Fürs Archiv: Bundespressekonferenz zu Afghanistan, 13. August 2021
Am (heutigen) Freitag blieb zunächst unklar, ob und wenn ja wie auch Deutschland Evakuierungen von Botschaftsmitarbeitern und deutschen Staatsbürgern aus Afghanistan vorsieht – die USA und Großbritannien hatten dafür am Vortag die Entsendung von Soldaten angekündigt. Im Auswärtigen Amt kam ein Krisenstab mit Vertretern verschiedener Ressorts zusammen; die NATO plante eine Sondersitzung des Nordatlantikschen Rats.
Fürs Archiv deshalb erstmal nur der Mitschnitt von Fragen und Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz in Berlin, mit Chistopher Burger vom Auswärtigen Amt, Kapitän z.S. David Helmbold vom Verteidigungsministerium und Steve Alter vom Bundesinnenministerium:
Das Transkript:
Frage (zur Lage in Afghanistan): Wie viele Staatsangehörige arbeiten zurzeit noch an der deutschen Botschaft in Kabul? Planen Sie angesichts des Vormarschs der Taliban eine Evakuierung des deutschen Botschaftspersonals?
Burger: Vielen Dank für die Frage. – Ich kann Ihnen dazu sagen, dass wir die Lage vor Ort sehr genau beobachten. Die schnelle Verschlechterung der Sicherheitslage ist sehr besorgniserregend. Wir sehen uns natürlich genau an, welche Maßnahmen andere Staaten treffen. Wir stehen dazu auch in intensivem Kontakt mit unseren internationalen Partnern und koordinieren uns mit ihnen sehr eng. Außenminister Maas hat dazu gestern mit seinem amerikanischen Amtskollegen Blinken telefoniert. Natürlich steht für uns die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mittelpunkt.
Wie andere Staaten bereiten auch wir Maßnahmen vor, gestützt auf die Planungen, die es für solche Krisenländer immer gibt und die immer vorgehalten werden, um unsere Handlungsmöglichkeiten vor Ort zu erhöhen und um unsere Botschaft dabei zu unterstützen, sich auf alle denkbaren Szenarien vorzubereiten. Die beteiligten Ressorts sind dazu zur Stunde im Auswärtigen Amt im Krisenstab zusammengetroffen, um über die nächsten Schritte zu beraten. Ich muss um Verständnis bitten, dass ich diesen Beratungen an dieser Stelle nicht vorgreifen kann. Ich muss auch um Verständnis bitten, dass ich zur Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Vertretung aus Sicherheitserwägungen hier keine Angaben machen kann.
Frage: Damit es etwas konkreter wird: Herr Burger oder Herr Helmbold, die USA und Großbritannien haben gestern Abend die Entsendung von Truppen ausdrücklich zur Absicherung einer eventuellen Evakuierung und zur Absicherung der Botschaft angekündigt. Gibt es entsprechende Planungen von deutscher Seite?
Eine zweite Frage an Herr Burger, wenn Sie erlauben: Sie haben gesagt, Sie beobachten die Lage sehr genau, auch in Abstimmung mit den Verbündeten. Was war ausschlaggebend dafür, dass Deutschland fünf Tage später als die USA und vier Tage später als Großbritannien die deutschen Staatsbürger dringend zur Ausreise aufgefordert hat?
Helmbold: Ich würde mit Blick auf die militärischen Anteile der Frage beginnen. Die Federführung für die Rückführung zu schützender Personen hat das Auswärtige Amt. Wie Sie wissen, stehen wir mit dem Auswärtigen Amt über solche Fragen in ständiger Verbindung. Ebenfalls halten wir natürlich in der Bundeswehr Kräfte bereit, die im Falle eines Falles zur Verfügung stehen, auch kurzfristig. Aber wie sich das im Einzelnen zusammensetzt – das kann sehr unterschiedlich sein -, ist dann lageabhängig. Dazu kann ich auch nur wiederholen, was Herr Burger schon gesagt hat: Wir können den Ergebnissen der Arbeit des Krisenstabs nicht vorgreifen, und dann wird sich im Weiteren sicherlich auch noch die Frage stellen, was operativ gesagt werden kann und was nicht.
Burger: Ich würde kurz zunächst einmal etwas bezüglich der zweiten Frage an mich ergänzen, was die Reisewarnung und die Aufforderung zum Verlassen Afghanistans angeht. Ich muss Sie da korrigieren. Wir fordern deutsche Staatsangehörige schon seit März 2020 in unserer Reisewarnung dringend zum Verlassen des Landes auf.
Zusatz: Herr Burger, bitte! Die US-Botschaft in Kabul hat am 5. August die dringende Aufforderung zur sofortigen Ausreise mit zivilen Maschinen veröffentlicht. Das Auswärtige Amt hat die entsprechende Warnung am 12. August veröffentlicht. Es geht mir nicht um die seit März oder so laufende Warnung, sondern um die nochmalige Verschärfung, die von Ihrer Seite fünf Tage später als von den USA erfolgte, und ich wüsste gerne, warum.
Burger: Ich kann Ihnen nicht sagen, warum andere Staaten zu welchem Zeitpunkt welche Formulierungen verwendet haben. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen: Die dringende Aufforderung an deutsche Staatsangehörige, Afghanistan zu verlassen, besteht seit März 2020.
Zusatzfrage: War das, was Sie am 12. August auf Ihre Webseite geschrieben haben, also keine Verschärfung?
Burger: Sie können das bewerten, wie Sie wollen. Ich würde Sie einfach bitten, die Formulierung, die wir verwenden, so zu verstehen, wie wir sie formulieren. Wir bemühen uns in den Reise- und Sicherheitshinweisen immer – das gilt natürlich insbesondere für Reisewarnungen -, so präzise wie möglich und so lageangepasst wie möglich die deutschen Staatsangehörigen zu informieren. Das kann man manchmal als Verschärfung interpretieren oder nicht. Für uns ist der Wortlaut dieser Formulierung ausschlaggebend. Wir fordern, wie gesagt, seit mehr als einem Jahr die deutschen Staatsangehörigen auf, Afghanistan zu verlassen. Ich weiß nicht – das überlasse ich Ihrer Recherche – wie die USA und Großbritannien das zu diesem Zeitpunkt in ihren Reise- und Sicherheitshinweisen gehandhabt haben.
Frage: Ist denkbar, dass die USA im Notfall auch Deutsche ausfliegen?
Burger: Darüber kann ich nicht spekulieren. Ganz grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass eine enge Zusammenarbeit in Krisensituationen unter Verbündeten natürlich besonders wichtig ist und auch regelmäßig praktiziert wird. Aber auf diese hypothetische Frage kann ich an dieser Stelle keine Antwort geben.
Frage: Trifft es zu, dass das Auswärtige Amt kurzfristig einen Charterflug organisieren will, um Mitarbeiter der Botschaft sowie Ortskräfte aus Kabul auszufliegen? Wann und in welcher Form soll das geschehen?
Burger: Der Außenminister hat gestern im „Morgenmagazin“ angekündigt, dass wir an der Organisation von Charterflügen arbeiten, um noch vor Ende des Monats noch in Afghanistan verbliebene afghanische Ortskräfte nach Deutschland zu bringen und um diesen Prozess zu beschleunigen. Wir haben Ihnen hier in den letzten Tagen mehrfach sozusagen Sachstände vorgetragen, aus denen hervorgeht, dass schon mehr als 75 Prozent der Ortskräfte, die sich in der ersten Runde des Verfahrens gemeldet hatten, nach Deutschland eingereist sind. Um für die noch Fehlenden das Verfahren zu beschleunigen, arbeiten wir an der Organisation von Charterflügen; das ist richtig. Der Außenminister hat gesagt, dass wir daran arbeiten, dass vor Ende des Monats ein bis zwei solche Charterflüge stattfinden können.
Frage: Herr Burger, wenn ich die Kollegin und deren Frage gerade richtig verstanden habe, zog sich die Frage auf das deutsche Personal. Das haben Sie jetzt nicht beantwortet. Stimmt diese Berichterstattung?
Burger: Ich weiß nicht, worauf sich diese Berichterstattung bezieht. Ich habe Ihnen zu der ersten Frage, die mir zu den Maßnahmen gestellt wurde, die wir zum Schutz der Sicherheit unserer Beschäftigten vor Ort treffen, das gesagt, was ich dazu sagen kann, nämlich dass zur Stunde die beteiligten Ressorts im Krisenstab über die nächsten Schritte beraten. Ich habe Sie auch darauf hingewiesen, was der Minister zur Organisation von Charterflügen gesagt hat.
Zusatzfrage: Ja, aber die Frage war ja explizit: Ist ein Charterflug oder sind mehrere Charterflüge für deutsches Personal in Kabul geplant? Können Sie uns – – –
Burger: Herr Kollege, das, was ich dazu zu sagen habe, habe ich Ihnen gerade gesagt!
Frage: Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, Spezialkräfte der Bundeswehr nach Afghanistan zu schicken, um die Ausreise von deutschen Staatsbürgern und afghanischen Ortskräften abzusichern?
Burger: Ich muss noch einmal auf das verweisen, was Herr Helmbold und ich hier vorgetragen haben.
Frage: Ich habe eine Frage an das BMWi und das BMZ: Wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheitslage afghanischer Ortskräfte, die für deutsche Hilfsorganisationen tätig waren? Gibt es im BMI Vorbereitungen dafür, auch für sie eine Ausnahmeanordnung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erlassen?
Alter: Das Ortskräfteverfahren bezieht sich ja nicht nur auf einzelne Ressorts, sondern auf alle Ressorts der Bundesregierung. Wir haben es hier mehrfach erklärt: In jedem Ressort gibt es einen Beauftragten, der die Fälle der Ortskräfte des eigenen Ressorts, also derjenigen, die für das jeweilige Ressort gearbeitet haben, dann auch prüft. Das Prinzip ist für alle Ressorts innerhalb der Bundesregierung identisch: Wenn es Ortskräfte gibt, die einen Ausreisebedarf anzeigen und ihre Gefährdung anzeigen, dann wird in den Ressorts geprüft und dann auch die jeweilige Aufnahmezusage erteilt, und wenn dieser Aufnahmezusage erteilt ist, dann wird die Ausreise vorbereitet.
Vorsitzender Szent-Iványi: Das bezieht sich also auch auf deutsche Hilfsorganisationen? Ich frage einfach nur noch einmal nach.
Alter: Ich habe jetzt auf das Ortskräfteverfahren Bezug genommen. Ich kann es hier nur abstrakt erklären. Was jetzt konkret mit den Ortskräften des BMZ ist, das müsste das zuständige Ressort beantworten.
Vorsitzender Szent-Iványi: Da das zuständige Ressort wegen Corona nicht anwesend ist, bitte ich von dieser Stelle aus einmal, das zu beantworten und nachzuliefern; das wäre gut.
Frage: Es geht – das ist eine Frage sowohl an Herrn Alter als auch an Herrn Burger – darum, dass Herr Laschet gestern öffentlich das Auswärtige Amt dafür verantwortlich gemacht hat, dass das Ausfliegen der Ortskräfte so schleppend verlaufe. Vor allem machte er offenbar in dem Zusammenhang das Auswärtige Amt dafür verantwortlich, dass unklar sei, ob Reisekosten übernommen werden würden. In den vergangenen Wochen, als wir hier mehrfach danach gefragt haben, hat sich allerdings immer das BMI für diese Frage zuständig erklärt. Wusste Herr Laschet es jetzt nicht besser, oder haben Sie, Herr Alter, sagen wir einmal, eigentlich den Kopf für Bremsaktionen des Auswärtigen Amtes hingehalten?
Alter: Ich habe hier an verschiedenen Stellen erklärt, dass sich die Bundesregierung am Rande einer Kabinettssitzung darauf verständigt hat, und zwar alle Kabinettsmitglieder, dass die Ausreise der Ortskräfte auch finanziell unterstützt werden soll, entweder durch die Übernahme der Ticketkosten oder aber durch die Bereitstellung von Charterflügen. Dieser Beschluss steht unverändert.
Wir haben im Moment keine Kenntnis darüber, dass eine Ausreise daran gescheitert ist. Wir haben eher die Information, dass im Moment das Problem darin besteht, dass die afghanischen Behörden von ihren Staatsangehörigen für die Ausreise ein Reisepasserfordernis sehen. Das ist etwas, was in der staatlichen Souveränität Afghanistans liegt. Darauf haben wir nur bedingt Einfluss. Für die Einreise nach Deutschland besteht dieses Erfordernis nicht. Wer keinen Reisepass hat, der bekommt ein Ersatzdokument ausgestellt. Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Ich kenne keinen Fall, der daran gescheitert ist, dass die Flugkosten nicht getragen werden konnten. Es mag diese Fälle geben. Dem BMI ist so etwas nicht bekannt.
Zusatzfrage: Dann geht die Frage an Herrn Burger, da Herr Laschet eben sozusagen explizit das Auswärtige Amt für die Verschleppung verantwortlich gemacht hat. Ziehen Sie sich diesen Schuh an?
Burger: Außenminister Maas hat ja gerade gestern öffentlich angekündigt, dass wir dabei sind, Charterflüge zu organisieren. Ich glaube, das beantwortet die Frage im Wesentlichen. Im Übrigen kenne ich die Grundlage der Äußerung von Herrn Laschet nicht.
Zusatzfrage: Na ja, eigentlich beantwortet es die Frage nicht. Die Äußerung von Herrn Laschet kam nämlich nach dem Statement des Außenministers; der hat das gestern Mittag gesagt. Das war gestern zum Beispiel in den 19-Uhr-Nachrichten im O-Ton zu sehen. Das sollten Sie doch eigentlich kennen. Vielleicht können Sie sich dazu noch verhalten.
Burger: Ich werde mich dazu jetzt nicht weiter äußern. Ich kenne den Hintergrund dieser Äußerungen nicht.
Frage: Wie viele Ortskräfte der Bundeswehr sind noch in Afghanistan?
Helmbold: Die Zahlen haben wir hier in der letzten Zeit ja regelmäßig kundgetan. Ich kann die aktualisierten Zahlen auch noch einmal vortragen. Es gab in dem Ursprungsverfahren, das ja eben angesprochen worden ist, 526 Ortskräfte, bezogen auf die Zweijahresfrist, von denen 491 Aufnahmezusagen erhalten haben. Mindestens 360 ehemalige Ortskräfte – das sind die etwa 76 Prozent, von denen eben die Rede war – sind mit 1458 Familienangehörigen in Deutschland eingetroffen, also insgesamt 1818 Personen.
Darüber hinaus gibt es im erweiterten Verfahren einen Personenkreis von etwa 350 Personen. Ich hatte ja in der letzten Regierungspressekonferenz auch erläutert, wie wir versuchen, die zu erreichen. Wie viele von denen angekommen sind, weiß ich jetzt nicht exakt. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die angekommen sind, die 360 ehemaligen Ortskräfte mit ihren Familienangehörigen sind.
Frage: Herr Burger, da Sie ja in enger Abstimmung mit den Verbündeten stehen: Wie gehen zum Beispiel die USA mit dem Erfordernis des Passes für die Ausreise um? Wird das von denen in der gleichen Weise als Hindernis angesehen, oder gibt es dort eventuell andere Wege, damit umzugehen?
Ich weiß jetzt nicht, ob sich die Frage an Herrn Seibert oder Herrn Helmbold richtet: Besteht innerhalb der Bundesregierung Einigkeit, dass ein eventueller Einsatz der Bundeswehr zur Evakuierung in diesem Fall ohne vorherige Zustimmung des Bundestags möglich ist?
Burger: Herr Kollege, es wird Sie nicht überraschen, dass ich hier nicht für die US-Behörden sprechen kann. Die Frage müssen Sie tatsächlich – – –
Zusatz: Das will ich auch gar nicht! Ich will wissen, ob Sie in Abstimmung mit Ihren amerikanischen Kollegen – Sie sprechen ja von einer engen Abstimmung – beobachten, was die machen, und ob Sie aufgrund dieser engen Abstimmung sagen können, wie die verfahren.
Burger: Wir stimmen uns eng ab. Trotzdem spreche ich nicht in deren Namen und kann keine Auskunft darüber geben, wie andere Staaten verfahren. Das ist einfach nicht meine Aufgabe als Sprecher des deutschen Auswärtigen Amtes.
Helmbold: Für unsere Anteile kann ich sagen: Mit Blick auf die Einbindung des Bundestags gelten wie immer die Maßgaben des Parlamentsbeteiligungsgesetzes.
Zusatz: Das hoffe ich!
Helmbold: Natürlich tun sie das.
Zusatzfrage: Davon, dass Sie sich an Gesetze halten, gehe ich aus. Die Frage (akustisch unverständlich) – – –
Helmbold: Das Gesetz ist zu beachten.
Zusatzfrage: Nein, echt?
Helmbold: Dazu gibt es ja überhaupt keine zwei Meinungen.
Frage: Was muss denn dabei beachtet werden?
Helmbold: Das Parlamentsbeteiligungsgesetz ist hier auch mehrfach zur Sprache gekommen. Grundsätzlich ist es für den bewaffneten Einsatz unserer Streitkräfte eben erforderlich, das Parlament zu befassen. Damit benötigen wir ein Bundestagsmandat für einen Einsatz von deutschen Streitkräften.
Zusatzfrage: Eine Evakuierung findet ja in der Regel bewaffnen statt, damit man die eigenen Leute schützt. Demnach, so verstehe ich das, braucht es ein Mandat des Bundestags für eine eventuelle Evakuierung. Habe ich das richtig verstanden?
Helmbold: Ja, wenn bewaffnete Auseinandersetzungen mit gegnerischen Kräften qualifiziert zu erwarten sind, dann ist das Parlament nach dem Wortlaut der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu beteiligen.
Zusatzfrage: Darf ich vielleicht noch eine grundsätzliche Frage stellen? Die Bundeswehr hat ja die afghanischen Streitkräfte ausgebildet, die jetzt gegen die Taliban kämpfen. Wie erklären Sie sich als Verteidigungsministerium, dass diese Ausbildung nicht gefruchtet hat beziehungsweise dass die Taliban diese Streitkräfte jetzt überrennen?
Helmbold: Das ist eine Frage, die man nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten kann. Es ist ein sehr komplexes Feld, das Sie ansprechen. Es gibt Kräfte, die sich besser zur Wehr setzen können. Andere Kräfte setzen sich weniger durch, als wir es uns wünschen würden. Es gibt recht erfolgreiche Maßnahmen von Spezialkräften, die ausgebildet worden sind. Es gibt andere Anteile, von denen wir uns gewünscht hätten, dass die Widerstandskraft größer ist.
Insgesamt muss man aber auch sagen: Wir haben es hier mit einem Konflikt zu tun, der insofern asymmetrisch ist, als sich eben eine bestimmte Anzahl von afghanischen Kräfte der ANA, die übrigens einen hohen Blutzoll zu verzeichnen hat, mit Menschen auseinandersetzen muss, die andere Mittel wählen, nämlich Terror, gezielte Tötungen und auch die Tötung von Zivilpersonen, häufig mit sehr, sehr perfiden Maßnahmen, beispielsweise durch Bombenangriffe oder Angriffe, bei denen erst eine Bombe gezündet wird, beispielsweise auf einem Marktplatz, und dann hinterher in der zweiten Welle, wenn Menschen kommen, die helfen wollen, eine weitere Bombe gezündet wird. Das bedeutet, es ist absolut nicht sinnvoll, wenn man zählt, wie viele Taliban hier wie vielen ANA-Kräften gegenüberstehen, weil dieser Konflikt eben nicht symmetrisch stattfindet. Das heißt, insgesamt kann ich nur dazu sagen: Man muss sich genau ansehen, über welche Operationen und welche Operationsformen man hier spricht, und man muss sich sehr differenziert ansehen, auf welche Lage die Menschen treffen. Insgesamt kann ich sagen, dass die ANA einen hohen Blutzoll – auch in den vergangenen Jahren – gezollt hat und sich den Taliban an verschiedenen Stellen entgegengeworfen hat. Die Asymmetrie ist insbesondere das, was dazu führt, dass wir im Moment diese Lage in Afghanistan haben.
Frage: Bundesminister Seehofer hat angekündigt, am Innenministerium werde die zügige Ausreise der Ortskräfte und ihrer Familien nicht scheitern. Gilt das ausschließlich für die Ortskräfte der Bundeswehr oder auch für andere Mitarbeiter, beispielsweise Ortskräfte der GIZ? Unterstützt das Innenministerium auch deren zügige Ausreise?
Alter: Der Bundesinnenminister hat im Hinblick auf alle Verfahren, die existieren, damit Ortskräfte im Sinne des Ortskräfteverfahrens aller Ressorts ausreisen können, deutlich gemacht, dass es nicht an bürokratischen Hürden scheitern wird, sondern die Ausreise schnellstmöglich und möglichst pragmatisch organisiert wird. Das, was man vor Ort nicht mehr leisten kann, das wird in Deutschland nachgeholt. Das ist die Botschaft, die der Innenminister aussenden wollte.
Frage: Werden deutsche Botschaftsangehörige nun beschleunigt ausgeflogen?
Burger: Ich glaube, zur Sicherheit der deutschen Vertretung in Kabul und den Erwägungen, die dazu gerade angestellt werden, habe ich eingangs alles gesagt, was ich zum jetzigen Zeitpunkt sagen kann. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich den Schritten, über die heute im Krisenstab beraten wird, zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgreifen kann.
Frage: An das Verteidigungsministerium: Haben Sie Informationen darüber, dass Angehörige der afghanischen Streitkräfte zu den Taliban überlaufen?
Helmbold: Solche Fälle wird es mit Sicherheit geben. Aber genaue Zahlen liegen mir dazu nicht vor.
Frage: Wenn die Ausreise teilweise an den afghanischen Behörden scheitert, wird die Bundesregierung dort mehr Druck aufbauen?
Burger: Ich glaube, dazu haben sich sowohl die Verteidigungsministerin als auch der Außenminister schon geäußert, dass das natürlich Gegenstand unserer Gespräche mit der afghanischen Seite ist.
Frage: Der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat sich ja noch vor ganz kurzer Zeit dafür ausgesprochen, weiter abzuschieben. Seehofer hat jetzt das Gegenteil entschieden. Es ist die Rede davon, dass Herr Seehofer Herrn Laschet in den Rücken gefallen sei. Haben sich die beiden abgesprochen? Wie wurde das koordiniert?
Alter: Wir erleben ja schon seit mehreren Wochen, dass die Situation in Afghanistan sehr dynamisch ist. In einer solchen Situation kann man Entscheidungen vom Mittwoch nicht mit Aussagen von einigen Tagen vorher ins Verhältnis setzen. Das war immer unsere Grundaussage, dass es darauf ankommt, die Situation fortlaufend zu beobachten und jeden Tag neu zu bewerten. Das haben wir immer deutlich gemacht, dass die Bundesressorts das tun.
Am vergangenen Mittwoch ist die Entscheidung getroffen worden, dass die Situation, wie sie sich jetzt darstellt, nicht mehr geeignet ist, Abschiebungen in Erwägung zu ziehen. Daraus ist kein Widerspruch zu Aussagen erkennbar, die einige Tage vorher stattgefunden haben. Es entwickelt sich, und da muss man in der Lage leben und ständig neu entscheiden.
Zusatzfrage: Herr Alter, jetzt haben Sie aber meine Frage überhaupt nicht beantwortet. Denn die Frage war ganz konkret: Gab es eine Absprache? Hat man sich zwischen Herrn Seehofer und Herrn Laschet koordiniert?
Alter: Zunächst einmal sind diese Entscheidungen, in welche Länder abgeschoben wird, Entscheidungen der amtierenden Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, die ja für Abschiebungen rechtlich zuständig sind. Es finden vielerlei Gespräche im politischen Raum statt. Aber formell ist das eine Entscheidung, die die Regierung trifft.
Zuruf: Sie haben meine Frage jetzt wieder nicht beantwortet.
Alter: Ich habe ja gesagt: Es finden vielerlei Gespräche statt. Es gibt viele Dinge zu berücksichtigen. Aber wissen Sie: Wenn wir jetzt solche Entscheidungen immer mit politischen Äußerungen von unterschiedlichen Seiten gegenprüfen, dann hilft es am Ende nicht weiter. Denn die Regierung hat auf der Grundlage der Erkenntnisse entschieden, die vorgelegen haben.
Ich kann noch einmal deutlich machen: Man kann nicht das, was wir gestern oder vorgestern beurteilt haben, ins Verhältnis zu den Dingen setzen, die dann entschieden werden, weil man die Lage täglich neu bewerten muss. Diese Bewertung hat zuletzt am Mittwoch stattgefunden.
Frage: Herr Helmbold, der frühere parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Peter Tauber hat heute Morgen öffentlich gesagt:
„Die Bundeswehr war im Einsatz in Afghanistan erfolgreich, hat ihre Aufträge der Politik alle durchgeführt und siegreich gekämpft. Aber die Politik des Auswärtigen Amtes war nicht erfolgreich. Sie ist wohl gescheitert.“
Ist das eine Meinung, die sich auch mit der Ihres Hauses deckt?
Helmbold: Ich kommentiere das gar nicht. Denn das ist eine Aussage einer Person, die im Moment keine Regierungsverantwortung trägt.
Frage: Eine Lernfrage an Herrn Burger: Können Sie uns ungefähr sagen, wie viele deutsche Staatsbürger sich derzeit in Afghanistan aufhalten? Bewegt sich das im Bereich mehrerer tausend? Ist die Zahl höher oder niedriger? Ich möchte von Ihnen also keine präzise Zahl. Es geht mir darum, dass wir einen Eindruck haben.
Burger: Sie wissen, dass es für Deutsche im Ausland keine Meldepflicht gibt. Deswegen haben wir darüber keine präzisen Angaben. Wir gehen davon aus, dass sich Anfang dieser Woche deutsche Staatsangehörige im hohen zweistelligen Bereich in Afghanistan aufgehalten haben.
Zusatzfrage: Das wäre unter hundert. Sind darin Bundeswehrangehörige und Menschen, die in offizieller Mission dort sind, eingeschlossen?
Burger: Nein. Ich sage einmal: Das entsandte Personal der deutschen Auslandsvertretungen ist nicht eingeschlossen.
Zuruf: Ich verstehe.
Vorsitzender Szent-Iványi: Herr Alter wollte noch schnell etwas ergänzen.
Alter: Herr Kollege, wir haben das gerade noch einmal gegengeprüft. Ich will das nur noch der Vollständigkeit halber noch einmal sagen. Also auch Herr Laschet hat sich dazu geäußert, dass diese Aussetzung der Abschiebung nach Afghanistan richtig ist. Insofern ist dieser Widerspruch nicht einmal in der Sache vorhanden.
Hmm. Ich denke grade mit dem Wahlkampf im Hinterkopf wird es schwerfallen zu sagen „lasst die Andern mal unsere Leute rausholen“. Dass könnte als verantwortunslosigkeit ausgelegt werden. Entweder wir können, aber wir wollen nicht. Oder wir wollen, aber wir können nicht. Der Eindruck wäre so oder so veheerend.
diskret: Sondersitzung des Nordatlantikschen Rats
@ Dante: Das wäre jetzt eigentlich die Paradedisziplin für eine schnelle Eingreiftruppe. Nur halt nicht an der Ostflanke nach Kalender, sondern jetzt gleich weil es brennt …
Gesichtswahrend wäre es nach dem verpatzten Antritt, den Verbündeten vor Ort (US, UK) ein konkretes Angebot einer möglichen Beteiligung zu machen. So bettet man sich gleich brav bei den Abstüzmächten ein und kommt nicht in Verlegenheit großartig mehr als verbale Lösungen zu konstruieren zu müssen. Wenn dann gar dankend abgelehnt würde, hätte man eh die insgeheim anvisierte Objektive erfüllt („… hat sich stets bemüht …“).
naja, ob ein Einsatz deutscher Streitkräfte im AUsland im Wahlkampf relevante Pluspunkte bringt?
Ein paar A400 hinschicken und Menschen nach Usbekistan/Georgien/Katar ausfliegen (von da an mit Charter- oder Linienflug). Da sind keine bösen Waffen im Spiel.
AA sendet KUT nach Kabul, Krisenunterstützungsteam. (Gem. Matthias Gebauer)
Ein KUT hat übrigens keine Machtmittel, hier KUT 3 = Rettung&EvakOp.
KUT ist nicht Teil MilEvakOpVbd!
Für dessen Einsatz würde BT Mandat benötigt, Zeit, Sondersitzung, 1. – 3. Lesung an einem Tag?
Ein KUT hat Diplomatenstatus, agiert in zivil und ist unbewaffnet.
Die Einreise des KUT ist dem Aufnahmestaat anzuzeigen. Dieser ist für dessen Schutz verantwortlich.
(Begeisterung)! Oder ist GSG 9 bereits im Einsatz, eher nicht.
[Gibt hier nen neuen Eintrag dazu, Debatte bitte dort. T.w.]
Verstehe den Pessimismus nicht ganz. Die Bw hat nun in ihrer Geschichte schon zweimal militärisch evakuiert, einmal sogar unter Beschuss. Ich sehe insofern keinen Grund, warum man das nicht auch ein drittes Mal machen würde. Dass im Moment keine klaren Aussagen aus Berlin oder Potsdam kommen, ist jetzt auch wenig überraschend, denn wer kündigt schon Evakuierungsoperationen an? Operation Pegasus lief 2011 auch zunächst unter Geheimhaltung. Die Ankündigungen anderer Nationen scheinen ja größtenteils auch erstmal nur in Richtung „verstärkte Präsenz“ zu gehen. Hier wird mir schon wieder in bester deutscher Manier zu viel gemeckert, obwohl kaum Grundlage vorhanden.
@aussenstehender Dass mit den eher 3-4 a 400 m. Wäre so ziemlich genau die Idee. 80 für Sicherung und 240. pax. Und Raus…
@Fege hier nur sagt: 13.08.2021 um 16:45 Uhr
„Hier wird mir schon wieder in bester deutscher Manier zu viel gemeckert, obwohl kaum Grundlage vorhanden.“
+1
Präsident Biden’s Rede war in Teilen etwas unglücklich:
„Wiederholt hämmerte B. monoton ins Publikum, amerikanische Soldaten sollten nicht mehr für die Konflikte anderer Länder ihr Leben lassen.“ (aus einem Kommentar auf ZEIT Online)
Darauf folgt die chinesische Reaktion:
„Afghan abandonment a lesson for Taiwan’s DPP“
https://www.globaltimes.cn/page/202108/1231636.shtml
Parallelen zu Taiwan werden gezogen, Südkorea und Taiwan sind vielleicht jetzt etwas ratlos.