Afghanistan-Sammler: Taliban verhandeln über Kabul, der Westen evakuiert (Update)
Die Lage in Afghanistan verändert sich weiterhin in schnellem Tempo, deshalb hier ein Sammler am Sonntag zum Überblick: Die Taliban stehen davor, die Hauptstadt Kabul zu übernehmen – aber offensichtlich streben sie eine Verhandlungslösung an. Derweil evakuieren die westlichen Staaten ihre Vertretungen in Afghanistan.
Der Vormarsch der Aufständischen auf Kabul hatte sich bereits am Vortag abgezeichnet; am Sonntag standen sie zwar an den Rändern der Stadt, verzichteten aber zunächst auf ein militärisches Vorgehen. Nach Berichten afghanischer Medien gab es Verhandlungen zwischen der Regierung von Präsident Aschraf Ghani und Taliban-Vertretern im Präsidentenpalast, und am Nachmittag meldete der Sender TOLO News – zunächst unbestätigt – dass der Präsident das Land verlassen habe.
Zuvor hatte der frühere Präsident Hamid Karzai in einer Videobotschaft seine Landsleute aufgerufen, Ruhe zu bewahren:
In a message to the people, former president Hamid Karzai asks the govt forces and Taliban to protect the people. He asks the people to stay in their homes & remain calm.
Karzai says he and other political leaders will continue their efforts to solve the issues peacefully. pic.twitter.com/MIa2LKFtBL
— TOLOnews (@TOLOnews) August 15, 2021
Das Symbolbild für die Veränderung in Kabul:
Kabul is preparing for Taliban. pic.twitter.com/h2NKF4y22K
— Tajuden Soroush (@TajudenSoroush) August 15, 2021
Unterdessen lief die Evakuierung der Botschaften in Kabul an. Die USA flogen mit Chinook-Hubschraubern ihre Personal aus der Vertretung an den Flughafen der Hauptstadt aus:
The United States military stepped up its evacuation of American diplomatic and civilian staff. A core group of American diplomats who had planned to remain at the embassy in Kabul were being moved to a diplomatic facility at the international airport, where they would stay for an unspecified amount of time, according to a senior United States official.
On the civilian side of the airport, a long line of people waited outside the check-in gate, unsure if the flights they had booked out of the country would arrive.
berichtet die New York Times. Zudem flogen die US-Truppen das Personal weiterer Botschaften wie der Italiens aus. Die Niederlande kündigten die Entsendung einer eigenen Maschine an.
Und auch dafür gibt es ein symbolträchtiges Foto:
US helicopters seen this morning at US embassy Kabul. It seems the evacuation is underway. Photo by @AP pic.twitter.com/YxMQQeRF29
— Liz Sly (@LizSly) August 15, 2021
Unklar blieb zunächst, wie die Evakuierung der deutschen Botschaft, weiterer deutscher Staatsbürger und möglicherweise auch afghanischer Ortskräfte organisiert wird. Außenminister Heiko Maas teilte via Twitter mit, er habe eine Verlegung der diplomatischen Vertretung an den Flughafen angeordnet:
Ich habe heute Morgen entschieden, das Personal der Botschaft #Kabul zum militärischen Teil des Flughafens zu verlegen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort inzwischen eingetroffen und stellen ihre Arbeitsfähigkeit her. (1/2)
— Heiko Maas 🇪🇺 (@HeikoMaas) August 15, 2021
Entgegen Berichten mehrer deutscher Medien ist derzeit noch nicht geplant, bereits am heutigen Sonntag mit Bundeswehr-Flugzeugen die geplante Rückholungsaktion zu starten. Ein Flug der Luftwaffe nach Kabul sei für diesen Tag noch nicht vorgesehen, hieß es aus dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Für die Evakuierung sind mehrere A400M der Luftwaffe vorgesehen, die von Fallschirmjägern zur Absicherung begleitet werden. Wie der bislang für die nächsten Tage vorgesehene Zeitplan derzeit aussieht, ist unklar.
Nachdem die Taliban zunächst angekündigt hatten, nicht mit bewaffneten Kämpfern in Kabul einzurücken, scheint sich das zu ändern: Ein Sprecher der Aufständischen kündigte an, die Taliban würden Sicherheitsaufgaben in der Stadt übernehmen, weil Polizei und Sicherheitsdienste nicht mehr funktionieren würden:
Das Islamische Emirat gab am Morgen eine Erklärung ab, dass unsere Truppen Kabul verlassen haben und wir Kabul nicht militärisch betreten wollen.
Doch nun gibt es Berichte, dass Bezirke in Kabul evakuiert wurden, die Polizei ihren Job als Sicherheitsdienst aufgegeben hat, Ministerien evakuiert und Sicherheitspersonal der Kabuler Verwaltung geflohen sind.
Damit Gott bewahre, dass sich die gewöhnlichen Diebe und Räuber in Kabul nicht vermischen, die Täter dem Volk keinen Schaden zufügen, befahl das Islamische Emirat seinen Truppen, in die Gebiete von Kabul einzudringen, aus denen der Feind ging.
Es besteht die Gefahr von Diebstahl und Raub.
Daher sollten die Bürger von Kabul keine Angst vor den Mudschaheddin haben, unsere Truppen werden sehr leicht in die Stadt Kabul eindringen, sie werden mit niemandem zusammenarbeiten darf jemandes Haus betreten oder jemanden belästigen oder ärgern.
Islamisches Emirat Afghanistan
(Übersetzung via Google Translate)
Update: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte am Sonntagabend an, dass die ersten Bundeswehr-Flugzeuge für die deutsche militärische Evakuierungsoperation am frühen Montagmorgen starten sollen. Geplant ist ein Pendelverkehr in ein neutrales Drittland (das weder die Verteidigungsministerin noch in seinem getrennten Statement der Außenminister Heiko Maas nannte; es dürfte sich um Usbekistan handeln), um deutsche Staatsbürger, aber auch Ortskräfte auszufliegen.
(Bebildern kann ich die Einträge zur Situation in Afghanistan derzeit nicht, weil ich auf das Material der internationalen Nachrichtenagenturen keinen Zugriff habe – und von den div. Streitkräften selbst gibt es bislang keinerlei Fotos, insbesondere nicht von den USA. Deshalb auch die oben eingebundenen Tweets mit Bildern.)
Endlich geht der Spuk zuende. 20 Jahre, einige gefallene dt. Soldaten und etliche verschwendete Steuermilliarden später beweist sich, dass „wir“ ein völlig korruptes und unfähiges Regime ohne jeden Rückhalt im Volk an der Macht gehalten haben, für das weder die eigenen Streitkräfte noch die normalen Bürger Afghanistans kämpfen wollen. Mit den Taliban kehren jetzt hoffentlich einigermaßen stabile und friedliche Verhältnisse ein, auch wenn es insbesondere für Frauen und diverse Minderheiten jetzt sicher nichts zu feiern gibt. Aber es sind 38 Mio. Afghanen, die wenigen zehntausend Taliban entgegenstehen. Wenn die Afghanen eine andere Regierung wollen, müssen sue sich selbst dafür auch einsetzen.
„Entgegen Berichten mehrer deutscher Medien ist derzeit noch nicht geplant, bereits am heutigen Sonntag mit Bundeswehr-Flugzeugen die geplante Rückholungsaktion zu starten. Ein Flug der Luftwaffe nach Kabul sei für diesen Tag noch nicht vorgesehen, hieß es aus dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr.“
Man hat erneut den Eindruck, dass in der Bundesregierung weiterhin keine klare Linie vorhanden ist. In einigen Medienberichten wurde behauptet die Bundeswehr wäre seit gestern „einsatzbereit“ es gäbe aber noch Klärungsbedarf mit dem AA.
Wenn nun die Botschaft an den Flughafen verlegt wurde, muss die Koordination mit den auszufliegenden Ortskräften noch besser geplant werden.
Wie schon in anderen Fällen drängt sich der Verdacht auf:
Krisenmanagement kann unser Apparat nicht (mehr). Egal ob im Inland oder im Ausland. Die immernoch laufende (?) Diskussion um die Mandatierung ist da ein besonders gutes Beispiel.
Wir sehen gerade die Entwicklung, vor der führende Militärs seit Jahren immer gewarnt haben: Bei einem NATO Abzug werden die Taliban innerhalb kürzester Zeit das Land überrennen. Und man muss das so klar und deutlich sagen, der Einsatz war komplett überflüssig! Was steht als Bilanz? 59 getötete Soldaten, 12 Mrd. Euro Steuergeld verschwendet für eine „Friedensmission“ die eigentlich ein Krieg war, was aber niemand sagen durfte.
Wie „Reserve“ schon schrieb, vermutlich werden jetzt erstmal stabile und friedliche Verhältnisse (sofern man das so bezeichnen kann) einkehren, aber für bestimmte Bevölkerungsgruppen wird es nichts zu feiern geben.
@Luftikus
„Das traurigste Bild ist eigentlich nicht der Hubschrauber auf der US-Botschaft, sondern das übermalen der Werbeplakate in den Schaufenstern der Kaufhäuser mit grauer Farbe.“
Deutschland unterhält Streitkräfte zur Verteidigung und nicht um anderen Staaten seine kulturellen Vorstellungen aufzuzwingen. Solche inneren Angelegenheiten Afghanistans sollten aus deutscher Sicht daher gleichgültig sein. Viel wichtiger ist die Frage, ob von Afghanistan nun erneut eine Bedrohung für die NATO ausgehen wird, und wie man die künftige Regierung des Landes davon abschrecken kann, ihre Fehler aus der Zeit vor 2001 zu wiederholen,
Ich persönlich finde es beschämend, daß die deutsche Botschaft geschlossen (geräumt) wurde. Klar, erst einmal nicht benötigtes Personal und sensitives Material / Gerät soll ausgeflogen / repatriiert werden (nicht: evakuiert), aber den Geschäftsträger und einen kleinen Stab hätte ich vor Ort gelassen. – um die „Flagge hochzuhalten“ und wem das zu pathetisch ist um Beobachter und Ansprechpartner vor Ort zu haben.
Bin Laden verließ Afghanisten Ende 2001 und kam wohl nie zurück. Er wurde 2011 eliminiert.
Die Rolle von Afg als Basis von Al-Qaida war immer umstritten.
Was jetzt übrig bleibt ist die Frage, was hat sich der Westen 20 Jahre vorgemacht? Oder wenigstens, was war nach 2011 noch der Sinn? Nation building und democracy building war es ja wohl nicht. Und wenn es die Ausbildung einer Ant-Taliban Armee gewesen sein soll, dann ist sie grandios gescheitert.
Hut ab vor den Taliban. Die Kombination aus militärischem Tempo und Koordination, mit klugem politischen Vorgehen und Verhandlungsgeschick ist schon beachtlich. Das Ganze nach 20 Jahren im Untergrund gegen permanente Drohnenangriffe und SOF-Raids. Jetzt vor Kabul stehen zu bleiben und aus maximaler Stärker heraus in Verhandlungen zu gehen, während die vorherige Regierung ins Ausland flüchtet, zeigt, wie gut organisiert und diszipliniert das abläuft. Dass es bis auf Ausnahmen nicht zu Massakern kommt und die TB Amnestien ausstellen und sofort ihre Verwaltung implementieren zeigt, dass sie aus der Vergangenheit gelernt haben. Sie machen jetzt den Sack zu. Wir erinnern uns, der westliche Vormarsch 2001/2002 war ähnlich rasch und gefechtsarm. Etwas völlig anderes wird jetzt aber die langzeitige Perspektive. Wenn die Armut und Unzufriedenheit erhalten bleibt, wird sich der Wind wieder drehen. Das wissen die TB sicher auch, mal abwarten was sie sich für das Land überlegt haben und vor allem, wie sich jetzt Iran, Russland, Pakistan und China positinieren und wer sich jetzt Rohstoffe, Infrastruktur und Absatzmärkte sichert und somit langfristig Einfluss in der Region. Vermutlich China.
@diploman
Vollkommen richtig. Ich bin recht überzeugt davon, dass die neuen Taliban deutlich schlauer sind als ihre Vorgänger aus den 90ern. Man wird peinlich genau darauf achten, den Westen nicht zu provozieren. Für einen erneuten Einmarsch gibt es zwar so oder so keine Mehrheiten mehr, aber die Taliban wollen sicherlich auch nicht mit permanenten Luftschlägen leben, sondern in Ruhe ihre Macht festigen.
@AB
Jedenfalls hat CHN die Möglichkeit eines Landweges über AFG in den IRN und somit zum Arabischen Meer (sie sind ja bereits am Golf von Aden, in Djibuti) und, sofern man den IRQ mit einbindet, quasi über SYR am Mittelmeer.
Abstimmen sollten sie sich natürlich mit RUS.
@T.W.:
Laut Vizekanzler Scholz ist die Evakuierung bereits angelaufen:
https://www.deutschlandfunk.de/afghanistan-bundeswehr-beginnt-schon-heute-mit-evakuierung.2932.de.html?drn:news_id=1291210
[Hm, scheint eine Definitionsfrage, was „Evakuierung angelaufen“ bedeutet… Es verdichtet sich, dass im Laufe der Nacht die erste Maschine startet. T.W.]
Stell dir vor es gibt Krieg und keiner geht hin –
dann kommt der Krieg zu dir…
70.000 Taliban vs. 300.000 Soldaten/Polizisten
bei 39.000.000 Einwohnern und die Talib gewinnen.
Die amerikanische Botschaft in Kabul bittet US-Bürger nicht mehr zum Flughafen zu kommen, da dieser unter Beschuss steht.
US-Bürger sollen an ihrem Ort verbleiben und Schutz suchen:
https://af.usembassy.gov/security-alert-u-s-embassy-kabul-afghanistan-15/
„Deutschland unterhält Streitkräfte zur Verteidigung und nicht um anderen Staaten seine kulturellen Vorstellungen aufzuzwingen. Solche inneren Angelegenheiten Afghanistans sollten aus deutscher Sicht daher gleichgültig sein.“
Naja, es gibt aber auch noch die verschiedensten Chartas, die Deutschland mit unterzeichnet hat.
Also unter anderem Menschenrechte etc. werden auch verteidigt.
Klar, nennt sich dann nicht Angriffskrieg sondern UN/EU/NATO-Mission oder Stabilisierungseinsatz, aber Streitkräfte nur zur Verteidung ist doch nur rein theoretisch.
Ich glaube auch, dass die Taliban aus dem heutigen Afghanistan kein 1990er-Afghanistan machen wollen, aber ein sehr großer Rückschritt wird es schon werden.
Zum Glück ist uns die Menschenrechtslage in fremden Ländern nicht so gleichgültig wie sie es möchten. Aber natürlich wird auch bei vielen Ländern gerne weggeschaut.
@AB:
Vielen Dank für die korrekte Einordnung der Geschehnisse. Das geht im Zeter/Mordio der vielen „Betroffenen“ unter.
Mit den TB hatten/haben wir es mit mil./pol. Profis zu tun.
Und natürlich ist CHI der Gewinner. Wie in Afrika. Ob da unser pol. Establishment reif ist, das mal zu formulieren? Ich glaube der ø-Michel ist da schon lange weiter. Weltfrieden retten/Fluchtursachen bekämpfen glaubt der nicht (mehr).
@Sepp
Man könnte meinen, Bertolt Brecht habe damals über die Afghanen geschrieben; zumindest über jene die nicht die Taliban unterstützen:
„Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und lässt andere kämpfen für seine Sache
Der muss sich vorsehen: denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.“
Das US- State Dep meldet vor ca. 1 Std,, dass „am KIA gekämpft“ werde und alle US- Staatsbürger aufgefordert seien“ nicht zum KIA zu kommen, sondern Schutz zu suchen. Die Lage verschlechtere sich rapide.“
Daneben höre ich von Quellen vor Ort, dass zivile afg. Mitarbeiter für zivile westliche Firmen- also keine „Ortskräfte“ bereits getötet werden. Ich fürchte angesichts der archaischen Bedingungslosikeit vieler TB, dass die ersten Tage nach der Kapitulation in KBL sehr schlimm werden. Eine zentrale TB – Gliederung und Steuerung hat es nämlich seit 2001 nicht mehr gegeben.
Es kann sein, dass der MilEvakVbd also zu spät kommt oder gar nicht mehr einfliegen kann.
Sollten die geschilderten Verzögerungen ( BT- Mandatierung, Krisenmanagment der BR, Rechtl. Prüfung etc.) zutreffend sein und es zu einer erschwerten, hochriskanten, vielleicht verlustvollen oder abgebrochenen Op kommen, weil entweder die Entwicklung so dynamisch war, dass unser „konsensualer“ mil Beitrag keine Wirkung entfalten konnte, dann hoffe ich auf weitreichende politische Konsequenzen hierzulande.
Irgendwann ist der Beweis der Unfähigkeit erbracht.
[Die Meldung des State Department ist ein Sicherheitshinweis der US-Botschaft in Kabul, und der ist hinreichend wolkig:
The security situation in Kabul is changing quickly including at the airport. There are reports of the airport taking fire; therefore we are instructing U.S. citizens to shelter in place.
https://af.usembassy.gov/security-alert-u-s-embassy-kabul-afghanistan-15/https://af.usembassy.gov/security-alert-u-s-embassy-kabul-afghanistan-15/
Mehr dazu gab es bislang nicht.
T.W.]
GG Art. 65 Der deutsche Bundeskanzler verfügt gegenüber den anderen Regierungsmitgliedern über die Richtlinienkompetenz.
Wo ist Merkel?
Scheint mir als sei man von Seiten DEU erneut zu spät. Aber man wird sicher gerade eine Pressemitteilung vorbereiten und diese dann rechtzeitig veröffentlichen.
Tja, gut aussehen konnte Karzai immer. Der Bruder des dazumals größten afghanischen Drogenbarons war allerdings noch besser darin, sich und seiner Familie die Taschen mit dem abgezweigten Geld des Westens zu füllen. Offensichtlich zieht die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung die Herrschaft der Taliban der Herrschaft der Karzai und Dostum vor. Kann man bis zu einem gewissen Grad verstehen, und sollte man akzeptieren.
@ memoria:
Danke für die Zusammenfassung, damit ist alles gesagt!
Die Lage entwickelt sich – was seit 2013 so absehbar war und auch vorlag – und die politische Leitung versagt gnadenlos.
Mögen die Kameraden des EinsVbd EvacOp heile zurückkommen!
im Prinzip haben die Taliban jetzt auch beste Vorraussetzungen ihre Herrschaft zu stabilisieren. Durch die Beute an Waffen und Fahrzeugen sind sie vermutlich besser ausgerüstet als eh und je, dazu das ganze militärische Know-How, sowohl das erworbene als auch das vom Westen ausgebildeter Überläufer, dazu sind sie im Gegensatz zu 1992 ff. deutlich versierter was die internationale Bühne angeht, von Social Media bis international ausgerichtete Symbolpolitik, um der Weltöffentlichkeit dieses mal keine Anlässe für eine demokratisch legitimierte militärische Intervention zu geben und sie scheinen im großen Stile Teile des alten Regierungsapparats zu integrieren, was zumindest die Arbeitsebene angeht, also niedrige Ränge aus Polizei, Militär, Gesundheitswesen, technische Spezialisten etc. Angekündigt haben sie auch Frauenrechte zu respektieren, ausländische NGOs zu akzeptieren und den Aufbau voran zu treiben, mal abwarten wie das in ein paar Monaten aussieht. Es kann aber gut sein, dass die Taliban dem Westen gerade zeigen, wie man in Afghanistan erfolgreich militärisch und politisch agiert. Integration, eine Regionalisierung der Verwaltung wieder auf die Ebene einzelner Siedlungen, dezente politische Zugeständnisse und gleichzeitig voraussichtlich harte Durchsetzung von Sicherheit und Frieden und damit würden sie etwas erreichen, was dem Westen in 20 Jahren nicht gelungen ist. Wenn sie jetzt ausländische Investoren (z.B. China, Stichwort neue Seidenstraße) dazu bringen, die Infrastruktur auszubauen und mittelfristig Afghanistan z.B. als Billiglohnland zu öffnen, könnten sie langfristig Erfolg damit haben, ein „Islamisches Emirat light“ zu etablieren. Pakistanische, chinesische oder indonesische Textilindustrie und Sharia schließen sich nicht zwingend aus, Mit einer Befriedung des Landes und Beendigung des ewigen Konfliktes hätten sie die Grundlage dafür geschaffen. Jetzt mal wild ins Blaue rein spekuliert, wie die nächsten 2, 3, 4 Jahre aussehen könnten.
Bin erschrocken über viele dumme Kommentare hier, vor allem von @Reserve und Co.
Finde selbst den Abzug falsch. Auch wenn der Westen viele Fehler macht und gemacht hat hätten wir bleibdn müssen und beweisen keinen Durchhaltewillen. Wir sehen gerade die Geburtsstunde eines neuen Terrorstaat welcher von uns legigimiert wird. Die Taliban werden uns erpressen, da sind die 12 Milliarden für 20 Jahre noch Peanuts. Bei zivilen Grundrechten (Gleichberechtigung, Bildung, Pressefreiheit, etc.) schmeißen wir Afg. nicht 20 sondern 30 bis 40 Jahre zurück. Möglicherweise destabilisieren die Taliban ihren Nachbarn Pakistan, dann haben wir ein Nordkorea 2.0 sowie ein (weiteres) unbeherrschbares Pulverfass im nahen Osten.
Jetzt wird eine Flüchtlingswelle kommen und Europa zerreißen und blockieren. Für einen Flüchtling in Deutschland kann man 100 in Afg. versorgen, da werden viel höhere Kosten auf uns zukommen. Die Alternative kann ja wohl kaum heißen irgendwelche Mauern um die EU zu bauen.
Dann noch ein Wort zu den politischen Kritikern (Trittin, Baerbock, Lambsdorff und Co.). Jedes westliche Land war und ist überrascht von den Zerfall der Afgahnischen Armee, das ist kein Alleinstellungsmerkmal Deutschlands. Hier hätte, das steht außer Frage, früher reagiert werden müssen aber im nachhinein ist man immer schlauer. Der Zeitpunkt der Kritik ist allerdings verwerflich, verächtlich und politisch motiviert. Wenn Herr Trittin davon spricht Herr Maas trägt persönliche Schuld, dann hat er nichts verstanden.
Der Westen hat nun so entschieden, jetzt gilt es alle (Deutsche, afg. Mitarbeiter der BW, des AA und Organisationen, etc.) zu retten und zu evakuieren.
Gruß aus dem Pott
Da wäre es wohl besser gewesen bei der rapide schlechter werdenden Sicherheitslage und dann noch der Besuch vom Präsidenten vor einigen Tagen in Masar-i-Scharif ( das Sprungbrett ins Ausland ) , schon ab Mitte der Woche Einsatzkräfte und Flugzeuge nach Taschkent zu verlegen und nicht jetzt erst anfangen, für den Montag was zu planen, und von Deutschland aus zu starten.
Nachdem sich der deutsche Verwaltungsapparat nun scheinbar durchgerungen hat morgen in aller Ruhe den Einsatz zu beschließen, hoffe ich, dass die Luftwaffe ein paar funktionierende A400M hat. Scheinbar möchte man ja aber auch mit Profis arbeiten und Flugzeuge von Airlines chartern wenn man selbst gerade kein funktionierendes Gerät oder keine Zeit hat. Drücken wir die Daumen, dass alles klappt bevor die Ortskräfte abgeschlachtet werden, klappt schon irgendwie wenn wir nur die Ruhe bewahren.
Ach ich finde es aber nett dass die Talib noch einen zeitlichen Korridor für den Abzug gewähren. Ich hoffe dass jeder Botschaftsangehörige auch noch als Präsent die Talib Fahne als Frottee Badehandtuch mitbekommt. Und beim gehen die Tür bitte leise schließen. Putin und andere werden momentan aus dem Grinsen nicht mehr rauskommen.
@Dante: Röttgen bei Tagesthemen gesehen? Hätte er sich mal so aufgeregt, als Trump die Taleban als „Friedenspartner“ vorgestellt hat. Wohl der tag an dem die Kampagne der letzten Tage entstanden ist.
Norbert Röttgen, CDU: „Es ist ein großes außenpolitisches Versagen des Westens“
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-904333.html
Kabul: Taliban fighters inside the presidential palace
https://twitter.com/chriskose/status/1426973510195466248
Mal sehen, wie die neue afghanische Regierung mit den US-Soldaten klarkommt. Afghanistan ist gefallen. Das Ganze war ein Kartenhaus, eine Schimäre, ein Phantasieprodukt des Westens.
Was in Afghanistan passiert, ist nicht dadurch zu erklären, dass die afghanischen Sicherheitskräfte den Taliban in Punkto zahlenmäßiger Stärke und/oder Ausrüstung sowie Ausbildung unterlegen waren, sondern dadurch, dass sich die absolute Mehrheit zumindest der männlichen Bevölkerung vor der Übernahme der Herrschaft durch die Taliban nicht so fürchtet, als zu versuchen, diese um jeden Preis zu verhindern. Sonst wäre es nicht zu dieser flächendecken, kampflosen Übergabe gekommen. Der Dienst in den afghanischen Sicherheitskräften war für die Allermeisten rein finanziell motiviert. Eine moralische Verpflichtung Deutschlands gegenüber den Deserteuren vermag ich nicht zu erkennen.
Wer glaubt, dass die Talibanherrschaft keine Auswirkungen auf Deutschland haben wird oder – durch „stabile Verhältnisse“ – gar „positive“, irrt.
Zumindest eine postive Seite hat für mich der schnelle Zusammenruch der bisherigen Regierung.
Für die Ortskräfte außerhalb Kabuls, sofern sie noch leben, könnte damit es neue Hoffnung für eine mögliche Ausreise geben. Schließlich hat man nun (wieder) landesweit einen Ansprechpartner mit dem man über einen Transfer der Ortskräfte nach Kabul zum Flughafen reden kann und auch die Logistik dürfte damit deutlich einfacher zu klären sein. In einem Szenario Kampf um Kabul wäre eine Evakuierung von Personen durch ein Kampfgebiet illusorisch gewesen.,
Ich finde es sehr beunruhigend, wie zeitverzögert Deutschland reagiert. Man kann doch selbst als normaler deutscher Zeitungsleser im Internet verfolgen, wie schnell das dort eskaliert? Warum haben wir nicht in Taschkent oder Qatar alles bereitstehen, Flugzeuge und Notfalltruppen für eine schnelle Evakuierung? Kann man das immer nur zu Bürostunden entscheiden? Unsere Helfer jetzt einfach dort im Schlamassel sitzen zu lassen, ist moralisch auch eine sehr bittere Nummer.
Das verzögerte Vorgehen muss für andere Auslandseinsätze sofort korrigiert werden.
Warum haben wir die Lage viel zu stabil eingeschätzt und warum hat das jahrelange Ausrüsten und Ausbilden durch den Westen keinerlei Stabilität dort gebracht? War alles nur eine Illusion? Warum ist das niemandem aufgefallen? Nach all den Opfern ist das eine traurige Bilanz.
@AB
Da sind Sie aber sehr gutgläubig, was die Versprechungen und Ankündigungen der Taliban angeht. Es wird doch nur das umgesetzt, was Ihnen einen Vorteil verschafft. Wir werden trotz des modernen Equipments eine Gesellschaft im Mittelalter sehen.
@Essener
Wieso Ihr Post mit persönlichen Anwerfen beginnen muss wissen wahrscheinlich nur Sie.
Warum sollte der Westen noch Durchhaltewillen beweisen? Der rapide Vormarsch der Taliban zeigt doch, daß das für den Großteil der Bevölkerung in Ordnung ist.
Und warum sollten wir uns erpressen lassen? Womit denn?
@all
Es gibt eine neue Zusammenfassung für diesen Sonntag; bitte ggf. dort weiterdebattieren.