Positionspapier von AKK und GI: Planung für die ‚Bundeswehr der Zukunft‘ (Nachtrag: Papier)

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn haben erstmals gemeinsam in einem Papier den Weg für eine Anpassung der Streitkräfte an neue Herausforderungen skizziert. Wir dürfen nicht einfach die Streitkräfte der Vergangenheit vergrößern, sondern müssen jetzt die Weichen richtig stellen, um Kräfte, Fähigkeiten und Strukturen auf die Zukunft auszurichten, schrieben die Ressortchefin und der oberste deutsche Soldat. Weiterhin sei die Bundeswehr dabei auf eine verlässliche Finanzierung angewiesen.

In dem am (heutigen) Dienstag (KORREKTUR, nicht Montag) vorgelegten gemeinsamen Positionspapier: Gedanken zur Bundeswehr der Zukunft begründen Kramp-Karrenbauer und Zorn ihre Überlegungen, die auch zu neuen Prioritäten in den Streitkräften führen sollen, mit sehr konkreten Bedrohungen für Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger, denen wir begegnen müssen. Von etlichen Ländern werde das Militärische wieder als oberstes Mittel zur Konfliktlösung vorgesehen. Zudem gebe es neue Waffentechnologien, die rasch weiter entwickelt würden. Gegen manche der Bedrohungen, unter anderem Drohnen, Killer-Satelliten oder Überschall-Flugkörper sind wir heute nur schlecht gewappnet.

Deutschland sei dabei vor allem durch Angriffe auf Datennetze und kritische Infrastrukturen, Übergriffe gegen Bündnispartner oder Kommunikationswege gefährdet. Damit könne die politische Handlungsfähigkeit des Landes eingeschränkt werden; außerdem könnten internationale Handelswege und Versorgungsketten bedroht werden.

Für die Bundeswehr als eines der wesentlichen Instrumente der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei deshalb die Weiterentwicklung zur Bundeswehr der Zukunft erforderlich, schreiben Ministerin und Generalinspekteur in ihrem Positionspapier. Die Streitkräfte müssten gleichzeitig nach dem Sparkurs früherer Jahre aufgefüllt und aufgefrischt werden, zugleich müssten sie auf die schnelle technologische Entwicklung eingestellt werden. Das habe Auswirkungen:

Wer gleichzeitig auffüllt und modernisiert, der ist gezwungen, Prioritäten zu setzen. Wir werden deshalb stärker als in der Vergangenheit prüfen, welche Systeme und Technologien wünschenswert, aber nicht zwingend notwendig sind. Dafür werden wir konsequent – und gegebenenfalls auch auf Kosten bestehender Systeme – Innovationen in die Bundeswehr einführen. Nur so können wir dringend benötigte hochtechnologische Fähigkeiten aufbauen. Geleitet wird diese Auswahl von klaren Kriterien:
• Gegen welche Bedrohungen müssen wir uns schützen?
• Was ist praktikabel und schnell verfügbar?
• Was stärkt den Industrie- und Technologiestandort Deutschland und schafft
Arbeitsplätze?
• Was kann in Kooperation mit unseren europäischen und internationalen Partnern
beschafft werden?
• Und vor allem und am wichtigsten: Was ist das Beste für die Truppe?

Das bedeute gerade nicht Antreten zum Sparkurs, betonten Kramp-Karrenbauer und Zorn. Eine Priorisierung sei für die präzise Ausgestaltung der Modernisierung nötig, nicht aber ein Spartarif. Deshalb sei auch unverändert ein weiter steigender und verlässlich planbarer Verteidigungshaushalt erforderlich, damit nicht die fixen Kosten für Gehälter, Betrieb und Liegenschaften das Geld für Entwicklung und Beschaffung der Fähigkeiten der Zukunft aufbrauchten.

Ministerin und Generalinspekteur formulierten dafür auch einen Zielkatalog:

Unser Ziel ist es,
• die Fähigkeiten der Streitkräfte für alle Rollen unseres Landes und in der gesamten Bandbreite weiter zu modernisieren und dem technologischen Wandel anzupassen,
• die Lücken in der Ausrüstung und Ausstattung zu füllen,
• schlankere, funktionalere, resilientere Strukturen sowie kürzere und damit schnellere
Prozesse in der militärischen Führungsstruktur, in der Beschaffungs- und
Nutzungsorganisation und im Verteidigungsministerium zu schaffen,
• Verantwortung dort anzusiedeln, wo es sinnvoll ist.
Dabei leiten uns ergänzend folgende Fragen:
• Welche Fähigkeiten benötigen wir in welcher Qualität und Quantität – auch im Sinne der Priorisierung kritischer Bereiche, wie z.B. einer umfassenden modernen Luftverteidigung, eines schnellen Transports leistungsfähiger Kräfte, intelligenter Aufklärungssysteme in allen Dimensionen, durchgängiger digitaler Führungsbefähigung?
• Wie gelingt uns zielgerichtete und wirkungsstarke Innovation, um schnell neue Technologien zu erschließen und für die Bundeswehr nutzbar zu machen?
• Wie können wir die Truppe wieder stärken und der Stabslastigkeit der Bundeswehr entgegenwirken?
• Wie können wir multinationale Kooperation effektiver nutzen, um Beschaffung, Nutzung und Interoperabilität zu verbessern?
• Wie kann die Einsatzbereitschaft noch wirksamer erhöht werden?

Dazu gehörten auch eine moderne Beschaffung und Überlegungen zur künftigen Struktur des Verteidigungsministeriums.

Kramp-Karrenbauer und Zorn kündigten an, jetzt möglichst schnell die Entscheidungen zu treffen, die noch vor der Bundestagswahl im September gefällt werden könnten; die übrigen sollten so weit vorbereitet werden, dass sie zu Beginn der neuen Legislaturperiode entschieden werden könnten. Konkret gehört zu den aktuell anstehenden Entscheidungen:

Im März 2021 legen wir eine umfassende Bewertung des Themas bodengestützte Luftverteidigung vor.
Bis zum Ende des I. Quartals leiten wir die Beschaffungsvorlage für die Eurodrohne dem Deutschen Bundestag zu.
Im II. Quartal treffen wir die Entscheidung zur Beschaffung eines schweren Transporthubschraubers.
Im April 2021 präsentieren wir die Grundzüge für einen modernen und zeitgemäßen Heimatschutz.
Wir erlassen im Mai 2021 Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft und legen damit konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der Streitkräfte hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, Strukturen und Einsatzbereitschaft vor.

Bei allen Schritten für die Bundeswehr der Zukunft, das betonen beide Autor*innen des Positionspapiers ausdrücklich, müssten die Entscheidungen nicht nur der Truppe, sondern auch der Öffentlichkeit immer wieder erklärt werden: Wer wie wir will, dass Deutschland mehr tut und mutig in Führung geht, der muss zu allererst unseren Bürgerinnen und Bürgern schlüssig erklären, warum das nötig ist und wie das gehen soll.

(Nicht alle Aspekte des Positionspapiers sind hier berücksichtigt; ggf. und nach Entwicklung gibt’s ein Update.)

Nachtrag: Das Papier im Wortlaut:
20210209_AKK_GI_Bundeswehr_der_Zukunft

(Archivbild: Kramp-Karrenbauer und Zorn im März 2020 auf dem Weg in die Bundespressekonferenz – Thomas Imo/ photothek.net)