Deutschland verringert Botschaftspersonal in Kabul, Charterflüge auch für Ortskräfte ohne Visum (Nachtrag: NATO)

Angesichts der anhaltenden Eroberungen der Taliban in Afghanistan will Deutschland sein Botschaftspersonal in der Hauptstadt Kabul auf ein Minimum verringern. Geplant seien Charterflüge für die deutschen Mitarbeiter, aber auch für Ortskräfte von Bundeswehr und anderen deutschen Organisationen, kündigte Außenminister Heiko Maas an. Die Aufständischen eroberten weitere wichtige Orte und sind noch rund 50 Kilometer von Kabul entfernt.

Maas äußerte sich am (heutigen) Freitag nach einer Sitzung des Krisenstabes der Bundesregierung. Nach seinen Worten soll die Botschaft in Kabul mit einem operativen Minimum arbeitsfähig bleiben und in den nächsten Tagen mit einem so genannten Krisenunterstützungsteam (KUT) der Bundeswehr erweitert werden.

Der wesentliche Punkt von Maas‘ Ankündigung: Mit Charterflügen sollen nicht nur Angehörige der Botschaft, sondern auch die unter 100 deutschen Staatsbürger ausgeflogen werden, die noch im Land sind – und eben auch Afghanen, die für deutsche Institutionen wie die Bundeswehr gearbeitet haben. Dabei würden auch afghanische Staatsbürger mitgenommen, die bislang noch kein Visum für Deutschland hätten, sagte der Außenminister. Das Visum werde ihnen bei Ankunft in Deutschland erteilt.

Unklar blieb zunächst allerdings, ob weiterhin das vom Auswärtigen Amt wie vom Verteidigungsministerium genannte Haupthindernis für die Ausreise von Ortskräften besteht: Nach Angaben der beiden Ministerien verlangen die afghanischen Behörden für die Ausreise einen Pass, über den allerdings längst nicht alle ausreisewilligen Ortskräfte verfügen.

Auch zu einer möglichen Absicherung des Vorhabens durch die Bundeswehr machte Maas keine Angaben. Andere Staaten wie die USA und Großbritannien hatten die Entsendung von Truppen angekündigt, um Evakuierungsoperationen aus Kabul zu sichern.

Das Statement von Maas zum Nachhören:

Maas_Afghanistan_13aug2021     

 

Unterdessen nimmt die Zahl der strategisch bedeutsamen Orte, die die Taliban unter ihre Kontrolle bringen, stetig zu. Der Journalist Frud Bezhan von Radio Free Europe/Radio Liberty listete den Stand am Freitag auf:

Timeline of Taliban’s capture of provincial capitals in Afghanistan:
Aug. 6 – ZARANJ, Nimroz Province
Aug. 7 – SHEBERGHAN, Jawzjan Province.
Aug. 8 – SAR-E-PUL, Sar-e-Pul Province.
Aug. 8 – KUNDUZ CITY, Kunduz Province.
Aug. 8 – TALOQAN, Takhar Province.
Aug. 9 – AYBAK, Samangan Province.
Aug. 10 – PUL-E-KHUMRI, Baghlan Province.
Aug. 11 – FAIZABAD, Badakhshan Province.
Aug. 12 – GHAZNI CITY, Ghazni Province.
Aug. 12 – HERAT CITY, Herat Province.
Aug. 12 – KANDAHAR CITY, Kandahar Province.
Aug. 12- QALA-E-NAW, Badghis Province.
Aug. 13 – LASHKARGAH, Helmand Province.
Aug. 13 – PUL-E-ALAM, Logar Province.
Aug. 13 – TARIN KOWT, Uruzgan Province.
Aug. 13 – QALAT, Zabul Province.
Aug. 13 – FEROZ KOH, Ghor Province.

Von Bedeutung ist diesmal besonders Pul-e Alam in der Provinz Logar: Die Stadt ist rund 50 Kilometer von Kabul entfernt und markiert damit den bislang nächsten Ort unter Taliban-Kontrole vor der Hauptstadt.

Nachtrag: Nach einer Sondersitzung des Nordatlantikrats gab NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine Erklärung für das Bündnis zur Entwicklung in Afghanistan ab:

Our aim remains to support the Afghan government and security forces as much as possible. The security of our personnel is paramount. NATO will maintain our diplomatic presence in Kabul, and continue to adjust as necessary.
NATO Allies are deeply concerned about the high levels of violence caused by the Taliban’s offensive, including attacks on civilians, targeted killings, and reports of other serious human rights abuses. The Taliban need to understand that they will not be recognised by the international community if they take the country by force. We remain committed to supporting a political solution to the conflict.

Nachtrag 2: Das Verteidigungsministerium äußerte sich am Freitagabend etwas wolkig (verglichen insbesondere mit den Ankündigungen der USA und Großbritanniens, die offensichtlich mit diesen operativen Aspekten nicht diese Probleme haben – aber die haben vielleicht auch mehr einsatzbereite Truppen…):

(Weiter ggf. nach Entwicklung)

(Karte: OpenStreetMap)