Abschlussappell und Großer Zapfenstreich: Bundeswehr zieht vorläufigen Schlussstrich unter Afghanistan-Einsatz
Mit einem Abschlussappell und einem Großen Zapfenstreich zieht die Bundeswehr einen vorläufigen Schlussstrich unter fast 20 Jahre Einsatz in Afghanistan. Die Aufarbeitung des deutschen Engagements am Hindukusch ist noch lange nicht abgeschlossen; mit dem feierlichen Zeremoniell wollen die Streitkräfte aber einen eigenen Abschluss schaffen.
Rund 93.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten waren in diesen fast zwei Jahrzehnten Teil der deutschen Afghanistan-Kontingente. (Hinweis: die bislang kursierende Zahl von mehr als 150.000 hat das Verteidigungsministerium inzwischen korrigiert; dabei waren Soldaten mit mehreren Einsätzen mehrfach gezählt worden.) Mehr als 200 von ihnen werden stellvertretend für die vielen anderen am (heutigen) Mittwochnachmittag auf dem Paradeplatz des Bendlerblocks antreten, flankiert von einer Ehrenformation des Wachbataillons und dem Musikkorps der Bundeswehr.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird zu ihnen sprechen, ebenso die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nach einem Empfang von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble folgt dann der Große Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude, auch der ausdrücklich als Würdigung der Soldaten in dieser Mission.
Der Große Zapfenstreich wird dabei mit einer für dieses höchste militärische Zeremoniell ungewöhnlichen Ehrung verbunden: Auf dem Podest, vor dem die Musiker und die Ehrenformation aufziehen, stehen nicht wie üblich hochrangige Politiker oder verabschiedete Generale, sondern zwei Einsatzsoldaten. Oberstabsfeldwebel Jens Burdinski, ein Panzergrenadier mit rund 1.700 Tagen im Afghanistan-Einsatz, und Oberfeldarzt Katharina Siegl, eine Bundeswehrärztin mit dreimaliger Einsatzerfahrung am Hindukusch. Ihnen wird Oberstleutnant Kai Beinke, der als Kommandeur des Wachbataillons den Großen Zapfenstreich durchführt, das Antreten melden.
Die Sanitätsoffizierin und der Panzergrenadier stehen dort stellvertretend für die Veteranen – und für einen Soldaten, der nicht zurückgekehrt ist: Burdinski und Siegl waren beide dabei, als am 2. Juni 2011 ein Schützenpanzer „Marder“ in der afghanischen Provinz Baghlan auf eine Sprengfalle fuhr und der Oberstabsgefreite Alexej Kobelew in diesem Gefechtsfahrzeug ums Leben kam. An die 59 Toten dieser Einsätze am Hindukusch, darunter 35 durch Feindeinwirkung Gefallene, erinnern die Streitkräfte zudem vor dem Abschlussappell in einer nicht-öffentlichen Gedenkstunde am Ehrenmal der Bundeswehr am Bendlerblock.
Der Abschluss der Bundeswehr kommt mitten in eine Debatte, die nach dem überhasteten Abzug aus Afghanistan nicht nur die Frage nach dem Ergebnis des langen Engagements am Hindukusch stellt – sondern auch nach den Lehren für laufende Einsätze wie in Mali und die künftigen Missionen der Streitkräfte. Da wird interessant, wie die (Noch-)Verteidigungsministerin, vor allem aber Bundespräsident in ihren Reden beim Abschlussappell in die Zukunft blicken.
(Hinweis: Sowohl der Abschlussappell – ab ca. 14.15 Uhr – als auch der Große Zapfenstreich – ab ca. 18.45 – werden live von mehreren TV-Sendern übertragen. Ich selbst werde bei Phoenix live als Co-Kommentator beide Ereignisse begleiten.)
(Archivbild: Deutsche Soldaten bei einer Langzeitpatrouille in der Region um Feyzabad im Nordosten Afghanistans (Datierung unklar, 2007 oder 2009), damals noch mit praktisch ungeschützten Fahrzeugen) – Cpl. John Scott Rafoss USMC via ISAFmedia)
@Landmatrose3000
Dann machen Sie doch mal einen Vorschlag inkl. Umsetzung. Kritik ohne Verbesserungsvorschlag ist sinnlos. Und was ist gegen das K98 einzuwenden? So ein G36 sieht eben einfach nicht gut aus zum präsentieren. Finden die US-Marines auch, die tragen auch noch das M-14. So etwas nennt sich Ordonnanzwaffe.
Den Helm könnte man tatsächlich ersetzen. Aber wodurch? Barett und Schiffchen? Schirmmmütze? Narrenkappe? Sie sehen, kreative Vorschläge sind gefragt, keine erhobenen Zeigefinger.
@Pio-Fritz
Immerhin tragen die K98 jetzt kein „Kreuz“ mehr. Andere Armeen (z.B. die französische) präsentieren durchaus mit der aktuellen Langwaffe. Allerdings läßt sich das preußische Exerzierreglement mit einem G36 schlecht darstellen.
Und das USMC oder die Old Guard tatsächlich nur bei ganz besonderen Anlässen mit dem M14.
@EDHI sagt: 15.10.2021 um 22:46 Uhr
„Man muss ja nicht das ganze Zeremoniell abschaffen, schon kleine Veränderungen, beispielsweise Barett statt Protokollhelm, hätten die Debatte wahrscheinlich schon im Keim entschärft.“
Sorry, aber das glauben Sie doch bitte selbst nicht. Wenn es nichts der Helm gewesen wäre, sinds die Fackeln, sind nicht die Fackeln, ist es die Öffentlichkeit (Militarisierung des öffentlichen Raums ist hier die Kritik von Linken und teilweise von Grünen), ist es nicht die Öffentlichkeit sind es die Stiefel, etc. etc. etc.
Haters gonna hate.
Einfach ignorieren.
Was kümmert es die deutsch Eiche…
@ Karl Mohr 15.1., 13:39
Ist es nicht so, dass sich der Geehrte ein Musikstück aussuchen darf oder trügen mich da meine Erinnerungen?
Vielleich hat der Oberstabsfeldwebel oder die Frau Oberfeldarzt sich die Filmmusik ausgesucht. Dann wäre Ihr Vorwurf von wegen „Hollywood“ haltlos. Könnte man ja mal prüfen.
[Hat man natürlich geprüft, also ich habe geprüft und das auch bei der Live-Kommentierung auf Phoenix erzählt: Die Auswahl wurde von Protokoll BMVg in Abstimmung mit dem Leiter Musikkorps getroffen und abschließend vom Ministerbüro gebilligt. T.W.]
EDHI:
Könnte man machen, Barett statt Protokollhelm. Damit das bei „Helm – ab/auf“ auch praktisch funktioniert, darf man nur noch Personal einstellen, das über drei Arme und Hände verfügt. Oder man bricht sich einen ab, wie beim unseligen „Maske auf/ab“.
Wer sich daran stört, dass beim Militär bisweilen Helme getragen werden, der sollte sich mal überlegen, wo nun der Fehler liegt: beim Helm oder bei sich selbst und seinen Vorstellungen.
Es wurde ja schon angesprochen: es ist mitnichten bekannt, wie viele Menschen sich am Großen Zapfenstreich nun wirklich stören.
Wer Militär will, der muss auch das Militärische zulassen. Rosinen rauspicken (Militär ja, aber Tradition/Militärisches bitte nicht oder ab in die Kaserne und still sein) ist unredlich – mal ganz davon abgesehen, dass es dann offenbar nur noch Lippenbekenntnisse sind, dass man ja Streitkräfte und keinen „Staat im Staate“ haben möchte, letzteres aber de facto fordert.
Interessant ist auch: Aus demselben politischen Lager, das nun mit dem Zapfenstreich hadert, wird beim Thema „Integration“ stets und ständig betont, dass dies ja keine Einbahnstraße sei und man ja auch tolerant sein müsse. In diesem Fall gilt das natürlich nicht, da gibt es nur die Einbahnstraße und wer alleinig bestimmt, was gut und richtig ist, daran wird kein Zweifel gelassen.
Natürlich müssen sich Traditionen überprüfen und ändern lassen – aber das sollte an hohe Hürden und klare, sachlich-objektive Bedingungen geknüpft sein.
@Dirk Wege sagt: 16.10.2021 um 4:22 Uhr
„Ist es nicht so, dass sich der Geehrte ein Musikstück aussuchen darf oder trügen mich da meine Erinnerungen?
Vielleich hat der Oberstabsfeldwebel oder die Frau Oberfeldarzt sich die Filmmusik ausgesucht. Dann wäre Ihr Vorwurf von wegen „Hollywood“ haltlos. Könnte man ja mal prüfen.“
Ehrlich gesagt finde ich die Kombination nicht ungeschickt.
Durch den Sündenfall einiger Politiker (Schröder „I did it my way“, Guttenberg „Smoke on the water“) ist es in den letzten Jahren ja sowieso leider viel zu häufig moderne Musik.
Da war die Kombination für diesen Zapfenstreich mEn ein gelungener Kompromiss.
Vielleicht kann man hier sogar positiv formulieren und statt von einem „Kompromiss“ von einer „behutsamen aber gelungenen Weiterentwicklung“ eines alten Zeremoniells sprechen.
Man hat glücklicherweise am eigentlich Zeremoniell nichts geändert (jetzt mal Wüstentarn außen vor), aber dennoch durch die Musik Formensprache „verständlicher“ für heutige Soldaten gemacht.
@Hans Dampf sagt: 16.10.2021 um 7:22 Uhr
„Wer Militär will, der muss auch das Militärische zulassen. Rosinen rauspicken (Militär ja, aber Tradition/Militärisches bitte nicht oder ab in die Kaserne und still sein) ist unredlich – mal ganz davon abgesehen, dass es dann offenbar nur noch Lippenbekenntnisse sind, dass man ja Streitkräfte und keinen „Staat im Staate“ haben möchte, letzteres aber de facto fordert.“
+1
„Interessant ist auch: Aus demselben politischen Lager, das nun mit dem Zapfenstreich hadert, wird beim Thema „Integration“ stets und ständig betont, dass dies ja keine Einbahnstraße sei und man ja auch tolerant sein müsse. In diesem Fall gilt das natürlich nicht, da gibt es nur die Einbahnstraße und wer alleinig bestimmt, was gut und richtig ist, daran wird kein Zweifel gelassen.“
Richtig.
Außerdem ein seltsames Verständnis von Innerer Führung und Staatsbürger in Uniform, wenn man den Soldaten vorgeben möchte, was gut und richtig ist in einer Frage, die zweifelsohne nichts mit der rechten und linken Grenze (FDGO etc.) zu tun hat.
„Natürlich müssen sich Traditionen überprüfen und ändern lassen – aber das sollte an hohe Hürden und klare, sachlich-objektive Bedingungen geknüpft sein.“
Und es muss auch durch die Truppe angenommen werden. Und damit meine ich alle Ebenen. Um Traditionen und Formen zu ändern darf ich nichts tun was nicht vom Landser bis zum General weitgehend begrüßt, akzeptiert oder zumindest akzeptierend „hingenommen“ wird.
Es gibt schlichtweg keinen Grund ein erprobtes Ritual anzupassen.
NACHTRAG
–> Vielleicht kann man hier sogar positiv formulieren und statt von einem „Kompromiss“ von einer „behutsamen aber gelungenen Weiterentwicklung“ eines alten Zeremoniells sprechen. Man hat glücklicherweise am eigentlich Zeremoniell nichts geändert (jetzt mal Wüstentarn außen vor), aber dennoch durch die Musik Formensprache „verständlicher“ für heutige Soldaten gemacht.
Damit meine ich durch Einbettung EINES modernen Stücks (was aber dennoch klassisch arrangiert war!) in zwei „normale“ Militärmärsche.
@ Pio-Fritz sagt:
15.10.2021 um 22:58 Uhr
Ich starte jetzt hier keine Wünsch-Dir-Was-Anzugdebatte ;-) Ich glaube, dass die Frage wie BW der Öffentlichkeit im wirklichen Leben entgegen tritt etwas vernachlässigt wurde und hier Nachholbedarf besteht.
@ Koffer
„Haters gonna hate“
Ist mir etwas zu polarisierend, wenn mit Haters auch alle gemeint sein sollten, deren eher „ästhetische“ Kritik sich eben auf das Erscheinungsbild richtet.
@Koffer, das die zu Ehrenden in diesem Fall Wüstentarn getragen haben hat für mich aber nix mit dem eigentlichen Zeremoniell zu tun. Bei den nächsten beiden, öffentlichen, großen Zapfstreichen wird zivil getragen. Da hat man aber eine, für mich, gute Form gefunden deutlich zu machen das es um die Beteiligten an einem Einsatz geht.
Auch wenn es sich hierbei in erster Linie um C- Promis handelt mit denen man Nachsicht haben sollte…….wann hat sich eigentlich der Ströbele das letzte Mal darüber aufgeregt das der Bundestag im Reichstag sitzt, wo ja alle Nazigrössen über Jahre getagt haben oder das Berlin die Hauptstadt ist, wie schon unter den Nazis? Wären Hamm oder Pforzheim da nicht die bessere Wahl gewesen, inklusive dem kompletten Neubau des Regierungssitzes? Ober ist das jetzt was anderes?
Wie bereits gesagt wurde, haters gonna hate.
Bezeichnend, dass hier so viel über den Großen Zapfenstreich diskutiert wird und so wenig über die Aufarbeitung des Einsatzes. Die Nebelkerze der Politik hat ihren Dienst getan.
Sowohl die Verteidigungsministerin als auch der Bundespräsident haben etwas von Aufarbeitung geredet. Wo ist sie denn? Bedarf es dazu tatsächlich erst des Abzuges der Bundeswehr (hier FF), um sich seitens der Regierung und der Gesellschaft die entsprechenden Fragen zu stellen?
– Was waren die Ziele des Einsatzes?
– Wurden diese erreicht?
– Wenn nein, warum nicht?
– Was lernen wir daraus für die aktuellen und zukünftigen Einsatze (am Beispiel MALI: Was sind die Ziele? Was ist die Exitoption und bei welchen Umständen wird diese gezogen?)?
– Wäre die Bundeswehr immer noch in AFG, hätte die amerikanische Regierung der deutschen nicht die Entscheidung abgenommen?
Wo ist die Aufarbeitung? Wird sie in der Gesellschaft diskutiert oder wenigstens durch die Regierung öffentlichkeitswirksam kommuniziert?
Stattdessen lässt sich die Bundeswehr und die Zivilgesellschaft mit einem 35minütigen Zeremoniell abspeisen, bei welchem nicht einmal die Bundeskanzlerin spricht (verantwortlich für die Richtlinien der Politik in 16 von den 20 Jahren des Afghanistaneinsatzes). Und diskutiert die Form des Zeremoniells.
Wahrlich, diese Gesellschaft verdient die Regierung, die sie hat.
@jabberwocky
Dieser Faden beschäftigt sich mit dem Großen Zapfenstreich als an Topp gesetztes Thema.
Die Aufarbeitung des Einsatzes finden Sie in einem halben Dutzend (?) Fäden zuvor seit dem Frühjahr, nachdem Biden den U.S. Truppenabzug endgültig zum August festgesetzt hatte.
Der „Startschuss“ zur Bilanzdebatte erfolgte am 30.09.21. – der Startschuss wohlgemerkt.
Einfach mal informieren.
https://www.bmvg.de/de/bilanz-zum-afghanistan-einsatz
Mit dem Übergang zur neuen BR wird die Aufarbeitung u.U. einen anderen Zungenschlag.
bekommen, jedenfalls hinsichtlich politischer Bewertung, was spannend werden kann.
Ihre Behauptung „Bundeswehr und die Zivilgesellschaft ließe sich mit 35minütigen Zeremoniell abspeisen … wo ist die Aufarbeitung“ entbehrt jeder Grundlage.
Falls es entgangen sein sollte, im III. Quartal war Wahlkampf, wohlweislich ohne Afghanistan, jetzt im IV. läuft die Regierungsbildung, nota bene gleichfalls ohne Afghanistan.
@jabberwocky sagt: 26.10.2021 um 19:59 Uhr
Ich denke nicht, dass man militärische Formen mit politischen Inhalten verwechseln sollte.
Ein Zapfenstreich ist ein Zapfenstreich (da wird gar nicht gesprochen, auch nicht von der BK).
Ein Aufarbeitung ist eine Aufarbeitung.