Erster Militärrabbiner für die Bundeswehr benannt
Der Landesrabbiner von Sachsen, Zsolt Balla, wird das neu geschaffene Amt des Militärbundesrabbiners antreten und damit der erste Vertreter einer jüdischen Militärseelsorge in den deutschen Streitkräften seit rund 100 Jahren. Der 42-jährige soll am 21. Juni in Leipzig ins Amt eingeführt werden.
Das Bundeskabinett hatte im Dezember 2019 einen Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland gebilligt, der die Einführung der jüdischen Militärseelsorge in Deutschland regelt; der Bundestag hatte dem entsprechenden Gesetz dafür im vergangenen Jahr zugestimmt. Neben dem Militärbundesrabbiner wird, analog zu den beiden christlichen Kirchen, ein Militärrabbinat als Bundesamt geschaffen, das dem Bundesministerium der Verteidigung unmittelbar nachgeordnet ist. Zunächst sind zehn Stellen für Militärrabbiner vorgesehen, die die geschätzt rund 300 Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens in der Bundeswehr betreuen sollen.
Aus der Mitteilung des Zentralrats vom (heutigen) Donnerstag:
Erstmals seit rund 100 Jahren wird es in Deutschland wieder jüdische Militärseelsorge geben. Nach der Unterzeichnung des Militärseelsorgestaatsvertrags durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, im Dezember 2019 hat der Bundestag im Mai 2020 der Berufung von Militärrabbinern zugestimmt. Der neue Militärbundesrabbiner Zsolt Balla wird am Montag, 21. Juni 2021, in sein Amt eingeführt. Weitere Militärrabbiner werden sukzessive ihren Dienst antreten.
Dazu erklärt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster: „Mit der Berufung von Militärrabbinern knüpfen wir an eine alte Tradition an und schlagen zugleich ein neues Kapitel auf. Das Wirken der Rabbiner wird für die Bundeswehrsoldaten eine Bereicherung sein. Die Amtseinführung des Militärbundesrabbiners ist ein historischer Tag für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland.“
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums soll Balla zunächst von zwei weiteren Rabbinern unterstützt werden; zugleich würden im dritten Quartal dieses Jahres die ersten Dienstposten für das Militärrabbinat eingerichtet. Der neue Militärbundesrabbiner selbst wird – auch das ähnlich zu der evangelischen und katholischen Kirche – das Amt neben seiner Hauptaufgabe in Nebenfunktion ausüben; hauptberuflich bleibt er nach Angaben des Zentralrats Landesrabbiner in Sachsen.
Bereits festgelegt ist die Gestaltung der Schulterklappen, die jüdische Militärgeistliche bei der Begleitung von Soldaten im Auslandseinsatz an ihrer Schutzkleidung (die der Uniform der Soldaten verblüffend ähnlich sieht, aber keine ist, weil sie keine Kombattanten sind) tragen: Dafür sind zwei stilisierte Gebotstafeln vorgesehen.
Der vom Zentralrat veröffentlichte Lebenslauf Ballas:
20210527_Zsolt-Balla_Militaerrabbiner_Lebenslauf
(Foto: Porträt von Zsolt Balla – privat via Zentralrat der Juden in Deutschland)
Vor 100 Jahren:
„Stolz zieht der Stuttgarter Ludwig Bauer für Kaiser und Vaterland in den Ersten Weltkrieg – so wie viele jüdische Deutsche. Doch Patriotismus und Opferbereitschaft nutzen ihnen nichts. Die politische Rechte macht sie zu Sündenböcken.“
Artikelempfehlung: Jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg – Undank des Vaterlandes
von Roenen Steinke in Süddeutsche Zeitung
In Magdeburg gibt es im“ Sanierungsverein Ravelin 2″ e.V. eine Dauerausstellung zum Thema: Deutschen jüdischen Soldaten aus Magdeburg im 1.Weltkrieg. Sie sind nicht vergessen.
Gut so. Und was ist mit den anderen hunderten Religionen. Irgendwer wird sich immer vernachlässigt fühlen.
1. Höchste Zeit.
2. Der Schlüssel 10/300 kommt mir etwas seltsam vor.
@SB63
Das dachte ich auch, allerdings sollten die Rabbiner auch in der Fläche präsent sein.
@Dante
stimmt – aber vielleicht wird einfach nach Anzahl der Gläubigen priorisiert? Ab einer bestimmten Anzahl gibt es analog zu einem Betriebsrat eben einen Militärgeistlichen.
Gibt es eine Abbildung der genannten Schulterklappen für die Militärrabbiner?
[Versuche ich zu bekommen; bislang allerdings noch ohne Erfolg. T.W.]
@obn sagt: 27.05.2021 um 20:22 Uhr
„stimmt – aber vielleicht wird einfach nach Anzahl der Gläubigen priorisiert? Ab einer bestimmten Anzahl gibt es analog zu einem Betriebsrat eben einen Militärgeistlichen.“
Das ist in der Tat grundsätzlich so (ich glaube es ist pro 450 Sdt ein Seelsorger), aber offensichtlich hat man sich aus organisatorischen und politischen Gründen hier dazu entschieden, von diesem Schlüssel abzuweichen.
Ich persönlich halte eine gewissen Abweichung auch für berechtigt, aber 10+1 ist natürlich ein Brett. Ich halte das für überzogen (4+1 hätte mEn auch gereicht), vor allem weil ja noch 30 oder 40 Verwaltungsbeamte/Angestellte im Hintergrund auch noch dazu kommen.
Aber naja, das positive ist, dass wir jetzt endlich diese Frage gelöst haben, es wurde ja auch langsam Zeit!
Jetzt fehlt nur noch ein Militärseelsorge für die 3.000+ muslimischen Kameraden und dann sind wir endlich auch in DEU diesbezüglich im 21. Jhdt angelangt.
@Koffer
Die Rabbiner machen Militärseelsorge ja nicht im Hauptamt.
@Thomas Melber sagt: 27.05.2021 um 22:02 Uhr
„Die Rabbiner machen Militärseelsorge ja nicht im Hauptamt.“
Der Militärbundesrabbiner macht es nicht im Hauptamt (so wie der katholische Militärbischof auch, aber anders als der evangelische der seit einiger Zeit hauptamtlich ist).
Für die (StO-/Regional-)Rabbiner hingegen werden hauptamtliche Stellen geschaffen.
Ob diese dann wahrgenommen werden oder ob man darauf verzichtet liegt dann an Angebot/Nachfrage bei den Ausschreibungen und anderen Faktoren.
@ Koffer
Da stimme ich sofort zu. :-)
Ein Vertreter der muslimischen Soldaten sollte der nächste Schritt sein.
Der übernächste Schritt sollten dann regelmäßige Religionsübergreifende Veranstaltungen sein.
@Der Realist sagt: 27.05.2021 um 22:54 Uhr
„Der übernächste Schritt sollten dann regelmäßige Religionsübergreifende Veranstaltungen sein.“
Regelmäßig? Naja, die religionsübergreifenden Aspekte laufen ja heute schon. z.B. die Lehre an den Unteroffizierschulen und Offizierschulen und der FüAk oder der lebenskundliche Unterricht in den Verbänden und Einheiten.
Aber religionsübergreifende Religion ansich wäre ja ziemlich sinnbefreit. Von daher ist mir nicht ganz klar, was Ihnen vorschreibt.
@ Koffer
Ich hoffe, es war als Witz gemeint….
„Religionsübergreifende Religion“ habe ich nicht geschrieben…Lesen Sie es bitte noch einmal genau.
Es geht mir um gemeinsame Veranstaltungen und vielleicht sogar in der Zukunft gemeinsame Gottesdienste analog zu ökonomischen Gottesdiensten der christlichen Kirchen.
Denn was bringen Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen, wenn ich dadurch immer nur einen Teil der Soldaten abhole? Oder im schlimmsten Fall sogar verschiedene Lager schaffe?
Das soll nicht bedeuten, keine individuellen Angebote zu schaffen, aber es muss auch möglich sein, Gemeinsamkeit zu leben.
„Bereits festgelegt ist die Gestaltung der Schulterklappen, die jüdische Militärgeistliche bei der Begleitung von Soldaten im Auslandseinsatz an ihrer Schutzkleidung (die der Uniform der Soldaten verblüffend ähnlich sieht, aber keine ist, weil sie keine Kombattanten sind) tragen: Dafür sind zwei stilisierte Gebotstafeln vorgesehen.“
Da ich selbst mit Religion nicht viel am Hut habe, mögen man mir meine vielleicht naive Frage verzeihen:
Wieso wird nicht der Davidstern als Symbol auf den Schulterklappen benutzt?
Die katholischen und evangelischen Militärgeistlichen tragen ja auch Kreuze auf den Schulterklappen!
Ich nehme stark an, dass der Zentralrat der Juden in Deutschland in die Entscheidung eingebunden war.
Kann mich da jemand klüger machen? :-)
@docschneider55
Vielleicht weil der Magen David auch das Hoheitszeichen Israels ist?
@docschneider55 sagt: 28.05.2021 um 8:42 Uhr
„Da ich selbst mit Religion nicht viel am Hut habe, mögen man mir meine vielleicht naive Frage verzeihen:
Wieso wird nicht der Davidstern als Symbol auf den Schulterklappen benutzt?“
Bei so einer Frage bin ich verblüfft. der Davidstern als Symbol ist in Deutschland so etwas von verbrannt und negativ behaftet, schlimmer geht es nicht. Oder haben Sie noch nie etwas von III.Reich, Judenverfolgung oder Shoa gehört?
Selbst wenn man so naiv an die Frage herangeht wie Sie, dann müsste man auch fragen, warum nicht die Thorarolle oder der siebenarmige Leuchter? Ich bin der meinung, das ist eine gute Entscheidung.
@ Pio-Fritz
Ich denke auch, dass dies der berechtigte Grund war.
Der damalige Zwang, den Davidstern an privater Kleidung und vor allem der KZ-Kleidung zu tragen, die man als „uniform“ bezeichnen kann, verbietet das Tragen des Sterns an einer heutigen deutschen Uniform.
@Der Realist sagt: 28.05.2021 um 8:00 Uhr
„Ich hoffe, es war als Witz gemeint….
„Religionsübergreifende Religion“ habe ich nicht geschrieben…Lesen Sie es bitte noch einmal genau.“
Nein, es war von meiner Seite kein Witz. Ihre Vorschläge laufen im Prinzip auf genau das hinaus.
Hin und wieder gemeinsame Veranstaltungen sind sicherlich denkbar (z.B. veranstaltet der Vatikan ja auch alle Schaltejahre mal ein interreligiöses Gebete für den Frieden), aber regelmäßig wird das sicherlich nicht werden.
„Es geht mir um gemeinsame Veranstaltungen und vielleicht sogar in der Zukunft gemeinsame Gottesdienste analog zu ökonomischen Gottesdiensten der christlichen Kirchen.“
Und das wird niemals statt finden. Gemeinsamen Kulthandlungen verschiedener Religionen sind theologisch in den meisten Religionen engste Grenzen gesetzt und für die hier fraglichen gilt das auf jeden Fall. Gemeinsam Beten geht (unter bestimmten Umständen), gemeinsam Gottesdienste feiern geht nicht.
„Denn was bringen Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen, wenn ich dadurch immer nur einen Teil der Soldaten abhole? Oder im schlimmsten Fall sogar verschiedene Lager schaffe?“
Ich denke Sie mißverstehen die Aufgabe von Militärseelsorge.
Diese hat zwei Hüte:
Die religiöse, dass ist die primäre Aufgabe. Diese richtet sich verfassungs- (und bei den katholischen Geschwistern aufgrund des Reichskonkordats auch völkerrechtlich) ausschließlich an die eigenen Glaubensangehörigen.
Aber da der Staat aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtungen viel Geld für die Seelsorge bezahlt (und weil es außerdem auch aus weiteren Gründen klug ist), nutzt er die Seelsorger noch mit einem „zweiten Hut“ nämlich als berufsethische Ausbilder. Mit dieser Aufgabe richten sich ausdrücklich die Seelsorgern an alle. Aber ausdrücklich außerhalb der Religion.
Ein Militärseelsorger ist also für alle Soldaten seines Bezirks da, aber mit unterschiedlicher Aufgabenstellung.
Da gibt es Überschneidungen (und auch Grenzfälle, wie z.B. in einem Einsatz, wenn die eigene Konfession bzw. ab jetzt ja auch Religion nicht vor Ort ist und theologisch kniffilig hier sozusagen in „Amtshilfe“ gearbeitet wird) und manchmal hilft auch einfach ein offenes Ohr von jemandem der zuhöhren kann, ganz jenseits der Kutte/Soutane/Dienstkleidung die jemand trägt.
Aber für bestimmte Dinge gibt es roten Linien.
Und bin ehrlich gesagt froh über beides. Ich bin für die Gemeinsamkeiten dankbar und auch für den Pragmatismus, denn die beiden Seelsorgen in den letzten Jahrzehnten an den Tag gelegt haben und hoffe, dass sich die neue(n) Seelsorge(n), hier ebenfalls pragmatisch einreihen, aber ich bin auch dankbar dafür, dass es rote Linien gibt, die nicht überschritten werden dürfen. rechtlich-staatlich und religiös-thelogisch.
@docschneider55 sagt: 28.05.2021 um 8:42 Uhr
„Wieso wird nicht der Davidstern als Symbol auf den Schulterklappen benutzt?
Die katholischen und evangelischen Militärgeistlichen tragen ja auch Kreuze auf den Schulterklappen!“
Ein Interessante Frage, die ich mir auch gestellt habe. Zumal die Trage Organisation, der Zentral der Juden in Deutschland, ja auch den Davidstern als Symbol führt.
Vielleicht wollte man keine Überschneidung mit dem völkerrechtlich, staatlichen Symbol Israels haben?
Allerdings muss man auch festhalten, dass die Gebotstafeln, eine tiefe symbolische Bedeutung im Judentum haben, viel älter als der Davidsstern.
Und wenn man eine der Hauptaufgaben des Rabbiners (die Gesetzesauslegung des Tanach und die Interpretation des Talmuds als „Lehrer“, daher ja auch Rabbi) betrachtet, dann passt das natürlich auch sehr gut…
*zumal die tragende Organisation
@Koffer (27.05.2021 um 21:34 Uhr)
„Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“ (wie mein alter BGB-Prof regelmäßig anmerkte). Also blicke man hier herein
Vertrag der Evangelischen Kirche in Deutschland mit der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge
https://www.kirchenrecht-oldenburg.de/document/23162
und dort in den
Artikel 3
( 1 ) 1 Die Militärseelsorge wird von Geistlichen ausgeübt, die mit dieser Aufgabe hauptamtlich beauftragt sind (Militärgeistliche). 2 Für je eintausendfünfhundert evangelische Soldaten (Artikel 7 Absatz 1 Nr. 1 bis 3) wird ein Militärgeistlicher berufen.
Wenn ich nun diese gesetzliche Regelung – die analog von der katholischen Kirche hinsichtlich des Umfangs übernommen wurde – als Bemessungsgrenze für die Militärrabbiner nehme, dann … aber rechnen Sie einfach selbst.
Das Judentum ist sowohl Glaubensrichtung als auch Volk. Die Gebotstafeln sollen wohl auf den spirituell-konfessionellen Aspekt abheben. Der Davidstern ist Symbol des Volkes Israel, also dem Königreich unter König David bzw. der Staat Israel.
Ich kann mich an kaum eine Synagoge erinnern, an welcher der Davidstern nicht entweder als Flagge oder baulich-stilistisch verarbeitet wäre.
@Koffer
Man muss auf solchen Treffen keine gemeinsamen Kulthandlungen ausführen.
Streiche: herein
Setze: hinein
#zuschnellabgeschickt
@AoR sagt 28.05.2021 um 13:05 Uhr
„Das Judentum ist sowohl Glaubensrichtung als auch Volk“.
Ergänzung .
Unter dem „jüdischen Volk“ werden sowohl das historische Volk der Israeliten als auch, dem jüdischen Selbstverständnis gemäß, alle Juden verstanden, die nach der Tora von den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob abstammen“ (Wiki)
Allerdings leben im heutigen Israel mit ca 7,5 Mio Menschen, etwa 20 % israelische Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft.
Das Judentum dominiert zwar mit 75% in absoluter Mehrheit, ist aber nicht einzige Religion. 18%Muslime, 2% Christen und 2% Drusen runden das religiöse Bild ab.
Juden leben in vielen Staaten der Welt. Für Juden selbst gibt es aber nur das eine „Land Israel“, „Eretz Israel“ auf hebräisch.
Die zwei Gebotstafeln stellen zur Kennzeichnung einen guten Kompromiss dar. Dass weder der Davidstern noch die Menora aus belasteter Historie heraus in Frage kommen, ist eine Selbstverständlichkeit. Auch bei areligiöser Selbstbeschreibung sollte dies erkannt sein.
Da Mose auf den Tafeln die 10 Gebote empfing, er im Islam als bedeutender Prophet anerkannt wird, kann sogar auf Verständnis bei muslimisch glaubenden deutschen Soldaten gesetzt werden.
@Marmorklippe sagt: 28.05.2021 um 12:52 Uhr
„„Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“ (wie mein alter BGB-Prof regelmäßig anmerkte). Also blicke man hier herein“
Danke für die Bestätigung. Die Quote ist ja sogar noch höher als meine Erinnerung. Natürlich muss man bei niedrigen Ausgangszahlen eine gewissen „Zuschlag“ akzeptieren, der sich bei höheren Gesamtzahlen als nicht notwendig erweist (eine Reserve für Auslandseinsätze und Zusatzbedarf für die Lehrverpflichtungen an den zentralen Ausbildungseinrichtungen), aber auch das einbeziehend hat man mit 10 Orts-/Regionalrabbinern (plus Zusatzapparat) hier offensichtlich deutlich zu großzügig das Füllhorn ausgegossen hat.
Aber trotz dieser Kritik im Detail: Die grundsätzliche Entwicklung empfinde ich als sehr, sehr positiv.
@ThoDan sagt: 28.05.2021 um 13:35 Uhr
„Man muss auf solchen Treffen keine gemeinsamen Kulthandlungen ausführen.“
Wir sprechen hier über Gottesdienste, diese ohne Kulthandlungen vorzunehmen ist nicht möglich. Sorry, aber langsam wird das bizarr.
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 28.05.2021 um 17:36 Uhr
„Die zwei Gebotstafeln stellen zur Kennzeichnung einen guten Kompromiss dar. Dass weder der Davidstern noch die Menora aus belasteter Historie heraus in Frage kommen, ist eine Selbstverständlichkeit.“
1. Ich sehe hier keine „belastete Historie“ (siehe Logo des Zentralrats der Juden in Deutschland).
2. Ich denke auch nicht, dass es ein Kompromiss ist.
Wie ich schon schrieb, nationale Symbole eines anderen Staates – hier Israel – sollten auf Uniformteilen wohl nicht verwendet werden; hier die offiziellen Symbole:
https://embassies.gov.il/berlin/AboutIsrael/Pages/Symbole.aspx#:~:text=Das%20Wappen%20des%20Staates%20Israel,des%20j%C3%BCdischen%20Volkes%20nach%20Frieden.
Der Text des Podestes der Menora lautet „Israel“. Ggf. hätte man als Kennzeichnung der Militärrabbiner auch eine Thorarolle nehmen können. Interessanterweise verwendet das israelische Rote „Kreuz“ als Schutzzeichen einen Roten Kristall.
Davon ab: in logischer Konsequenz muß es jetzt auch Militärimame geben:
https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rimam#Deutschland
Immerhin ist die Zahl muslimischer Soldaten (geschätzt) um den Faktor 10 höher. Allerdings wäre zu fragen, welcher Richtung des Islam die Soldaten angehören.
@Koffer
Zu 1. Spätestens seit den Novemberpogromen 1938 ist die Historie mehr als belastet.
Die Analogie zur Verwendung des Davidsterns im Logo des Zentralrats d. J verbietet sich.
Der Davidstern in einer jüdischen Organisation ist eine Sache, die Verwendung auf einer deutschen Uniform/aka Schutzbekleidung etwas vollkommen anderes. Die Nürnberger (Rasse) Gesetze von 1935 mit der äußerlichen Diskriminierung der Juden sind Mahnung genug.
Übrigens:
Der Zentralrat der Juden in Deutschland präsentiert sich ab sofort in neuem Corporate Design, ohne Davidstern im Logo.
https://www.zentralratderjuden.de/
Zu 2. M.E. ist es unbedingt ein Kompromiss, was ich jedoch lediglich in Abwägung der Möglichkeiten von Davidstern und Menora annehme.
Die Entscheider BMVg/Zentralrat haben sich für das Unauffällige entschieden; unauffällig in der fast sicheren Annahme, von den Feinheiten der Ursprünge des Judentums und der anderen beiden monotheistischen Weltreligionen versteht die breite Masse sowieso wenig.
Zum internationalen Vergleich übrigens: das Abzeichen der jüdischen Militärseelsorger in den US Streitkräften ist sind auch Gebotstafeln, allerdings mit kleinem aufgesetzten Davidstern.
Bei den US Militärfriedhöfen wird wiederum häufig nur ein Davidstern verwendet.
Das deutet für mich daraufhin, dass die Gebotstafeln in der Tat mit Blick auf die „lehrende/gesetzesauslegende“ Rolle des Rabbis bewusst gewählt wurde.
Und nicht wegen irgendwelcher vermeintlicher geschichtlicher DEU Sonderfragen.
@Thomas Melber sagt: 28.05.2021 um 21:01 Uhr
„Interessanterweise verwendet das israelische Rote „Kreuz“ als Schutzzeichen einen Roten Kristall.“
Das hat etwas damit zu tun, dass sich die islamischen Staaten geweigert haben einen roten Davidstern in die internationalen Verträge einzubeziehen, die notwendig sind um dies als Schutzzeichen zu etablieren.
„Davon ab: in logischer Konsequenz muß es jetzt auch Militärimame geben: […]
Immerhin ist die Zahl muslimischer Soldaten (geschätzt) um den Faktor 10 höher. Allerdings wäre zu fragen, welcher Richtung des Islam die Soldaten angehören.“
Absolut! Und vor allem ist hier auch das ureigene Interesse der Bundeswehr an einer angemessenen, nicht islamistisch-extremen Auslegung des Koran immens.
Aber hier gibt es halt schon seit gut 10 Jahren ein verfassungs- und verwaltungsrechtliches zähes Ringen und niemand hatte bisher den Mut, bzw. das politische Interesse einfach mit Macht diesen Knoten zu durchschlagen.
Aber es scheinen sich wohl endlich (wobei, das ja auch schon seit gut zwei Jahren) Lösungen abzuzeichnen, vielleicht schafft es ja endlich die neue BReg hier mutig voranzuschreiten.
@Thomas Melber @Der Realist
Die Einsetzung islamischer Imame ist mehrfach gescheitert, an der politischen, weniger konfessionellen Uneinigkeit.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V.,
Die Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion,
Der Verband der Islamischen Kulturzentren und
Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland
sind die vier großen islamischen Dachverbände in Deutschland, – in umfassender Verachtung einander zugetan.
Daneben erheben noch Alleinvertretungsansprüche Vertretungen der Alawiten (schiitisch), der Aleviten (sunnitisch), der Drusen und noch einige mehr.
Das Problem offenbart sich in deren jeweiliger Alleinvertretungshybris, auf Seiten der Türkisch-Islamischen Union in deren Nähe zu DITIB und den Grauen Wölfen.
Mit wem sollte das BMVg einen Staatsvertrag muslimischer Seelsorge schließen, ohne einseitige Parteiergreifung?
@Koffer
Nein, wir reden hier über Treffen von Mitgliedern ggf. Priester:innen (die auch nicht jede Religion hat) verschiedener Religionen.
Dazu sind gemeinsame Kulthandlungen, nicht im mindesten erforderlich.
GGF mit dem Altar des unbekannten Gottes
Bei dem Symbol der stilisierten Gebotstafeln handelt es sich um die Kombination aus Gebotstafeln und Licht, die in Synagogen in genau dieser Form oberhalb des Torah-Schreins angebracht wird und in der Symbolik explizit auf die Vermittlung des Wort Gottes hinweist.
Es handelt sich durchaus international um das Hinweissymbol für Militärrabbiner, verwendet u.a. in Israel und den USA. Die Stilisierung variiert (stark) national, von daher ist die genaue Ausarbeitung durchaus interessant. In den USA wird bspw. das Licht durch einen Davidstern symbolisiert, für Deutschland wäre historisch in Synagogen eher eine Krone üblich.
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 28.05.2021 um 21:03 Uhr
„Die Analogie zur Verwendung des Davidsterns im Logo des Zentralrats d. J verbietet sich.“
Ihre Bewertung, aber das sehe ich nicht so. Eine vermeintlicher Ausschluss aus geschichtlichen Gründen durch außenstehende wäre alleine deswegen schon reichlich seltsam, weil damit ja Verbrecher (die Nazis) von außen im Ergebnis einer Religionsgemeinschaft von extern und das auch noch lange nach der Shoa deren eigenes, historisches Symbol verbrennen würden.
Dieser einseitigen Sichtweise kannn ich mich nicht anschließen. Ob die jüdische Militärseelsorge den Davidstern als angemessen betrachtet oder nicht, obliegt alleine ihr.
„Der Zentralrat der Juden in Deutschland präsentiert sich ab sofort in neuem Corporate Design, ohne Davidstern im Logo.“
1. Gerade das kann ich ehrlich gesagt auf der durch Sie verlinkten Seite des Zentralrats überhaupt nicht erkennen. Ganz im Gegenteil, da wird der Davidstern umfassend und in unterschiedlicher Weise verwendet.
2. Selbst wenn er ab jetzt ein anderes CD einführen würde, so wäre dennoch die Verwendung des Davidsterns in den letzten Jahrzehnten alleine schon eine Widerlegung Ihrer persönlichen Bewertung.
„Zu 2. M.E. ist es unbedingt ein Kompromiss, was ich jedoch lediglich in Abwägung der Möglichkeiten von Davidstern und Menora annehme.“
Wenn Sie von einem Kompromiss sprechen, dann werten Sie das jetzt gewählte Symbol als „zweitklassig“ ab. @kato hat dazu mit Kommentar von 29.05.2021 um 9:12 Uhr aus meiner Sicht zutreffend ausgeführt, warum es sich hier eben nicht um eine 2. Wahl (einen Kompromiss) handelt, sondern ein übliches, traditionelles und angemessenes Symbol verwendet wird.
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 28.05.2021 um 21:24 Uhr
Sorry, wenn das jetzt so aussieht, als hätte ich Sie heute aufs Korn genommen, aber auch diese Aussage kann ich so nicht stehen lassen.
„Die Einsetzung islamischer Imame ist mehrfach gescheitert, an der politischen, weniger konfessionellen Uneinigkeit.“
Das ist nicht richtig. Es ist vor allem ein rechtliches Problem. Die von Ihnen angesprochene Vielfalt (und der darüber hinausgehend äußerst geringe Organisationsgrad der Muslime in DEU allgemein) verstärken dieses Problem lediglich.
„Mit wem sollte das BMVg einen Staatsvertrag muslimischer Seelsorge schließen, ohne einseitige Parteiergreifung?“
Damit wiederum hat das nahezu gar nichts zu tun! Das Problem ist vielmehr, dass diese Organisationen überwiegend gar keine Körperschaften öffentlichen Rechts sind (das dieser Organisationsgedanke dem Islam theologisch fremd ist), sondern vielmehr Vereine und mit denen kann (bisherige Auslegung) eben kein Staatsvertrag geschlossen werden.
Es läuft vermutlich auf eine Beiratslösung hinaus (so wie bei den islamischen Religionsunterrichten in einigen Bundesländern), und da kommt dann in der Tat das von Ihnen beschriebene Vielfalts- und Vertretungsproblem mit ins Spiel.
@ThoDan sagt: 29.05.2021 um 1:23 Uhr
„Nein, wir reden hier über Treffen von Mitgliedern ggf. Priester:innen (die auch nicht jede Religion hat) verschiedener Religionen.“
Lesen Sie bitte einfach was geschrieben wurde, es ging ausdrücklich um Gottesdienste und die sind ohne Kulthandlungen nicht möglich. Können wir das jetzt beenden?!
@kato sagt: 29.05.2021 um 9:12 Uhr
Danke, für diese interessanten Erläuterungen.
[So, die Mutmaßungen – mehr ist es ja nicht – warum die Gestaltung der Schulterklappen so aussieht und nicht anders stellen wir jetzt mal ein und hoffen darauf, dass mit einer Veröffentlichung der Optik auch die Gestaltungsmerkmale und -gründe erläutert werden. T.W.]
@ KPK
„Mit wem sollte das BMVg einen Staatsvertrag muslimischer Seelsorge schließen, ohne einseitige Parteiergreifung?“
Man könnte (sollte) diese Frage an die muslimischen Soldaten richten…
@Der Realist sagt: 29.05.2021 um 12:11 Uhr
„Man könnte (sollte) diese Frage an die muslimischen Soldaten richten…“
Das ist übrigens tatsächlich das Problem.
Das bisherige Staatskirchenrecht der Bundesrepublik sieht für diesen Prozess zwingend eine öffentlich-rechtliche Körperschaft vor.
Im rechtlichen Verständnis geht es also nicht um einen Prozess zwischen Dienstherren und Soldaten über deren Seelsorge, sondern um eine Verständigung zwischen Staat und Körperschaft zu Gunsten der jeweiligen Gliedern (den Soldaten auf der einen Seite und den Glaubenden auf der anderen Seite). Es ist also in gewisser Weise ein paternalistischer Akt, der gar nicht des einzelnen Soldaten bedarf.
Das könnte man aufbrechen, indem sich die muslimischen Soldaten zu einer Glaubensgemeinschaft mit Körperschaftsstaatus zusammenschließen, aber dies Idee ist dem Islam fremd.
Im Prinzip verlangen wir aus christlich geprägtem Staatskirchenrechtsverständnis heraus, dass sich eine andere Religion unseren (ich bin Christ, deswegen „unser“) Vorstellungen von Religion unterordnet.
Mit Blick auf die Juden übrigens ist das sozusagen geschichtlich bedingt gelöst, weil die Juden in Preussens Zeiten dazu verpflichtet wurden sich so zu organisieren, wie es der preussischen Verwaltung rechtlich vertraut war, hätte es damals schon islamische Gemeinden gegeben, wäre vermutlich darum herum in den letzten 150 Jahren eine passende religiöse tradition entstanden, die dann in einer entsprechenden theologischen Auslegung gemündet wäre. Wir hätten daher vermutlich das Problem heute nicht (so ist es z.B. in Österreich gelaufen, da die bereits zu Kaiserszeiten genügend Muslime hatten, damit es bereits damals einer Lösung bedurfte).
Aber diese Lösung von oben herab ist heute rechtlich nicht mehr denkbar (sie würde schlichtweg dem Grundgesetz widersprechen).
Es wird also (hoffentlich) darauf hinauslaufen, dass man bei Beibehaltung der jeweils eigenen Position (der Bund ändert nicht seine Auslegung des bestehenden Verfassungsrechts, aber die Muslime werden auch nicht dazu gezwungen sich in christlich-jüdischen Strukturen zu organisieren), zu einer pragmatischen Lösung für den konkreten Einzelfall kommt. Also wie bereits weiter oben gesagt z.B. in Form einer Beiratslösung.
Wenn das gelöst ist, dann haben wir übrigens noch für einige weitere Jahre ein zweites, ganz praktisches Problem. Die Militärseelsorge fordert bisher zwingend von ihren Mitgliedern neben einem theologischen Hochschulstudium auch mehrjährige Gemeindeerfahrung als Seelsorger (wichtig, als Seelsorger, nicht nur als Prediger!).
Das gibt es so aber noch nicht für Imame, Hochschulstudiengänge gibt es erst seit einigen wenigen (!) Jahren und der islamischen Tradition ist bisher ein Seelsorgergedanke im christlich-jüdischen Gedanken fremd. Da arbeitet man auch schon seit einiger Zeit dran, aber bis es ausreichend geeignete Kandidaten deutscher Staatsbürgerschaft (notwendig, denn die Seelsorger sind im Regelfall Beamte, nicht nur Angestellte) geben wird, werden da wohl noch einige Jahre vergehen und bis dahin muss man pragmatische Ausweichlösungen finden (z.B. Beauftragung aufgrund Dienstleistungsvertrag o.ä., aber daraus ergeben sich dann wieder andere Probleme). Alles nicht ganz trivial.
Hoffentlich kommt es jetzt endlich voran!
@Koffer „Die Militärseelsorge fordert bisher zwingend von ihren Mitgliedern neben einem theologischen Hochschulstudium auch mehrjährige Gemeindeerfahrung als Seelsorger (wichtig, als Seelsorger“
Ich weiß von mehreren Muslimen, die seit Jahren mit hochoffiziellem „Notfallseelsorge“-Schild auf Lila unterwegs sind. Den Teil halte ich für lösbarer als die Kooperation der verschiedenen Dachverbände