Sicherheitshalber der Podcast Folge 47: Das Afghanistan-Desaster: Wie konnte das passieren? Wie weiter mit Deutschlands und Europas Verantwortung?
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 47 sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich natürlich nur über die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan. Unsere Diskussion orientiert sich dabei an vier Fragen: Wie kam es zur chaotischen Situation am Flughafen von Kabul? Könnte Europa ohne die USA dort eigentlich überhaupt (weiter) operieren? Was bedeutet das Debakel für zukünftige Einsätze der Bundeswehr? Was bedeutet es für die Glaubwürdigkeit des Westens und die Geopolitik in der Region?
Abschließend wie immer der “Sicherheitshinweis”, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit neuer besorgniserregender Instabilität in Nordafrika, Corona-Impflicht bei US-Streitkräften und Bundeswehr, neuen Überwachungsballons und – mal wieder – dem nuklear angetriebenen Marschflugkörper Russlands.
Afghanistan: 00:02:53
Sicherheitshinweise: 00:59:42
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Thema – Afghanistan: Operation Enduring Clusterfuck
Folge #43 Afghanistan – was bleibt? https://sicherheitspod.de/2021/05/09/folge-43-afghanistan-was-bleibt-zukunftige-auslandseinsatze-koalitionen-der-willigen-keine-option/
Special Inspector General for AfghanistanReconstruction, Berichte: https://www.sigar.mil/
Helene Bubrowski und Peter Carstens, Die vielen Schichten der Wahrheit, FAZ, 25.08.2021,
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kritik-am-bnd-die-vielen-schichten-der-wahrheit-17501340.html
Sami Sadat, I Commanded Afghan Troops This Year. We Were Betrayed, New York Times, 25.08.2021,
https://www.nytimes.com/2021/08/25/opinion/afghanistan-taliban-army.html
David Petraeus: “The Taliban are about to be acquainted with a very harsh reality—that they are broke”, Atlantic Council, 20.08.2021, https://www.atlanticcouncil.org/blogs/new-atlanticist/david-petraeus-the-taliban-are-about-to-be-acquainted-with-a-very-harsh-reality-that-they-are-broke/
Mike Jason, What We Got Wrong in Afghanistan, The Atlantic, 12.08.2021,
https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2021/08/how-america-failed-afghanistan/619740/
Ian Fritz, What I Learned While Eavesdropping on the Taliban, The Atlantic, 19.08.2021,
https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2021/08/what-i-learned-while-eavesdropping-on-the-taliban/619807/
Lothar Gries, Afghanistans begehrte Bodenschätze, tagesschau, 18.08.2021,
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/afghanistan-rohstoffe-bodenschaetze-china-101.html
Tyler Rogoway, These Are The Military’s Options For Extending Evacuations In Afghanistan. None Of Them Are Good, The Drive, 24.08.2021,
https://www.thedrive.com/the-war-zone/42128/what-the-u-s-militarys-options-look-like-for-extending-evacuations-from-afghanistan
Sicherheitshinweise
Carlo: Abbruch diplomatischer Beziehungen zwischen Algerien und Marokko
https://taz.de/Algerien-kappt-Beziehungen-zu-Marokko/!5791563/
Thomas: Corona-Impflicht für US-Streitkräfte und Bundeswehr
https://abcnews.go.com/Health/wireStory/pentagon-mandate-covid-19-vaccine-pfizer-approved-79601620
Rike: Überwachungsballon für Bundeswehr-Camp in Niger
https://augengeradeaus.net/2021/08/rheinmetall-liefert-und-betreibt-ueberwachungsballon-fuer-bundeswehr-camp-in-niger/
Frank: Russland bereitet weiteren Test des “Burevestnik” Marschflugkörpers vor
https://www.armscontrolwonk.com/archive/1212985/russia-resumes-burevestnik-testing/
Interessant. Bei der Rückkehr heute gegen 16 Uhr in Wunstorf werden AKK, der GI und Politiker:_*Innen anwesend sein.
Da hat man wohl gelernt.
Zu dem Sicherheitshinweis von Professor Masala. Manchem mag das wie das Geunke eines Scholl-Latour erschienen sein, aber er bricht einen Deutschuss in eine Richtung, die mir auch die letzten Wochen aufgefallen sind, auch mit der Nennung Tunesiens.
Zunehmend wird deutlich, wie Trump hinter der schillernden Fassade der Friedensverträge Israels mit arabischen Staaten mit dem Doha-Agreement, der Verweigerung von Schutz für die Kurden in Nordsyrien und dem Schmusekurs mit den Potentaten in Kairo, Riyadh und den weiteren Golfstaaten mit der Fackel durch die nahöstliche Sicherheitsarchitektur rannte, wie NERO durch Rom.
Im Irak steigt seit Tagen die Frequenz von Anschlägen auf US Konvois, die Türkei bombardiert Führungskader der SDF, darunter Christen und Yesiden, unterstützt aus Ägypten und KSA bricht in Tunesien die Demokratie zusammen.
Sowohl HTS in Idleb wie auch die PKK in der Türkei feiern die Taleban als Beweis, dass Resilienz als assymetrischer/ terroristischer Akteur die NATO in die Knie zwingen kann.
Biden wird von sich den Eindruck gewinnen können, er würde als schwach wahrgenommen. Das stimmt nicht und hoffentlich redet ihn keiner in irgendwelche Abenteuer, z.B im Hinblick auf den Iran hinein.
Das betrifft übrigens vor allem dann Europa und wir in den USA entschieden.
Wer nach Quellen fragt. Ist hauptsächlich aus Haaretz, Al-Monitor, Realcleardefense, Realclearworld, die verschiedenen Liveuamaps.
AKK wird da sein, da sie wohl gemeinsam mit der Luftwaffe zurückfliegt. Sie ist derzeit in Taschkent.
Quelle: tagesschau.de
[Wir wär’s mit Quelle: AKK?
T.W.]
Was auch ein wichtiger Punkt im Sicherheitshalber war, ist der Hinweis auf die zunehmend verwässerten Dossiers aus der Schlammzone.
Ja wie will die Regierung denn die Einschätzungen von on the Ground ernst nehmen, sie unpopulär öffentlich vertreten, wenn dauernd irgendwelche Terrorexperten ihre Sicht der Realität in Form von gefährlichen Halbwahrheiten verbreiten:
Hier die Einschätzung des sogenannten Terrorexperten Michael Stempfle der ARD zu den drei Interheterogenen Organisationen Taleban, Al-Kaida und IS-K (SARC):
Steckt IS-Splittergruppe hinter Anschlag?
https://www.tagesschau.de/inland/anschlag-kabul-163.html
Hier die Einschätzung IS-K durch AlJazeera:
What we know about Islamic State in Khorasan, aka ISIL-K, ISKP
https://www.aljazeera.com/news/2021/8/27/islamic-state-in-khorasan-iskp-aka-isil
Anbei das LWJ zur Talibaneliteeinheit Badr 313:
https://www.longwarjournal.org/archives/2021/08/talibans-special-forces-outfit-providing-security-at-kabul-airport.php
Klartext: Sowohl IS-K wie auch die Eliten der TB im Rahmen der Haqqani Netzwerks speisen sich aus Veteranen der Al-Kaida. Die Organisationen sind allesamt maximal intrahomogen und minimal interheterogen und es ist ein klarer Austausch und deutliche Migration der Mitglieder zu erkennen. Maximale Dezentralität und hochflexibles Rebranding erlauben eine fluide Evolution hin zum gemeinsamen Ziel: Djihad und die Errichtung eines Gottesstaates.
Ich kenne diese sogenannten Terrorexperten nicht, aber sollten die etwas arabisch können, dann sollte man sich das öffentlich zugängliche Geplapper der Terrorfürsten mal ansehen, die Texte ihrer Strategen.
Wenn man zumindest Englisch kann, sollte man, bevor man an die Presse geht, Quellen studieren wie LWJ oder lokale Sender, die haben Ahnung, die haben Karrieren mit einschlägigem Hintergrund hinter sich oder berichten aus der Region aus der Schlammzone, machen Interviews.
Das ist doch hochpeinlich. Oder will man einfach ganz fest dran glauben, dass sich mit dem Versprechen der TB, Al-Kaida zu unterdrücken, diese sich nicht ins Fäustchen gelacht haben?
Chinesisches Sprichwort: Wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd… HüHott!
Nun ja … der „War on Terror“ hat ja viele Expert*innen (es gibt in der Tat eher weniger Frauen in dem Bereich, aber es gibt welche) hervor gebracht und die Sehnsucht nach außenpolitischen „Welterklärern“ ist unverändert hoch.
Afghanistan (und de facto die ganze Region) und auch die so genannte „arabische Welt“ sind aber nur schwerlich nach unseren eurozentrischen Kenn- und Erklärgrößen fass- und greifbar. Selbst wenn man lange vor Ort ist, es gibt genug „bubbles“ und sozial erwünschte Narrative, dass es schwer ist, generalisierbare Trends zu formulieren. Von Entscheidungshilfen oder Beschlussvorlagen – welche Politik und Medien gern haben möchten – ganz zu schweigen.
Man braucht halt Expertise – die ist nicht billig, die dauert und die ist anspruchsvoll und manchmal (vulgo: häufig) liefert sie nicht das gewünschte Zielbild. Warum gibt es denn kaum Evaluationen zu den Einsätzen, die über die Dimension „Legitimation“ hinausgehen? Weil Dialog, Entwicklung der Handelnden und Lernen aus Handeln nicht unbedingt erwünscht oder für nötig erachtet wird.
„It’s the Story, not the facts…“ gilt leider zu häufig.
@Paradox77:
„
Afghanistan (und de facto die ganze Region) und auch die so genannte „arabische Welt“ sind aber nur schwerlich nach unseren eurozentrischen Kenn- und Erklärgrößen fass- und greifbar.
„
Das trifft es. Wer in Europa sozialisiert wurde, für den liest sich Max Weber auch bei Erstlektüre wie ein DejaVu. Das kennt man doch, so ist die Welt.
Und plötzlich werden aus den drei Terrorbrands, drei völlig unterschiedliche Organisationen. Dieser Satz: „Man kann die Loyalität eines Afghanen nicht kaufen, sondern nur mieten“ wird zwar oft wiederholt, er wird aber nicht konsequent angewendet, um Verhaltensprognosen, sowohl auf Ebene des Individuums wie auf Ebene der Organisationen / Brands zu erstellen.
In dieser Welt herrsch über weite Strecken organisationale Anarchie, die „-Ismen“ von Kommunismus über Nationalismus, Arabismus und Islamismus haben an polit-ökonomischen Realitäten scheiternde Strömungen hinterlassen.
Die Organisationen, welche sich halten, setzen ihre Existenzberechtigung mit grausamer Gewalt und unbarmherziger Brutalität durch, bis zu dem Punkt an dem sie selbst durch die von Ideologien angetriebene Anarchie gefressen werden.
Schlimmer noch, sollte sich zu diesem Status Quo keine Alternativen in Form von Idealen manifestieren (z.B Kollektivbewusstsein, Partizipation, Rechtstaatlichkeit, die Basics halt) wird es erst richtig schlimm.
Die Regime sind gemäß Weltbank pleite, alimentieren läuft nicht mehr. Die Taleban propagieren ein Erfolgskonzept. Im selben Moment schlagen Regime bandenmäßig die Demokratie in Tunesien tot, radikalisieren politische Gefangene.
Back to Square one, wir schauen zu… beherrschen immer noch keine „Sprache der Macht“ und begeben uns für kurzfristige Erfolge und Schlagzeilen in die Hände von Potentaten, denen man eigentlich nichtmal den eigenen abgenagten Fingernagel gönnt.
Wie stellt sich die Lage denn derzeit dar?
– Die deutsche Weigerung sich beizeiten und angemessen um die Ausreise von Ortskräften zu kümmern bringt nun den AFG,- Einsatz, die Sinnfrage militärischer Auslandseinsätze generell in den BT- Wahlkampf (endlich, möchte man sagen!) und die gezeigte Zuverlässigkeit der SK, ihren Auftrag auch trotz Widrigkeiten in der Planung/ pol. Entscheidung und dynamischen Bedingungen vor Ort zu erfüllen.
Das war gut.
– Die TB werden hofiert. Sie blasen die Kröten auf, die der gesamte Westen, die NATO und auch DEU nun schlucken müssen.
Mit diesen Unterdrückern und Menschenrechtverweigerern nun um Menschenleben verhandeln zu müssen, weil wir mit eingezogenen bürokratischen Hürden dachten, das Aufkommen aufzunehmender Ortskräfte und anderer gefährdeter Menschen klein halten zu können, ist die eigentliche Demütigung. Für kleinliche Paragraphen und Verordnungen muss man nun sprichwörtlich Lösegeld zahlen. Die TB werden darüber hart verhandeln zu wissen und wir werden beidrehen.
– Und wenn nun die TB als „Partner“ im Kampf gg den IS- K gesehen werden ist dies eine unangemessene Aufwertung dieser Mörderbande, die noch im Juni mehr als 90 Mädchen in einem fulminanten Anschlag in KBL hat töten lassen.
Nichts zerrt das Scheitern in AFG mehr in das Bewusstsein als solche Überlegungen, die seit gestern kursieren. Zwischen Pest und Cholera sollte in Menschenrechtsfragen nicht unterschieden werden!
– Regionalpolitisch – in aller Kürze- werden die IND- PAK Spannungen zunehmen. In IND will man den pak. Einfluss in AFG begrenzt halten. Wie in der Vergangenheit auch, wird PAK in Reaktion darauf seine radikal- islamischen Terrorbanden im Kaschmir von der Leine lassen.
– Die USA verlieren zwar im Mittleren Osten an Einfluss, aber ihr Rückzug aus AFG erlaubt eine Mittel- und Kräftekonzentration ggü. CHN. Darin liegt strategischer Spielraum, der sich noch auszahlen wird.
Was bleiben wird, sind verunsicherte NATO- Verbündete, beschädigte Werte in der Region, ein bitter enttäuschtes afg Volk.
Und hoffentlich folgt eine harte, ehrliche Debatte in DEU.
Also müssen wir uns damit abfinden dass Afgh bis auf weiteres zu einer Black Box wird.?
„Und wenn nun die TB als „Partner“ im Kampf gg den IS- K gesehen werden ….“
Der Feind meines Feindes ist mein Freund!
Kommen Sie bitte in die Realpolitik und raus aus der Politiktheorie. Damit hat noch niemals jemand in der Weltgeschichte etwas gewonnen.
Am 7. Mai 1945 waren die westdeutschen Soldaten und Wehr- und Verwaltungsbeamte noch Feinde der USA. Ein paar Monate später waren viele Beamte wichtige Unterstützer bei der Besatzungsverwaltung und ein paar Jahre später waren sogar die Soldaten treue Partner gegen einen gemeinsamen neuen Feind.
@Dante
Wenn man sein ganzes Personal ausfliegt? CHN und RUS haben ihre Vertretungen ja noch vor Ort. Ich hätte eine Kernmannschaft belassen, Übrigens auch in SYR.
@ Eric Hagen
Wenn die USA 1945 so argumentiert hätten, würde Deutschland heute nicht mehr existieren.
Wir waren der Feind, mit dem auf einmal verhandelt wurde, also quasi die Taliban.
Der neue gemeinsame Feind damals war Russland, heute der Terrorismus.
Es bleibt keine Wahl, als zumindest zu versuchen, mit Verhandlungen weiter zu kommen.
Nun ja … Mut Realpolitik kann man alles erklären bzw. deuten. Aber Realpolitik war noch niemals sinnstiftend, denn dazu ist sie zu abstrakt.
In der aktuellen Diskussion geht es aber primär um die Sinnfrage und um emotional-affektuelle Punkte z.B. in der Ortskräfte-Thematik oder dem „Saigon 2.0 Moment“.
Politiktheorie ist das eher weniger …
Im vorletzten Sicherheitshalber kritisierte einer der beiden Professoren, dass die TB nicht schon vor 20 Jahren in die politischen Prozesse einbezogen wurde.
Durch den Ausschluss wurden sie zu einem Schwamm, der mit jedem Fehler den die Koalition machte, mit jedem Fehlverhalten der korrupten Warlords, größer wurde. 2015 war dann das Jahr wo meiner Meinung weite Teile der einfachen Bevölkerung indifferent waren zwischen Kabul und den TB.
Der Vergleich zwischen und deutschen 1945 wäre daher vor 20 Jahren gut platziert gewesen. Heute geben sich die TB als Sieger, nicht wie die Nazis als bedingungslos Kapitulierte. Aber richtig ist schon, das ancient Regime muss beteiligt werden. Das wusste auch Maciavelli, als kleiner Wink an unsere Realpolitiker.
P.S: Die Basis der personalen Eliten DAESHs im Levant nährte sich auch aus ehemaligen Saddamgetreuen und Eliten seines Geheimdienstes, neben Al-Kaida.
PPS: Was in der islamischen Geschichte fehlt ist der Begriff der Kapitulation im Sinne eines Weiterexistierens auf minimaler Existenzebene. Es gibt nur Unterwerfung oder Tot. Feinheiten der Unterscheidung, aber in dem Zusammenhang womöglich wichtig.
Und jetzt kommen wir zu Strategiefähigkeit, Sicherheitsrat und Ressortübergreifenden Mandaten, welche ein Lagebild, eine Gesamtheit der Wirkungen for Ort, also der Wirklichkeit als Basis der Politik erstellen.
@IoR
Die ’sogenannten Terrorexperten‘ hatten recht. Isis-K hat die Verantwortung für den Anschlag am Kabuler Flughafen übernommen. Was das Verhältnis der verschiedenen Islamistenorganisationen untereinander anbetrifft, so brauchen Sie nur in Richtung Syrien und Irak zu schauen. Natürlich gibt es einen regen Austausch und Söldner, die mal für die eine und dann für die andere Organisation kämpfen. Aber meistens sind sich die verschiedenen Organisationen spinnefeind. Den Radikalen von Isis-K sind die Taliban nicht radikal und nicht fundamentalistisch genug und Al-Kaida mag auf Schmusekurs mit den Talban gehen oder nicht. Aber die Taliban wären mit dem Klammerbeutel gepudert, der Al Kaida noch mal offen Unterschlupf zu gewähren.
Dann gibt es auch immer noch die verschiedenen Warlords und Drogenbarone mit ihren Privatarmeen, die sich von den Taliban nicht kampflos werden entmachten lassen.
Eine weitere offene Frage, mit der sich zumindest unserer Mainstream kaum beschäftigt, dass ist die Struktur der Taliban. Auch innerhalb der Taliban gibt es verschiedene Fraktionen (Stammeszugehörigkeiten) deren Kämpfer sich nicht dem Staat Afghanistan verpflichtet sehen, sondern ihren jeweiligen Anführern.
Peter Scholl-Latour, war übrigens ein ausgewiesener Kenner der Stammestrukturen und der Gebräuche in Afghanistan. Solche Fachleute sind unter Journalisten heute eher selten.
Solange die Taliban einen gemensamen Feind hatten, war es für ihre Anführer einfach, die Fraktionen unter einen Hut zu kriegen. Wie stabil dieser Zusammenhalt ist, nach der Vertreibung der ausländischen Truppen, das wird die Zukunft zeigen.
Zu dem Diskussionspunkt bei Minute 38 zur Ausrüstung der afghanischen Streitkräfte. Zum Scheitern der afghanischen Streitkräfte wird das beigetragen haben aber entscheidend ist eher, dass man den afghanischen Streitkräften nicht auch die logistischen Fähigkeiten verpasst hat, um ihre so ausgerüstete Armee auch ohne die Unterstützung durch die ganzen Servicefirmen und die Logistik der ausländischen Streitkräfte im Betrieb zu halten. Ich kenne ja die Verträge nicht, die diese Firmen mit der afghanischen Regierung geschlossen hatten, wenn die afghanische Regierung überhaupt Vertragspartner war. Es muss doch den Verantwortlichen bewusst gewesen sein, dass die afghanische Luftwaffe ohne Service und Logistik keine Woche durchalten würde und das auch die Bodenstreitkräfte ohne Nachschub schnell kollabieren würden.
Aber während der Abzug der Streitkräfte in den Medien rauf und runter diskutiert wurde, hatte die Servicefirmen keiner auf dem Schirm.
Es heißt schließlich nicht ohne Grund: Amateure diskutieren Taktiken, Pro’s diskutieren Logistik. Aber unter den Verantwortlichen waren offenbar nur Diletanten.
Franz Alt hat in einem Beitrag in Telepolis über ein Interview geschrieben, das er persönlich mit Hamid Karzai im Jahr 2017 geführt hatte. Karzai erklärt das Scheitern der Bemühungen um die Befriedung Afghanistans mit der Art und Weise, wie die US-Amerikaner diesen Einsatz gehandhabt haben.
„Washington hat versucht, seine eigene Agenda durchzusetzen – gegen die Interessen Afghanistans. Ich meine damit, die wiederholten Bombardierungen unschuldiger Menschen und Dörfer. Das US-Militär ist dort oft einfach einmarschiert, hat Türen und Fenster eingeschlagen, Familien mitten in der Nacht terrorisiert. Das US-Militär hat geheime Gefängnisse geschaffen und es wurden Menschen gefoltert.“
Weiterhin sagte Karzai: „Weil die Hauptakteure, die USA und Pakistan, kein Interesse am Frieden haben. Sie mache ich für die Fortsetzung des bewaffneten Konflikts verantwortlich. Die USA begehen in Afghanistan Kriegsverbrechen. Deutschland sollte eine Friedensinitiative starten. So könnte Deutschland der aktuellen US-Politik in Afghanistan auch einen Sinn geben.“
https://www.heise.de/tp/features/Bidens-Rache-macht-alles-schlimmer-6176597.html
Nicht das ich Herrn Karzai für einen Unschuldsengel halte aber die, von westlichen Streitkräften in Afghanistan begangenen, Kriegsverbrechen sind ein trauriger Fakt. Julian Assage steckt in Großbritannien immer nocht im Knast, weil er diese Vorgänge öffentlich gemacht hat. Der Folterknast in Guantanamo Bay ist auch heute immer noch traurige Realität genauso wie der Umstand das dort Menschen wie einst Murat Kurnaz ohne Anklage festgehalten und verhört werden. Hinrichtungen per Drohne (jedesmal mit vielen Unschuldigen als Kollateralschaden) wird praktisch von allen Afghanen als feiger Mord angesehen.
Was immer unsere Bundeswehr und unsere NGO’s in Afghanistan beim Wiederaufbau in Sachen ‚winning hearts and minds‘ geleistet haben wurde durch diese Akte praktisch entwertet. In den Augen der Mehrheit der Afghanen waren unsere Truppen schon bald keine Helfer mehr, sondern Besatzer, die eine komplett korrupte Regierung und Verwaltung an der Macht gehalten haben.
@Schalmmstapfer:
Nun, Daesh wurde von den westlichen Regierungen als potentieller Angreifer benannt. Syrien ist mir bekannt.
It’s Crazy to Trust the Haqqanis
A faction of the new Afghan government is extraordinarily close to al Qaeda and other terror groups—including the Islamic State.
Zu PSL, nun ich habe mir vorgenommen, seine Bücher (einige Handsigniert ;) ) nochmal zu lesen. Ein „Unken“ des alten Meisters und er nahm ganze Debatten vornweg, zertrümmerte den ein oder anderen Spin mit einem Halbsatz. Ich vermisse ihn.
https://foreignpolicy.com/2021/08/27/trust-haqqanis-afghanistan-taliban-united-states/
Ach ja … PSL. Ich habe nie die Sehnsucht nach „Welterklärern“ verstanden, aber ich habe auch nie verstanden, warum man ihn irgendwann verächtlich als „alten Mann mit anekdotischem Wissen“ abgetan hat.
Vieles hat zumindest einen wahren Kern oder ist analytisch sehr präzise.
@ Karzai: Nun ja, das Problem was er beschreibt, war ja leider tatsächlich ein wichtiger Punkt mit teilweise abenteuerlichen Begründungen. Und „Winning hearts and minds“ klappt so nicht – auch das ganze Konzept der PRTs und die diversen Mandate litt unter unterschiedlichen Herausforderungen im CIMIC Teil sowie den diversen Motivlagen aller involvierten Akteure plus der Politisierung des Einsatzes (v.a. in D, aber hat noch jemand die Diskussion in Frankreich oder Schweden – um zwei prominente europäische Beispiele zu nennen – auf dem Schirm?).
Afghanistan war halt der „forever War“, die anderen außenpolitischen Desaster (Irak, Libyen, Libanon (ok, das hat tiefere Wurzeln), Syrien) der USA/ des „Westens“ haben auch zu der irrigen und tragischen Annahme vieler Menschen, dass die USA Afghanistan *NIEMALS* aufgeben werden, 2014 ging man ja auch nicht so ganz …
Geopolitik ist halt manchmal auch ein Fail…
@Schlammstapfer:
Nochmals danke für die ausführliche Antwort und die Gedanken. Hier noch was zu Syrien, Einschätzungen und Interdependenzen mit AFG/TB.
„ The United States and the Taliban share an interest in thwarting IS-K, but expectations should be low. This shared interest does not lead to an „enemy of my enemy“ logic, or any notion of partnership. The Biden administration gets this. „
Read more: https://www.al-monitor.com/originals/2021/08/are-syrian-jihadis-ready-take-fight-afghanistan
Ich kommentiere es nicht:
„Osama Bin Laden’s bodyguard Dr. Amin al-Haq is back in Nangarhar in Afghanistan after Taliban takeover. This speaks about close links of Al-Qaeda with the Taliban. He was arrested in Pakistan in 2008 but released in 2011 with a red carpet. He works in Taliban Prisoner Commission.“
https://mobile.twitter.com/AdityaRajKaul?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1432261069897015296%7Ctwgr%5E%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fafghanistan.liveuamap.com%2Fen%2F2021%2F30-august-osama-bin-ladens-bodyguard-dr-amin-alhaq-is-back
Zu Nordafrika:
Africa emerges as next scene of confrontation between Israel, Iran
The decision by Algeria to sever diplomatic ties with Morocco could actually signal future confrontation between Israel and Iran over influence in Africa.
Read more: https://www.al-monitor.com/originals/2021/09/africa-emerges-next-scene-confrontation-between-israel-iran#ixzz75Ie6nJBv
„ Traditionally, Iran sees the African continent as an important arena in its global struggle for influence. It is competing for influence against Saudi Arabia and also against the West, exploiting anti-colonial sentiments in the continent. To establish influence in Africa, Iran had created over the years an infrastructure of mosques, cultural centers, charitable networks and educational …“
Das von Professor Masala angesprochene Thema ist riesig! Auch Clusterfuck und so…
Nun ja … Nordafrika (also das Afrika nördlich der Sahara) war immer schon ein substanzielles Thema – auch für Deutschland, noch mehr für die EU. Und wenn ich die deutsche Entwicklungspolitik der letzten 40 Jahre betrachte, war die Region nie völlig uninteressant. Antikoloniale Strömungen gab es auch in den diversen afrikanischen Ländern genug, meist halt wenig Alternativen (jenseits von China). Iran, die Türkei, Katar, die Emirate und Saudi-Arabien ebenso wie Indien kamen und kommen nicht an einer Nebenrolle vorbei. In bestimmten Bereichen und Ländern punktuell relevant und mit genug „soft power“ … aber Clusterfuck?
Das können nur Expert*innen sagen, die die Situation immer nur von außen (read: Europa) oder aus der 5-Sternehotel-Blase betrachten.
Iran und Co. waren da schon immer aktiv, ebenso die Türken, Israel und KSA. Hell … sogar Süd-Süd Partnerschaften gab und gibt es seit über 70 Jahren … vieles nur ohne Output.
@Paradox77: Ich habe unpräzise Formuliert. Die Sicherheitspolitische Gemengelage kann zum Clusterfuck /FUBAR führen.
Die Spannungen Rabat-Algier können in sich zum Aufheizen Konflikte Sahrawi und Minderheiten Algerien führen. In einer derartigen Lage wäre Algerien sicher wenig interessiert, mit Bezug auf innenpolitische Kohäsion den Tuareghebel zu betätigen, welcher für Mali im Hinblick auf Beilegung Nord-Südkonflikt von großer Bedeutung wäre (vgl. Wolfsohn).
Zudem würde die eh bedenkliche wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert, was Hoffnungslosigkeit in der Bevölkerung nährt. Bekannt ist, Hoffnungslosigkeit ist der Nährboden, welcher junge Muslimische Männer und Frauen den Weg zum Gotteskrieger/ Dschihadisten beschreiten lässt.
Hinzu kommt nun über den Megatrend globale Kommunikation die Erfolgspropaganda der Taliban und dadurch ausgelöst, der Motivationsschub der Terrororganisationen. In sich schon Argument, warum sich Tuareg in Verbindung mit den Dschihadisten auf Erfolgskurs wähnen könnten.
Hinzu kommt noch Tunesien …
Es sind also verschiedene Entwicklungen in geografisch getrennten Regionen (Cluster), welche über die Zeit bedenkliche/abträgliche Interdependenzen / Dynamiken (fuck) entwickeln.
Übersetzt: Der alltägliche Wahnsinn oder wie Haaretz es einst sprachlich so trefflich umgarnte „Middle East Security Survey“ (MESS)
Ja. Die Situation ist ja spätestens seit den 90ern in all den Staaten des Maghreb mehr als volatil und die Arabellions haben ihr übriges dazu getan.
Aber die Tuareg und auch die Berber (beides ja wie die Kurden quasi „Völker ohne Staat“ und deswegen facto Parias im Nordwesten des Kontinents) sind nur schwer in das dschihadistische Konzept zu fassen.
Auch im ganzen Sahel machen wir (also der Westen) den gleichen Grundsatzfehler wie in Afghanistan – wir lügen uns in die Tasche was die „Grand Strategy“ betrifft, verklären alte Konzepte der Entwicklungszusammenarbeit und negieren sowohl „Terror-Franchises“ als demographische Trends.
Und den Maghreb werfen wir auch noch in die Gemengelage. Aber übersehen einen wichtigen Faktor in diesen Staaten – es sind Transitionsländer in trans- und internationalen Migrationsströmen, anders als Afghanistan. Es sind Staaten mit staatsähnlichen Traditionslinien (sogar Libyen), anders als Afghanistan. Es sind Staaten mit „anderen“ Renten- und Kriegsökonomien, anders als Afghanistan.
Auch ist Stabilität nicht unbedingt ein Fremdwort, anders als in Afghanistan.
Und auch die Rolle der Verzahnung von Politik, Religion und Machtausübung, anders als in Afghanistan.
Daher … einfach jetzt zum „Afghanistan in der Wüste“ zu switchen ist a) zu einfach und b) völlig dumm (und drittens schon seit 2016 in der Forschung thematisiert). Es gibt Parallelen und Trends, aber auch andere Parameter.
Vielleicht sollte man weniger „Forecasting“ und „strategische Planung“ betreiben, sondern vorhandene Strukturen analysieren, Zeitreihendaten betrachten und klassische CPCM/CIMIC-Indikatoren und sogar Evaluationen miteinbeziehen. Aber
… das wäre ja echte Arbeit. Und das ist nicht immer gewollt.
Also … warum Berichte lesen, die nicht das richtige Framing für die gewünschte Story haben?
Aber … im Gegensatz zu Afghanistan ist der Maghreb an Europa grenzend. No buffer inbetween…
@Paradox77: Wow, ja. Und klar Afghanistan ist nicht Sahel. Echte Arbeit zu leisten, …. Hauptsache keine kognitive Dissonaz verursachen, Hauptsache keine Indizien, welche das eigene Weltbild, die Weltanschauung in Frage stellen. Das muss dann alles in Giftschrank, Mensch und Information gleichermaßen.
Die wohl alimentierten Kapitole, wohl behütet im Dornröschenschlaf. Da traut sich doch keiner aufzuzeigen was in der Schlammzone tatsächlich los ist.
@Paradox77: Haben sie nen link zur wissenschaftlichen Debatte 2016 (evtl Citavi) dass ich mal nachschauen kann?
Bzgl. Arabellion. Meine These, mit Tunesien scheitern bald arabische Staaten endgültig, kohäsive, partizipative Systeme aufzubauen, welche sie resilient gegen Narrative Dschihad (wirtschaftlich-demografisch wie ideel-weltanschaulich / Strukturation Giddens) machen. Der sog. Sieg der Taleban über den Westen ist ein möglicher Anfang vom Ende.
@AoR
„(dpa)
Nach dem Scheitern des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan ist ein Grossteil der Deutschen dafür, die derzeit grösste und gefährlichste Mission der Bundeswehr in Mali zu beenden. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich 44 Prozent für den Abzug der deutschen Soldaten aus dem westafrikanischen Krisenland aus. Nur 23 Prozent sind für eine Fortsetzung des Einsatzes, 33 Prozent machten keine Angaben.“
Aus der NZZ (ggf. Paywall) – https://www.nzz.ch/international/umfrage-grossteil-der-deutschen-fuer-abzug-der-bundeswehr-aus-mali-ld.1643650
Ich weiß, die Umfragen von Yougov kann man angreifen, es gibt aber durchaus ein Stimmungsbild. Jedenfalls solte sich die BReg einmal zum Einsatz dort äußern.
Nun … es finden sich schon genügend – auch nicht klassifizierte – Informationen, aber die passen weder in den Wahlkampf noch in das Selbstbild einiger Ministerien.
Das BMVg ist ja fast noch das lernwilligste und lernfähigste Ministerium was LI/LL betrifft. Einzelne Diven mal ausgenommen. Aber vor allem AA, Kanzleramt, BMI und auch BMWi sind
… eigen. Und daher bleibt Mali spannend. Das individuelle Leid ist da … meist nicht von Interesse.
@Paradox77: „Einzelne Diven mal ausgenommen„
Made my Day, und ja BMVg ist auch my Choice Witz Othello options Habicht deleted themselves …
@Thomas Melber: Evtl äußert man sich nicht, da Interessen oft rationalem Kalkül folgen und weniger von kurzfristigen Interessen / Klima Akklamation konterkariert werden sollte.
Korrigiere: „Witz Othello“ setze „with other“ immer das IPhone. Schönes Wochenende Allerseits 😃
@AoR
Na, dann äußern sich eben andere:
„Krieg in Mali: Nach der Pleite in Afghanistan droht AKK und Maas das zweite Desaster“ (Focus Online)
Das BMVg sollte versuchen hier die Deutungshoheit zu erreichen sonst wird der Einsatz „abgeschossen“, insbesondere dann, wenn FRA mehr kinetischen Einsatz fordert oder er ausgeweitet werden soll. Parallelen zu AFG gibt es insbesondere bei EUTM MALI in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Ausbildung der FAMa.
Zudem ist MINUSMA bei der Bevölkerung – aus unterschiedlichen Gründen – immer weniger gut gelitten, es genügt ggf. eine Reihe von gewaltsam aufgelösten Großdemonstrationen. Zudem ist immer noch nicht klar wie sich die Regierung zum radikalen Islam stellt.
Der Vollständigkeit halber noch zum Thema Mali: Laut einer Umfrage von YouGov (wurde hier in den Kommentaren schon erwähnt) für dpa sprechen sich 44 Prozent für einen Abzug der Bundeswehr aus Mali aus:
https://www.dbwv.de/ticker-zurueck-zur-startseite/mehrheit-der-deutschen-befuerwortet-ein-ende-des-bundeswehreinsatzes-in-mali
Hier noch mal erwähnt, weil: hm, mir fehlt da mehr zur Fragestellung und zur Art der Umfrage als aus der dpa-Meldung ersichtlich. Aber mal sehen, das Thema wird ja bestimmt noch Fahrt aufnehmen
@TW
Nicht, daß es ausufert und OT wird, aber der Einsatz im Kosovo – wenn jetzt auch deutlich reduziert – sollte auch einmal kritisch hinterfragt werden.
https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/die-bundeswehr-im-kosovo
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw20-de-bundeswehr-kfor-840272
Rhetorische Frage: gibt es wenigstens hier ein Ausstiegsszenario?
Grins;-). Man könnte alle Einsätze (und natürlich einsatzgleiche Verpflichtungen) hinsichtlich der Zielerreichung (also Grad der Zielerreichung anhand missionsdefinierter Work Packages und KPIs), der Risikoplanung und der Ausstiegsszenarien prüfen und dies veröffentlichen.
Aber in einer realistischen Detailtiefe anhand wissenschaftlicher Kriterien finden Sie das nicht im Parlament oder im Ausschuss als Papier und auch nicht im Giftschrank in Potsdam oder Strausberg. Man denkt „vom Einsatz her“ und auf Basis von Mandaten und Beschlussvorlagen. Grad Kosovo gilt doch jetzt als „guter, sinnvoller, erfolgreicher Einsatz“. Daher wäre das sicherlich spannend, wenn auch OT. Zum Thema Literatur 2016/Mali etc. (@AoR) schaue ich mal nach und melde mich, wenn ich wieder im Büro bin.
Zum Thema Tunesien hatte das 1GNC zusammen mit dem CCOE Den Haag für „Common Effort 2018“ einen guten Reader und von 2019-2021 auch einen etwas speziellen, aber durchaus akzeptablen Ansatz zu „Narrative Management in the Sahel“ zusammengestellt u.a. von TNO (NL) und Haus Rissen (D) über die OTH Regensburg und U Wageningen. Aber „Knowledge Sharing“ in der Bw ist wie in der NATO eher … optimierungsfähig. Aber jetzt dreht es ab in den OT und endet noch im BAKS-Bashing (oder GIDS…). Anyway 😉
Noch eine gute Zusammenfassung bezüglich Mali bei theeuropean.de („Mali könnte das nächste Waterloo der Bundeswehr werden“).
Darin auch was zur Lernfähigkeit.
Wir drücken uns wieder weg in der Hoffnung so nicht in Fokus zu geraten.
Die These von @Paradox77 zur besonders guten Lernfähigkeit des BMVg kann ich in der Rückschau der letzten 20 Jahre nicht nachvollziehen.
Auch in Mali muss erst wieder (!!!) Noch mehr passieren, bevor etwas passiert.
Das BMVg und die Kommandobehörden produzieren ja auch weiterhin die politisch bequeme Papierlage.
Alles nur noch Unsinn, ausbaden muss diese Inkonsequenzen wieder die Arbeitsebene – mit auch künftig dramatischen Folgen.
Das große Palaver dreht bis dahin noch ein paar Runden.
Dann fangen wir besser an zu lernen:
How will Taliban’s return affect jihadi movements in Turkey, Syria?
Salafi-jihadi groups in Turkey and neighboring Syria may look for inspiration from the Taliban’s takeover of Afghanistan, but their prospects appear rather limited at present.
Read more: https://www.al-monitor.com/originals/2021/09/how-will-talibans-return-affect-jihadi-movements-turkey-syria#ixzz75g8F9R9A
@ Memoria: Die Lernfähigkeit der Bw ist im Vergleich der anderen Akteure der CIMIC-Welt schon eine ganz passable. Vergleichswerte sind dazu auf nationaler Ebene BMI, BMZ, AA, Kanzleramt. Dann dazu alle relevanten nationalen Akteure der humanitären Hilfe (DRK, THW, Malteser etc. bis zu MSF) und was EZ betrifft die GIZ (samt Vorgängern wie GTZ, DED, InWent). NGOs sind nochmal ein anderer Beritt.
Was „Sicherheit“ angeht, dann noch viele andere – auch strategische – internationale Institutionen und Organisationen.
Und wenn ich mir dazu die Politkpapiere anschaue (ich empfehle dazu die Lektüre der einsatzvorbereitenden Informationen und Materialien … da finden sich wahre nichtssagende Köstlichkeiten), dann stelle ich fest, dass man sich im BMVg zumindest damit beschäftigt und auseinandersetzt. Das ist häufig mehr, als bei den anderen Akteuren.
Zum Thema Mali hatte ich mich ja schon geäußert und aktuell wird ja auch in diversen Medien thematisiert, dass non-formale Gewaltakteure wie IS/AQ-Spinoffs die Kosten des „War of Attrition“ einfach nur in die Länge ziehen müssen, um zu gewinnen. Das ist halt das strategische Dilemma von OoA-Einsätzen, die effektiv immer in „Forever War“ oder zumindest „Forever Engagement“ münden.
Im BMVg hat man diese Gedanken schon – mKn – seit 2017 spätestens. Erste Ansätze mindestens seit dem Heyst-Bericht und bereits in den 90ern war m.E. eine gewisse geistige Flexibilität vorhanden. Jetzt kann man die Bw auch nicht generalisieren … Diven und spezielle Kommandeure gab es ja auch zu genüge und das Thema Mindset ist schwierig.
Mali heisst ja nicht umsonst „Afrikanistan“ … aber Mandate existieren, die Arbeit ist „toll und wichtig“ und es interessiert die wenigsten. IKM ist grad „out“ … ich hoffe nur, dass man diese letzte Chance der Evaluation des Einsatzes (der AFG-Komplex) nutzt