Afghanistan: Mazar-e Sharif in der Hand der Taliban
Die Taliban haben Mazar-e Sharif im Norden Afghanistans unter ihre Kontrolle gebracht und damit den Norden des Landes komplett in ihrer Hand. Neben den weiteren Gewinnen im Rest Afghanistans bedeutet der Fall der wirtschaftlich und strategischen Stadt einen weiteren großen Schritt für die Übernahme des Landes. Die beiden bedeutenden Warlords in Mazar-e Sharif, Rashid Dostum und Mohammed Atta Noor, sollen wie zahlreiche Truppen in Richtung Usbekistan geflüchtet sein.
Der Fall der Stadt wurde am (heutigen) Samstagabend übereinstimmend von mehreren internationalen Medien bestätigt. Aus der New York Times:
The last major city in northern Afghanistan fell to the Taliban on Saturday night, marking the complete loss of the country’s north to the Taliban as the insurgents appear on the verge of a full military takeover. (…)
The Taliban seized the last northern holdout city barely an hour after breaking through the front lines at the city’s edge. Soon after, government security forces and militias fled — including those led by the infamous warlords Marshal Abdul Rashid Dostum and Atta Muhammad Noor — effectively handing control to the insurgents.
“Government forces and popular uprisings all left the city,” said Hashim Ahmadzai, a pro-government militia commander. “The Taliban seized government and military buildings. There was no resistance.”
Von Associated Press:
Mazar-e-Sharif, the fourth-largest city in Afghanistan, fell to the Taliban on Saturday after a multipronged assault launched by insurgents, according to a lawmaker.
Balkh lawmaker Abas Ebrahimzada said the province’s national army corps surrendered first, which prompted the pro-government militias and other forces to lose morale and give up in the face of the onslaught.
According to the lawmaker, all of the provincial installations, including the governor’s office, are in Taliban hands.
Von Reuters:
Taliban forces captured a major city in northern Afghanistan on Saturday, sending Afghan forces fleeing, and drew closer to Kabul, where Western countries scrambled to evacuate their citizens from the capital.
The fall of Mazar-i-Sharif, confirmed by a provincial council official, was another major capture for the hardline militants, who have swept through the country in recent weeks as U.S.-led forces withdrew.
Für die deutsche Wahrnehmung hat der Fall von Mazar-e Sharif, wie zuvor schon die Eroberung von Kundus, über die strategische Bedeutung in Afghanistan hinaus noch einen anderen Klang: Im Camp Marmal vor der Stadt war über Jahre das Hauptquartier der Bundeswehr – und von dort aus berieten deutsche Soldaten afghanische Offiziere. Die Truppen, die über Jahre ihre Partner waren, haben nun offensichtlich zu großen Teilen ohne große Gegenwehr den Taliban Gebiete und vermutlich auch Ausrüstung und Waffen überlassen.
(Archivbild: Camp Marmal in Mazar-e Sharif/Afghanistan während der Rückverlegung und Ende der Mission Resolute Support (RSM) am 16.06.2021 – Torsten Kraatz/Bundeswehr)
APNews meldet, das Masar-I-sharif gefallen ist. Mal sehen, ob sich das noch bestätigt, wenn ja, wird die BW erheblich weniger lokale Kräfte evakuieren können, denn dann bleiben nur noch die, die es bis Kabul geschafft haben. Das dürfte aber auch nur noch eine Frage von Tagen, wenn überhaupt sein.
@ TW Halten Sie mich für ein Zyniker. Ich habe letze WE zu der gleichen Uhrzeit geschrieben „Wenn die Talib so weitermachen sind sie in einer WE in MeS“.
Na und?
Was regen wir uns jetzt darüber auf??
Wieso und mit welchem Recht regen sich jetzt die Medien, unsere Politiker, die Generale und vor allem die deutsche Bevölkerung auf?
Afghanistan und der Einsatz der Bundeswehr hat in den letzten Jahren Niemand interessiert. Wann wurde denn das letzte mal über den Einsatz berichtet. Ja erst wie es zum Abzug kam.
Die Herrn Generale haben sich ja auch immer ein schönes und passendes Bild vorgegaukelt. Hauptsache der Hacken „Einsatz“ für den weiteren Weg auf der Karriereleiter war auf der Beurteilung. Ansonsten hat es KEINEN interessiert wie sich die Lage entwickelt hat.
Der ganze Einsatz war von vorne herein nur improvisiert.
Denn Niemand, auch die immer so redegewandten DEU Politiker konnten die Fragen nicht beantworten
– Warum ist die Bundeswehr in AFG?
– Was ist das Ziel?
– Wie sieht die Exitstrategie aus?
Wer versucht die Demokratie nach AFG zu bringen hat aus der Geschichte nicht gelernt oder hat sich nicht damit befasst.
Noch heute muss man sich fragen, welche sogenannten Berater und Experten die damalige Bundesregierung zu diesem Einsatz beraten hat.
Anscheinend Die ohne Ahnung.
Und alle Forderungen jetzt wieder mit militärischer Macht in AFG einzumarschieren sind absurd!!!
Oder will die Bundesregierung bzw. die deutsche Bevölkerung weitere Soldaten opfern für Nichts und wieder Nichts?
AFG war kein Erfolg, es war eine Niederlage auf der gesamten Breite.
Das ganze ist doch abgekartet. Weder Dostum noch Atta würden Kampflos ihren Einfluss abgeben. Sie wollen aber nicht die Regierung Stürzen. Für mich wird es nach dem Fall Kabuls spannend. Denn die ganzen Kampflosen Aufgaben, sind sicher kein Zufall. Entweder kommt der Wiederstand nach dem Sturz, oder Atta und Dostum bekommen danach Ihre jetzt schon besprochenen Gebiete zugeteilt. Ähnlich wird es mit anderen Warlords aussehen. Daher wird auch nicht gekämpft.
Es war doch lebensnah anzunehmen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach dem Abzug der NATO-Truppen immer schwierig bleiben wird.
Leider war mir nicht so klar, dass die afghanischen Streitkräfte so derart desolat aufgestellt und nicht in der Lage und/oder willens sind, ihrem Land zu dienen. Die gesamte Ausbildung durch die NATO war vollkommen nutzlos.
Stunde der Konspiration.
@hhesam_
In a statement, Ata Noor says the collapse of #Mazar was an “organized conspiracy”.
“The scope of this conspiracy was so huge and deep that they wanted to trap Marshal Abdul Rashid Dostum and me, but they did not succeed,” Noor says. “Our journey does not end here.”
Norwegen schickt offenbar Truppen an eigene Botschaft zur Evakuierung von 60 Staatsbürgern.
@sterion75
Norway sends troops to Kabul to participate in evacuation https://krigeren.dk/?p=34438
So allmählich drängt sich eine Koordinierung auf: U.S., UK. NOR (DNK?). DEU, NATO ist dabei?
auf meiner internen liste war Mazar-e Sharif der allerletzte ort für eine kampflose abgabe – es ist ja kein überrennen dieser vieler provinzen und mittelgrossen städten, es ist eine abgabe, es fehlen praktisch die bilder in den nachrichten dazu : welcome talibans, inshallah….
@Matzplorer – ja, aber dies ist nicht das schlimmste, dies ist anscheinend komplett an den us-geheimdiensten vorbeigegangen, wenn jeder weiss, dass handys, landleitungen und radio mitgeschnitten werden, nutzen die es nicht mehr. sogar metadaten sind verdächtig. allerdings, die hatten genug zeit ganze gruppen an ort und stelle zu bringen, dies ist aber auch ein versagen der aufklärungseinheiten.
und nun gibt es ein friedensangebot der taliban an die nächst grossen oppositionen/separatisten:
https://twitter.com/badri313_army/status/1426208952543596545
ferner, wenn die TB nicht auf die bitte der usa wg. der botschaftssicherheit antworten, wirds zwei optionen geben, angriff beim abflug (wäre eigentlich dämlich) oder die gucken denen zu wie sie noch mehr material verlieren.
IMO, TB will usa komplett weg haben, man möge mir widersprechen.
Die Talib haben jetzt Blackhawks…
Muss man hoffen, dass die nicht geflogen / gewartet werden können.
Gerüchteweise hört man Präsident Ghani bereite Rücktritt und Gang ins Exil zusammen mit amerikanischer Evakuierung vor.
Kann man gut verstehen, jetzt wo Mazar quasi kampflos übergeben wurde. Sämtliche Ansdf & dostum/Atta Milizen haben dort fersengeld gegeben obwohl mazar, aus ethnischen/militärischen gründen, DAS Bollwerk gegen die TB hätte sein müssen.
In Kabul sehen die Bedingungen für eine entschlossene Verteidigung eher noch schlechter aus. Da dürfte ein Fall eher im Abstand von Tagen möglich sein, was bei der üblichen deutschen planungsgeschwindigkeit (Mandat bei gefahr im Verzug fordern und ähnlicher Unsinn) eine evakuierungsoperation vermutlich ohnehin obsolet macht.
UNGLAUBLICH, und alles binnen einer Woche.
https://ukdefencejournal.org.uk/b-52-bombers-head-to-afghanistan/
American B-52H bombers are understood to be conducting an attack on the largest Afghan air force base in order to destroy the aircraft based there.
@BabakTaghvaee
#BREAKING: #USAF’s B-52H heavy bombers have headed toward Mazar-i-Sharif. It is highly possible that they bomb the second largest air base of #Afghanistan National Air Force now in hands of #Taliban. They don’t want A-29B & AC-208B attack aircraft remain in hands of Taliban.
Unter Betrachtung der Entwicklung am hiesigen Abend, worauf warten wir noch?
[Ich würde mal abwarten, ob es tatsächlich zu diesem Angriff kommt… T.W.]
@ prneost
Da ich dieses Land sehr gut kenne, leider auch die Intel Arbeit der USA kenne, wundert mich das nicht. Ein Angriff auf Kabul wird erst erfolgen, wenn die USA etc. Kabul verlassen haben. Diesen Kampf um Kabul würden die TB sonst nicht gewinnen können. Da 3000 US Kräfte+ andere Nationen inkl. Luftunterstützung für die TB nicht adhoc zu knacken sind. Diese Niederlage würde den gesamten Erfolg Medial in eine andere Richtung biegen.
So Dumm sind sie nicht, die Zukunft dieses Landes ist im Hintergrund bereits geschrieben.
Sollten die Taliban jetzt Rache an den deutschen Ortskräften in MeS nehmen hätte die deutsche Politik Blut an den Händen durch unterlassene Hilfeleistung. Denn monatelang hatte Deutschland Zeit gehabt die deutschen Ortskräfte aus Mazar e Sharif herauszuholen. Doch Kanzleramt, Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium, Innenministerium und Entwicklungshilfeministerium waren mehr damit beschäftigt, immer neue Hindernisse und bürokratische Hürden für die Helfer zu konstruieren oder zu behaupten, anstatt tatsächlich wirksam zu helfen und gegeneinander zu kämpfen(vom grünen Tisch aus).
Jetzt wo es zu spät ist, sind angeblich alle dafür, aber die ARD Medien verbreiten irreführender Weise, daß eine Evakuierung ein Bundestagsmandat benötigen würden, anstatt ordnungsgemäß und wahrheitsgemäß zu berichten, daß die Regierung bei Gefahr im Verzug auch ohne Bundestagsbeschluß handeln darf.
Und nachdem die Städte in AFG schneller „erobert“ werden von der Taliban, als wir hier schreiben können, ist eine Evakuierung mit Chartermaschinen zum Monatsende oder ein Bundestagsbeschluß am 25.08(nächste Sitzung vom Bundestag). wohl ein schlechter Witz.
Kunduz und MeS liegen in den Gebieten der ehemaligen Nordallianz, den politischen und ethnischen Gegnern der vor allem paschtunischen Taliban. Deshalb hätte man eigentlich dort viel mehr Gegenwehr erwarten müssen, gerade auch wenn usbekische Kriegsherren nach MeS reisen.
Auch im Irak ist die irakische Armee vor dem IS geflohen, aber die Kurden und die Schiiten waren mit westlicher und iranischer Hilfe sehr wohl in der Lage den IS erfolgreich zu bekämpfen. Deshalb frage ich mich auch, was hat die BW hier jahrelang ausgebildet, warum kämpfen nicht wenigstens diese Einheiten anständig? Und jetzt laufen selbst usbekische Milizen vor der Taliban weg???
Ich kann mich an schöne Feldgeschütze erinnern, welche die USA den AFG-Nationalarmee geliefert haben. Diese Geschütze schießen viele Kilometer weiter, als die Mörser der Taliban. Warum werden diese überlegenen Waffen nicht entsprechend verwendet??
Vielleicht hätte die BW lieber ethnische Milizen ausbilden und bewaffnen sollen als eine Nationalarmee, die waffenmäßig weit überlegen sein müsste(jedenfalls bis vor kurzem) aber überhaupt nicht kämpft?
Der Häuserkämpf um größere Städte wie MeS oder Kunduz müsste, selbst gegen einen überlegenen Gegner, Wochen- oder monatelang dauern, nachdem Flugplätze vorhanden sind. Und die Taliban wurde vor kurzem nur mit 75.000 Kämpfern gegen 300.000 Soldaten angegeben.
Und eine Guerilla-Armee die aus dem Untergrund kommt, und Städte angreift, ist verwundbar, weil sie sich zum Kampf stellen muss und viel Nachschub benötigt, der aus der Luft oder mit Artillerie bekämpft werden kann.
Und der Öffentlichkeit wurde durch manipulierte Statistiken(erst am 2019 gerechnet) mehr Hilfe vorgegaukelt, als wirklich erfolgt ist.
Da wird es für die Nachbarn langsam ungemütlich. Eine marodierende Talibanhorde mit schwerem US-Gerät und vermutlich ein paar zehntausend Überläufern. Das wird interessant wie die Taliban damit umgehen werden. Von der Ausrüstung geht ja für westliche Länder keinerlei Gefahr aus aber Pakistan, Iran, die russischen Satellitenstaaten und China könnten jetzt enorme Probleme bekommen.
Es ist viel passiert: Jajlalabad gefallen (wurde gestern abend schon kolportiert), Sicherheitserklärung der TB in Bezug auf sich ergebende ANSDF und Hilfskräfte, US Waffenstillstandsvorschlag in Doha, unterstützt von RUS.
RUS zieht übrigens sein Personal nicht ab.
@TW @KPK
Fakt ist aber wohl, daß B52 und C130 Gunships dort im Einsatz sind, Aufträge önnen dann ja „ad hoc“ vergeben werden:
https://taskandpurpose.com/news/air-force-bombers-gunships-afghanistan-collapse/
https://www.thetimes.co.uk/article/us-sends-gunships-and-bombers-to-beat-back-taliban-pmf3j7wqq
Indirekt haben wir also jahrelang die Taliban ausgebildet. Die Taliban sind nicht dumm. Sie werden Überläufer gut behandeln, wenn sie ihr Wissen einbringen.
Es ist unglaublich, wenn mann Twitter die Bilder verfolgt, wieviel Material die innerhalb von ein paar Tagen „erbeuten“.
20 Jahre umsonst und Material als Bonus dagelassen….
@Closius,
bezüglich der Ortskräfte und eines Bundestagsmandats für eine Evakuierung.
Ja, die Bundesregierung darf bei entsprechender Notwendigkeit auch am Parlament vorbei die Bundeswehr zur Evakuierung einsetzen. Aber, bei einem solchen Einsatz kann es nach meinem Verständnis nur darum gehen das Botschaftspersonal und deutsche Staatsbürger rauszuholen (und ggf Restplätze für befreundete Staaten). Die Ortskräfte ,sofern die überhaupt in Kabul sind, wird man sicher auch mitnehmen, dürfte aber formal den Rahmen in dem so ein Einsatz stattfinden darf sprengen.
@Matzplorer, das vermute ich auch. Die Taliban dürften ebenfalls nicht lebensmüde sein und werden mit dem Angriff auf Kabul warten bis USA&Co ihre Staatsbürger und Botschafter, und damit die Truppen zu derem Schutz, abgereist sind.
https://www.youtube.com/watch?v=JRhWXvKiQ3g
#WDRaktuell #Nachrichten
Taliban stehen kurz vor Kabul in Afghanistan | WDR Aktuelle Stunde 14.08.2021
„wir verdienen nicht mal mehr einen Dollar pro Tag bei den Kämpfen“ – „ich lebe hier seit 18 Jahren als junger Mann, ich will das die Kämpfe aufhören“, mehr gibts dazu nicht zu sagen
Zum Beitrag von Aufklärer 19 sagt:
14.08.2021 um 20:52 Uhr:
Genau so! Und der amtierende Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses, Herr Röttgen, ist braungebrannt in den Nachrichten zu bewundern, wie er vermutlich von daheim oder aus dem Urlaub, tatsächlich fordert, die Bundeswehr müsse mit „Sanität, Logistik, Material“ …. die derzeitige afghanische Regierung unterstützen, um einen Fall Kabuls zu vermeiden!!
Der Sinn erschließt sich mir nicht, eine Enklave zu halten in einem Land, in dem das sogenannte Islamische Emirat Afghanistan bereits Fakt ist (was genau so auch angekündigt wurde von den Taliban vor dem Abzug der NATO-Truppen). Nur mit „moralischer Verpflichtung“ zu begründen, halte ich für ziemlich dünn!
Die Kommentatoren die hier meinten, dass die Taliban mit dem Angriff auf Kabul noch warten würden scheinen schon überholt zu sein. Spiegel online meldet unter Berufung auf dpa als Eilmeldung, dass der Angriff auf Kabul bereits begonnen habe. Die Evakuierungsflüge der Bw erst morgen könnten also schon zu spät kommen, falls die USA nicht bald massive Luftschläge starten.
Ab Montag soll wohl die Luftbrücke via Taschkent eingerichtet werden. Nur haben die TB laut N.TV heute den Sturm auf Kabul begonnen.
Hätte man alles leichter haben können.
SWR 3 meldet soeben, dass der Sturm auf Kabul begonnen habe. Unser Einsatz: too little, too late?
Wenn es noch eines sichtbaren Beweises für unsere Niederlage in diesem Krieg bedarft hat, dann ist es wohl diese Meldung.
Ich bin sehr gespannt auf die „heroischen“ Worte, die am Bendlerblock und Reichstag den letzten Rückkehrern entgegen gebracht werden. Ich wüsste, wohl wad ich sagen würde.
@Flo: nichts ändert sich bekanntlich so schnell wie die Lage. Die FAZ meldet, dass die Taliban den Angriff auf Kabul gestartet haben. Mal sehen, die Wahrheit stirbt ja als erstes im Krueg.
Jetzt wohl auch schon die ersten Taliban in Kabul lau BBC
https://www.bbc.co.uk/news/live/world-asia-58219963
Hätte man mal statt der Biervorräte besser die Ortskräfte evakuiert. Dann müßte die deutsche Politik jetzt nicht herumheulen.
…
Egal, futsch ist futsch. Die Sowjets waren weiland jedenfalls deutlich erfolgreicher als die NATO-Allianz. Nach derem Abzug gab es noch für mehr als ein Jahr eine afghanische Zentralregierung, die tatsächlich in den wesentlichen Teilen das Land regierte.
Ich bin etwas überrascht, dass hier so viele überrascht über sind, dass Städte so schnell „fallen“. Diese Weltkriegs-Rhetorik, die an Stalingrad oder Verdun erinnert, passt einfach nicht zu der Kriegsführung, die wir in den letzten 40 Jahren in Afghanistan gesehen haben. Was gerade stattfindet ist im Prinzip das gleiche, dass wir 1994 oder 2001 gesehen haben. Eine Seite gewinnt Momentum und die Gegenspieler erkennen das an und lösen sich als Akteure auf oder schließt sich der Gruppe, die gerade erfolg hat, an. Im Prinzip übertragen viele westliche Beobachter nach 20 Jahren immernoch ihre kulturell geprägte Erwartungshaltung auf Afghanistan, obwohl sich seit 20 Jahren quasi täglich gezeigt hat, dass Dinge in Afghanistan anders laufen und Konflikte dort eben nicht wie wir das aus Euopa kennen und an festen ethnischen, religiösen oder politischen Linien entlang verlaufen, sondern das sehr viel flexibler und vielschichtiger ist. Es gibt ganz andere Loyalitäts- und Identitätsstrukturen und eben auch eine völlig andere Art der Kriegsführung.. Die Taliban sind gerade so erfolgreich weil sie genau das machen, was die letzten 40 Jahre funktioniert hat. Der „Feldzug“ (wieder ein Begriff der falsche Assoziationen weckt) wird soweit man das mitbekommt aus einer Mischung aus Momentum, Symbolischen Akten, Verhandlungen, Bestechungen, Mittelsmännern, Aussicht auf Macht- und Gewinnbeteiligung, religiösen Rechtfertigungen („Allah gibt uns den Sieg, weil er weiß, dass unsere Sache gerecht ist“) etc. Der Feldzug gerade wird eher beim Tee, als mit der Kalaschnikow gewonnen. Ausnahme könnte allerdings Kabul werden, hier könnte es zu ernsthaften Kampfhandlungen kommen, weil es hier eine größere Gruppe von Menschen gibt, die wirklich was zu verlieren haben und eine gewisse Wehrhaftigkeit und Organisation aufweisen. Außer sie werden alle vom Westen ausgeflogen. Was aus humanistischen Überlegungen vielleicht sogar kurzfristig besser wäre als ein Wochenlanger Häuserkampf die die Infrastruktur zerstört, zu zivilen Opfern und in der Endphase vermutlich auch zu größeren Kriegsverbrechen führen könnte.
Das Trauerspiel von Afghanistan 2.0! Lacht noch irgend jemand über die Sowjets? Die Russen lachen über uns.
Da hat Mark Adkin (Die Bärenfalle) Stoff für ein neues Buch.
Taliban in den Außenbezirken Kabuls. Die afghanische Armee dürfte als eine der am wenigsten kampfkräftigen Armeen in die Geschichte eingehen. Auf die Analysen dazu darf man gespannt sein.
@Flo:
„Die Ortskräfte ,sofern die überhaupt in Kabul sind, wird man sicher auch mitnehmen, dürfte aber formal den Rahmen in dem so ein Einsatz stattfinden darf sprengen.“
Genau diese Denkweise kann und muss durch politische Führung gebrochen werden. Es besteht Gefahr im Verzug für Deutsche Staatsbürger und Personen unter deutschem Schutz, auch das kann ohne Mandat erfolgen.
Aber wir können uns natürlich noch ein paar Tage über die Feinheiten eines Mandats und dessen Abdeckung unterhalten.
Das ist alles unwürdig.
@Flo, @Matzplorer
Die TB rücken wohl in Kabul ein:
https://www.aljazeera.com/news/2021/8/15/taliban-enter-kabul-from-all-sides
wobei die TB dies dementieren, wohl um keine weitere Panik auszulösen. Möglich ist natürlich, daß sich einzelne Gruppen mit der „Befreiung“ hervortun wollen.
Alle Behörden / Ämter sind geschlossen.
„Nach ihren [drei AFG Beamte] Angaben sind Taliban-Kämpfer in den Bezirken Kalakan, Karabagh und Paghman. Es habe bislang keine Kämpfe gegeben. Das bestätigt auch WELT-Korrespondent Alfred Hackensberger. „Taliban haben Kabul erreicht. Es gibt keine Gegenwehr, keine US-Luftangriffe. Armeeeinheiten in den Außenbezirken ergeben sich“, schrieb er am Sonntagmorgen bei Twitter.“ WELT Online
TV Livestream: https://www.youtube.com/watch?v=-upyPouRrB8 (Al Jazeera)
20 Jahre Hochglanzpropaganda wird nun von der Wirklichkeit „entzaubert“. Der Einsatz war von Anbeginn ohne klare strategische Zielsetzung, ohne klares Operationsziel, intensive Debatten wurden lediglich um taktische Deatils geführt. Es hat ja genügend Kritiker gegeben, die dies immer wieder artikuliert haben, aber nur „die Wirklichkeit“ läßt offensichtlich emotionalisierte Debatten zum Verstummen bringen. 20 vergeudete Jahre, Deutschland wurde nie am „Hindukusch verteidigt“. Und jetzt ins nächste Abenteuer mit einem Kriegsschiff ins Chinesischen Meer? Auch wieder ohne Nachdenken, ohne klare Zielsetzung, einfach nur des „Mitmachens“ wegen. Wir stolpern weiter vor uns hin.
p.s. Die Taliban haben jetzt mehr Hubschrauber als die Bundeswehr – General a. D. Domröse am Samstag im NDR-Interview. Mal sehen, ob sie demnächst auch noch mehr U-Boote als die Marine haben. Es wäre denkbar…
Es ist deutlich an der Zeit, darüber nachzudenken, ob Auslandseinsätze außerhalb EU-Gebiet überhaupt Sinn machen und man sich nicht mal dringendst ein oder zwei Wahlperioden lang auf eine Neugruppierung samt Vollausstattung konzentrieren sollte.
@Closius
Da die ehemaligen Ortskräfte so wie die Masse der Afghanen offenbar keinerlei Widerstand gegen die Taliban leistet, scheint die Angst vor den Taliban nicht so groß zu sein wie in Deutschland verbreitet vermutet wird. Auf beiden Seiten scheint man bereit dazu zu sein, sich zu arrangieren. Vielleicht ergibt sich daraus sogar eine Friedensperspektive für das Land, die man nicht dadurch sabotieren sollte, dass man die am besten ausgebildeten und am dringendsten für den Wiederaufbau benötigten Menschen aus dem Land holt. Diese werden dort jetzt gebraucht.
Warum die Furcht vor einem Sieg der Taliban?
Der Jihadismus hatte noch nicht die Möglichkeit gehabt sich zu blamieren. Deswegen denken viele Muslime weltweit, dass eine „islamische“ Gesellschaft die Möglichkeit ist um die Ummah aus der Krise zu Wohlstand und Respekt zu führen.
Ja für die viele progressive Afghanen beginnt eine Zeit der Hölle, aber langfristig werden die Taliban de facto die Verlierer sein. Zumindest die Hardliner, Dogmatiker und streng religösen.
Afghanistan braucht Importe wie alle anderen Länder – wie will die Taliban dies finanzieren?
Afghanistan braucht moderne Infrastruktur – wie will die Taliban dies finanzieren?
Afghanistan hat eine schnell wachsende Bevölkerung – welche Perspektiven kann die Taliban den jährlich Heranwachsenden bieten?
Wollen die Taliban ein Land führen, dass von Spenden/Almosen lebt? Ein stolzer Krieger, der betteln geht?
Viele Taliban-Führer haben in bescheidenen Verhältnissen in Pakistan gelebt, welches trotz viele Defizite mehr zu bieten hat als Afghanistan. Einige Taliban Führer UND ihre Familien haben sogar in den letzten 10 Jahren in sehr guten Verhältnissen un Qatar gelebt – mit allen Komfort den ein Land mit moderne Infrastruktur zu bieten hat. Ihre Kinder wurden in modernen Krankhäusern mit internationalen Personal geboren/bahndelt – viele davon keine Muslime.
Den Steinzeit-Islamismus der späten 90er basierte darauf, dass die damalige Führung Dorfjungen waren, die als Weisenkinder ohne Mutter/Strom/fließende Wasser aufgewachsen sind.
Aber egal ob Talib oder ihre Gegner oder der Durschschnittsafghanen – die Katze ist aus dem Sack: Mit dem Noname-Billig-Smartphone kann jeder die Welt da draußen sehen und einen direkten Vergleich ziehen.
Elf Jahre nach dem Fall von Saigon machten die vietnamesischen Kommunisten eine 180°-Wende. Aktuell ist Vietnam ein boomendes Land, wo die politischen Verhältnisse sehr stabil sind und die KP fest im Sattel sitzt und die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat. Die Jugend ist befriedigt mit den Perspektiven, die das Land ihnen bietet.
Mal sehen wie lange es dauert bis die Pragmatiker/Realos und Technokraten unter den Taliban die Oberhand bekommen.
Die afghanische Regierung hat soeben kapituliert und eine „friedliche Machtübergabe“ angekündigt. Wow.
@ Günther sagt: 15.08.2021 um 13:56 Uhr
Die Antwort ist: China. In Journalistennetzwerken heißt es bereits, daß China bereitsteht, mit den Taliban über die Bodenschätze zu verhandeln. So wie in Afrika, rein ökonomisch ohne Belastung der Verträge mit humanitäten Fragen, Umwelt- oder Klimaschutz. Wegen des guten bilateralen Verhälnissen mit der Taliban-Schutzmacht Pakistan wird es wohl wenig Probleme geben, handelseinig zu werden.
Ansonsten wird sich in Afghanistan ökonomisch und gesellschaftlich wenig ändern. Es gibt kein islamisches Land, daß sich ohne eigene Petrodollar irgendwie positiv entwickelt hätte.
@Günther: Wenn Ihr Szenario eintritt wäre das ja schön …
Umso absurder wäre dann aber der 20-jährige „Krieg“, und die Milliardensummen, die der Westen dort verbrannt hat.
Unabhänig davon: Die Fehleinschätzungen der US-Intelligence müssen katastrophal gewesen sein. Wie konnte das passieren? Dazu passt die Biden Rede vom Juli „die Taliban werden nicht die Macht übernehmen, die Armee hat 300.000 gut ausgebildete und ausgestattete Soldaten“
Schlimmer geht nimmer?
@Günther: 1+
Guideon Rahman folgert in „The discontents of Middle East democracy“, auf ft.vom dass die nicht Petrodollar Staaten pleite sind und so durch Subvention ihre despotischen Systeme nicht mehr alimentieren können. Des Weiteren haben die gemäßigten Islamisten und Muslimbrüder ihre clout verloren, da sie wie in Ägypten die Revolution verraten haben oder wie in Tunesien ihre pan-Islamische Agenda auf Kosten der Nation vorantrieben. Islamistische Systeme im Iran und der Türkei kollabieren. Mit DAESH scheiterte und mit den Taleban scheitert nun auch der Steinzeitislamismus.
Die Menschen der Region müssen sich überlegen, was sie wollen. Hier setzt dann auch unsere Strategie an.
Die Bedeutung Afghanistans? Zero! Aktuelle Ereignisse würden sich in fünf und hätten sich ebenso vor fünf Jahren angespielt. Biden hatte die Chutzpe es durchzuziehen, Trump die Hinterlist es ihm vorzubereiten.
„Möglich ist natürlich, daß sich einzelne Gruppen mit der „Befreiung“ hervortun wollen.“
Und das Innenministerium (Regierung) hat seine Polizeitruppen in den Stadtteilen stationiert und den Feuerbefehl eben genau gegen diese Gruppen erteilt.
Wenn einzelne Talibangruppen jetzt die Helden spielen wollen, sollen sie ruhig machen. Die Taliban bestrafen auch gerne mal ihre eigenen Truppen, denn auch dort gibt es eine Hierarchie.
Der Talibansprecher hat es ja eindeutig gesagt.
Das traurigste Bild ist eigentlich nicht der Hubschrauber auf der US-Botschaft, sondern das übermalen der Werbeplakate in den Schaufenstern der Kaufhäuser mit grauer Farbe.
Auf den Werbeplakaten zu sehen: Frauen in der neusten Kleiderkollektion (ohne Schleier und teilweise unbedeckten Schultern).
Das ist das eigentliche Sinnbild, dass man schon im vorauseilenden Gehorsam die neuen Machthaber nicht erzürnen will und die Uhren 20 Jahre zurückdreht.
@all
Gibt einen neuen Sammel-Thread zu Afghanistan, bitte die Debatte ggf. dort fortsetzen:
https://augengeradeaus.net/2021/08/afghanistan-sammler-taliban-verhandeln-ueber-kabul-der-westen-evakuiert/