Der Gesprächsfaden wird immer dünner: Russland schließt Vertretung bei der NATO
Die ohnehin seit gut sieben Jahren eingeschränkten Gesprächskontakte zwischen der NATO und Russland sind noch einmal reduziert worden: Russland kündigte die Schließung seiner Vertretung beim Nordatlantischen Bündnis an und wirft die Vertreter der NATO-Militärmission in Moskau zum 1. November raus. Die russische Regierung reagiert damit nach offiziellen Angaben auf das Vorgehen der Allianz, einen Teil der russischen Diplomaten in ihrem Brüsseler Hauptquartier als Geheimdienstmitarbeiter auszuweisen.
Die Entscheidung verkündete der russische Außenminister Sergej Lawrow am (heutigen) Montag in Moskau – das Statement in der vom russischen Außenministerium auf deutsch veröffentlichten Fassung:
Erklärung des Außenministeriums Russlands über Gegenmaßnahmen zu den Beschlüssen der Nato gegenüber der Ständigen Vertretung Russlands bei der Nato in Brüssel
Am 6. Oktober 2021 benachrichtigte das Nato-Sekretariat offiziell über den Beschluss des Generalsekretärs der Allianz, Jens Stoltenberg, ab 1. November 2021 acht Mitarbeitern der Ständigen Vertretung der Russischen Föderation die Akkreditierung zu entziehen sowie ab diesem Datum die gesamte Größe der diplomatischen Mission auf zehn Menschen zu reduzieren. Es wurde keine Erklärung der Gründe vorgelegt.
Die Personalstärke unserer diplomatischen Vertretung in Brüssel wurde durch die Nato bereits zweimal 2015 und 2018 einseitig reduziert – nach dem Beschluss der Allianz vom 1. April 2014, die gesamte praktische und militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und der Nato einzustellen. Zudem wurde der Zugang unserer Diplomaten in das Hauptquartier der Allianz und Verbindungen mit ihrem internationalen Sekretariat maximal beschränkt. Es wurden militärische Kontakte auf Eis gelegt.
Die genannten Handlungen der Nato bestätigen, dass sie nicht an einem gleichberechtigten Dialog und einer gemeinsamen Arbeit zur Deeskalation der militärpolitischen Spannungen interessiert ist. Der Kurs der Allianz gegenüber unserem Land wird zunehmend aggressiver. „Die russische Bedrohung“ wird zur Festigung der inneren Geschlossenheit der Allianz entfacht, um den Anschein ihrer „Gefragtheit“ unter heutigen geopolitischen Bedingungen zu schaffen.
Als Antwort auf diese unfreundschaftlichen Handlungen wurden von der russischen Seite entsprechende Beschlüsse getroffen:
– Angesichts der wegen gezielter Schritte der Nato fehlenden entsprechenden Bedingungen für die Ausübung der diplomatischen Tätigkeit wird die Arbeit der Ständigen Vertretung Russlands bei der Nato, darunter des Militärischen Generalvertreters, eingestellt;
Zur Aufrechterhaltung von Notfallkontakten mit dem Hauptquartier der Allianz wird der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter der Russischen Föderation im Königreich Belgien bevollmächtigt. Nach Ermessen der Allianz kann ein Botschafter eines Nato-Mitgliedstaates in Moskau ähnliche Funktionen erfüllen.
– Die Arbeit der Nato-Militärmission in Moskau wird eingestellt. Die Akkreditierung wird ihren Mitarbeitern ab 1. November 2021 entzogen;
– Die Arbeit des Nato-Informationsbüros in Moskau, das bei der Botschaft des Königreichs Belgien eingerichtet worden war, wird beendet.
Das Internationale Sekretariat der Nato wird über den Beschluss der russischen Seite offiziell informiert.
Die NATO-Maßnahmen, auf die Lawrow offiziell reagiert, hatte der Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, am 7. Oktober öffentlich so begründet:
We have withdrawn the accreditation of eight members of the Russian Mission to NATO, who were undeclared Russian intelligence officers.
This decision is not linked to any particular event, but we have seen over some time now an increase in Russian malign activity, and therefore we need to be vigilant, and of course, we need to act when we see that members of the Russian delegation to NATO conduct activities, which are not in line with their accreditation. Therefore, their accreditation is withdrawn. (…)
The relationship between NATO and Russia is at its lowest point since the end of the Cold War. And that’s because of the Russian behaviour. We have seen their aggressive actions not least against Ukraine, but also the significant military build-up, and violations of important arms control agreements, like for instance the INF Treaty that led to the demise of these treaty that actually banned all the intermediate-range weapon systems.
The decision to withdraw the accreditation of 8 members of the Russian delegation to NATO was done based on intelligence, was done because these are undeclared Russian intelligence officers. And we have seen an increase in Russian malign activities, at least in Europe and therefore we need to act.
NATO’s position, and approach to Russia is consistent and clear, we base it on our dual-track approach deterrence-defense and dialogue. We are ready to engage in meaningful dialogue with Russia. We are ready also to convene a NATO-Russia Council meeting; we have actually invited Russia for a long time. So far, Russia has not responded positively. Therefore, there has not been any meeting in the NATO-Russia Council but we are ready to meet, because we believe that to sit down to talk is always important, but especially important when times are difficult, tensions are high as they are now and therefore, we will continue to strive for a meaningful dialogue with Russia.
I met with Minister Lavrov, at the UN during the UN General Assembly not too many days ago. We were not able to agree on convening a new meeting on the NATO-Russia Council, but I and NATO we remain ready to do so as soon as Russia is ready to meet us.
Nach der Annexion der Krim und angesichts der russischen Unterstützung für Separatisten in der Ost-Ukraine hatte die NATO 2014 die militärische Zusammenarbeit mit Russland eingestellt. Politische Kontakte sollten allerdings bestehen bleiben – wie das nach der heutigen russischen Entscheidung noch funktionieren soll, bleibt offen. Damit kommt es zu einer gefährliche Sprachlosigkeit zwischen dem Bündnis und Russland; die Kontakte zwischen beiden Seiten scheinen inzwischen weniger – und weniger belastungsfähig – als zu Zeiten des Kalten Krieges vor 1989.
(Archivbild: NATO-Generalsekretär Stoltenberg,l. mit Maske, und Lawrow am Rande der UN-Generalversammlung am 22. September 2021 – Foto NATO)
@IamGroot: Ok, ist damit beantwortet (hat sich zeitlich überschnitten)
@Schlammstapfer
„Auch Assad wird der Besitz und sogar der Einsatz von C-Waffen unterstellt, aber keine der berichteten Fälle erwies sich als beweisbar“
Doch, durchaus, zwar in der Zeit des 1. Golfkrieges (1980–1988), aber dennoch. Genauer gesagt durch Ali Hasan al-Madschid at-Tikriti, irakischer Politiker und General. Der Vetter von Saddam Hussein bekam aufgrund der von ihm durchgeführten, von Saddam befohlenen Giftgas-Einsätze von den westlichen Medien den Namen Chemical Ali. (Siehe Wikipedia)
Beim Angriff auf die kurdisch besiedelte Stadt Halabdscha am 16. und 17. März 1988 kamen bis zu 5000 Menschen ums Leben.
Saddam Hussein setzte chemische Kampfstoffe im Ersten Golfkrieg nicht nur gegen die im Nordirak lebenden Kurden ein, vielmehr auch gegen den Iran.
Siehe: Bericht United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission (UNMOVIC) aus 1991.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Giftgasangriff_auf_Halabdscha
@prneost:
Wenn Sie mir jetzt noch erklären, wo ich das gefordert haben soll, wäre ich höchst dankbar. Eine Erläuterung der sicherheitspolitischen Interessenlage von Ländern des ehemaligen Ostblocks (gleich ob Teilrepublik der UdSSR oder Mitglied des Warschauer Pakts) an den historischen Fakten ist jedenfalls für mich nicht gleichzusetzen mit der Forderung, diesen oder jenen Staat trotz grenzkonflikten in die NATO aufzunehmen.
Wobei es natürlich schon bemerkenswert ist, wie viele „eingefrorene“ Konflikte gerade auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion unter maßgeblicher russischer Beteiligung existieren. Man könnte fast den Eindruck hegen, Russland sei an einer Lösung dieser Konflikte gerade aufgrund der bestehenden NATO-Regelungen gar nicht interessiert…
Davon mal abgesehen herrscht zwischen den Niederlanden und Deutschland existiert am Dollart ebenfalls ein territorialer Disput hinsichtlich der Seegrenze der aus grauer Vorzeit herrührt. Gleichermaßen zwischen Deutschland und Dänemark nördlich Sylt und an der Flensburger Förde. Am Bodensee bestehen Unstimmigkeiten über den genauen Grenzverlauf zwischen der Schweiz, Deutschland und Österreich. Slowenien und Kroatien (beide NATO-Mitglieder) streiten um Details ihrer Festland- und Meeresgrenzen. Griechenland und die Türkei streiten um die Zugehörigkeit zweier unbewohnter Inseln in der Ägäis. Frankreich und Italien sind uneins über den Grenzverlauf am Montblanc. Spanien und Portugal sind uneins über die Stadt Olivenza. Das Vereinigte Königreich, die Republik Irland, Island und Dänemark streiten sich um einen Felsen im Atlantik. Und schließlich haben auch Rumänien und Bulgarien einen Streit über ein paar Quadratkilometer Schwarzes Meer.
Sieht ganz so aus, als sei die Zahl der NATO-Mitglieder in Europa mit Territorialdisputen um einiges größer, als die Zahl derjenigen ohne.
@ Metallkopf
Natürlich haben die Russen kein Interesse, dass sich z.B. in Georgien was ändert. Die haben keinen Bock auf NATO-Truppen im Kaukasus. Die haben da schon genug zu tun. Da brauchen die nicht noch einen Destabilisierungsfaktor zusätzlich. Irgendwelche amerikanische Dreibuchstabendienste sind vermutlich doch jetzt schon in Georgien vor Ort. Und was die Grenzkonflikte angeht, gibt es doch, bis auf Griechenland-Türkei, ein kleinen, aber feinen Unterschied. Man benimmt sich meist zivilisiert und bedroht sich nicht gegenseitig. Und ein Glacis ist ja auch keine schlechte Sache. Außer natürlich für die Ukraine. Wie viele Ukrainer wollen eigentlich in die NATO und wie viele nicht? Die Bevölkerung ist ja kein monolithischer Block.
@ Metallkopf
nun, Sie haben die gründe warum diese zwei länder rein wollen, aufgezählt, andere
habens ja geschafft – PL und die balt. staaten aus ähnlichen gründen – daher wollte ich von Ihnen wissen, ob die rein sollten – denn viel zeit bleibt zelensky nicht ;)
UKR hat keinesfalls einen eingefroren konflikt, es ist sehr aktiv und ist quasi zelensky’s raison d’état die verlorenen gebiete wiederanzugliedern. auch türkei und griechenland haben potentiell explosive konflikte wg. gasbohrungen, zypern, stromkabeln und pipelines wg. von der türkei selbst neudefinierter mittelmeer-wirtschaftszone – das hat völlig andere grössenordnung, als wenn mal ein grenzfluss eine aue verschoben – dies sind grenzdispute, wie der grossteil Ihrer aufzählung.
@Schlammstampfer: 2014 hat die Marine sogar eine ihrer 122er Fregatten (Augsburg?) abgestellt, um neben dem Spezialschiff (USS Cape Ray) zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen Wache zu . . . darf man „Wache liegen“ sagen? Wenn ich es richtig erinnere, ist ein Teil der Cape Ray-Ladung via Bremen nach Munster gebracht worden (die befasste 122er immer mit).
In dieser Sache von nicht vorhandenen Beweisen zu faseln ist schon ein starkes Stück.
@ KPK
Ich meinte nicht die Zeit des 1.Golfkrieges sondern den Zeitraum nach der Vertreibung der irakischen Armee aus Kuwait. Damals wurde Sadam Hussain gezwungen eine MengeZugeständnisse zu machen. Ich erinnere an die Flugverbotszonen über dem Nordirak und den Schiitengebieten imSüden. Nach dieser Niederlage hatte der Irak sein C-Waffen Arsenal abgebaut und entsorgt. Als Colin Powell vor die UN trat und von einsatzfähigen C-Waffen im Irak faselte, hatte der Irak keine einsatzfähigen C-Waffen mehr.
Der Angriff auf den Irak mit dem Ziel eines Regimechange (und nebenbei die Gewinnung der Kontrolle über die irakischen Ölreserven) erfolgte auf der Basis einer Lüge.
@Zivi a.D.
Danke für den Hinweis. Ich nehme meine Aussage zum Einsatz von C-Waffen durch die syrische Regierung zurück. Zumindest was den Zeitraum bis 2014 betrifft. Das Problem was ich mit der Berichterstattung über den Konflikt in Syrien habe ist die unzuverlässigkeit. Es gibt einfach keine neutralen Beoachter in diesem Konflikt. Die Meldungen rgendwelcher Aktivisten vor Ort sind nicht überprüfbar. Am allerwenigsten glaube ich Verlautbarungen der sogenannten Weißhelme.
Obwohl man natürlich Chlorgas als Waffe verwenden kann, steht es nicht auf den Listen der C-Kampfstoffe (Syrien ist der C-Waffen Konvention auch nie beigetreten). Das Problem besteht darin, dass in heißen Ländern, wie dem Irak, Chlor als Desinfektionsmitel für die Trinkwasseraufbereitung und die Reinigung von Klimaanlagen verwendet wird. Die Chemikalien, aus denen man Chorgas freisetzen könnte, sind im Land in großen Mengen frei verfügbar und deshalb haben natürlich auch islamstische Terroristen Zugang dazu.
Ob nach 2014 bei Gefechten zwischen der Regierung und den Terroristen Chlorgas eingesetzt wurden (und von welcher Seite), oder ob durch Waffenwirkung gelagerte Chemikalien freigesetzt wurden, ist aufgrund der Unzuverlässigkeit der Quellen bislang nicht eindeutig nachweisbar gewesen. Die Frage, ob sich der Irak an die 2013 auf Druck der UN ausgesprochene Verpflichtung zur Vernichtung aller C-Waffen gehalten hat, ist nicht überprüfbar. Es gibt halt keine unabhängigen und vertrauenswürdigen Quellen.
Das Problem Sadam Husseins ist jedenfalls nicht unser Problem. Es ist das Problem der Syrer und nur die Syrer haben das Recht, es zu lösen. Ohne die Einmischung des Westens in diesen Konflikt wäre er jedenfalls schon lange vorbei und Syrien würde heute nicht in Trümmern liegen.
[Ihre Meinung ist Ihre Meinung, wir bleiben aber schon bei den Fakten.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/opcw-mitglied-syrien-tritt-chemiewaffen-konvention-bei-a-927714.html
T.W.]