Abschlussappell und Großer Zapfenstreich: Bundeswehr zieht vorläufigen Schlussstrich unter Afghanistan-Einsatz
Mit einem Abschlussappell und einem Großen Zapfenstreich zieht die Bundeswehr einen vorläufigen Schlussstrich unter fast 20 Jahre Einsatz in Afghanistan. Die Aufarbeitung des deutschen Engagements am Hindukusch ist noch lange nicht abgeschlossen; mit dem feierlichen Zeremoniell wollen die Streitkräfte aber einen eigenen Abschluss schaffen.
Rund 93.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten waren in diesen fast zwei Jahrzehnten Teil der deutschen Afghanistan-Kontingente. (Hinweis: die bislang kursierende Zahl von mehr als 150.000 hat das Verteidigungsministerium inzwischen korrigiert; dabei waren Soldaten mit mehreren Einsätzen mehrfach gezählt worden.) Mehr als 200 von ihnen werden stellvertretend für die vielen anderen am (heutigen) Mittwochnachmittag auf dem Paradeplatz des Bendlerblocks antreten, flankiert von einer Ehrenformation des Wachbataillons und dem Musikkorps der Bundeswehr.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird zu ihnen sprechen, ebenso die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nach einem Empfang von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble folgt dann der Große Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude, auch der ausdrücklich als Würdigung der Soldaten in dieser Mission.
Der Große Zapfenstreich wird dabei mit einer für dieses höchste militärische Zeremoniell ungewöhnlichen Ehrung verbunden: Auf dem Podest, vor dem die Musiker und die Ehrenformation aufziehen, stehen nicht wie üblich hochrangige Politiker oder verabschiedete Generale, sondern zwei Einsatzsoldaten. Oberstabsfeldwebel Jens Burdinski, ein Panzergrenadier mit rund 1.700 Tagen im Afghanistan-Einsatz, und Oberfeldarzt Katharina Siegl, eine Bundeswehrärztin mit dreimaliger Einsatzerfahrung am Hindukusch. Ihnen wird Oberstleutnant Kai Beinke, der als Kommandeur des Wachbataillons den Großen Zapfenstreich durchführt, das Antreten melden.
Die Sanitätsoffizierin und der Panzergrenadier stehen dort stellvertretend für die Veteranen – und für einen Soldaten, der nicht zurückgekehrt ist: Burdinski und Siegl waren beide dabei, als am 2. Juni 2011 ein Schützenpanzer „Marder“ in der afghanischen Provinz Baghlan auf eine Sprengfalle fuhr und der Oberstabsgefreite Alexej Kobelew in diesem Gefechtsfahrzeug ums Leben kam. An die 59 Toten dieser Einsätze am Hindukusch, darunter 35 durch Feindeinwirkung Gefallene, erinnern die Streitkräfte zudem vor dem Abschlussappell in einer nicht-öffentlichen Gedenkstunde am Ehrenmal der Bundeswehr am Bendlerblock.
Der Abschluss der Bundeswehr kommt mitten in eine Debatte, die nach dem überhasteten Abzug aus Afghanistan nicht nur die Frage nach dem Ergebnis des langen Engagements am Hindukusch stellt – sondern auch nach den Lehren für laufende Einsätze wie in Mali und die künftigen Missionen der Streitkräfte. Da wird interessant, wie die (Noch-)Verteidigungsministerin, vor allem aber Bundespräsident in ihren Reden beim Abschlussappell in die Zukunft blicken.
(Hinweis: Sowohl der Abschlussappell – ab ca. 14.15 Uhr – als auch der Große Zapfenstreich – ab ca. 18.45 – werden live von mehreren TV-Sendern übertragen. Ich selbst werde bei Phoenix live als Co-Kommentator beide Ereignisse begleiten.)
(Archivbild: Deutsche Soldaten bei einer Langzeitpatrouille in der Region um Feyzabad im Nordosten Afghanistans (Datierung unklar, 2007 oder 2009), damals noch mit praktisch ungeschützten Fahrzeugen) – Cpl. John Scott Rafoss USMC via ISAFmedia)
@ T.W
Ich finde Sie machen einen Super Job, und freue mich darauf Sie bei Phönix zu hören. Aber die Aufteilung zwischen „gefallenen“ Soldaten, und nicht durch Feineinwirkung gestorbene Soldaten, finde ich nicht richtig.
Warum nicht als drittes im Bunde ein Vertreter des KSK?
Ohne negative Gedanken, wundert es mich dass die ohne Feindeinwirkung verstorbenen Soldaten bei den Gefallenden mitgezählt werden. Sollte es nicht doch einen Unterschied machen zwischen im Gefecht getötet und im Büro einen Herzanfall gekriegt?
[Werden Sie nicht, jedenfalls nicht hier auf AG und nicht von mir. T.W.]
Oberstleutnant meldet gehorsamts dem Herrn Oberstaber und der Frau Oberfeldarzt. Was soll das? BuPrae, BTPr & IBUK stehen milde laechelnd daneben, die versammelte Polit-Prominenz klatscht ergeben, waehrend dieses Sinnbild des inneren Verfalls der Streitkraefte seinen Lauf nimmt, live und in Farbe in alle Welt uebertragen? Wer denkt sich sowas aus?
[Äh? Sinnbild des inneren Verfalls der Streitkräfte? T.W.]
Kann irgendwie immer noch keine Informationen für interessierte Bürger bzgl. einer Teilnahme als Zuschauer beim BMVg finden. Nur eine Pressemitteilung, die sich an Journalisten wendet.
Auch ich, als ehemaliger Zeitsoldat der Bundeswehr, in Hannover, danke allen denen Soldatinnen und Soldaten die in Afghanisten ihren Dienst taten.
Ich ziehe meine Hut für die mutigen und tapferen Einsätze.
Ich trauere über die gefallenen
Soldaten. Ruhen sie in Frieden.
AKK, die beste Rede, die sie jemals gehalten hat. Ich denke der Tag heute in Berlin, macht einiges wieder wett, was die Politik unserer Armee schuldig geblieben ist.
Alle Achtung vor unserer Bundeswehr!
Sie hat es verdient für ihren Einsatz gewürdigt zu werden, auch wenn die politische Rechtfertigung fragwürdig ist.
Unsere Bundeswehr sollte in erster Linie zur Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt werden.
Dabei ist es ein unbedingtes Erfordernis das die Einsatzbereitschaft garantiert wird. Das erfordert eine hochqualifizierte Ausbildung auf höchstem Niveau und eine Garantie der Einsatzbereitschaft der Technik in allen Fachbereichen.
Dazu gehört auch, das die politische Führung in personeller Hinsicht befähigt ist das zuständige Ministerium zu führen.
Alles Gute für unsere Bundeswehr.
Hartmut Diez
Ist dieses Ereignis von langer Hand -also vor den Geschehnissen im August- geplant worden oder nur ein Zugeständnis an das allgemeine Unverständnis über das etwas „lieblose“ Ende nach 20 Jahren AFG Einsatz? Ich will keine Haarspalterei betreiben, aber der Zeitpunkt wann dieser Zapfenstreich befohlen wurde stellt mMn einen Indikator dar wie ernst die militärische und politische Führung das Andenken wirklich nimmt.
[Fakten-Antwort: Appell und Zapfenstreich waren ursprünglich schon für den 26. August geplant, wurden dann aus offensichtlichen Gründen verschoben. T.W.]
Ich möchte ein Blick darauf lenken, dass Soldaten unserer Bundeswehr im Auftrage unseres Parlaments ihre Dienst geleistet haben, teilweise unter großen Gefahren und neben den 59 Gefallenen gibt es eine große Zahl verwundeter und anderweitig geschädigter Soldaten. Man kann unterschiedlicher politischer Meinung sein, aber die Soldatinnen und Soldaten waren in unserem Auftrag dort und haben den heute ENDLICH gezeigten Respekt und Dank verdient.
Ein würdiger Abschluss!
Interessierte dringen jedoch seit langem darauf, den Einsatz, seine Erfolge, Kosten und Misserfolge nach zwanzig Jahren endlich einmal gründlich auszuwerten. Das ist mitnichten erfolgt.
Tenor der Bundeswehr sollte sein, wo liegt die in den vergangenen 20 Jahren gezeigte SOLDATISCHE Leistung?
Es ist interessant, wie viele der Kommentatoren sich nicht daran erinnern können oder wollen, daß dieser Einsatz, als er begann und es um diese Frage noch ging, von der überwältigenden Mehrheit der deutschen Gesellschaft befürwortet, teilweise bejubelt wurde.
Die weitverbreitete und ehrliche Hoffnung war tatsächlich, dieses Land vom Joch des Islamismus, des Patriachats, der archaischen Stammesherrschaft, der Armut, der nicht vorhandenen Bildung und dem Hunger zu befreien und die Gesellschaft dort besser zu machen. Das schon sprichwörtliche Sinnbild war das „afghanische Mädchen“, das dank der militärischen Intervention endlich in die Schule gehen darf.
Noch vor kurzem gefielen sich Politiker mit Bewertungen wie diesen:
„Die größten Erfolge liegen darin, dass wir den internationalen Terrorismus, der 2001 von Afghanistan aus die Welt und auch Deutschland bedroht hat, zerschlagen konnten und dass das Land damit einen Weg der zivilen Entwicklung gehen konnte.“
„Die Bundeswehr war professionell im Einsatz. Sie hat unserem Land und unseren Bündnispartnern einen wichtigen Dienst geleistet. Der Einsatz ist daher ein Erfolg, denn Afghanistan bietet bis heute keinen Rückzugsraum für internationalen Terror. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr können stolz auf sich sein.“
WAS bleibt nun davon? Ist es tatsächlich ein Erfolg?
Die langjährige Karzai-Regentschaft, gefolgt von Präsident Ghani gaukelte z.B. ein stabiles Land vor, aber von Anfang an zeigte sich, dass die mit 9/11 aufgekommene Theorie der „asymmetrischen Kriegführung“ es Terroristen ermöglicht, Armeen zu bekämpfen, vor allem die afghanische Armee und auch dortige Polizeikräfte.
Liegt das eigentliche Scheitern nun darin, dass neue und alte Terroristen im Lande allgegenwärtig bleiben, den Frieden in der Welt erneut bedrohen und militärisch kaum zu bekämpfen sind?
Afghanistan ist nun einer der best behütesten Rückzugsräume für internationalen Terror!
Rückzugsraum für transnational operierende Terroristen und Dschihadisten!
Bestens ausgebildete und letztlich durch die USA ausgerüstete Terroristen, Söldner und Kriminelle.
Verbrecher, mit denen wir nun auch noch verhandeln.
Doch das will keiner der früheren Verantwortlichen hören.
Zurück zum SOLDATISCHEM Handwerk.
Der letzte Kommandeur des Kontingents RS, Ansgar Meyer, sagte im Frühjahr der „Süddeutschen Zeitung“: „Der Einsatz hat die Bundeswehr fundamental verändert. Sie ist erwachsener geworden. Sie wurde erstmals mit einer größeren Zahl an Gefallenen konfrontiert und hat an der Seite vieler alliierter Nationen erlebt, was Krieg wirklich ist.“
Ich mag solche hochtrabenden Thesen nicht.
Harte, teils verlustreichen Kämpfe gab es im Rahmen der Mission „Isaf“ (2001 bis 2014)! Doch es war nicht bestimmend und prägend, denn es waren wenige Gefechte. Aufstandsbekämfung fand kaum statt. Krieg war Alltag! Aber für wenige und das wurde ja sogar noch kange geleugnet! Das hört man nicht gern, doch das gehört z.B. in die Bilanzierung,
Die BW war seit 2015 an der Nato-geführten Ausbildungsmission „Resolute Support“ beteiligt. Diese sah nicht mehr vor, Aufständische oder Terroristen zu bekämpfen. Daher auch auch keine Kämpfe.
LV/BV ist etwas völlig anderes, da nutzt die o.g. Prägung nur bedingt.
Ein schöner Zapfenstreich, ich finde das war angemessen und richtig, Thomas war richtig gut.
Zwei Anmerkungen :
1. Ohne den Blog hier hätte es den Appell und den Zapfenstreich vermutlich nicht gegeben.
2. Der Kommentator neben dem Hausherrn wirkte ahnungslos und unmotiviert, schon alleine
nach den Anmerkungen von T.W. das die Bw mit Tornado Aufklärung macht und die Niederlande
dann unsere Soldaten mit Kampfjets „raushauen“ musste hatte er (vermutlich) weder verstanden oder
es hatte ihn nicht interessiert…
[Danke für das Lob, aber Erhard Scherfer von Phoenix tun Sie Unrecht… T.W.]
Sehr geehrter Herr Wiegold, geschätzte Mitleser/Kommentierer,
vielen Dank an den Hausherrn für die gute Co-Moderation heute zu den verschiedenen Veranstaltungen!
Ich finde AKK und auch der Bundespräsident haben gute, ehrliche Reden gehalten, die vieles auf den Punkt gebracht haben. Allein bleibt abzuwarten, wer von den aktuellen und kommenden Verantwortungs- und Entscheidungsträgern im Land sich genötigt gefühlt haben, sich den einen oder anderen Satz aus den Reden ins Brevier zu schreiben…
Noch eine Frage zur Serenade: Die Auswahl der Stücke war sehr gut. Ich habe mich aber nicht zum ersten Mal gefragt, warum nicht auch der „Marsch der Bundeswehr“ zu solch einem Anlass gespielt wird?!?
Am heutigen Tag bleibt mir nur zu sagen: Dank und Respekt für unsere Soldatinnen und Soldaten! Zu den Lehren und Schlussfolgerungen aus dem Afghanistan-Einsatz gibt es noch viel zu sagen, aber nicht heute.
PS: @T.W. Die Wahl zwischen ARD und Phoenix fiel leicht :)
@Gruffy sagt: 13.10.2021 um 13:16 Uhr
„Ich finde Sie machen einen Super Job, und freue mich darauf Sie bei Phönix zu hören. Aber die Aufteilung zwischen „gefallenen“ Soldaten, und nicht durch Feineinwirkung gestorbene Soldaten, finde ich nicht richtig.“
Ich kann Ihr Unbehagen verstehen, aber im Ergebnis finde ich es richtig. Gefallen ist nun einmal gefallen, dass ist etwas anderes als ein Selbstmord oder ein Verkehrsunfall wie er auch im Frieden und in DEU tagtäglichen passieren kann und auch in der häufig passiert.
@JMWSt sagt: 13.10.2021 um 21:42 Uhr
„Noch eine Frage zur Serenade: Die Auswahl der Stücke war sehr gut. Ich habe mich aber nicht zum ersten Mal gefragt, warum nicht auch der „Marsch der Bundeswehr“ zu solch einem Anlass gespielt wird?!?“
Weil es ein handwerklich nicht besonders ungewöhnlicher/herausragender und insgesamt weder bei Publikum noch bei Musikkorps besonders beliebter Marsch ist. Man kann ihn glaube ich am besten mit „solide“ beschreiben. Er wurde halt damals in Auftrag gegeben zum Jubiläum und war der beste oder zumidnest erfolgreichste der Eingereichten, aber das macht ihn nicht zur Spitze…
Die gewählte Form aller heutigen (Teil-) veranstaltungen empfand ich als angemessen und würdevoll. Mir fiele auch keine ernsthafte Alternative dazu ein. Das unvermeidliche Herumkritteln einiger Nörgler, – nun ja.
Die Reden des BuPräs und der VgMin‘in waren erstaunlich selbstkritisch.
Eine solche offene Zäsur habe ich seit Jahren vermisst.
Folgen daraus keine ernsthaften Konsequenzen für die Mandatierung, Planung und Umsetzung aktueller und zukünftiger Einsätze und Krisenmanagments, dann käme das einem moralisch- politischen Zusammenbruch gleich. Für Viele sichtbar, hat die politische Führung dieses Staates die Hand in eine offene, schlecht heilende Wunde gelegt. Sehr spät, aber immerhin.
Nun geht es um nichts weniger als Wiederherstellung von vielerorts verloren gegangen Vertrauens. Das ist schwerwiegend und mehr als kurzatmiges tagespolitisches Gezänk.
Sollte jedoch alles beim alten bleiben- dann wurde nicht nur ein Land (AFG) und seine Menschen verloren, sondern Integrität, Loyalität, Treue (zum Dienstherrn und Eidnehmer) wären viele Soldaten einer inneren Zerreißprobe ausgesetzt. Das möchte ich nicht erleben müssen, weil dieser Tag durchaus positive Signale hatte und die Vorstellung vermittelte, wir könnten irgendwie gestärkt aus diesen Einsichten herausgehen.
Jedenfalls ist das der Rest von Zuversicht in mir nach jahrelanger Desillusionierung und vollzogener Distanzierung.
Ihre Einlassungen und Kommentare, T.W., waren ebenfalls sehr gut. Sie öfters zu sehen und hören, würde dem Ziel, Qualitätsjournalismus in die öffentl./rechtl. Sendeanstalten zu bringen, ein schönes Stück näherbringen.
Ich bin sonst hier nur stiller Mitleser, mich würde aber ehrlicherweise einmal die Sicht der Soldatinnen und Soldaten hier interessieren, wie Sie zu der im historischen Rückblick eher zweifelhaften Fackelinszenierung stehen.
Bitte lesen, in Politik und Truppe.
@BoelkeStefan / @GSPSipo Halle (Saale)
„Hier ist Krieg!“ Einsatztagebuch von Hauptfeldwebel Markus Götz: Als Gruppenführer einer Kampfkompanie notiert er täglich seine Erlebnisse im ISAF-Einsatz 2010 (#ZMSBw)
#Afghanistan #Bundeswehr
…
https://bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/zentrum-militaergeschichte-sozialwissenschaften/zmsbw-publikationen-goetz-afghanistantagebuch-5225754
Aus meinem Chat mit Herrn Bölke
1. Das Tagebuch ist 2010 entstanden. Die Aufarbeitung und Edition des Textes fand erst in den letzten Jahren am ZMSBw statt. Für das Buch gab es auch eine enge Zusammenarbeit mit dem EFK. Besonders heikel bei solchen Projekten sind die „noch eingestuften Dokumente“ aus dem Einsatz.
2. … auch sehr viel Mühe und Akribie in die Edition eingeflossen. Die Kommentierung ist sehr ausführlich und sorgfältig recherchiert. Die Edition bietet neben dem unverfälschten Text sehr viel Kontext und Erklärungen.
3. …
Ich stimme vollumfänglich zu, wenn man feststellt, dass der Afghanistan-Einsatz die Bundeswehr nachhaltig verändert hat. Leider in manchen Bereichen auch nachteilig.
Wenn wir nicht aufhören, der Bundeswehr im Einsatz übertriebene Fesseln anzulegen, dann verspielen wir auch zukünftig unsere Glaubwürdigkeit.
Flapsig könnte man sagen: Entweder wir machen richtig und konsequent mit oder wir lassen es.
Aus Sicht der Alliierten ist die Bundeswehr allein aus politischen Gründen kein ernst zu nehmender Mitspieler. Das Auseinanderdriften von politischer Anspruchshaltung und militärischer Realität in Deutschland ist alarmierend.
In der Tat: Beste Rede von AKK.
Eine schöne Veranstaltung, mir fehlt dabei die preußische Tradition, eine Uniform, die militärisch und modern aussieht und ein Helm, der auch als solcher erkennbar ist. Es ist mir klar, das Einiges bei Stundenlangen Exerziertraining hinderlich ist, aber nach Außen straff und zackig einem Zapfenstreich angemessen ist.
Besteht die Möglichkeit, die angesprochenen Reden hier noch als Nachtrag zu verlinken ?
[Ja, mache ich am Nachmittag. T.W.]
@ JMWSt
Unabhängig davon, dass ich den sog. Marsch der Bundeswehr absolut unterirdisch finde, so sollten die für die Serenade ausgewählten Musikstücke einen Bezug zum Einsatz in Afghanistan aufweisen.
Und diesbezüglich war die Auswahl passend und angemessen – zumindest auf ARD (Asche auf mein Haupt) wurde nachvollziehbar ausgeführt, wieso es ausgerechnet diese drei Musikstücke waren.
Insgesamt wurde so n.m.B. ein gelungener Bogen vom klassischen preußischen Militärmarsch hin zur zeitgenössischen Musik geschlagen, sodass sich wohl jeder mit der Musikauswahl anfreunden konnte.
@ T.W.
Vielen Dank für die gestrigen Worte, es war so sehr angenehm, auf Phoenix zu folgen.
@ all
Im Übrigen denke ich beim Bild oben immer an eine Situation, als ich 2008 auf einem Lehrgang für angehende Chefs an der OSH einem OTL (Erheber/Ermittler der FJgTr) lauschen musste, der über „unvorschriftsmäßige Anbauten“ an Einsatzfahrzeugen schwadronierte und fast wortwörtlich sagte, dass dadurch die Truppe in den betreffenden Vorfällen ja selber schuld an den bis dato erlittenen Verlusten wäre. Die Reaktion der anwesenden FschJg- und GebJgOffz ist hier nicht zitierfähig und die anwesenden Hörsaalleiter hatten große Mühe, einen Bühnensturm zu verhindern… ;-)
Diese Situation war für mich ein Augenöffner dafür, dass die Bw sich offensichtlich im Wandel befand, jedoch nach dato (noch) nicht alle an Bord waren. Seither ist in relativ kurzer Zeit viel passiert; nicht nur bei den Fahrzeugen, sondern gerade auch bei persönlicher Ausrütung etc. – hier wirkte AFG wie ein Katalysator.
In mehreren Medien wird eine auf Twitter tobende Debatte aufgegriffen, allen voran geführt durch Spezis wie H.C. Ströbele, Jan Böhmermann und, seltsamerweise, den Deutschland-Korrespondenten der BBC, die so tun, als wäre dies der erste Zapfenstreich seit 1945 gewesen, und die mit Leichenbittermiene und Fäkalsprache die angeblichen NS-Assoziationen der Zeremonie beklagen.
Es gibt viel Kritik daran, aber leider auch sehr viel Zustimmung. Das BMVg widerspricht nur halbherzig. Ein Trauerspiel. Und ein Lehrstück, warum dieser Einsatz lief, wie er lief. Es braucht den Blick auf Afghanistan gar nicht, keine Aufarbeitung; in Böhmermanns Twitter-Feed steht alles drin, was man wissen muss, um das verteidigungspolitische Grundproblem zu begreifen.
Besonders ärgerlich: Viel Zustimmung bekommt Böhmermann aus den Reihen von SPD und Grünen; Tobias Lindner und Omid Nouripour sind die einzigen prominenten Grünen, die bisher meines Wissens nach Kritik an ihm geäußert haben. Vielleicht kommt noch etwas nach, aber ich glaube nicht daran, die Realos sind in der Minderzahl. Wer da an eine bundeswehraffine Regierung aus dem Lager links der Mitte glaubte, unterlag einem Irrtum.
@Stiller Mitleser
Der Große Zapfenstreich geht auf die Zeit der Befreiungskriege zurück. Zweifelhaft ist nicht dieses historisch gut legitimierte militärische Zeremoniell. Zweifelhaft sind höchstens jene Personen, die sich selbst meist nicht an der Verteidigung Deutschlands beteiligen wollten und auch sonst von militärischen Fragen wenig Ahnung haben, sich nun aber zu abwegigen historische Vergleichen und kenntnislosen Urteilen berufen fühlen. Carlo Masala hat darauf mit der nötigen Schärfe reagiert.
Eine insgesamt würdige Veranstaltung und hoffentlich der Kristallisationskeim für einige sicherheitspolitische Neuerungen.
Als ich Ihre Stimme hörte, wusste ich auch sofort, dass die Kommentierung gehaltsvoll und interessant werden würde.
Nur Herr BM Maas hatte mMn auf der Ehrentribüne keinen Platz. Für ihn hätte ich einen Katzentisch nebendran gestellt.
[Es scheint, von keiner Seite ist eine sachliche Debatte gewollt. Das ändern wir bitte. T.W]
Sowohl Steinmeier als auch AKK haben es geschafft, rhetorisch Distanz zwischen sich und Afghanistan zu bringen: AKK durch Selbstgeisselung des Allgemein-Politischen, mit dem Umstand spielend, dass ihr als Verlegenheits-IBUK und Teil des letzten CDU-Aufgebots in der Merkel’schen Kanzlerinnen-Daemmerung keiner glaubhaft auch nur den Hauch einer tatsaechlichen Verantwortung fuer den AFG-Einsatz zuschreiben moege; Steinmeier, seit 1998 definitv in Sachen DEU Aussen- und Sicherheitspolitik immer ganz vorne mit dabei, schien sich hinter der Amtneutralitaet des Bundespraesidenten zu verschanzen, hatte viele richtige & wohlklingende Allgemeinplaetze vorzubringen, aber zu Afghanistan nur Fragen, Fragen, Fragen, die gerade er selbst sehr gut haette mit Antworten wuerdigen koennen. Aber: Das kann der naechste Bundestag nach der Konstituierung bei Gelegenheit mal auf die Tagesordnung setzen. Na denn.
Wer kam garnicht zu Wort? Die Bundeskanzlerin, seit 2005 im Amt… Was damals initial ein Erfolgsrezept war (Siehe Berliner Runde nach BT-Wahl 2005: Schroeder labert sich um Kopf und Kragen, Frau Dr. Merkel schweigt scheinbar souveraen), ist mittlerweile eine Pathologie des Politischen geworden: Her- und Ableitungen von Entscheidungen werden von der deutschen Regierungsschefin unzureichend oder garnicht beleuchtet, geschweigen denn erklaert; gestern haette sie befreit aufschlagen koennen als scheidende Regierungschefin, den Gefallenen und an Leib wie Seele Verwundeten Respekt zollen koennen mit Einsichten, die sie bewogen haben, ueber mehr als anderthalb Jahrzehnte hinweg stets und wieder diesen schlussendlich harten, aber vielleicht auch notwendigen Weg gemeinsam mit den verbliebenen Verbuendeten weiter zu gehen, bis zum scheinbar bitteren Ende. Aber nein, der olympische Gedanke zaehlt fuer die Anfuehrerin der freien Welt.
Mein Summenzug: Fuer mich als Teil der vermeintlichen Primaer-Zielgruppe eine Veranstaltungsreihe der vertanen Chancen. Vom Zeremoniell ganz zu schweigen.
Es war der offenbar notwendige und doch umstrittene Abschluss in einer langen Reihe von Fehlentwicklungen: Man hatte jahrelang die Korruption der afghanischen Regierung heruntergespielt, die eigenen Maßnahmen zum Nation Building, wie etwa den Aufbau von Schulen, massiv übertrieben und der eigenen Nation vorgemacht, mit minimalem Investment die Sicherheitslage im Land kontrollieren zu können.
20 Jahre lang haben die USA, hat die Nato, haben Bundeswehrsoldaten in Afghanistan gekämpft und sind gestorben. Der Westen hat die afghanische Armee und Polizei ausgebildet und ausgerüstet – nur um alles binnen Wochen in sich zusammenfallen zu sehen.
Der entscheidende Satz :
„Man versprach den Afghanen Demokratie und Menschenrechte.“
Auch die Bundeswehr leistete sich folgenschwere Fehleinschätzungen bei der Beurteilung der Lage. Haben wir die richtigen Mittel eingesetzt? Die richtigen Ziele ebenengerecht heruntergebrochen?
Am Tag nach der Zeremonie tun sich nun viele Menschen schwer mit den Bildern von Soldaten mit Helmen und Fackeln vor dem Reichstag in Berlin. Auf Twitter ist #Wehrmacht unter den Trending Topics.
Bei der Kritik am Zapfenstreich geht es nicht nur darum, stumpf und argumentationslos die Ehrung vor dem Bundestag noch die Bundeswehr mit der Wehrmacht zu vergleichen. Es geht insbesondere auch um die Bildsprache, die bei jungen Menschen aber auch im Ausland Irritationen hervorruft.
Fackelschein,Uniformen und vor allem die spezielle deutsche Militärmusik„ haben eine
„suggestive Kraft„ die gerade vor dem Reichstag an die „braunen Machthaber erinnern, die dort ihr Unwesen betrieben!
Feierlichkeiten wie die des Großen Zapfenstreichs haben in der deutschen Geschichte Tradition. Ohne wesentliche Veränderungen wurden sie quasi als unreflektiertes militärisches Erbe beibehalten und gepflegt. So wie in der preußischen Armee fand der Große Zapfenstreich auch in der Reichswehr der Weimarer Republik, in der Wehrmacht des nationalsozialistischen Regimes und der Nationalen Volksarmee (hier freilich mitinhaltlichen Veränderungen) Wertschätzung und Verwendung.
Wehrmacht des nationalsozialistischen Regimes und der Nationalen Volksarmee, beides Auschlussgründe für unsere Demokratie. Zu viele der eingesetzten Attribute und Symbole, also zum Beispiel Uniformen,Helme, Gewehre, … lassen Rückschlüsse auf die
Wahrnehmung des Gesellschaftsystems seitens der Trägers in diesen Zeiten zu.
Auf solche Traditionen und Gebräuche, welche im Lichte der Niederlage in Afghanistan auch noch an die Nazis erinnert, sollten man verzichten!
@J10
Warum sollte denn ein OTL keinem OFA melden?!
Sie kennen die Regularien eines Appells dieser Art?
Btw: Ihr kaum erträgliches Gequatsche vom „inneren Verfall der Streitkräfte“ hat keinerlei Fundament. Das wüssten Sie, wenn sie auch nur geringsten Einblick hätten.
SPON berichtet heute über den Umgang des BMVg mit der Twitter-Kritik zum Zapfenstreich.
Ich muss schon sagen, es überrascht mich immer wieder, wie diese Gesellschaft die Bundeswehr hassliebt. Eine ständige Gleichzeitigkeit zwischen Anerkennung (Corona-Hilfe, EvakOp, Flutkatastrophe) und Verdammung (AFG, Zapfenstreich).
@Voodoo:
Bei allem Respekt für die Empörung der Kameraden, die da im Einsatz waren, aber der Mann hat in der Sache doch nicht völlig Unrecht.
Wenn ich an ein gepanzertes Fahrzeug was dranbastle, was mir vielleicht im Rahmen der täglichen Patrouille hilft, aber dann, wenn ein IED neben oder unter dem Fahrzeug umsetzt, das Leben der Insassen gefährdet oder gar kostet, dann muss man schon im Fall der Realisierung eines solchen Risikos eine Verantwortung auch bei denen suchen, die das Ding da drangeschwandet haben. Bzw. denen, die solches befahlen. Verantwortung ist unteilbar.
Klar, von so überkandidelten Positionen, wie „Fahrzeuge müssen auch im Einsatz alle korrekten TÜV haben, mit Plakette und allen leuchtenden Birnchen“ etc. sollte man sich entfernen. Mich wundert ohnehin, wieso nicht die Truppeninstandsetzung längst selbst befähigt ist, eine Sicherheitsfreigabe für eigene Fahrzeuge zu geben, aber das wird daran liegen, dass die Instandsetzung eben weitgehend von der Industrie oder von outgesourcten Dienstleistern verrichtet wird. Ist ja im Frieden so billig.
Liegts an mir oder ist tatsächlich keine einzige der Sendungen in den einschlägigen Mediatheken zu finden? Weder Phönix noch ARD.
Sehr schade. An der Rechtesituation kann es ja diesmal wohl nicht liegen.
[Dürfte an Ihnen liegen?
https://youtu.be/URKrkei8Tzc
https://youtu.be/9dYSw9cKwEE
T.W.]
Zum Abschluss eines für mich persönlich zu hinterfragenden Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan wurde das Traditionssymbol der Große Zapfenstreich aufgeführt. Das ist inzwischen Ritual geworden. Doch hat es mit Tradition in Wahrheit nichts zu tun, jedenfalls nichts mit einer ehrlichen Tradition.
Der Ursprung: Wenn die Landsknechte zur festgesetzten Abendstunde in das Lager zurückkehren sollten, ging ein Offizier, begleitet von einem Pfeifer und einem Trommler, durch die Gaststuben und schlug mit seinem Stock auf den Zapfen des Fasses. Danach durfte der Wirt keine Getränke mehr ausgeben. Die Soldaten mussten in die Zelte. Diesen musikalischen Befehl nannten die Landsknechte »Zapfenstreich«
Die Ursprünge des Zapfenstreichs reichen zwar bis ins 16. Jahrhundert zurück, er hat somit eine lange Tradition, doch es war der Beginn der Nachtruhe in Unterkünften der Wehrmacht. Dieser Wehrmacht, in dessen Tradition die Bundeswehr ausdrücklich nicht steht.
Traditionserlasses für die Bundeswehr-In diesem Papier wird verordnet, dass diese Wehrmacht nicht „traditionsstiftend“ sein darf.
Großer Zapfenstreich ist die Zusammenfassung der Signale der Infanterie und der berittenen Truppen. So weit, so gut.
In der antiaufklärerischen Hochromantik, durch Cabinettsordre vom 9. August 1813, fügte König Friedrich Wilhelm III. unter dem Eindruck der vom Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden erfüllten Nacht bei Groß-Görschen das „Gebet“ den von Gerhard Tersteegen gedichteten und von dem russischen Komponisten Bortnjanski vertonten Choral hinzu. Es fordert dazu auf, sich „ins Meer der Liebe zu versenken“ — für mich grotesk!
Anfang des 19. Jahrhunderts setzte in den preußischen Heeren allmählich die Ritualisierung des Zapfenstreichs ein, bis am 12. Mai 1838 in Berlin schließlich die erste Aufführung des Großen Zapfenstreichs in der Form stattfand, wie sie grundsätzlich bis heute beibehalten wurde.
Militärrituale wirken in zwei Richtungen. Zum einen wenden sie sich an die direkt an der Zeremonie beteiligten Soldaten.
Nach außen kann man eine Traditionslinie erkennen.
Ob der Bundeswehreinsatz in Afghanistan überhaupt sinnvoll war mag hier unerörtert bleiben.
Ich benenne hauptsächlich 2 Gründe, warum das Ritual für mich unangemessen war.
Erstens, weil es an eine Tradition anschließt, die auf Kaiserreich und Nationalsozialismus aufbaut, die endlich unterbrochen gehört; zweitens, weil mit dieser Zeremonie versucht wird, Bundeswehr in einem Bereich zu würdigen, der mit Rationalität der Niederlage in Afghanistan nichts zu tun hat.
Beide Redner haben in guten Reden betont, dass das Kapitel Afghanistan erst abgeschlossen ist, wenn eine ehrliche und schonunglose Aufbereitung erfolgte.
Nur wenn man das berücksichtigt und richtig einordnet, ist die abschließende, formale Würdigung als positiv zu bewerten.
Die Streitkräfte lernen aus ihren Niederlagen. In Deutschland tut man sich mit konstruktiver Selbstkritik allerdings immer noch schwer.
Meine Leitfrage formuliere ich sehr einfach.
Sahen wir im AFG Einsazu eine hocheffiziente Maschinerie unserer Streitkräfte, die darauf ausgerichtet bzw. ‚getrimmt war,‘ definierte Ziele zu erreichen?
Dabei dürfen BMVg und Kommando-Eitelkeiten und verschleiernde Politiker-Lyrik keine Rolle spielen.
Meine Erfahrung sagt, zunächst wird viel angekündigt, siehe Reden, doch dann wird verhindert, vergessen, verschoben, verzögert.
Frühere Ideen, innovative Vorschläge und mutige Projekte für den Einsatz in AFG– manche sind schon leise gestorben, andere werden wieder und wieder als Wiedervorlage auftauchen.
Man kann es sich einfach machen und sich hinter dem neuen Schwerpunkt LV/BV verstecken.
Ein würdevoller Abschluss, viele Worte, doch:
Kampf dem Vergessen! Keine Ablage!
Werte Kameraden!
Als ehem. Zeitsoldat ( Z 4 ) 1960-64 sage ich,wir sind es einfach nicht gewohnt, dass das Militär Präsenz zeigt. In anderen Ländern ist das eine absolute Selbstverständlichkeit.
Alle, die den Zapfenstreich kritisieren, sollten lieber dankbar sein, dass wie eine funktionierende Bundeswehr haben. Wir werden sie noch brauchen.
Auch wenn viele das in Ihrer Wohlfühlblase sich nicht vorstellen können.
Ein Kritikpunkt habe ich anzubringen. Der große Zapfenstreich ist angemessen und würdevoll, leider aber viel zu spät.
Ein kleiner Hinweis zum verwendeten Archivbild an den Hausherren:
Wenn mich nicht alles täuscht, kenne ich die Kameraden auf dem Bild. Es handelt sich dabei um zwei Fahrzeuge von MOlT2. Zeitlich müsste das dann im November/Dezember 2008 sein.
Ich war selbst ebenfalls als Teil des GebJgBtl 233 im MOLT5 von November bis März in Feyzabad und aufgrund der beengten Wege sehr oft mit dem Wolf unterwegs.
@ Gandre
Ich halte es zunächst für eine Behauptung ohne Beleg, dass sich „viele Menschen“ am Großen Zapfenstreich gestört haben sollen.
Ja, es haben sich einige reichweitenstarke Persönlichkeiten eingelassen – was dann gerne aufgegriffen und als Beleg für eine große Diskussion genommen wurde.
Wem 2021 erstmals auffällt, dass zum Großen Zapfenstreich Helme, Gewehre, Blasmusik und Fackeln gehören, der hat dann wohl bis dato hinterm Mond gelebt – so jung sind Böhmermann und Konsorten nun auch nicht mehr, dass sie behaupten könnten, sie hätten jetzt erstmals Bilder vom Zapfenstreich gesehen.
Das Internet könnte man nutzen, um sich schlau zu machen – da ist es natürlich einfacher, populistischen Quatsch zu verbreiten.
Ich bin gespannt, ob demnächst ranghohe Persönlichkeiten aus der NATO (z.B. USA, GBR oder NLD – von dort kamen ja die Korrespondenten, die ihren Unmut kundtaten) auf ihre Würdigung mit dem Großen Zapfenstreich verzichten werden.
Und zu guter Letzt: ich mag mich täuschen, aber eine Verpflichtung, sich militärisches Zeremoniell anzuschauen, besteht in Deutschland nicht. Wer damit fremdelt, soll fernbleiben und/oder seine Kritik daran sachlich vortragen. Ständig mit dem III. Reich und den Nazis um die Ecke zu kommen, ist wenig geistreich und zeugt von kaum vorhandener historischen Sachkenntnis.
@ Konrad Hochdenkert
Bezüglich Ihrer Ausführungen zum Traditionserlass empfehle ich einfach mal, diesen auch zu lesen. Nur weil die Nazis auch alte Traditionen gepflegt haben oder benutzt haben, heisst das nicht, das diese nicht im Sinne des Traditionserlasses sind. Es kommt auf den Entstehungsursprung an.
Ansonsten, wenn Sie den Ablauf und die Inhalte des Zapfenstreichs so paradox und abstoßend finden, es zwingt Sie niemand, sich diesen anzuschauen.
Hm, ich weiß wirklich nicht, warum der Zapfenstreich krampfhaft mit den 12 dunklen Jahren in Verbindung gebracht wird.
Und ja in der Wehrmacht gab es auch einen Großen Zapfenstreich, aber der war mit Blick auf die damals ja wesentlich reichere militärische Formenwelt nach meiner Kenntnis nicht so bedeutend wie für uns heute, wo wir ja praktisch nur noch dieses eine Element haben.
Und die braune Soße wiederum hatte ja noch ganz andere Rituale und Zeremonien.
Also hier eine Linie krampfhaft herstellen zu wollen ist fachlicher Mumpitz.
Aber wer Randale machen will, der kann das sicherlich auch durch solche Aussagen tun.
Ist halt nur nicht an der Realität orientiert.
Wer kritisiert, dass es ein Ritual aus Preussens Zeiten ist, meinetwegen (aber wenn wir damit auch noch anfangen, dann müssen wir unsere Armee ja nackt aufstellen, den vom Formaldienst, bis zu den Uniformen können wir die letzten 300 Jahre DEU Militärgeschichte nunmal nicht verleugnen).
Ich mag weniger Berührungsängste mit der Bundeswehr haben als mein Umfeld. Insofern finde ich es vernünftig, dass die Bundeswehr zeremoniell als Parlamentsarmee for dem Reichstagsgebäude gewürdigt wird und dies in einem eigenem Zeremoniell tun kann. Jedoch bin ich komplett bei all den Kritikern des Zapfenstreiches in der Ästhetik desselben: Sie ist massiv befremdlich, geradezu katastrophal in ihrer Außenwirkung.
Vergleiche ich das Zeremoniell der Zapfenstreiches ästhetisch mit dem anderer europäischen Länder und Demokratien – besonders Großbritannien und Frankreich – liegt es für mich zu einem Großteil daran, dass sich hier die Bundeswehr ausgerechnet auf die Ästhetik und Zeremoniell der Wehrmacht und der Reichswehr beruft – feldgrau und im Stahlhelm. Es gäbe hunderte Alternativ-Varianten, einen Zapfenstreich ästhetisch zu inszenieren – man muss sich nur mal die Möglichkeiten internationaler militärischer Tattoos anschauen – aber nein, es muss ausgerechnet die achtzig Jahre alte Variante in dieser Kombination sein, nichts davor und nichts danach. Und dass Fackelmärsche jeden denkenden Deutschen zuerst an den 30. Januar 1933 erinnern lassen, sollte auch verständlich sein.
Das soll nicht heißen, dass ich nun meine, man soll die diversen Uniform und das Zeremoniell des frühen Kaiserreiches oder des (Nord)-Deutschen Bundes wieder hervorholen. Im Gegensatz zum UK haben wir dazu eine zu große Zäsur. Jedoch meine ich, dass nur mit geringen Änderungen das ganze ästhetisch demokratiekompatibler sich machen lässt. Macht es bei Tageslicht oder zur Goldenen Stunde. Gefechtshelme zum Dienstanzug gehen gar nicht. Lasst die Fackeln weg. Und irgendwann, hoffentlich, wird das Heer auch mal eine Dienstuniform bekommen, die nicht Wehrmacht schreit. Dass sowohl Bundeswehr als auch Volksarmee damals auf diese Ästhetik zurückgegriffen haben, wird mir auf immer unbegreiflich bleiben.
Sprich: Ich möchte eine bundesrepublikanischen Zapfenstreich. Er ist bitter nötig. Diese Variante ist es definitiv nicht.
@ Schattenrein
Es hat ja jeder seine Meinung, aber man sollte sich doch apodiktische Aussagen verkneifen, wie Sie sie gegen Ende Ihrer Äußerung tätigen.
Dieser Staat steht in der (Rechts-) Nachfolge des (preußisch dominierten) Norddeutschen Bundes – dies zeigt sich u.a. am Wappentier und der Nationalhymne.
Was Ihnen offenbar vorschwebt, ist ein Wegrasieren der eigenen Geschichte – nähme man es damit so richtig ernst, müsste man den Kölner Dom zurückbauen und die Deutzer Brücke versenken – müsste man wesentliche Teile Berlins und Potsdams sprengen usw. Auch die Verwendung der deutschen Sprache sollte sich demnach verbieten.
Aber es ist schon interessant, wie viele (?) Menschen nun plötzlich bemerkt haben wollen, dass beim Großen Zapfenstreich Fackelträger zu sehen sind. Das spricht für eine sehr intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema, wenn das nach bummelig 65 Jahren auffällt.
Und ja, man könnte ins Ausland schauen, z.B. nach Frankreich, da rollten dann am 3. Oktober Panzer durchs Brandenburger Tor. Oder nach Großbritannien, da gäbe es dann eine Geburtstsgsparade zu Ehren des Bundespräsidenten, mit eigens hierfür wieder eingeführter Kavallerie und bespannter Artillerie.
Aber es stimmt schon, das ist alles Understatement im Vergleich zu etwa 35 Minuten Großer Zapfenstreich mit Fackeln, Plastikhelmen, Holzgewehren und dicke-Backen-Musik.
@Schattenrein:
„Sprich: Ich möchte eine bundesrepublikanischen Zapfenstreich. Er ist bitter nötig. Diese Variante ist es definitiv nicht.“
Aber natürlich ist das der bundesrepublikanische Zapfenstreich. Seit 70 Jahren ist er das. Habe an so etwa 30 davon teilgenommen, und wissen Sie was: Ich habe mich ganz ausgesprochen demokratisch, bundesrepublikanisch dabei gefühlt.
Auch die Damen & Herren aus der link(sbizarr)en Ecke sollten nicht die Geschichte der Bundesrepublik leugnen. Millionen junger Männer haben seit den 50er Jahren kostbare Lebenszeit geopfert, damit alle Deutschen, gleich welcher politischen Glaubensrichtung, in Sicherheit und in einem Rechtsstaat leben dürfen. Das ist hierzulande keine Selbstverständlichkeit.
Man soll uns bitte unsere Traditionen lassen. Eine Armee lebt auch davon.
Anschließend an meinen Eintrag von 13.10.2021 um 23:07 Uhr „Tagebuch – Hier ist Krieg“
ein Beitrag von Sönke Neitzel der, etwas grundsätzlich ausholend, das KSK nicht nur aber auch in Afghanistan beleuchtet.
„Seine (d.h. KSK) Aufgaben in Afghanistan waren die Festsetzung von Talibanführern und die Ausbildung der afghanischen Spezialkräfte. … Das Besondere an den Spezialkräften ist, dass sie auch im Frieden im Krieg sind“.
Da der letzte KSK Faden verständlicherweise beendet ist hoffe ich, der Link geht hier durch.
https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/schwerpunkte/spezialkraefte-bundeswehr/kaempfen-grenzbereich-geschichte-spezialkraefte-5222440
Nachdem im Zusammenhang mit der MilEvacOp Kabul, Änderungen in der aktuellen Aufbauorganisation und dem Kommandowechsel in Calw sowie Benennung eines „Direktor Spezialkräfte“ durchaus Ruhe in die Truppe kam, darf gespannt abgewartet werden wie sich ein neuer IBuK zum „Vorläufigen Schlussstrich unter Afghanistan“ aber auch zu den dort verwendeten Spezialkräften stellt.
Jede Aufarbeitung von OEF – ISAF – RSM kommt um ein Kapitel „Spezialkräfte im Einsatz in Afghanistan“ nicht herum.
Selbst der allseits bewunderte Obama griff im Zuge seiner Wahlkämpfe auf Inszenierungen mit Reden im Fackelschein zurück und trotzdem gab es in Deutschland keinen empörten Aufschrei. Ebenso existiert der Ablauf und Anzug eines Großen Zapfenstreiches so seit ca. Gründung der Bundeswehr, ist also eine zutiefst bundesrepublikanische Tradition.
Nur weil einige nun den ausrechenbaren Twitter-Shitstorm für ihre Zwecke nutzen, heißt das noch lange nicht, dass sie a) sachlich recht haben, noch b) dass sie damit eine Mehrheit in der Bundesrepublik darstellen. Und das linke Politiker das Zeremoniell blöd finden, dürfte niemanden überraschen. Könnten wir dieses Nicht-Thema damit nicht einfach beenden?
Im Übrigen lebt es sich auch ohne Twitter ganz hervorragend und ich habe mit Blick auf den obigen Schwachsinn nicht den Eindruck, daß mir etwas Substanzielles entgeht… ;-)
Zur Kritik am Zapfenstreich vor dem Reichstag
Der wird von der Bundeswehrführung als das „herausragende militärische Zeremoniell deutscher Armeen“ bezeichnet. Dazu: „Der Zapfenstreich hat nichts mit den Nazis oder mit der Wehrmacht zu tun, sondern ist eine alte preußische Tradition.“
Doch diese wurde durch die Wehrmacht, die Waffen-SS; die NVA vergifete.
Die heutige Form des Rituals stammt von einer Order des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. 1813, der zufolge vor der Nachtruhe der Fahnenappell abzuhalten, ein Gebet zu sprechen und ein Abendlied zu singen ist. Die Uraufführung des militär-musikalischen Großen Zapfenstreichs soll im Mai 1838 in Berlin stattgefunden haben – zu Ehren des russischen Zaren Nikolaus I. Dann gab es ihn bei Staatsbesuchen, zu Kaisers Geburtstag; die Wehrmacht beanspruchte ihn, die Waffen-SS; 1957 übernahm ihn die Bundeswehr und 1961 die Nationale Volksarmee, allerdings ohne kirchliche Lieder und Gebete.
Nochmals, die Wehrmacht beanspruchte ihn, die Waffen-SS; die NVA! Keine Militärzeremonie mit diesen fast identischen Bildern und Inhalten könnte also deutlicher machen, dass die Bundeswehr, entgegen offizieller Verlaubahrungen, Tradition zur Wehrmacht durch unreflktierte Verwendung von früheren Ritualen zulässt
Arroganterweiese werden negative Empfindungen bei diesem Rital auch noch als dumm oder Mumpitz bezeichnet.
Ich finde die Kritik am Zapfenstreich nicht ehrlich.
Ein Staat muß Danke sagen können (Heuss über das Bundesverdienstkreuz) und ein Staat muss repräsentieren können.
Dazu gibt es unsere Hymne, das Wachbataillon und auch das Zeremoniell des Zapfenstreiches. Alle Länder haben das, weil es für die Nation gut ist. Und es ist gut für die Republik, es auf diese, ihre eigene bescheidene Weise zu tun. Deutschland beschränkt das militärische Gepränge wohltuend. Aber Fackeln sind nun mal eindrucksvoll und an dieser Stelle richtig. Daran ändern auch die Fackelzüge der SA nichts. deshalb ist die Kritik am Zapfenstreich intellektuell nicht ehrlich. Sie ist unehrlich, weil sie überwiegend nicht (nur) das Zeremoniell ablehnt, sondern das Ganze nicht will.
Der Mensch ist nicht nur Kopf und Intellekt, sondern auch Gefühl und Bauch. Beides wird besonders durch das Zeremoniell angesprochen, ja geradezu berührt. Wer unserer Staatlichkeit das repräsentative Element verweigert, untergräbt die notwendige Identifikation der Bürger mit ihrem Staat.
Die Verheerungen der Nazizeit in der militärischen Überlieferung kann man aber daran erkennen, dass als Sinnbild für die Kameradschaft die Titelmelodie aus „Band of Brothers“ für die Serenade ausgewählt wurde.
Stichwort: Hollywood statt Innerer Führung, Tom Hanks und Steven Spielberg werden bild- und sinnstiftend für die Bundeswehr! Hier sollte D eine eigene Alternative, abseits der Heldenverehrung á la „saving private Ryan“ oder „Easy Company“ entwickeln.
@ vluka
Mit dieser billigen Argumentation könnten Sie die gesamte Armee dichtmachen, denn so ziemlich alles „wurde von den anderen Armeen“ beansprucht: Dienstgrade, Zeremonielle und Appelle, Gruß- und Meldeformen, Uniformen, Truppenfahnen, etc. etc.
Wie @Koffer bereits schrieb – man kann über 300 Jahre (preußisch-)deutsche Militärgeschichte nicht einfach wegwischen. Die Kanadier haben mal etwas Vergleichbares im Ansatz versucht und sind mittlerweile wieder zurückgerudert, weil es nicht funktionierte. Der Traditionserlass schlägt zudem eindeutig und nachvollziehbar die Brücke zu den Befreiungskriegen, weswegen der Große Zapfenstreich auch existiert – insofern ist die Verwendung auch nicht unreflektiert. Warum muss man jetzt die Debatte von 1996 erneut führen, als dieses Zeremoniell pert Antrag abgeschafft werden sollte? Zudem lenkt sie vom eigentlichen Thema ab, nämlich der Ehrung der Einsatzteilnehmer ISAF und Folgemission(en).
Die „Kritik“ am Zapfenstreich auf Twitter etc. ist doch überwiegend eine ästhetische Debatte. Vulgo: „Es sieht aus wie…“
Dummes Gekreische lassen wir mal aussen vor.
Ich finde, BW könnte da gut daran tun, ein gewisses offenes Ohr zu haben. Es ist eben keine rein interne Veranstaltung, sondern sie soll Wirkung nach aussen haben. Optisches Erscheinungsbild hat BW in medialen Auftritten stark modernisiert und mediale Präsenz stark erhöht, beim wichtigsten Zeremoniell der BW hat sich seit Ewigkeiten nichts getan. Hinweise zur Tradition etc. sind alle richtig, aus der Tradition lässt sich aber nicht das Erscheinungsbild bis ins Detail ableiten. Ich bekomme beim Protokollhelm auch starke Augenschmerzen und finde ihn scheusslich, und ich wusste noch nie wozu das K98k noch in die Kameras gehalten werden muss. Will man Akzeptanz in der weiten Öffentlichkeit bei solchen Veranstaltungen hilft es doch nicht, diese stumpf einzufordern – man darf schon überlegen, wie man denn den Betrachter mitnimmt.
Zuerst: Der Zapfenstreich war aus meiner Sicht richtig, sowohl zeitlich, als auch örtlich, um Anerkennung und Respekt gegenüber allen Soldaten, speziell der in Afghanistan gedienten zu zollen. Als Parlamentsarmee bleiben da nur zwei Orte: Reichstag oder Bendlerblock.
Die Diskussion zeigt wieder mal das Desinteresse der breiten Masse der Bevölkerung. Nicht nur, dass ein über 400 Jahre altes militärisches Zeremoniell zeitlich wieder einmal in eine dunkle Epoche unserer deutschen Geschichte gestellt wird, sondern auch die faktischen Fehler. Die vermeintlichen Stahlhelme gibt es in der Bundeswehr seit Jahren (mindestens 20) nicht mehr. Der klassische Stahlhelm wurde durch einen Kevlarhelm abgelöst und bei Zeremonien wird ein (leichterer) Plastikhelm getragen.
Von allen Kritikern (an der Zeremonie, nicht an der Bundeswehr) würde ich mir wünschen, dass sie nicht einfach nur dagegen sind, sondern auch Alternativen aufzeigen. Dass einige Anteile obsolet sind, mag nachvollziehbar sein. Dennoch scheint es mir sinnbefreit, statt Fackel mit Laserschwert ( ;-) ) herumzulaufen. Eine Lasershow, anstelle von Fackeln und Feuerkörben mag da schon deutlich realistischer erscheinen, genauso, wie modernere Musik.
Kern ist und bleibt jedoch die Wertschätzung gegenüber denjenigen, die durch das Parlament in Gebiete geschickt werden, in denen sie unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens für die Interessen Deutschlands einstehen (müssen).
@Landmatrose3000
Genau dies. Man muss ja nicht das ganze Zeremoniell abschaffen, schon kleine Veränderungen, beispielsweise Barett statt Protokollhelm, hätten die Debatte wahrscheinlich schon im Keim entschärft.