Evakuierungsmission der Bundeswehr in Afghanistan endgültig abgeschlossen – Letzte Maschinen zurückgekehrt
Mit der Landung der letzten beiden Transportflugzeuge ist die Evakuierungsmission der Bundeswehr endgültig zu Ende gegangen. Auf dem Fliegerhorst Wunstorf landeten am (heutigen) Samstag zwei A400M-Flugzeuge, eine davon ein für medizinische Notfälle ausgerüstetes fliegendes Lazaret. Der Einsatzverband für die Operation in der afghanischen Hauptstadt Kabul war bereits am Vortag nach Deutschland zurückgekehrt.
Der so genannte MedEvac-Airbus (Medical Evacuation) war auf Anweisung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zunächst in der usbekischen Hauptstadt Taschkent zurückgeblieben, um nötigenfalls verwundete Soldaten anderer Nationen aus Kabul aufnehmen zu können. Die Maschine kam dafür jedoch nicht zum Einsatz. In Taschkent sind derzeit noch Logistiker der Bundeswehr, die in den nächsten Tagen nach Deutschland geflogen werden sollen.
Am vergangenen Donnerstag war die MedEvac-Maschine unplanmäßig als letztes deutsches Flugzeug in Kabul gelandet: Die Soldatinnen und Soldaten des Einsatzverbandes, die zur Organisation und Sicherung der Mission am Airport der afghanischen Hauptstadt eingesetzt waren, mussten wegen des Bombenanschlags außerhalb des Flughafens mit einem Alarmstart ihre Ausreise schneller durchführen als geplant. Dabei blieben zunächst zwei deutsche Soldaten zurück, die sich bei den US-Streitkräften in einem anderen Teil des Flughafens aufgehalten hatten. Der MedEvac-Airbus, der für Notfälle über Kabul kreiste, landete daraufhin und nahm die beiden Deutschen an Bord.
Nach der Bundeswehr zogen am Samstag auch weitere Streitkräfte anderer Nationen ab, die an der internationalen militärischen Luftbrücke aus Kabul beteiligt waren. Das letzte Evakuierungsflugzeug der britischen Streitkräfte verließ am Samstag Kabul; danach sollten nur noch eigene Soldaten und Diplomaten ausgeflogen werden. Dass die Evakuierungsflüge selbst der USA deutlich abgenommen haben, zeigte die Bilanz des US-Verteidigungsministeriums: Vom gestrigen Freitag um 09.00 MESZ bis zum heutigen Samstagmorgen 09.00 MESZ wurden danach von den USA selbst rund 2.100 Menschen ausgeflogen, Flugzeuge anderer Nationen brachten ebenfalls rund 2.100 Menschen aus Kabul. In den Tagen zuvor hatte die Gesamtzahl erheblich höher gelegen: Noch vom 24. auf den 25. August waren insgesamt rund 19.000 Personen ausgeflogen worden, davon allein 11.200 mit Maschinen der US-Streitkräfte.
Die USA, die den größten Teil der Truppen am Flughafen sowie die Technik für den Betrieb stellen, werden bis zum kommenden Dienstag ihre Mission einstellen. Das hatte US-Präsident Joe Biden ungeachtet vom Drängen aus Reihen der Verbündeten wie aus der US-Innenpolitik festgelegt. Die Taliban hatten ebenfalls darauf gepocht, dass alle internationalen Truppen bis zum 31. August aus dem Land abziehen.
Der Kommandeur des deutschen Einsatzverbandes, Brigadegeneral Jens Arlt, hatte sich nach der Rückkehr am Freitagabend skeptisch zu den Aussichten geäußert, den zivilen Teil des Kabuler Flughafens bald wieder in Betrieb zu nehmen. Praktisch die gesamte Infrastruktur des Airports sei zerstört, sagte Arlt.
(Grafik: ADSBexchange)
Russland bereitet sich auf Spannungen an der Südgrenze und zu den ehemaligen Sowjetrepubliken in deren Grenzgebiet mit Afghanistan vor.
Russia wants CSTO (1) security alliance to boost cooperation over Afghanistan.
https://www.reuters.com/world/russia-wants-csto-security-alliance-boost-cooperation-over-afghanistan-2021-08-28/
(1) Collective Security Treaty Organization
Mitglieder sind:
Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan und Belarus.
Die „stan“-Staaten werden mit Blick auf ihre muslimischen Bevölkerungsteile RUS Hilfe gern annehmen.
Ich habe es sehr vermisst, dass in den Ansprachen aller Beteiligten die Crews der Flugzeuge nicht ausdrücklich im Dank erwähnt wurden.
Deren Leistung finde ich persönlich besonders herausragend.
Vielen Dank an die, die Alle aus Kabul herausgeflogen haben. Und danke an die nationenübergreifende Zusammenarbeit.
Die Mission an sich hat funktioniert. Die Flugzeuge sind geflogen und haben technisch funktioniert. Die Truppe an sich war innerhalb von 48h nach Auftragserteilung vor Ort. Die Abläufe haben geklappt soweit von der rein technisch/operativen Seite alles i.O.
Politsch hat die Bundesregierung dennoch auf ganzer Linie versagt. Es gab keine fertigen Pläne in der Schublade, man hatte aus Wahlkampftaktischen Gründen regelrecht Angst und Panik auch nur einen einzigen Afgahnen zuviel aufzunehmen. Die Ministerien haben „Beamten Mikado“ und „Schwarzer Peter“ gespielt. Ich behaupte Mal das nicht ein einziger Angehöriger der Bundesregierung dafür politische Verantwortung übernimmt und genau bis zu der Stunde im Amt bleibt bis ein neuer Bundestag zusammen getreten ist und eine neue Regierung vereidigt ist.
BRAVO ZULO an alle Soldaten vor Ort. Aber eine glatte SECHS für die politisch Verantwortlichen.
Nun ja … Russland hat in Tadschikistan eh seit langem Truppen stationiert (Fallschirmjäger und Aufklärer in Alarmbereitschaft und eh Kontrolle aller wichtigen Punkte im Land) und was die CTSO betrifft, so sind Usbekistan und Turkmenistan als weitere wichtige Anrainer was die Landgrenze zu AFGHANISTAN (!) betrifft, eben keine Vertragspartei …
Manöver hin oder her … regionalpolitisch werden die Karten neu verteilt (und Usbekistan gilt was militärpolitische Verortung und Verantwortung betrifft, eher als „Friend of the West“).
Kirgisistan und Kasachstan sind was die afghanische Fragestellung betrifft … eher nachrangig. Dort sind der IS bzw. generell „foreign Terrorist fighter“ eine höhere Priorität als innerafghanische Spannungen und tektonische Machtverschiebungen.
Was die Evakuierung als solches betrifft, so kann man doch von einem Erfolg sprechen (was die Leistung der Crews und die Belastbarkeit des Materials betrifft), worauf sich aufbauen lässt. Regional bleibt es spannend, aber Deutschland hat ja (wie die ganze EU) gezeigt, dass die Region nur noch strategisch nachrangig ist …
@ Küstengang01
Politisch versagt haben nur Die Linke und die AfD bei der nachträglichen Abstimmung über den Einsatz.
Ansonsten ist es deutlich besser gelaufen, als viele Leute erwartet haben.
Es kann nicht für alles vorbereitete Pläne geben.
Zuallerst beglückwünsche ich es, das alle Soldaten von diesem Einsatz zurückgekehrt sind.
Es ist m.E. trotz allem ein totaler Fehlschlag (politisch), denn von wie vielen evakuierten Ortskräften reden wir denn tatsächlich. Von den 4000 Afghanen sollen nur 100 Ortskräfte gewesen sein und 350 Angehörige.
@Realist: Für genau diesen Fall muss man immer einen Plan in der Tasche haben. Die Militärs sowieso. Es sind nur leider Politiker, die ihren eigenen Phantasiewelt gefangen sind und die Realität nicht sehen wollen.
@Der Realist sagt:
28.08.2021 um 23:15 Uhr
Klar so strickt man an Heldenmythen!
In der Regierung hat man Volgel Strauß Politik bezüglich Afg. betrieben und erst Reagiert als die Kacke lichterloh gebrannt hat. Die deutsche Botschaft hat sich irgendwann Kraft Wassersuppe selbst evakuiert, weil in Berlin keiner eine Entscheidung treffen wollte.
Mitarbeiter von NGO’s und andere deutsche Staatsbürger wurden in der Anfangszeit komplett allein gelassen und haben vom Krisenstab nix gehört.
Aber tausende Ortskräfte von BW, BMI und BMZ sowie von deutschen NGO’s und Medien sind zurückgelassen worden.
Einen Tag vorm Fall von Kabul wollte man noch Flux einen Abschiebeflug nach Afg. schicken. Aber Ortskräfte die unseren Einsatz erst ermöglicht haben hat man im Stich gelassen weil dummerweise im September Wahl ist und die CDU ungern eine Stimme an die AFD verliert weil man Flüchtlinge ins Land holt.
Bis heute sind übrigens noch deutsche Staatsbürger in Afg. die man nicht mehr raus bekommen hat, weil man sich in der abzeichnenden Lage eben nicht rechtzeitig auf die Vorbereitung einer Evac Mission eingestellt hat. Und z.b. die Ortskräfte mit Charterflügen vor 4 oder 6 Wochen raus geholt hat.
Ich nenne das Politisches Versagen auf ganzer Linie aber in dieser Republik beschränkt sich polische Verantwortung auf ein „Sorry liebe Bürger“ im Vorbeigehen an den Kammeras. Danach macht man dann einfach Weiter.
@Realist
Wirklich deutlich besser gelaufen als geplant? 101 Ortskräfte wurden gem. Innenministerium evakuiert + deren Angehörige insgesamt 500 von ~5000 also 10%. Wenn das ihrer Meinung nach deutlich besser als geplant ist 10% Erfolgsquote dann haben sie niedrige Erwartungen.
Ich bin da bei Küstengang tolle Leistung auf Arbeitsebene aber politisches Totalversagen.
Ich freue mich das alles so gut gelaufen ist. Was aber bei der ganzen Sache unterging ist, dass der A400M und die Besatzungen ihre Feuertaufe bestanden haben. Eben mal so schnell operativ zu arbeiten ist nicht einfach und zeugt von guter Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Und das ohne jahrelanges Üben. Respekt.
@Belader
Zitat:
…..Und das ohne jahrelanges Üben….
Ein großteil der fliegenden Besatzungen auf A 400M generiert sich immer noch aus Besatzungsmitgliedern die schon jahrelang vorher auf Trransall in Afghanistan geflogen sind und AFG insbesondere Kabul (fliegerisch gesehen) wie ihre Westentasche kennen.
Die Flüge zu OEF und ISAF Zeiten, gerade imBereich MedEvac, waren auf Transall fliegerisch sicher ähnlich gefährlich und fordernd wie die eben bendete Evakuierungsmission.
Nur von der Transportleistung Flugzeugbedingt halt kleiner.
Von daher, wird es für die meisten Besatzungen der A400 M eher (fast) „business as usual“ in AFG gewesen sein.
Eben alter Wein ( Fliegen unter Bedrohung in fordernder Topographie Afghanistans) mit ein paar neuen Schläuchen (A400 M statt Transall).
Ich möchte auf gar keinen Fall die gezeigte Leistung kleinreden, aber man muß (fliegerisch gesehen) doch die Kirche im Dorf lassen.
Also, nichts was mit der C-160 die vergangenen 19 Jahre in AFG nicht schon X-Mal gemacht wurde.
Nur eben von der Öffentlichkeit und Politik in der Vergangenheit nicht (gewollt) wahrgenommen und von der Presse nicht wie momentan mit verklärtem Heldenepos aufgebauscht.
Soviel zu den Fakten…
Trotzdem, Hut ab vor allen Beteiligten die diese Mission ermöglicht haben.
Ich würde die Zahl 101 „with a grain of salt“ nehmen. Der Begriff Ortskräfte ist nicht klar definiert. Ob das Innenministerium die Zahl der Menschen zählt, die für Institutionen unter Kontrolle der deutschen Regierung gearbeitet haben, oder die Zahl derjenigen, für die es einer Visaerteilung vor Beginn der Evakuierung (widerwillig) zugestimmt hatte, und die dan bei Beginn der Evakuierung noch in Afghanistan waren, oder was die Kriterien waren, in diese Zahl der 101 einbezogen zu werden, bleibt offen.
@IstEgal:
Die Frage bei diesen Zahlen, die auch in der „Welt“ zu lesen sind, ist aber auch: wer sind denn dann die restlichen knapp 4000 Afghanen und Afghaninnen? Dazu wurde rein gar nichts gesagt. Durch kam nur, wer auf irgendwelchen Listen stand oder schlicht Glück hatte. Es wurden ja nicht nur Ortskräfte ausgeflogen, sondern auch anderweitig zu Schützende, wie Menschenrechtsaktivisten, Justizpersonal, Journalisten etc. Dann sind da womöglich auch noch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft dabei. Es ist auch vorstellbar, dass die Bundeswehr auch Ortskräfte von anderen Nationen ausgeflogen hat. Zumindest mir fällt es schwer zu glauben, dass die bei den Evakuierungsflügen die Leute so lange zurückgehalten haben, bis die Nation, bei der sie ihre Papiere erhalten haben, wieder eine leere Maschine da hatte.
@ IstEgal
Vermutlich hätten Ihnen auch 99 Prozent als Quote nicht gereicht.
Und nachdem gestern die letzten A400M zurückgeflogen sind, sind wohl heute (Sonntag) gemäß ADS-B mit der 54+24 und 54+32 die allerletzten auf dem Rückmarsch.
Zum Rückkehrerappell nach der MilEvakOp.
Ja, man hat gelernt und wollte es besser machen.
Doch man hat durch die unnötige Überhöhung die tatsächlichen Leistungen durch das Zuviel zugekleistert.
Dazu kommt noch, die Überhöhung lässt die Leistungen bisheriger Kontingente ISAF/RS, insbesondere deren Rückkehrerappell in dem unnötigen Licht der Nichtanerkennung ja sogar Herabsetzung erscheinen.
Im Vergleich zu internationalen Partner stehen wir wieder schlecht dar. Die Nichtwürdigung nach Ende RS aber auch die Überhöhung des letzten (MilEva) Appells fallen auf.
Zur Einordnung der militärischen Leistung, ja es hat funktioniert. Insbesondere sei auch der Luftwaffe Dank.
Hier wurde es schon einmal angesprochen, nun von den „unseren Helden Kabuls“ zu sprechen entspricht nicht den Realitäten. In wirklicher Gefahr und im Kampf war man fast nie. Gesichert durch den äußeren Ring der Amerikaner. Abläufe einer MilEvakOp entsprechend der Grundsätze. Nicht einfach, auch Friktionen bewältigt, hohe psychische Belastung – alles richtig.
Wie ordnen wir aber nach dieser Überhöhung die anderen Leistungen der Bundeswehr ein? ISAF/RS oder auch Mali oder LV/BV? Da bekam und bekommt niemand pressewirksam Tränen der Rührung in die Augen,
Taperkeit und Gefecht gab es nicht nur bei dieser MilEvakOp. Ich frage mich, wie sehen das nun die Soldaten der Bundeswehr?
GAF142 (54+24) und GAF143 (54+32) sind jetzt (29-08 um 1744-1750) im deutschen Luftraum angekommen. Mit deren Landung in ETNW ist dann die komplette Mission MilEvakOp Kabul endgültig abgeschlossen.
@Realist
Ganz ehrlich bei 50% hätte ich es als Erfolg gewertet, das wäre für mich gleichbedeutend mit der Schulnote ausreichend und das wäre unter gegebenen Umständen gut gewesen.
Aber 10% sind und bleiben ungenügend oder anders ausgedrückt:“setzen sechs“.
Ehrliche Kritik auch an sich selbst führt dazu das es vielleicht in ferner Zukunft mal besser wird. Jeden fliegenschisskleinen Mini-Erfolg zum absoluten Höhepunkt zu erklären führt nur dazu das es niemals besser wird da man ja schon quasi perfekt ist.
Gilt hier, gilt bei den Personalzahlen bei der Ausrüstung und und und
@all
… und jetzt ist der Einsatz endgültig vorbei:
Am 29.08.2021 um 18:33 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) hat das für die logistische Abwicklung eingesetzte Personal den Flughafen WUNSTORF (DEUTSCHLAND) erreicht. Die militärische Evakuierungsoperation ist damit beendet.
teilte die Bundeswehr den Obleuten im Bundestags-Verteidigungsausschuss mit.
Die taktischen Handlungen sind beendet.
Danke allen beteiligten – habt ihr gut gemacht. Daumen hoch ich bin stolz auf euch.
@2los-lasy
Die „Überhöhung die tatsächlichen Leistungen“ hat m. E. Methode, was die Bundeswehr angeht. Auch während des ISAF-Einsatzes gab es fast nur Erfolgsmeldungen. Die Bundesregierung bewertet den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auch insgesamt als großen militärischen Erfolg, wie man noch vor wenigen Tagen betonte. Unmittelbar vor einer Bundestagswahl wäre es wohl auch unrealistisch, eine schonungslose Analyse dessen zu erwarten, was seit 2001 schiefgelaufen ist und weiterhin schief läuft.
Die Kommentare á la „Wir sind so schlecht/empoert/geschockt, Riesen-Desaster, die ganze Chose, Bundesregierung: Alles Lumpen und Versager“ weisen geradewegs zum Hauptproblem dieses Unternehmens, welches auch schon in Vietnam das zentrale Problem war: Die innenpolitischen Dynamiken und Begruendungs-Narrative, die man strickt, um politische Zustimmung zu generieren, in den an der Mission beteiligten Nationen passen a) nicht zur tatsaechlichen Situation vor Ort und werden b) vor Ort nicht mit den notwendigen Faehigkeiten und Mittel unterfuettert, soll heissen: Man hat das klassische strategische Dilemma (Grenzenlose Ambitionen, begrenzte Faehigkeiten & Mittel) nie umfassend adressiert.
Stattdessen hat man kurzfristige, poltisch-taktische Gewinne zum Preis von langfristigen Glaubwuerdigkeitsverlusten gemacht, in dem zumindest in DEU eine rot-gruene Regierungskoalition sich selbst weismachen musste, dass rubbeldiekatz eine humanitaere Stabilisierungsmission nicht nur die Teilnahme an der „boesen“ Anti-Terrormission ueberstrahlen wuerde, sondern auch tatsaechlich wie von Zauberhand bluehende Landschaften in Afghanistan zum Vorschein bringen taete (Dazu brachte der Spiegel damals 2001 schoene Bilder aus dem Hippie-Trail-Kabul der fruehen 1970er Jahre, Mini-Roecke und so), und zwar ganz von selbst.
In dieser End-of-history / Western-Hyperpower-Hybris hat man gedacht, die Welt funktioniert analog zum Plot von „Die glorreichen Sieben“: Bad guy unterdrueckt rechtschaffende, gottesfuerchtige & fleissige Menschen, ein paar harte Typen mit weichen Herzen weisen Bad guy und seine vielkoepfige Schar von Helferlein in seine Schranken (Auch mal robust), die dankbaren Befreiten spucken in die Haende, und mit ein bisschen Hilfe wird ganz fix alles wieder gut.
Angewendet auf Afghanistan hies das: Deutschland jagt nicht primaer Terroristen, sondern bringt das Gute in einen Teil von Zentralasien, hier Frauenrechte, Maedchenbildung, fliessend Strom & Wasser, dafuer sind wir auch mal nicht zimperlich, um das sichere Umfeld zu gewaehrleisten. Das war das Feigenblatt, um innenpolitisch das Spannungsfeld von rot-gruener „uneingeschraenkter Solidaritaet“ und eingeschraenkter rot-gruener Leistungsbereitschaft im „global war on terror“ zu verdecken. Mit kurzfristig duchschlagendem Erfolg: Gute Zustimmung fuer den „guten“Teil des AFG-Einsatzes.
Fuer diese Ziele hat man aber nie die notwendigen Faehigkeiten und Mittel im notwendigen Umfang bereitgestellt, wie auch, unmoeglich, weil entgrenzt / unstrategisch, aber in DEU waren und sind diese Ziele der Massstab, an dem unser AFG-Engagement gemessen wurde, was zu dieser schaurigen Selbstgeisselungs-Show fuehrte, die hoch-emotional und damit hoch-egoistisch in DEU aufgefuehrt wird.
Das stille Primaerziel war aber, Deutschland, strategisch maximal abhaengig von den USA, als strategisch maximal verlaesslichen Partner „whenever/wherever“ zu praesentieren. DAS haben wir bis zur letzten Minute gemacht, im Guten wie im Schlechten, wir waren und blieben dabei, bis die Suppe ausgeloeffelt, der bittere Tropfen zur Neige ging. In diesem Sinne: Voller Erfolg. Und wenn der politische Wille in den USA implodiert, in Afghanistan praesent zu, dann gibt es folgerichtig fuer uns auch keinen Grund mehr, da zu bleiben.
Ueber dieses Primaerziel hat es NIE eine wirkliche Debatte in Deutschland gegeben, obwohl es in Regierungsstatements und in Kommentarspalten manchmal durchschien. In den Medien nicht, in der deutschen Politikwissenschaft nicht, schon gar nicht im deutschen Bundestag.
Und das ist mMn die zentrale Lehre nach Ende unserer Zeit in AFG: Die tatsaechliche strategische Situation und die daraus abzuleitenden Interessen muss halbwegs ehrlich adressiert werden bei solchen Entscheidung, sonst kommt hinten nur Unrat heraus, zumindest in der eigenen Wahrnehmung. Wie gerade zuhause zu besichtigen.
Und das alles nur, weil man sich 2001 mEn nicht getraut hat, zumindest innerhalb der damaligen Regierungskoalition eine offene Debatte zu fuehren, um dann ggf. zu sagen: „Tut uns leid, aber Terroristen gehoeren vor Gericht und dann in den Knast, nicht auf ein Schlachtfeld, das wollen die doch nur, als super-existenziell gefaehrliche Gegner wahrgenommen werden, der Staaten zur Ueberreaktion zwingt. Daher keine deutsche Teilnahme am GWOT.“ Sowas haette wirklich Mut & Weitsicht bewiesen, und uns waeren unwuerdige Spektakel wie letzte Woche im Bundestag erspart geblieben, wo Frau Baerbock tatsaechlich gefordert hat, mit den gleichen symbolischen Popanz wie 2001 unser Engagement am Hindukusch zu rebooten: Grosse Konferenz auf dem Petersberg, grosse Absichtserklaerungen & Beschluesse, Anschlussmission fuer humanitaere Hilfe, Zivilgesellschaft staerken, etc., etc..
Fensterreden fuer die eigene Klientel, ja, wohlfeil, aber wenn solche moralinsaure Nabelschau zu politischen Beschluessen und Mandaten und damit aussenpolitische Konsequenzen fuehrt, ist das unangemessen.
@J10:
Es ist nicht so, dass Afghanen nicht an Demokratie geglaubt hätten. Dazu:
Navid Kermani zu Afghanistan
– „Sie haben ans Projekt Demokratie geglaubt“
Datum: 29.08.2021 22:08 Uhr
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afghanistan-kabul-taliban-kermani-100.html
Und etwas, das sich wie eine Ohrfeige anfühlen muss: „ Osama Bin Laden’s bodyguard Dr. Amin al-Haq is back in Nangarhar in Afghanistan after Taliban takeover.“
https://twitter.com/AdityaRajKaul/status/1432261069897015296?s=20
Und ja, die gehören in Knast. Nur wo? In Pakistan? In Nordost Syrien, wo die SDF tausende ISler freilassen mussten, weil sie schlicht die Ressourcen nicht haben:
Terrormiliz IS in Ostsyrien
Das Comeback der „Gotteskrieger“
https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-1407.html
VIDEO
Syrien: Das Erstarken des IS
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-911501.html
In den Medien häufen sich die Fragen WEN wir eigentlich gerettet haben. Ca 100 Ortskräfte, ca 370 Familienangehörige. Wieviel Deutsche ist mir nicht bekannt.
Warum ist diese Rettung ein Erfolg, wenn man gar nicht weiß, wen man ausfliegen ließ. Wer da war, wurde halt mitgenommen? Hauptsache viel auf der Ladeliste? Darf man das fragen oder trübt so etwas einfach den ganzen Erfolg?
[Gab heute eine etwas genauere Statistik in der Bundespressekonferenz; stelle ich nachher noch ein. T.W.]
Nun ja … zynisch könnte man sagen, dass der Begriff „Ortskräfte“ ja nie wirklich hart unterfüttert wurde (ich hatte dazu mal in einem anderen Faden was geschrieben). Dementsprechend niedrig sind die Zahlen.
Ob das jetzt am Resultat und der Bewertung der moralischen Komponente was ändert … Menschenrechte gelten eh für jeden und das verwendete Konzept der „besonderen Schutzbedürftigkeit“ interessiert der BVA-Status einer Ortskraft einen feuchten Kehrricht.
Wir versuchen gern irgendwelche moralischen Vorstellungen und Werte in harte Verwaltungslogik zu gießen … als ob jede Ortskraft ein guter Mensch war/ist/sein wird. Wenn ich schon wieder alles an „Menschenrechten“ und einer gewissen Wertekongruenz aufhänge, dann ist es völlig wurscht, ob Ortskraft oder abgeschobener afghanische*r Staatsbürger*in …
Aber ohne feste Ziele ist halt jedes Ergebnis ein Erfolg …
@ Peter Meinl
mal davon freimachen, dass das deutsche Kontingent ausschließlich Leute auf deutschen Listen ausgeflogen habe. Es wurde ausgeflogen, wer bereit an der Rampe stand. Dorthin gestellt von allen an der Evakuierung beteiligten Nationen innerhalb des militärischen Bereichs am Kabuler Flughafen.
Cheers
Flip
Ist doch wirklich egal wer es an den US und GB Sicherungskräften vorbei geschafft hat konnte mit Sicherheit irgendeine Art der Schutzbedürftigkeit nachweisen. Wer dann wo in welchem Land unterkommt warten wir Mal 12 Monate ab.
Die Großmutter eines guten Freundes ist 1945 durch ein Dutzend Länder gelaufen mit teilweise nix am Leib oder in den Taschen außer den paar Lumpen die ihr das Rote Kreuz und die Britten in Bergen Belsen gegeben haben bis sie es nach Tel Aviv geschafft hatte.