Premiere: Erstmals mit dem NH90 über den Hindukusch
Es ist eine Premiere für die Bundeswehr: Zwei NH90-Hubschrauber der Heeresflieger sind unter eigenem Rotor von Mazar-e Sharif im Norden Afghanistans in die afghanische Hauptstadt Kabul geflogen. So weit bekannt ist es das erste Mal, dass diese Helikopter den Hindukusch überquert haben.
Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr bestätigte am Mittwoch, dass die zwei Maschinen am (gestrigen) Dienstag für einen Personentransport in die afghanische Hauptstadt eingesetzt wurden. Nähere Einzelheiten nannte ein Sprecher nicht. Über diesen Erstflug hatte bereits am Vortag Heeresinspekteur Alfons Mais auf seinem Instagram-Account berichtet.
Der Flug aus dem Norden des Landes in die Hauptstadt mit einem Hubschrauber ist für die Bundeswehr seit Beginn ihres Einsatzes die Ausnahme angesichts der Flughöhen, die die Maschinen beim Überqueren der Gebirgskette erreichen müssen. Vor rund 15 Jahren hatten die Heeresflieger diese Strecke erstmals mit dem größeren CH53-Transporthubschrauber geflogen. Im Regelfall sind die Bundeswehr-Helikopter nur im Norden Afghanistans im Einsatz, für die Verbindung nach Kabul werden Flugzeuge genutzt (die die deutschen Streitkräfte in ihrem Afghanistan-Einsatz allerdings nicht mehr vor Ort haben).
Die NH90 hatten zu Beginn des Jahres die CH53 abgelöst, die nach fast 19 Jahren Afghanistan-Einsatz abgezogen wurden. Die jüngeren, aber auch kleineren Helikopter haben – entgegen früheren Planungen ohne Begleitung durch die Spezialkräfte-Hubschrauber H145M – die Schutz- und Transportaufgaben bei der Resolute Support Mission im Norden des Landes übernommen. Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass die NH90 in Afghanistan eingesetzt werden: Bereits in den Jahren 2013 und 2014 waren sie als Rettungshubschrauber (Forward MedEvac) dort unterwegs.
(Der Bericht über den Erstflug der CH53 nach Kabul über den Hindukusch und vor allem zu den Vorbereitungen dafür ist leider auf der Bundeswehr-Webseite nicht mehr auffindbar; vielleicht hat eine Leserin oder ein Leser den irgendwo gesammelt oder abgespeichert…?)
(Fotos: NH90 über Kabul – Bundeswehr)
Die Kräfte im TAAC-N nutzen auch die Mi-8/Mi-17 des zivilen Contractor für Flüge nach Kabul. Bin ich selbst in meinem letzten Einsatz mit geflogen.
Keine Notwendigkeit für Begleitschutz mit H145M LUH SOF, die zwar nicht verfügbar sein durften (?), dann aber sonstige Lfz?
Hat diese Aufgabe ein Verbündeter übernommen, könnte ja nur das U.S. Kontingent sein, oder evtl Embraer der Afghanen?
Falls nicht, liegt also keinerlei, allenfalls vernachlässigbare Bo/Lu-Bedrohung vor?
@Klaus-Peter Kaikowsky: ich schätze mal, bei den Flughöhen und Gegebenheiten vor Ort würde es mit einem Direktflug eines bewaffneten H145M / BK-117 von Mazar nach Kabul ohnehin ein wenig eng, oder? Vor allem, wenn er dann bei Bedarf auch noch kämpfen und entsprechend manövrieren soll. Also selbst dann, wenn welche vor Ort wären.
@KPK: Nach der Entscheidung LUH SOF nicht mit in den Einsatz zu nehmen, wurde die Anzahl der NH90 erhöht.
Es fliegen immer mind. 2 NH zusammen, einer in der Rolle Begleitschutz.
Na, dann ist die Rolle des Nazgul endlich komplett übernommen.
Die Flughöhe ist nämlich ein ernstes Problem – nicht für den Helikopter, sondern für die Besatzung und insbesondere für unsere Rüstungsprozesse.
Es begab sich nämlich zu der Zeit, als das Gebot ausging von Wemauchimmer, dass der NH-90 den altehrwürdigen CH-53 für die letzten paar Monate ablösen solle. Viele Stirnen runzelten sich ob dieser scheinbar unnötigen Aktion. Lohnte sich das denn überhaupt?
Antwort: Ja, aus bestimmten Gesichtspunkten heraus ganz sicher.
Um mit dem neuen Vogel nämlich über die schnuckeligen Hügel des nordafghanischen Auenlandes zu zuckeln, braucht dieser (genau wie der Nazgul) eine Sauerstoffversorgung für Piloten und Besatzung. Sonst gehen ab 10.000 Fuß (haariger Hobbitfuß natürlich) langsam die Lichter aus und das wird schnell ungesund.
Man sollte nun denken, im NH-90 sei dies bereits lange konzipiert, gerüstet und einsatzbereit. Schließlich war man sogar schonmal vor Ort!
Nun, das kann man nur in grober Unkenntnis unserer Rüstungsprozesse annehmen, denn natürlich kamen die „neuen“ Reittiere für unsere Luftstreiter ohne diese Annehmlichkeiten nach AFG. Da aber auch der härteste deutsche Pilot mit Nebenhobby Apnoetauchen nicht für den kompletten Überflug ohne Luft auskommt, war das zu Anfang ein klein wenig hinderlich… ich sage nur Starrflügler erbetteln für jeden MedEvac etc..
Nun sind die Nazgul zwar in Einzelteilen auf dem Weg in die Inst (um Schwung für die kommenden Jahrzehnte zu holen), einige Eingeweide dieser Veteranen tun jedoch noch ihren Dienst in Afghanistan und versorgen die Piloten mit dem nötigen Gehirntreibstoff. Übrigens nicht das einzige Teil des Nazgul, welches kurzerhand in den neuen Helikopter reingebastelt wurde (weil das vorgesehene Equipment noch nicht kann oder darf oder beides).
Im Inland wäre das nie und nimmer gebilligt worden. Im Einsatz geht das dann doch, spätestens wenn mal ein Machtwort fällt.
Soviel zum Nähkästchen. Ich bin immer wieder positiv überrascht, was die Truppe trotz aller Hemmnisse gewuppt kriegt. Aber vielleicht sollte man sich nicht immer auf Herzblut als Treib- und Schmierstoff verlassen?
@Mr Black
Danke für die Info zum rottenweisen Einsatz.
Aus obigem Link: „… dass es nicht beabsichtigt ist, den Hubschrauber von Typ H145M LUH SOF in Afghanistan zum Einsatz zu bringen“.
Weshalb diese Entscheidung so gefallen ist, bleibt mir zumindest unklar. Sie wissen mehr?
@Stöber
Hatte ja schon einen Grund, warum ich auf den Hinweis auf ersten Kabul-Flug des NH90 angesprungen bin ;-)
Und genau deshalb suche ich nämlich noch immer die damalige Meldung der Bundeswehr über den ersten CH53-Flug über den Hindukusch, der dem Relaunch der bundeswehr.de-Webseite zum Opfer fiel…
@ Stöber
Werden wir es noch erleben, dass solche Meldungen ausbleiben? Alarmierend!
„Mitdenken und Freunde schenken!“ – ein Modell für die Bundeswehr?
[Was wollen Sie eigentlich sagen? T.W.]
@KPK Es gab wohl einen anderen Auftrag für LUH SOF. Darüberhinaus hätte es auch Einschränkungen mit sich gebracht, z.B. Reichweite, Höchstgeschwindigkeit, etc.
@Stöber was wurde denn noch von CH übernommen, außer dem Flowtimer?
Achtung Klugscheißer: bis 12000ft für 3h wäre möglich.
@KPK
Geben Sie einem Rettungswagen ein Elektromobil mit sehr eingeschränkter Reichweite, und beschränkter Geschwindigkeit als Notarztwagen mit – die H145 SOF ist ein kurzstrecken Hubschrauber mit, in der bewaffneten Version mit bereits in Deustchland nicht ebenbürtigen Leistungswerten ggü.. dem NH90.
Das ist dann auch dem letzten tapferen Recken der Luftwaffe in der Vorbereitung bewußt geworden. Aber es sind ja auch Hubschrauber mit grundsätzlich anderen Einsatzszenaren – und da der NH90 mit seiner schon vorhandenen Ausstattung ganz gut gegenseitig selbst auf sich aufpassen kann macht das einsatztechnisch Sinn – wie weit wirtschaftlich können andere klären. Die Mittel der Wahl sieht man übrigens auf dem Foto oben recht gut in der Seitentür.
@Stöber
Zitat: „Im Inland wäre das nie und nimmer gebilligt worden.“
— Eine nicht nur amüsante, sondern auch wichtige Anekdote bringen Sie da. Dort besteht in meinen Augen allerhöchster Handlungsbedarf für pragmatischere Lösungen, wie sie, wenn ich mich recht entsinne, im V-Fall auch automatisch greifen würden oder zumindest leicht beschlossen werden dürften.
Presse und Bevölkerung würden sich die Augen reiben, wie viel angeblich defektes Gerät eigentlich funktioniert, aber par ordre du mufti zeitweilig aus der Nutzung genommen werden muss, weil irgendein nicht sicherheitsrelevantes Lämpchen ausgefallen ist oder der Bock ein paar Gramm CO2 zuviel ausstößt.
Ich bin ja nicht gerade für eine Paralleljustiz und völlige Befreiung von zivilen Normen, wie sie bspw. in den USA praktiziert werden, aber im Zweifelsfall muss das Militärische auch im Frieden Vorrang haben, wo es gilt, das Personal in Übung zu halten.
@ muck
Zitat; „Presse und Bevölkerung würden sich die Augen reiben, wie viel angeblich defektes Gerät eigentlich funktioniert, aber par ordre du mufti zeitweilig aus der Nutzung genommen werden muss, weil irgendein nicht sicherheitsrelevantes Lämpchen ausgefallen ist oder der Bock ein paar Gramm CO2 zuviel ausstößt.“
Ich glaube das bewerten Sie falsch ! Ich kann mich an einen Rundflug über den Grand Canyon erinnern, mit einer zivilen Twin-Otter und 12 Passagieren, wo wir einen Startabbruch erlebten, weil ein „sicherheitrelevantes Lämpchen“ ausgefallen war. Auch ein ziviler Pilot will beispielsweise nicht ohne funktionierende Bremsen (= sicherheitsrelevantes Lämpchen) landen !
Es ist keineswegs so, dass unsere Flugzeuge alle wegen Kleinigkeiten am Boden stehen bleiben. Das man im V-Fall sich über manches hinwegsetzen würde ist schon klar, aber V-Fall haben wir auch in AFG nicht !
@ T.W.
Ich finde es wenigstens problematisch, wenn Hubschrauber nicht in Deutschland dafür vorbereitet werden, wofür und in welchem Umfeld sie im Einsatzland verwendet werden sollen.
Ich würde mir vielmehr wünschen, dass die Bundeswehr solche Probleme oder Berichte gar nicht erst produziert.
@Mr Black: Bei den MedGer gab es mKn auch Schwierigkeiten. Sind aktuelle Topgeräte und gut geeignet, aber wenn im Vorfeld die Papierlage nicht entsprechend vorbereitet ist, wird die Verwendung auf Luftfahrzeugen oft trotzdem blockiert.
Das ist von der Tragweite wie ein fehlerhafter Parksensor an der Panzerhaubitze – im Inland der sichere Todesstoß für den Übungsplatzaufenthalt. 🙂
@ Stöber
Zitat: „Bei den MedGer gab es mKn auch Schwierigkeiten. Sind aktuelle Topgeräte und gut geeignet, aber wenn im Vorfeld die Papierlage nicht entsprechend vorbereitet ist, wird die Verwendung auf Luftfahrzeugen oft trotzdem blockiert“
Sorry, aber da haben Sie wenig Einblick über die Einrüstung von technischen Geräten in eine Lfz.
Diesen Einbau kann der Nutzungsleiter des Waffensystems erst frei geben, wenn nachgewiesen ist, dass diese nachträgliche Einbauten, die vorhandene Avionik nicht in ihrer Funktion oder Genauigkeit stören.
Vielleicht erinnern Sie sich wie die ersten mit elektronischen Einspritzung ausgestatteten Kfz (Bosch J-Jetronic) empfindlich reagierten auf eine Nahfeldeinstrahlung. Also mit Funkgerät im eigenen Fahrzeug, konnte man den Überholvorgang eines mit der J-Jetronic ausgestatteten schnellen Kfz stoppen. Nicht schön wenn so etwas mit dem nachträglichen Einbau von medizinischen Gerät in den NH-90 passiert.
@Georg
Es sind gerade die zivilen Normen, die hier reinfunken. Unvergessen sind z.B. all die dringend benötigten Fahrzeuge, die wegen abgelaufener ASU aus der Nutzung genommen werden mussten. Es beruhigt jedenfalls zu lesen, dass es hier und da noch gutwillige Menschen hinter den richtigen Stühlen gibt.
„Die beiden zivilen Hubschrauber Bell 412 EP und H225 Super Puma sind rund um die Uhr einsatzbereit: Seit Anfang Dezember 2020 stellt im Camp Castor bei MINUSMA (Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali) ein ziviles Unternehmen zwei Hubschrauber zur Verfügung.
Dank des Lufttransportes per Hubschrauber können Verletzte oder Verwundete im Notfall auch aus abgelegenen Gebieten schnell zur weiteren medizinischen Versorgung in die Sanitätseinrichtungen nach Gao gebracht werden. Auch der taktische Weitertransport in Feldlazarette ist damit möglich.“
https://www.aerosieger.de/news/14220/zivile-rettungshubschrauber-fuer-die-bundeswehr-in-mali.html/
Schön für die Kameraden. Aber … sollte die BW nicht eigene LFZ für solche Zwecke haben ???
[Ist schon länger bekannt, und die Verbindung zu einem Flug über den Hindukusch nicht wirklich ersichtlich. Außer dass es in beiden Fällen um Hubschrauber geht. T.W.]
@ Georg
Gibt es in der BW ein Äquivalent zur „Minimum Equipment List“ wie sie in der zivilen kommerziellen Luftfahrt seit Ewigkeiten üblich ist, wo eben steht, welche Defekte als im Einsatz und im Grundbetrieb als vertretbar bewertet werden und unter welchen Voraussetzungen /Work-Arounds das Gerät damit betrieben werden kann?
@Landmatrose3000
Ja, sowas gibt es auch im militärischen. Neuere Lfz werden z.B. nach DEMAR (DEutsche Military Airworthiness Regulations) zugelassen und betrieben. Da steht im Prinzip das gleiche drin, wie in den zivilen EASA Regulations, nur mit kleineren militärischen Anpassungen. Das schließt eine Minimum Equipment List mit ein.
Alte Lfz sind nach der A-1525 zugelassen. Dort gibt es dann auch ein Equivalent zur MEL (ich meine das heißt dort Ausrüstungsliste).
Es gibt durchaus Fälle wo Bw-Lfz bestimmtes Equipment nicht nutzen dürfen (z.B. gesperrte Außenlaststationen, gesperrte Lasthaken beim CH-53, keine Selbstschutzanlage, etc.) aber der Flieger trotzdem in die Luft darf. Kann halt sein, dass bestimmte Missionen oder Ausbildungsvorhaben mit diesen Maschinen nicht bedient werden können.
Zum Vergleich, in der USAF gibt es sogenannte USAF Maintenance Metrics (Leseempfehlung). Dort sind u.A. die Metriken Fully Mission Capable Rate (FMC), Partly Mission Capable Rate (PMC) und Non-Mission Capable Rate (NMC) definiert. Fully Mission Capable ist definiert als, dass Lfz kann alle zugewiesenen Missionen ausführen. Partly Mission Capable ist definiert als, dass Lfz kann einige der zugewiesenen Missionen ausführen. Bei Non-Mission Capable dann entsprechend, kann keine zugewiesene Mission ausführen. Da steckt im Prinzip schon drin, dass bestimmte Funktionen bei den Lfz stillgelegt werden oder Komponenten ausgebaut wurden (oft wird nur stillgelegt, wegen der Gewichtsverteilung im Lfz).
Das ist im Prinzip ziemlich ähnlich zur zivilen Luftfahrt, auch wenn dort die Lfz meist nur eine (Transport-)Mission ausführen. Aber man kann ja auch die Kaffeemaschine im Lfz stilllegen :-)
Was bei den Verfügbarkeiten vor allem relevant ist, sind Mean Time Between Failures (MTBF; hat etwas mit Systemreife zu tun) und Mean Time To Repair (MTTR; wird stark durch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen geprägt). Verfügbarkeit = MTBF / (MTBF + MTTR). Da sind die zivilen Lfz oder auch die US-Streitkräfte deutlich besser. Bei einer großen Flotte kann man z.B. viel wirtschaftlicher die Systemreife verbessern und hat auch Mengenvorteile bei den Ersatzteilen. In der Bw haben wir sehr oft kleine Flotten von 20 oder weniger Lfz eines Musters. Daher ist z.B. der Sea King und Sea Lynx Ersatz bei der Marine ein wichtiger Schritt. Die Nachfolgemuster sind ja zu großen Teilen baugleich mit dem NH-90 des Heeres, was bei Instandsetzung und Logistik viele Synergien erzeugt. Vielleicht bekommt man so auch irgendwann wieder Luft für Ausrüstung wie eine Sauerstoffanlage :-)
Flug über den Hindukusch mit O2 ist ein kann , kein Muss.
Die weiße Flotte fliegt das seid Jahren ohne O2. Kein Problem, das Routing über den Salang lässt das ohne weiteres zu. Die West Passage über Bamiyan ist ebenfalls ohne O2 möglich, jedoch aufgrund der Boden-Luft Bedrohung durch SAF in der Vergangenheit weniger genutzt worden.
Völlig klar das die Auflagen für Contractor nicht deckungsgleich mit denen für MilLfz sind, die Praxis zeigt seid vielen Jahren das es funktioniert.
Was die Rolle CHASE (Schutz) angeht, so sind die NH-90 ausreichend befähigt. Es geht hier nicht um einen Helikopter Assault Ansatz, vielmehr muss das Routing angepasst an die Bedrohung und den Auftrag geplant und geflogen werden (Pers/Mat Transport).
Kommt es zum Beschuss wird das in der ersten Phase durch Ausweichmanöver gelöst.
Im falle Heli Down greift der PR Ansatz, und die Theater Response Force aus Bagram kommt zum tragen.
LUH hätte uns zu ISAF Zeiten innerhalb KDZ und MES geholfen.
@ Landmatrose3000
Nein, eine „Minimum Equipment List“, in dem Sinne, was darf alles am Lfz nicht funktionieren und der Pilot darf trotzdem starten, die gibt es bei Bw-Lfz nicht. Es gibt eine „Ausrüstungsliste“ als Teil 21 der Handbücher zur Dokumentation des Lfz.
Ein Flugzeug, dass bei der Bw fliegen will, muss im Grundsatz dem Musterzulassungsschein entsprechen. Darauf aufbauend wird die Verkehrszulassung für jedes einzelne Flugzeug festgelegt. Wenn von dem Bauzustand der Musterzulassung aus einem bestimmten Grund abgewichen werden soll, z.B. bei einem Überführungsflug zu einem Instandsetzungsbetrieb, z.B. EADS Manching, bei teilweise ausgefallenen Komponenten, dann wird zusätzlich zum Verkehrszulassungsschein für dieses einzelne Lfz eine „Fluggenehmigung“ mit Auflagen erteilt, z.B. kürzest mögliche Flugroute, z.B. unter Sichtflugbedingungen, z.B. mit Begleit-Lfz, z.B. mit nachprüfflugberechtigter Besatzung usw. (siehe Anlage 7.15 der Zentralen Dienstvorschrift A1-1525/0-8901 „Das Prüf- und Zulassungswesen für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät Teil 1“
siehe:
https://www.bundeswehr.de/resource/blob/135688/466cae9138564435ac0a8e1c538d6040/teil-1-pruef-und-zulassungswesen-luftfahrzeuge-und-luftfahrtgeraet-data.pdf
PS: Hier an diesem Beispiel sieht man wie dies nach DEMAR funktioniert.
https://augengeradeaus.net/2016/04/logistik-grossuebung-der-bundeswehr-a400m-bleibt-am-boden/
DEMAR baut auf das Prüf-und Zulassungswesen für Luftfahrzeuge der Bw auf. Grundsätzlich gilt die Vorschrift A1-1525, DEMAR ist die Ausnahme für neue Flugzeugtypen nach Weisung des Luftfahrtamtes der Bw.
Georg 12.02.2021 um 10:33 Uhr
Nein, eine „Minimum Equipment List“, in dem Sinne, was darf alles am Lfz nicht funktionieren und der Pilot darf trotzdem starten, die gibt es bei Bw-Lfz nicht.
Tut mir leid, muss Ihnen widersprechen. Der NGEN (Sea Lion NH 90) hat eine MEL.
Ist jetzt aber auch nicht so wichtig. Hier geht es ja um eine positive Nachricht, ein NH 90 ist über einen Berg geflogen. Es gibt so wenig positive Nachrichten….genießen wir es.
PS: @ Stöber hat Recht…wenn im Vorfeld die Papierlage nicht entsprechend vorbereitet ist……es sollte nicht sein, aber es war so….wie gesagt, wir wollen hier nicht die positive Nachricht stören, ich glaube es will auch niemand hier Details wissen.
Hallo Werner,
ich vermute die „Minimum Equipment List“ (MEL) gibt es in der neuen Welt der DEMAR (Deutsche Militäry Airworthiness Regulations), aber nicht in der alten Welt der Zulassung nach der Zentralen Dienstvorschrift A1-1525/0-8901, ex ZDV 19/1, oder ?
Dann wären bei A400M, NH90, BK117, Sea Lion usw eine MEL möglich, bei den alten Typen aber nicht, oder ?
Georg 12.02.2021 um 15:24 Uhr
Hallo Georg.
Zum A400 kann ich nichts sagen…..bin bei den Drehflüglern……für die „Altsysteme“ trifft Ihre Darstellung eventuell zu….keine Ahnung…..
Beim NGEN haben wir eine MEL, beim TGEA/TGEE nicht. Bei der BK 117 verweist das Kennblatt auf die MMEL (Master Minimum Equipment List) der Fima. Der TIGER kennt die BMAL. Die Betriebsartbezogene Mindestausrüstungsliste (BMAL) bezeichnet jene Ausrüstung, welche abhängig von der jeweils vorgesehenen Betriebsart für die Teilnahme am Luftverkehr zwingend erforderlich ist und bei Flugantritt funktionsfähig sein muss.
Wo die Trennlinie verläuft kann ich nicht sagen, aber es gibt die MEL bei der Bw.
@ werner sagt:
12.02.2021 um 16:05 Uhr
Guten Tag @ werner, was ist denn die Konsequenz, wenn der NH-90 in Version TGEA/TGEE (der jetzt ja über den Hindukusch gehubschraubt ist) keine MEL hat? Sofern ein vom Musterbauzustand abweichender Zustand auftritt (also auch jeder Defekt, den eine NGEN-MEL ggf. tolerieren würde), ist dann das LfZ nicht mehr flugklar, bis jemand im Einzelfall anders entscheidet, oder wie ist das geregelt?
Zusatz zu meinem Post von 17:14
@ Georg: Aus Ihrem Post von 10:33 würde ich jedenfalls entnehmen, dass ohne MEL jeder Flugbetrieb mit Defekten – egal welchen – eine Einzelfallentscheidung wäre….wenn ja: ist das nicht ein enormer Aufwand, Einzelfallbeurteilungen zu fällen, wenn der Kommandant das mit einer MEL auch für eine Vielzahl von Fällen selbst beurteilen könnte?
Falls dem so ist, vermute ich, dass mit MEL Klarstandsraten etwas anders aussehen und ein Flugbetrieb zB für den NH-90 in AFG erleichtert sein könnte…?
@ Landmatrose3000
Den Flugbetrieb den ich kennen gelernt habe (F4F, Tornado und etwas Eurofighter) war nach der ZDV 19/1 geregelt und ab Mitte des letzten Jahrzehnts eben mit der Zentralen Dienstvorschrift A1-1525/0-8901 „Das Prüf- und Zulassungswesen für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät Teil 1“.
Da hatte ein Kommandant sehr wenig über flugfähig ja oder nein zu entscheiden. Da wurde im Debriefing nach dem Flug die Störungsaufnahme gemacht, danach der Arbeitsauftrag für die Instandsetzung gestellt. Wenn es ein weniger sicherheitsrelevanter Defekt war, wurde der Arbeitsauftrag in einem Feld mit roten Querstrich versehen, den konnte der Mechaniker nach der Instandsetzung selbst aufheben und wenn es eine schwerwiegendere Störung wurde das berühmte „rote Kreuz“ auf dem Arbeitsauftrag gesetzt und dann musste nach der Instandsetzung ein Lfz-Nachprüfer die Funktionsfähigkeit des Systems in einem eigenen Arbeitsschritt nachprüfen. Bis das rote Kreuz gelöscht war, war das Lfz nicht flugfähig.
Zitat:
„dass ohne MEL jeder Flugbetrieb mit Defekten – egal welchen – eine Einzelfallentscheidung wäre….wenn ja: ist das nicht ein enormer Aufwand, Einzelfallbeurteilungen zu fällen, wenn der Kommandant das mit einer MEL auch für eine Vielzahl von Fällen selbst beurteilen könnte?“
Natürlich ist dies ein Aufwand, aber der Aufwand ist ja bewusst so gewollt. damit ein sicherer Flugbetrieb stattfinden kann.
Nehmen Sie mal ein praktisches Beispiel aus einem Kampfflugzeug. Die haben ein UHF- und ein VHF-Funkgerät und ein Notfunkgerät an Bord. VHF brauchen sie an militärischen Plätzen nicht. Was machen Sie aber wenn sie aus irgendeinem Grund an einem zivilen Platz landen müssen ? Mit dem Notfunkgerät auf der Notfunkfrequenz den zivilen Flugplatz kontaktieren ?
Also es gibt sicherlich sinnvolle Minimum-Equipmentlisten, aber sie erhöhen meist auch das Risiko und nach dem Schweizer-Käse Modell in der Unfallforschung hat man damit (MEL) schon eine Sicherheitsebene der Unfallverhütung entfernt.
Kann man machen, aber ist auch sinnvoll so vorzugehen ?
@ Landmatrose3000 12.02.2021 um 17:14 Uhr
Der NGEN wird von der Marine nach DEMAR betrieben. Die Marine hat aus der MMEL von Airbus eine MEL erstellt. Darin ist festgelegt, welches Teil wann gewechselt werden muss. Dadurch hat die Marine die Möglichkeit etwas flexibel auf den Ausfall eines Teiles zu reagieren.
Beim TGEA/TGEE ist das wesentlich strenger geregelt. Es ist genau festgelegt, was funktionieren muss und zwar im Kapitel Betriebsartbezogene Mindestausrüstungsliste. Die Konsequenz ist, das Heer hat keinen Spielraum wie die Marine. Diese Liste ist strenger als die MEL. Machen wir mal ein Beispiel. TGEX: vor Flugantritt müssen 3 Positionslichter funktionieren, sonst kein Start. NGEN: One or more may be inoperative.
Ich hoffe die Frage damit beantwortet. Schönen Abend.
@ Werner
Danke, gleichfalls!
Der Ansatz der Marine klingt für mich sehr sinnvoll.
@ Werner, @ Landmatrose3000
Na, ob der Ansatz mit ausgefallenene Positionslichtern einen VFR-Nachtflug zu machen sinnvoll ist, darüber kann man streiten. Alle 3 Positionslichter (rot/grün/weiß) sind nach § 33 Luftverkehrsordnung (LuftVO) für Nachtflüge nach Sichtflugregeln gefordert. Gerade bei der Marine für Rettungseinsätze bei Nacht würde ich nie ohne funktionierende Positionslichter starten, zumal es wie geschildert nach LuftVO verboten ist.
Klar kann mit dem Auto nachts auf der Landstraße mit ausgefallenen Abblendlicht auf einer Seite fahren. Das vorhandene Standlicht zeigt ja noch an, dass dies ein Auto und kein Motorrad ist was einem entgegenkommt.
Aber ist dies sinnvoll ?
Gefährliche Begegnungen oder Zusammenstöße im Luftraum in der Platzrunde oder beim An- und Abflug vom Platz kommen relativ gesehen häufig vor. Gerade da würde ich auf vollständige Positionslichter bestehen.
Also eine Minimum Equipment List ist immer ein Abstrich an Sicherheitspolster beim Fliegen ! Ob dies sinnvoll ist, muss wohl jeder selbst entscheiden, spätestens der verantwortliche Pilot, der die Maschine fliegen will.
@Georg sagt: 13.02.2021 um 8:59 Uhr
„Ob dies sinnvoll ist, muss wohl jeder selbst entscheiden, spätestens der verantwortliche Pilot, der die Maschine fliegen will.“
Eher die zuständige Kommandobehörde für den gesamten Zuständigkeitsbereich und der konkrete Vorgesetzte für den Einzelfall. Piloten in den Streitkräften sollte man keine Verantwortung übertragen für die andere da sind.
@Georg
Die Möglichkeiten, die die MEL eröffnet halten ja den VLF nicht davon ab hier die Regularien für seinen speziellen Flug einzuhalten.
In der Regel wird in der MEL dann ja noch nach unterschiedlichen Profilen unterschieden (VFR day/nx, nvg, IFR)
Einem NVG Tiefflug im Luftraum G (unter 500ft AGL) könnte man theoretisch auch ohne Pos-Light durchführen (auch wenn ich das persönlich nicht ohne Not tun würde)
Die Challenge bei den Einschränkungen im Rahmen der MEL liegt dann bei der Kommunikation zwischen der Einsatzsteuerung und der AirOps.
Trennung
Durch den anstehenden Einsatz für die LUH SOF in deren Kerngeschäft hatte sich die Begleitung der NH90 bei RSM dann ja ohnehin erledigt.
Dass dieses Konstrukt wenig Sinn ergeben hätte war wohl ohnehin der Masse der Beteiligten bekannt. Aber manche Entscheidungen auf höheren Ebenen waren dann halt gesetzt.
@Koffer
„spätestens“
Ihnen ist schon klar was das bedeutet?
Spätestens (am Ende aller positiven Entscheidungen) entscheidet selbsverständlich der Pilot, ob er das Flugzeug fliegen will oder nicht.
Wenn er der Meinung ist, die Mängel sind ihm zu groß dann wird zumindest er nicht mit der Maschine abheben und ein Ersatzpilot muss gefunden werden.
Das heißt, dass eine Kommandobehörde schon vorher den Stecker ziehen kann. Wenn aber alle Vorinstanzen „Abflug“ sagen. ist der Pilot die letzte Bastion für ein Nein.
@Tom Cruise sagt: 15.02.2021 um 1:28 Uhr
„Spätestens (am Ende aller positiven Entscheidungen) entscheidet selbsverständlich der Pilot, ob er das Flugzeug fliegen will oder nicht.“
Na, wenn das jetzt so in der Armee ist, dann können wir die Lw auch in Lufthansa umbenennen.
Niemand bestreitet die wichtige Aufgabe, die ein militärischer Luftfahrzeugführer hat, aber die Abwägung wie wichtig ein Auftrag im Gesamtzusammenhang ist und welche Risiken dafür aus übergreifenden Erwägungen eingegangen werden müssen und welche Risiken überhaupt aus technischen Gründen tatsächlich aufgrund übergreifender Faktenbasis bestehen kann er ja gar nicht treffen. Dafür ist er weder qualifiziert noch beauftragt noch verantwortlich.
Natürlich verschiebt sich diese Verantwortlichkeit je mehr es Friedensflugbetrieb ist hin zu seiner eigenen Kompetenzabschätzung und je mehr es Einsatz/Krieg weg von ihm. Aber in der Tendenz gibt es eher andere Stellen als den Piloten, die für so etwas beauftragt und qualifiziert sind.