Abzug aus Afghanistan: Deutsche Polizei beendet Trainingsmission
Noch vor dem geplanten Abzug der internationalen Truppen und der Bundeswehr aus Afghanistan haben deutsche Polizisten ihre Ausbildungs- und Trainingsmission am Hindukusch beendet. Die Beamten von Bundes- und Länderpolizeien verließen am (heutigen) Mittwoch die afghanische Hauptstadt Kabul; der letzte deutsche Polizist soll am kommenden Freitag von Mazar-e Sharif im Norden des Landes ausreisen. Die deutsche Polizeimission hatte im April 2002 begonnen, kurz nach dem Einsatz der Bundeswehr .
Im German Police Project Team (GPPT) waren zuletzt 22 Polizist:innen* in der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte tätig, sieben von der Bundespolizei und 15 aus verschiedenen Bundesländern. Seit rund 19 Jahren hatten Polizistinnen und Polizisten aus Deutschland an verschiedenen Orten afghanische Polizisten weitergebildet, von grundlegenden Fähigkeiten bis zu anspruchsvolleren Tätigkeiten. Dafür waren die Deutschen unter anderem in der Polizeiakademie in Kabul im Einsatz, begleitend zur Mission der Bundeswehr aber auch in einem Trainingszentrum in Mazar-e Sharif.
Der letzte Kommandeur des Teams, Peter Jördening, zog in einem Rundschreiben zum Abschied eine erste Bilanz:
Die Arbeit des GPPT ist nach mehr als 19 Jahren beendet.
Eine Zeit, so lang, dass mehr als die Hälfte der heutigen afghanischen Bevölkerung noch nicht einmal geboren war. So lang, dass niemand mehr genau rekonstruieren kann, wieviele Kolleginnen und Kollegen in diesem Rahmen ihren Beitrag zum Aufbau einer an demokratischen und Rechtsstaatsprinzipien orientierten Polizei geleistet haben.
Es steht außer Zweifel, dass der zur Beendigung eines derart großartigen Projekts allseits als richtig anerkannte Zeitpunkt nicht getroffen werden kann. Auch jetzt gab es sowohl Gründe, das Engagement fortzusetzen, als auch gewichtige Gründe es zu beenden.
Die durch unsere gemeinsamen Arbeit erzielten Ergebnisse werden kontrovers bewertet werden. Wir hingegen wissen, dass wir Hervorragendes geleistet und vieles erreicht haben. Bewahrt Euch Eure Bewertung, denn diese ist nicht nur authentisch, sondern beinhaltet auch eine Vorstellung von dem, was ohne unsere Untersützung gewesen wäre.
Unser Projekt hat bis zuletzt als einzige zivilpolizeiliche Beratung mit hohem Engagement an der Seite der afghanische Polizei gestanden und dort wesentlichen Fortschritt erzielt, wo mit Blick auf die Sicherheitslage zivilpolizeiliche Aufbauarbeit geleistet werden konnte.
Die fast 20-jährige Arbeit der deutschen Polizei am Hindukusch war allerdings auch immer wieder von Kritik begleitet. So wurde bisweilen der Vorwurf erhoben, mit der Ausbildung nach deutschen Maßstäben arbeiteten die deutschen Beamten am Bedarf der Afghanen vorbei: Deren Polizei sei nicht wie in einem westlichen Land zuerst an sorgfältiger kriminalistischer Arbeit interessiert, sondern an ganz grundlegender Polizeiarbeit in der Fläche Afghanistans. Zudem wurden viele afghanische Polizisten nicht zu polizeilicher Tätigkeit nach westlichem Verständnis eingesetzt, sondern wie die Streitkräfte des Landes vor allem zur Bekämpfung Aufständischer.
Am harschesten fiel dabei die Kritik der Verbündeten aus: Vor allem die USA beklagten, die deutsche Polizeiausbildung sei zu langsam und nicht am Bedarf Afghanistans orientiert. Zeitweise schickten die USA eigene Polizisten in eine Ausbildungsmission in Afghanistan, die deutlich schneller ablief als ihr deutsches Gegenstück. Allerdings hatte für die Deutschen eine wesentliche Bedeutung, wie es auch aus Jördings Abschiedsschreiben hervorgeht, die Afghanen nach zivilpolizeilichen Standards zu qualifizieren und nicht als paramilitärische Organisation auszubilden.
Im Einsatz in Afghanistan ließen mindestens sechs deutsche Polizisten ihr Leben: 2007 starben drei Beamte, die zur Sicherung der Botschaft eingesetzt waren, als ihr Wagen auf eine Sprengfalle fuhr. 2013 kamen ebenfalls drei deutsche Polizisten durch eine ferngezündete Sprengvorrichtung ums Leben.
*Ähnlich wie die Bundeswehr-Personalstärke scheint auch die Übersicht des Bundesinnenministeriums zu den Polizeimissionen unter dem immer gleichen Link aktualisiert zu werden; deshalb der Stand vom 25.04.2021 als Sicherungskopie:
20210425_Uebersicht_deutsche_Polizeimissionen
(Archivbild Juni 2010: Eine deutsche Polizistin bei der Ausbildung afghanischer Polizisten im Police Traing Center in Mazar-e Sharif – Thomas Imo/photothek.net)
Auch diesen „Kamerad*innen in Blau“ gehört Dank und Anerkennung für ihre Geleisteten Dienste! Hut ab!
Da wäre mehr drin gewesen. Aber die vielen Bundesinnenminister zeigten wenig Engagement über all die Jahre. Das AA als federführend Ministerium war da auch eher zögerlich. Und wer wird bilanzieren?
@Josef König sagt: 28.04.2021 um 23:05 Uhr
„Da wäre mehr drin gewesen.“
Inwiefern wäre da mehr drin gewesen? Die Polizisten haben den ihnen erteilten Auftrag erfüllt und den politischen Willen umgesetzt. Ich bitte um Aufklärung.
Ich möchte es jetzt nicht alleine quantitativ aufziehen, aber dass man nicht mal mehr in der Lage ist, die reinen „Teilnehmerzahlen“ zu quantifizieren, ist schon bezeichnend. Wie soll man da dann eine qualitative Auswertung im Sinne eines „lessons learned“ machen, wenn man nicht mal die simpelsten Zahlen parat hat??
Also haben wir auch in dem Bereich des „Comprehensive Approach“ in knapp 20 Jahren nix an Erfahrungen gelernt? Stolpern das nächste mal wieder in irgendeinen „Aufbau-Einsatz“? Das Militär erkauft durch seinen Ansatz Zeit, und die Institutionen, die einen Staat aufbauen könnten, drehen Däumchen? Bzw. werkeln ungesteuert, ungezielt und ohne Konzeption irgendwo irgendwie vor sich hin, und am Ende zieht man ohne Erfolg wieder ab? Am besten noch mit dem ausgestreckten Finger auf die Streitkräfte deutend, weil die es angeblich vermasselt haben?
Sorry, sonst mache ich ja nicht solche „Rants“, aber die jüngste Lektüre von Neitzels „Deutsche Krieger“ (und dort dem Kapitel über die Afghanistan-Erfahrung) lassen einen ratlos zurück.
Die Vorstellung, man könnte einen Staat von Aussen “aufbauen”, vor allem in einem Umfeld wie AFG, ist aus meiner Sicht unzutreffend. Selbst in Gegenden in denen die Bevölkerung gerne einen Staat wie dem unsrigen hätten, braucht das viele Jahrzehnte und vor allem eigenständig gewachsene Erfahrungen, Kompetenzen und Überzeugungen.
Dass man sich in AFG aus offensichtlichen politischen Gründen daran beteiligt, zumindest ansatzweise Strukturen zu schaffen, die, (vielleicht) einmal halbwegs brauchbare POCs für die internationale Polizeizusammenarbeit sein könnten, ist doch verständlich. Dass die öffentliche Zielsetzung ambitionierter war ebenso.
Ich finde, man muss sich Erfolge wie Misserfolge in unseren diversen Auslandseinsätzen weder herbeireden noch diese zerreden.
Die Welt ist wie sie ist und wir versuchen unser Bestes – manchmal ist das am Ende eher bescheiden manchmal gar nicht so schlecht.