigungspflichtig? Erfolgt im Anschluß an die Reise eine Befragung? Gerade Verbindungen in/zu SMBS können einem zum „Verhängnis“ werden, aber in wie weit sind hier Einschränkungen bei Zivilisten zulässig, die ihr Geld ja „im Markt“ verdienen müssen und keine Dienstbezüge erhalten?
Lapidar: mich wundert, daß man so gut wie nichts zum Thema „Bereitschaftsfall“ gehört hat und auch im Netz nur sehr wenig dazu findet, obwohl er der Exekutive doch eine Art Mobilmachung am BT vorbei ermöglicht.
@all
Die div. Fragen nach der rechtlichen Grundlage des Bereitschaftsfalls sind ja berechtigt, und ich habe sie auch gestellt – bin aber bislang nicht weiter gekommen als bis zu der oben vollständig und im Wortlaut wiedergegebenen Aussage des Ministeriums dazu…
Falls der Soldat eine Ausbildung beginnt können sie ihn für mindestens 2 Jahre von der RDL Liste streichen.
Was mich zu der Frage führt, wie sind Arbeitgeber involviert wenn es zur Aktivierung wegen Bereitschaftsdienst kommt`?
@Flo sagt: 01.11.2021 um 15:11 Uhr
„Wenn ich erst nach Rücklauf der unzustellbaren Einberufungsbescheide anfange nach aktuellen Adressen zu forschen ist im Extremfall der Verteidigungsfall ausgerufen wenn ich die ersten Rückläufer aus den Meldeämtern bezüglich aktueller Adressen bekomme.
Oder gibt’s da dann einen kurzen (elektronischen) Dienstweg über den auch 4 und 5 Umzüge innerhalb von Minuten nachvollzogen bekomme?“
Sehe das Problem nicht. In Zeiten ohne Bereitschaftsfall braucht man es nicht, und durch die Weiterentwicklung des elektronischen Austausches von Personendaten mit den Einwohnermeldeämtern ist das Problem lösbar.
Wenn Sie natürlich vor Ihrem Auge eine Krise haben, die innerhalb weniger Tage eskaliert und sie dann von jetzt auf gleich 20.000 zusätzliche Soldaten einberufen wollten, dann geht das so natürlich nicht.
Aber nach meinem Verständnis ist das nicht das Szenar, was die BReg derzeit im Kopf hat.
@Koffer, lösbar wäre das sicher.
Wenn ich mir aber angucke wie gut das Thema Digitalisierung an anderen Stellen klappt, dann dürfte das Jahr 2150 als Zielmarke dafür realistisch sein.
Immerhin reden wir bei den Einwohnermeldeämtern über eine Aufgabe der Kommunen und die Bundeswehr ist Sache des Bundes. Bis da alle Systeme entsprechend miteinander Datenaustauschen können und es auch dürfen, dürfte das eine oder andere Jahr vergehen.
@Koffer
„Aber nach meinem Verständnis ist das nicht das Szenar, was die BReg derzeit im Kopf hat.“
Welches Szenar wäre das denn, welche Kriterien sind anzusetzen? Muß die BReg als Kollegialorgan abstimmen? Wäre die Entscheidung der BReg zur Ausrufung des Bereitschaftsfalles rechtlich – z.B. durch den BT – überprüfbar?
Gilt die Regelung nur für Reservisten (also mit Vordienstzeit) oder betrifft es ggf. auch Ungediente? Welche Einspruchsmöglichkeiten habe ich?
Zudem dieser ja bis zur Aufhebung gilt, somit per se unbefristet ist.
@Thomas Melber:
Der Wehrdienst in Form eines Bereitschaftsdiensts ist nicht neues, der steht schon immer so im Gesetz und ja, wenn man sich die (juristische) Literatur zum Thema anschaut, wurde er schon immer als das bewertet, was er ist:
Eine Mobilmachungsmöglichkeit ohne Spannungsfall.
Um diverse andere Fragen abzuräumen: Angenommen, ein Bereitschaftsfall wäre ohne Änderung des WPflG möglich (was sehr eigenartig wäre aber siehe oben) Die Rechtsfolgen einer Anordnung wären wahrscheinlich die des WPflG und der sonstigen Vorschiften des Wehrrechts, eine Verweigerung würde als Wehrdienstverweigerung bestraft und für Arbeitgeber würden die Vorschriften des Arbeitsplatzschutzgesetzes gelten. (@ThoDan)
Aber das wirkt bis jetzt wirklich alles sehr merkwürdig und man wird das Gefühl nicht los, es wäre mit sehr heißer Nadel gestrickt worden….
Zu der Diskusionen um Vorlaufzeiten, der Wehrüberwachung usw empfehle ich einen Blick in die weiterhin gültige Weisung:
https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/die-reserve-der-bundeswehr/aktuelles-aus-der-reserve-der-bundeswehr/weisung-fuer-die-reservistenarbeit-2020-bis-2022-3577124
Darin findet sich in der Anlage auch der Umfang der notwendigen Maßnahmen.
Da erkennt man dann schon wieviele Dinge einfach nicht mehr vorhanden sind, die mal selbstverständlich waren.
Die Erfahrung zeigt aber auch, dass das Nachhalten der definierten Maßnahmen – schon innerhalb des BMVg – nicht einfach ist.
Ich frage mich, ob bei den genannten Vorlaufzeiten (ca. 1/2 Jahr) es die politische Vorausschau und den politischen Mut gibt in einer solchen Frühphase den „Bereitschaftsfall“ auszulösen.
Die Schätzung der Vorwarnzeiten war ja auch in der Vergangenheit zu optimistisch (10 Jahre bezüglich einer wesentlichen Lageveränderung in Europa). Auch aktuell begannen die Aktivitäten von Belarus Druck auf Litauen durch Migranten auszuüben im Juli 2021, darüber wird ernsthaft seit Ende Oktober 2021 diskutiert (also schon ca. 100 Tage verloren).
@Koffer
„Wenn Sie natürlich vor Ihrem Auge eine Krise haben, die innerhalb weniger Tage eskaliert und sie dann von jetzt auf gleich 20.000 zusätzliche Soldaten einberufen wollten, dann geht das so natürlich nicht.
Aber nach meinem Verständnis ist das nicht das Szenar, was die BReg derzeit im Kopf hat.“
Ja der gute alte Trick sich ein Szenar auszusuchen dass zu unseren Fähigkeiten passt.
Auch die Krim und Ost Ukraine hat ja mit langer offensichtlicher Vorbereitung, diplomatischen Erklärungen und ganz ohne hybride Kriegsführung zur Verschleierung der Absichten mit viel Vorlaufzeit stattgefunden.
Bin ich froh dass wir nur nette Feinde haben die sich vorher anmelden. Einen da zu überraschen wäre ja auch unfair.
So genug Sarkasmus…
-> „Wehrübungen, die als Bereitschaftsdienst angeordnet sind…“ (§ 6 Abs. 6 WPflG) sind ein „alter“ Hut, der Bereitschaftsdienst (-fall) wurde nicht „irgendwie nebenbei“ untergeschoben, sondern ihn gibt es seit langer Zeit, siehe hier auch ältere Versionen des WPflG,
-> mit Einschränkung der Gültigkeit des WPflG auf §§ 1 und 2 „verschwand“ der Bereitschaftsdienst aus der WPfl-Wahrnehmung, dieser ist aber auch im Soldatengesetz genannt (u.a. § 61 Abs.. 3),
=> Anordnung des Bereitschaftsdienstes durch die Bundesregierung sollte daher formell auch ohne ein bereits komplett wieder in Kraft gesetztes WPflG möglich sein,
-> Wehrüberwachung -> WPflG;
solange es keinen Rückgriff auf das WPflG gibt, unterliegen Reservistinnen und Reservisten – sowie ungediente Personen deren Verpflichtung zu Dienstleistung(en) nach § 61 SG angenommen wurde (§1 Nr. 2 ResG) – der Dienstleistungsüberwachung,
-> zuständig für Dienstleistungsüberwachungsaufgaben sind die Wehrersatzbehörden, im Regelfall sind hier die Dez ResAngel der KarrCBw gefragt
-> die Dienstleistungsüberwachungspflichten (§ 77 SG) gelten unabhängig davon ob eine Beorderung/Grundbeorderung vorliegt,
-> Dez ResAngel der KarrCBw sind m.W.n. schon in der Lage, bei Notwendigkeit/Begründetheit, kurzfristig und in wenigen Minuten Adressprüfungen sicherzustellen und kommen auch hinterher, wenn Res in den letzten Jahren mehrfach Wohnsitze gewechselt haben (entscheidend ist ja im Regelfall der letzte aktuelle Wohnsitz)
@Flo sagt: 01.11.2021 um 19:57 Uhr
„Wenn ich mir aber angucke wie gut das Thema Digitalisierung an anderen Stellen klappt, dann dürfte das Jahr 2150 als Zielmarke dafür realistisch sein.“
Nein, das funktioniert bereits jetzt.
„Bis da alle Systeme entsprechend miteinander Datenaustauschen können und es auch dürfen, dürfte das eine oder andere Jahr vergehen.“
Alle Systeme funktionieren bereits jetzt.
@Thomas Melber sagt: 01.11.2021 um 20:00 Uhr
„Welches Szenar wäre das denn, welche Kriterien sind anzusetzen?“
Die Kriterien sind eine politische Entscheidung. Wenn die BReg das möchte, kann sie.
„Muß die BReg als Kollegialorgan abstimmen?“
Ja.
„Wäre die Entscheidung der BReg zur Ausrufung des Bereitschaftsfalles rechtlich – z.B. durch den BT – überprüfbar?“
Alle Entscheidungen der Exekutive sind rechtlich überprüfbar. Und zwar durch Gerichte. Wir sind ein Rechtsstaat. Aber die Gerichte erkennen bei solchen Entscheidungen der BReg immer einen weiten Ermessensspielraum zu. Und der BT ist hier nicht gefragt. Theoretisch. Aber damit in einer echten, großen Krise das alles auch fluchtet, würden vermutlich auch flankierende, gesetzliche Maßnahmen notwendig werden.
Aber wichtig ist jetzt erst einmal, dass die Maßnahme die man eben nicht in einer Krise von jetzt auf gleich lösen kann, bereits jetzt anlaufen können. Nämlich der tatsächlich Aufbau der Beorderungsreserve. Der Kern der aktuellen Lösung ist doch, dass über die nächsten Jahre sukzessive sich die Datenbank mit Namen füllt. Das könnte man eben nicht IN einer Krise machen.
„Gilt die Regelung nur für Reservisten (also mit Vordienstzeit) oder betrifft es ggf. auch Ungediente?“
Beorderungsreserve, also das Thema dieses Fadens, gilt nur für aus dem Wehrdienst Ausscheidende.
„Welche Einspruchsmöglichkeiten habe ich?“
Diverse Härtefallklauseln und KDV.
@chris sagt: 01.11.2021 um 21:41 Uhr
„Ja der gute alte Trick sich ein Szenar auszusuchen dass zu unseren Fähigkeiten passt.
Auch die Krim und Ost Ukraine hat ja mit langer offensichtlicher Vorbereitung, diplomatischen Erklärungen und ganz ohne hybride Kriegsführung zur Verschleierung der Absichten mit viel Vorlaufzeit stattgefunden.“
Hm, ich kann Ihnen nur halb zustimmen. Einerseits wäre eine echte Reserve mit gekaderten Truppenteilen und bereit stehendem Material sicherlich schlagkräftiger. Aber dafür gibt uns der BT nun einmal nicht das Geld. Unter der neuen Regierung noch gleich noch weniger als unter der alten. Von daher macht man jetzt zwar nur einen halben Schritt aber immerhin.
Und der Verweis auf die Krim und die Ostukraine hinkt hier, denn beides wäre ja kein Auslöser für einen Bereitschaftsfall gewesen.
@alle
Ich glaube hier wird von einigen Kommentatoren der Fehler gemacht schon gleich das ganz große Fass aufzumachen und deswegen auch eine Teillösung in Bausch und Bogen zu verwerfen.
Die Beorderungsreserve ist nicht die Lösung aller Probleme. Es ist bisher (!) lediglich ein Teilschritt um ein spezifisches Problem zu lösen. Es geht um die sukzessive Befüllung einer Datenbank.
Ich finde das gut. Was ich mich eher frage: warum erst jetzt?!
Die Überschrift von T.W. legt da ja den Finger in die Wunde!
Aber dennoch: besser jetzt als gar nicht :)
@ThoDan sagt: 01.11.2021 um 18:04 Uhr
„Was mich zu der Frage führt, wie sind Arbeitgeber involviert wenn es zur Aktivierung wegen Bereitschaftsdienst kommt`?“
da wird man sich etwas einfallen lassen müssen. Im Bereich ZMZ ist es so, das die Arbeitgeber eine schriftliche Einverständniserklärung abgeben, das der Soldat/Angestellte im Einsatz-/Katastrophenfall kurzfristig abkömmlich ist. Ohne wird es mit einer Einplanung in ein KVK/BVK schwierig.
Aber das ist ja Reservistendienst auf freiwilliger Basis, die Leute wollen ja. In dem hier angedachten Fall werden die Leute zwangsverpflichtet, das benötigt dann eben gesetzliche Grundlagen.
@ Koffer
Ich stimme Ihnen nur selten zu, aber die Frage ist entscheidend.
Warum wurde jede Form der Wehrüberwachung überhaupt abgeschafft?
Mir ist kein General oder Admiral in Erinnerung geblieben, der lautstark remonstriert hatte.
Wir lehren die Bildung von Reserven und schaffen sie komplett ab. Vogelwild!
Vielleicht erinnert sich irgendjemand im BMVg daran, dass man zuallererst der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist.
@Koffer
Ost-ukraine und Krim sind Beispiele dafür wie schnell sich so etwas entwickeln kann. Wir sind in diesem Fall nicht die betroffenen. Wenn wir dies wären was oll dann der bereitschaftsfall sein wenn nicht die ersten Tage einer solchen Entwicklung.
@ Thomas Melber
Alle Soldaten werden nur zum Teil ausgekleidet.
Dazu gibt es ein Hinweisblatt, welches an die Soldaten augegeben und unterschrieben wird.
@Florian Staudte
Die Wehrüberwachung wurde nicht abgeschafft, sondern (folgerichtig) mit Aussetzung der Wehrpflicht durch die Dienstleistungsüberwachung ersetzt.
Insbesondere das Heer hat seine Reserve, bereits 2003ff mit Übergang von der Struktur „Heer der Zukunft“ auf die Struktur „Neues Heer“ abgeschafft. 2 PzGrenBtl( na) und ein PiBtl(na) waren nur Fähigkeitserhalt bzw. „Feigenblätter“, ohne(!) eigenes Großgerät. LV/BV waren damit außerhalb des Aufgabenspektrums.
Danach gab es keine nennenswerten Reservetruppenteile mehr. Die Wehrpflichtigen gingen ohne Einplanung nach Hause, mangels ausreichender Beorderungsdienstposten.
Auch bei der neuen Grundbeorderung besteht eine der Herausforderungen geeignete Beorderungsdienstposten zu finden, auf denen der Reservist eingeplant werden kann. Dazu werden jetzt Heimatschutzkompanien (ehemals RSU) in unterschiedlicher Anzahl je Bundesland befüllt.
Ein echter Aufwuchs würde auch zusätzliches Gerät erfordern.
Hier gibt es keine Ansätze, außer man zählt die erklärte Absicht, das G36 auch nach Einführung des neuen Sturmgewehrs weiter zu nutzen, dazu.
@Koffer, volle Zustimmung, die Beorderungsreserve loest erst mal ein Problem, naemlich dass ohne diese der Reservist durch die Bundeswehr nicht mehr zu erreichen ist, da ein „Direktmarketing“ in z.B. Form eines InfoNewsletter ueber Moeglichkeiten in der Reserve nicht ohne weiteres machbar waere. So kann jeder einzelne beorderte Reservist 6 Jahre lang von der Bundeswehr dienstlich „umworben“ werden…
Da heißt im Klartext, die die sich zur BW freiwillig melden, sind die Gekniffenen.
War zwar früher genauso (zu meiner Zeit) aber jetzt wo die ganze Sache freiwillig ist, ist es ein weiterer Schritt um potenzielle Freiwillige abzuschrecken.
Eventuell sollte man eher mit Anreizen arbeiten.
Geht das nicht, ist das wie ein Offenbarungseid.
Die Kassen sind leer oder selbst mit Geld und guten Worten ist man unattraktiv.
@chris sagt: 02.11.2021 um 13:30 Uhr
„Ost-ukraine und Krim sind Beispiele dafür wie schnell sich so etwas entwickeln kann. Wir sind in diesem Fall nicht die betroffenen. Wenn wir dies wären was oll dann der bereitschaftsfall sein wenn nicht die ersten Tage einer solchen Entwicklung.“
Ich wiederhole, ich verstehe Sie, aber darum geht es doch bei der Beorderungsreserve gar nicht!
@kleiner Hinweis sagt: 02.11.2021 um 18:05 Uhr
„Da heißt im Klartext, die die sich zur BW freiwillig melden, sind die Gekniffenen.“
Wenn Sie Deutschland dienen als „gekniffen“ bewerten, dann haben Sie recht.
Aber das war schon immer so. Stichwort hier Dauer der Wehrpflicht. Ehemalige SaZ (Fw und Offiziere) mussten schon immer im V-Fall länger dienen als ehemalige Wehrpflichtige/Landser.
Das hat sich ja niemals geändert. Lediglich haben wir jetzt (wieder) eine Postadresse!
„Eventuell sollte man eher mit Anreizen arbeiten.“
Ich dachte treues Dienen sei ein intrinsischer Anreiz? ;)
Jede Universität, jede Schule, hat inzwischen ein Alumni Netzwerk. Das heisst man hält Kontakt zu den Ehemaligen, informiert und lädt zu Veranstaltungen ein und gelegentlich wird das Interesse geprüft, ob nicht der eine oder andere Lust und Zeit hat sich für die ehemalige Alma Mater zu engagieren. Netzwerkern eben. Für die Institutionen ist das ein Aufwand, der sich offenbar lohnt.
Zu meiner Zeit hatte die Bundeswehr ihre ehemligen Zeitsoldaten als Reservisten weiter geführt und man wurde auch zu Wehrübungen ‚eingeladen‘. Es wundert mich schon zu erfahren, dass die Bundeswehr diese Praxis zwischenzeitig aufgeben hat und es den Ex-Zetties überlassen hat, ob sie überhaupt Reservisten werden wollen. Es verwundert vor allem deshalb, weil die Bundeswehr ihr Personalproblem ja schon seit über 10 Jahren mit sich rumschleppt.
Die Art und Weise, wie die Bundeswehr das jetzt angehen will, ist aber auch irgendwie typisch. Klar ist doch, dass man sich was einfallen muss, wenn man ehemalige Soldaten, die dann im Berufsleben stehen und ganz andere Interessen verfolgen, wieder einzieht. In dieser Hinsicht könnte die Bundeswehr von den Netzwerkern der Universitäten einiges lernen.
Was mich stört, dass ist der Umstand, dass der ‚Bereitschaftsfall‘ nicht eindeutig eingegrenzt ist. Schließlich sollten auch die Betroffenen wissen, unter welchen Bedingungen für sie eine Einberufung wahrscheinlich wird.
Warum können das alle andern besser machen wie wir.
In den USA gibt es seit 1976 keine Wehrpflicht und quasi noch nie ein Nationales Meldewesen. Trotzdem füllt bis heute jeder 17 Jährige Junge das Meldeblatt für die Wehrerfassung aus.
Die Amerikaner machen mit ihren Kurzdienern auch solche Verträge wo expleziet drin steht, x Jahre aktive Dienstzeit und y Jahre Reserve. Könnte man hier auch machen und den Bewerbern klip und klar sagen….. „Sie wollen Feldwebel werden, dann machen sie 12 Jahre aktiv und im Anschluss 6 Jahre Reserve mit 30 Diensttagen pro Jahr.“
Und dann ist es an der Reserve sich so interessant zu machen das die Kameraden auch drüber hinaus dabei bleiben…..
letztendlich wird man den Leuten auch knallhart Geld oder Sachleistungen in die Hand drücken…. wie die US National Garde oder die polnische WOT. Dann bekommt der Reservist der seine 30 Tage im Jahr macht 300-400€ im Monat und DB Freifahrten.
@Paragraphenreiter
Ich bezog mich eigentlich auf die Zustimmung des Arbeitgebers zur Einberufung – EDEKA usw.
@TrVersBearbr
Es besteht eine unbedingte gesetzliche Verpflichtung das Zeug aufbewahren zu müssen für entlassene Soldaten?
@Schlammstapfer
IMHO die Rolle der Reserve darf es nie sein, Löcher der aktiven Truppe zu stopfen.
Das mag ein schöner Fringe Benefit sein, aber darüber hinaus sollre es nie gehen
@Küstengang01
Das Problem ist falls der FW noch eine Ausbildung antritt o.ä, dann sind da ein Paar Jahre weg
@ Küstengang
Dazu müsste sich in diesem Land erst mal die Einstellung vieler Arbeitgeber und auch großer Teile der Bevölkerung zum Militär ändern. So lange das Verteilen von Sozialleistungen als die Hauptaufgabe des Staates angesehen wird, so lange werden auch Reservisten es schwer haben, bei ihren (mittlerweile vielen) ungedienten Arbeitgebern auf Verständnis zu stoßen. Ich bin beorderter Reservist, kann mir meine Zeit aber einteilen. Bei vielen funkt die Arbeit dazwischen. Da kommt dann Druck vom Arbeitgeber. Und da ist die Rechtslage eher nebensächlich. Das kriegt man dann verklausuliert gesagt. Im Süden unseres Landes, speziell Bayern und BaWü, ist das wohl etwas anders. Und die Politik ist auch keine Hilfe.
@Koffer, was soll Chris dann nicht an der Idee der Grundbeorderung verstanden haben wenn er eine Auslösung der nächsten Stufe des Bereitschaftsdienstes bei Lagen wie Krim/Ost-Ukraine sofort fordert?
Ja die Grundbeorderung stellt zunächst nur sicher das die Ehemaligen in den 6 Jahren in Übung bleiben und für den Fall der Fälle auch die Bundeswehr eine Idee hat wen sie wo einsetzen kann. Aber, wenn ich bei Lagen wie Krim/Ost-Ukraine warte wie sich das entwickelt bis ich aus der Grundbeorderung einen Bereitschaftsdienst mache, kann es einem passieren das die Bundestagsdebatte über die Ausrufung des Verteidigungsfalls vom Feind der in den Reichstag marschiert beendet wird. Ups, hat der Feind es erfolgreich geschafft seine Absichten zu verschleiern und nicht den Botschafter mit der Kriegserklärung parallel zu den Truppen losgeschickt.
Dirk Wege sagt:
03.11.2021 um 13:50 Uhr
Und da liegt der Fehler… wenn man wie einst wieder n.a. Truppenteile aufstellt die dann zusammen in Übung bleiben sollen reicht ein Wochenende alle zwei Monate und eine Kompakte zwei Wöchige Übung pro Jahr aus.
Bunte Lehrgänge oder das berühmte Üben auf einem Spiegeldienstposten um Lücken bei der Aktiven Truppe zu füllen sollte es dann ehr weniger geben.
2003 hatte ich das vergnügen mir zufälligerweise die Übung einer Norwegischen Heimwehrkompanie anzuschauen. Die Jungs auf einen Samstag Vormittag mit ihren Autos angerollt…. Koppel und Helm an, Sturmgewehr aus dem Kofferraum geholt. Angetreten fünf Stunden Jagdkampf geübt, danach ab nach Hause und ich bin mir sicher am nächsten Montag standen die alle bei Ihrem Arbeitgeber auf der Matte.
Folgendes unter der Prämisse kein Verteidigungs– und Spannungsfall, dann sähe die Welt wieder anders aus, aber:
Sehe hier auch massive rechtliche Probleme. Zumal es sich um eine nachträgliche Änderung des (Arbeits)Vertrages handelt, für die man bei Einstellung so nicht unterschrieben hat. Das wäre maximal zulässig, wenn es da für Soldat*innen / beamtenähnliches Verhältnis Sonderbestimmungen gibt, die dies ermöglichen. Ein Arbeitsrechtler, den ich dazu bereits befragt habe, verweist zumindest darauf. Muss man jetzt tiefer prüfen.
Durch Aussetzung der Maximaldauer von Wehrübungen (o.g. §6 Abs 6 hebelt ja Abs 1 ausdrücklich aus) wäre somit theoretisch eine unbefristete Beorderung auch weit über das DZE hinaus möglich. Potentielle Arbeitgeber werden dies (natürlich nicht offiziell) ehem. Soldaten definitiv nicht positiv anrechnen.
Massiver Nachteil Ungedienten gegenüber, denn die müssten maximal im V-Fall ran.
Bei Nichteinhaltung einer Beorderung sehe ich auch die tatsächliche Durchsetzung gefährdet. Es werden kaum die Feldjäger tausende ehem. Soldat*innen gewaltsam von ihren neuen Arbeitgebern abholen. Geldstrafen werden ebenfalls anfechtbar und kaum einzutreiben sein.
Wenn die Bw soetwas umsetzen möchte, sollte sie ggf. die Soldat*innen dafür unterschreiben lassen, wie für alles andere auch, und ihnen etwas dafür anbieten, z.B. mehr BFD, etc.
@ Küstengang01
Wenn Sie 100 Soldaten aus dem Heimatschutz für eine Übung oder eine Unterstützungsleistung auf dem Hof haben wollen, brauchen Sie Personal von vier, fünf Kompanien. Das ist meine Erfahrung aus der Praxis. In anderen Ländern haben das Militär und die Reserve eine ganz anderen Stellenwert.
@ThoDan wenn sie aktiver Soldat sind, kann ihnen sicher ihre S4 Abteilung das Formblatt zeigen. Aber soviel dazu: die Soldaten können wählen bzw. ankreuzen was sie wollen.
Auẞer mit Geld wird man da niemand groß anlocken. Mit 300-400 Euro wie hier jemand geschrieben hat wird man nicht mehr als müdes Lächeln bekommen . Die Reservisten heute sind fast alles ehemalige SaZ mit längerer Dienstzeit . Die wissen doch was in der Truppe abgeht , das wird sich kaum einer antun ohne ordentliche Bezahlung
LLFm sagt:
03.11.2021 um 20:22 Uhr
80.000 THW Helfer.
über 1.000.000 Freiwillige Feuerwehrmänner/-frauen
Hunderttausende Ehrenamtliche im Rettungsdienst…. leisten jedes Jahr hunderte Dienststunden und das ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen. Aber sie sind ja der Meinung man müsse Reservisten mit Geld überschütten damit die sich herablassen Dienst für die Gesellschaft zu leisten.
Wenn das mittlerweile die Geisteshaltung deutscher Soldaten ist… dann gute Nacht.
@TrVersBerabr
Je nach Umständen ist Platz halt eben in einer kleinen Wohnung oder gar WG eben knapp
@soldatimheer sagt: 03.11.2021 um 16:49 Uhr
„Sehe hier auch massive rechtliche Probleme. Zumal es sich um eine nachträgliche Änderung des (Arbeits)Vertrages handelt, für die man bei Einstellung so nicht unterschrieben hat.“
Sorry, aber es gibt keinen „Arbeitsvertrag“. Soldaten dienen aufgrund gesetzlicher Grundlage und sofern nicht Wehrpflichtige aufgrund Verpflichtungserklärung.
D.h. der Gesetzgeber kann jederzeit die Rahmenbedingungen ändern (Ausnahmen sind bestimmte „finanzielle“ Rechte wie Pensionen).
Und außerdem bestanden diese Regeln grundsätzlich schon immer. Sie werden jetzt halt nur wieder „angewandt“.
Soldat sein ist eine Grund- und Lebenseinstellung. Wer das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann –> KDV. Alle anderen: Helm auf! Machen!
„Soldat sein ist eine Grund- und Lebenseinstellung. Wer das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann –> KDV. Alle anderen: Helm auf! Machen!“
Viel platter gehts nicht, da ist ja schwarz/weiß Denken ein bunter vielfältiger Strauss dagegen.
@soldatimheer sagt: 03.11.2021 um 16:49 Uhr
Vielleicht sollten Sie sich mal mit den rechtlichen Grundlagen Ihres Dienstverhältnisses beschäftigen, mehr möchte ich zu Ihren Auslassungen zu einem „Arbeitsvertrag“ nicht sagen.
Was die Reservisten angeht, die ausgesetzte Maximaldauer von ehemals Wehrübungen /jetzt Reservedienstleistungen hat nichts mit der Beorderung zu tun. Beordert zu sein heißt nur, das man eine Verwendung/Dienstposten innerhalb der Reserve hat, auf dem man üben kann. Ob Sie dann zu einer Reservedienstleistung (RDL) antreten oder nicht, entscheiden Sie immer noch selber, denn Sie müssen schriftlich Ihr Einverständnis erklären. Alle anderen sind unbeorderte Reservisten.
@all
Die Diskussion um finanzielle Anreize verstehe ich nicht. Ich bekomme ja Geld in dem Moment, in dem ich eine RDL ableiste. Nämlich Unterhaltssicherung und Wehrsold dazu. Man stellt sich im Endeffekt sogar besser.
Und da ich in dem Moment, in dem die RDL beginnt, Soldat bin, habe ich die gleichen Rechte und Pflichten wie jeder andere „aktive“ Soldat auch. Es sind alle Grundlagen und Voraussetzungen vorhanden.
Ich habe es sowieso nicht verstanden, warum man die letzten 10 Jahre die ausgeschiedenen Zeitsoldaten ohne weiteres hat ziehen lassen. Die sind auf dem Stand der Zeit, voll ausgebildet und mit kurzem Vorlauf voll einsatzfähig. Das kann man von einem Soldaten, der in den 80ern seine Wehrpflicht abgeleistet hat eben nicht mehr sagen.
@Küstengang01 sagt: 03.11.2021 um 11:23 Uhr
„Warum können das alle andern besser machen wie wir.“
Das sehe ich nicht so. Jahrzehntelang hatte die Bw eine umfangreiche, voll ausgestattete und ausgebildete Reserve in erheblichem Umfang. Die musste auch keinen Vergleich scheuen. Diese Strukturen und damit nahezu die komplette Reserve wurde dem Sparwahn und der Friedensdividende geopfert. Jetzt fängt man quasi bei Null wieder an, aber man fängt wenigstens wieder an.
Die Grundbeorderung führt zu der kuriosen Situation, dass Verbände ihr ausscheidendes Personal auf Beorderungsdienstposten setzen muss. In Folge stehen diese Dienstposten den Reservisten nicht mehr zur Verfügung, welche sich auf freiwilliger Basis beordern lassen wollen. Dabei ist das wahrscheinlich genau das Personal, welches dann auch tatsächlich RDL durchführt (Die These dahinter: von den „Zwangsbeorderten“ ist ein kleinerer Anteil tatsächlich bereit RDL abzuleisten).
Ich denke hier muss noch nachgesteuert werden. Die Beorderung soll ja dazu dienen, dass man Reservisten tatsächlich in die RDLs bekommt. Es macht wenig Sinn Personen zu beordern, die gar keine bereitschaft haben RDL abzuleisten. Denn auch bei der Grundbeorderung ist das Ableisten der RDL weiterhin freiwillig (mal irgendwelche Spannungs- und Verteidigungsfälle ausgenommen).
@ Flo/Chris
Nicht verstanden. Für Lagen wie „auf der Krim“ hält sich dieser Staat die aktiven Truppenteile.
Die GBO ist für die klassische Reserve gedacht – darüber hinaus vielleicht noch, um die Durchhaltefähigkeit der aktiven Truppe zu erhöhen, aber ganz sicher nicht als „Frontfeuerwehr“.
@Pio-Fritz, ja konkret in der einzelnen Dienstleistung mag das finanzielle alles geregelt sein. Aber, irgendwo muss der einzelne Reservist ja die Zeit dafür hernehmen neben seinem Privat- und Berufsleben.
Plane ich eine Übung für die Reservisten am Wochende => keine finanziellen Verluste die ausgeglichen werden müssen
Urlaub nehmen dafür => wiederspricht der Idee vom Urlaub
Chef sagen „ich bin dann üben 2 Wochen“ => Formal die sauberste Lösung und durchgeregelt. Ähm nicht ganz. Das meine Arbeistkraft wegfällt und die Kollegen Überstunden schieben müssen damit der Auftrag fertig wird oder er anderweitig den Ausfall kompensieren muss ist Risiko des Chefs und nicht jeder Chef findet das lustig. Hier sind ihre Papiere, alles Gute für die Zukunft.
@Pio-Fritz @Koffer
Interessant, wie passiv aggressiv Ihr Ton gleich wird. Ich habe lediglich mit einer Analogie gearbeitet, die übrigens nicht weit hergeholt ist.
„Das Beamtenverhältnis wird vom Dienstherrn einseitig begründet. Dabei legt der Dienstherr auch die Laufzeit der Beschäftigung festgelegt, in der Regel bis zum Lebensende der Beamtin bzw. des Beamten. Auf der Grundlage bestimmter Rechtsvorschriften, z.B. der Hochschulgesetze, können Beamte auf Zeit berufen werden. In diesem Fall endet das Beamtenverhältnis, *anlog zum befristeten Arbeitsverhältnis eines Tarifbeschäftigten*, nach einem in der Ernennungsurkunde bestimmten Zeitraum.“
Für Soldaten ist der Dienstherr der Arbeitgeber. Nach SG erfolgt die Verpflichtung freiwillig für eine bestimmte Zeit. Diese kann ohne Weiteres (ich habe eingangs gesagt, SV/VV würde ich anders bewerten) nicht einseitig verlängert werden. Was sonst im Vertrag geregelt wird, regeln hier Gesetze. z.B. Paragraph 40 SG:
„(1) 1Die Berufung in ein Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit ist längstens bis zu einer Dienstzeit von 25 Jahren zulässig, jedoch nicht über das 62. Lebensjahr hinaus. … (2) Die Dauer der Berufung kann auf Grund freiwilliger Weiterverpflichtung innerhalb der Grenzen des Absatzes 1 verlängert werden.“
Stichwort freiwillig. Aussagen zu meiner Dienstfreude verbitte ich mir.
@Koffer
Loyalität funktioniert nur in beide Richtungen, das jemand den Deal gesetzlich ändern darf, heißt nicht das es richtig und akzeptabel ist.
@Pio-Fritz
Ernsthaft besser? Einschliesslich Gehalt, Zulagen, Zuschläge etc?
@Flo
Am Wochende muß nichts ausgeglichen werden?
Hm und ich dachte seit Jahrzehnten an Wochenenden verdiene ich mehr und mein Chef dürfte an Wochenenden noch weniger bereit sein mich freizustellen als unter der Woche.
Dazu kommt, ich benutze meine Freizeit am Wochenende gern für andere Dinge.