Afghanistan-Sammler: Taliban verhandeln über Kabul, der Westen evakuiert (Update)

Die Lage in Afghanistan verändert sich weiterhin in schnellem Tempo, deshalb hier ein Sammler am Sonntag zum Überblick: Die Taliban stehen davor, die Hauptstadt Kabul zu übernehmen – aber offensichtlich streben sie eine Verhandlungslösung an. Derweil evakuieren die westlichen Staaten ihre Vertretungen in Afghanistan.

Der Vormarsch der Aufständischen auf Kabul hatte sich bereits am Vortag abgezeichnet; am Sonntag standen sie zwar an den Rändern der Stadt, verzichteten aber zunächst auf ein militärisches Vorgehen. Nach Berichten afghanischer Medien gab es Verhandlungen zwischen der Regierung von Präsident Aschraf Ghani und Taliban-Vertretern im Präsidentenpalast, und am Nachmittag meldete der Sender TOLO News – zunächst unbestätigt – dass der Präsident das Land verlassen habe.

Zuvor hatte der frühere Präsident Hamid Karzai in einer Videobotschaft seine Landsleute aufgerufen, Ruhe zu bewahren:

Das Symbolbild für die Veränderung in Kabul:

Unterdessen lief die Evakuierung der Botschaften in Kabul an. Die USA flogen mit Chinook-Hubschraubern ihre Personal aus der Vertretung an den Flughafen der Hauptstadt aus:

The United States military stepped up its evacuation of American diplomatic and civilian staff. A core group of American diplomats who had planned to remain at the embassy in Kabul were being moved to a diplomatic facility at the international airport, where they would stay for an unspecified amount of time, according to a senior United States official.
On the civilian side of the airport, a long line of people waited outside the check-in gate, unsure if the flights they had booked out of the country would arrive.

berichtet die New York Times. Zudem flogen die US-Truppen das Personal weiterer Botschaften wie der Italiens aus. Die Niederlande kündigten die Entsendung einer eigenen Maschine an.

Und auch dafür gibt es ein symbolträchtiges Foto:

Unklar blieb zunächst, wie die Evakuierung der deutschen Botschaft, weiterer deutscher Staatsbürger und möglicherweise auch afghanischer Ortskräfte organisiert wird. Außenminister Heiko Maas teilte via Twitter mit, er habe eine Verlegung der diplomatischen Vertretung an den Flughafen angeordnet:

Entgegen Berichten mehrer deutscher Medien ist derzeit noch nicht geplant, bereits am heutigen Sonntag mit Bundeswehr-Flugzeugen die geplante Rückholungsaktion zu starten. Ein Flug der Luftwaffe nach Kabul sei für diesen Tag noch nicht vorgesehen, hieß es aus dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Für die Evakuierung sind mehrere A400M der Luftwaffe vorgesehen, die von Fallschirmjägern zur Absicherung begleitet werden. Wie der bislang für die nächsten Tage vorgesehene Zeitplan derzeit aussieht, ist unklar.

Nachdem die Taliban zunächst angekündigt hatten, nicht mit bewaffneten Kämpfern in Kabul einzurücken, scheint sich das zu ändern: Ein Sprecher der Aufständischen kündigte an, die Taliban würden Sicherheitsaufgaben in der Stadt übernehmen, weil Polizei und Sicherheitsdienste nicht mehr funktionieren würden:

Das Islamische Emirat gab am Morgen eine Erklärung ab, dass unsere Truppen Kabul verlassen haben und wir Kabul nicht militärisch betreten wollen.
Doch nun gibt es Berichte, dass Bezirke in Kabul evakuiert wurden, die Polizei ihren Job als Sicherheitsdienst aufgegeben hat, Ministerien evakuiert und Sicherheitspersonal der Kabuler Verwaltung geflohen sind.
Damit Gott bewahre, dass sich die gewöhnlichen Diebe und Räuber in Kabul nicht vermischen, die Täter dem Volk keinen Schaden zufügen, befahl das Islamische Emirat seinen Truppen, in die Gebiete von Kabul einzudringen, aus denen der Feind ging.
Es besteht die Gefahr von Diebstahl und Raub.
Daher sollten die Bürger von Kabul keine Angst vor den Mudschaheddin haben, unsere Truppen werden sehr leicht in die Stadt Kabul eindringen, sie werden mit niemandem zusammenarbeiten darf jemandes Haus betreten oder jemanden belästigen oder ärgern.
Islamisches Emirat Afghanistan
(Übersetzung via Google Translate)

Update: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte am Sonntagabend an, dass die ersten Bundeswehr-Flugzeuge für die deutsche militärische Evakuierungsoperation am frühen Montagmorgen starten sollen. Geplant ist ein Pendelverkehr in ein neutrales Drittland (das weder die Verteidigungsministerin noch in seinem getrennten Statement der Außenminister Heiko Maas nannte; es dürfte sich um Usbekistan handeln), um deutsche Staatsbürger, aber auch Ortskräfte auszufliegen.

(Bebildern kann ich die Einträge zur Situation in Afghanistan derzeit nicht, weil ich auf das Material der internationalen Nachrichtenagenturen keinen Zugriff habe – und von den div. Streitkräften selbst gibt es bislang keinerlei Fotos, insbesondere nicht von den USA. Deshalb auch die oben eingebundenen Tweets mit Bildern.)