Nach den USA will auch Russland aus Open Skies aussteigen
Der Vertrag über den offenen Himmel, der Ländern der NATO und ehemaligen Staaten des Warschauer Vertrags gegenseitige Überflüge zur Rüstungskontrolle erlaubt, steht vor dem aus: Nach dem Rückzug der USA aus dem Open Skies-Abkommen im vergangenen Jahr hat nun auch Russland seinen Ausstieg angekündigt.
Die offizielle Erklärung des russischen Außenministeriums (auf Englisch vom Ministerium veröffentlicht):
On November 22, 2020 the United States of America withdrew from the Treaty on Open Skies under an artificial pretext. This essentially destroyed the balance of interests of the State-Parties reached when the Treaty was signed, inflicted a severe damage to its functioning and undermined the role of the Open Skies Treaty as a confidence and security building measure.
The Russian side put forward specific proposals consistent with the fundamental provisions of the Treaty aimed at preserving its viability under the new circumstances. We state with regret that they found no support on the part of the US allies.
Due to the lack of progress in eliminating the hindrances for further functioning of the Treaty under the new circumstances, the Russian Ministry of Foreign Affairs is authorized to declare the beginning of domestic procedures for the withdrawal of the Russian Federation from the Treaty on Open Skies. Upon their completion, the respective notification will be sent to the Depositaries.
Der damalige US-Präsident Donald Trump hatte den Rückzug der USA aus dem Abkommen damit begründet, dass sich Russland nicht an die Bestimmungen des Vertrags halte. Faktisch dürfte aber eher ausschlaggebend gewesen sein, dass die US-Streitkräfte via Satellit genügend Möglichkeiten zur Verifikation von Rüstungskontrolle haben – und Russland die Möglichkeit verweigern wollten, auf diesem Weg Daten über US-Militäreinrichtungen zu sammeln.
Das russische Außenministerium ging in seiner Erklärung nicht darauf ein, welche konkreten Vorschläge die Regierung in Moskau gemacht habe, um den Vertrag zu erhalten. Nach Medienberichten soll es dabei um die Selbstverpflichtung europäischer NATO-Mitglieder gegangen sein, ihre bei Flügen im Rahmen dieses Vertrags gewonnenen Informationen nicht mit den USA zu teilen.
Nach der Ankündigung der USA zum Ausstieg aus dem Vertrag im Mai vergangenen Jahres hatten die Europäer und vor allem der deutsche Außenminister Heiko Maas vor einem Ende des Abkommens gewarnt: Wir sehen, dass es in den letzten Jahren auf der Seite Russlands in der Tat Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Vertrags gab. Aus unserer Sicht rechtfertigt dies aber keine Kündigung. Zu der russischen Ankündigung äußerte sich das Auswärtige Amt zunächst nicht.
Mit einer russischen Abkehr vom Open Skies-Vertrag steht der Sinn dieses Abkommens insgesamt infrage – Verifikationsflüge nur über dem NATO-Gebiet, vielleicht noch über Belarus, wären recht sinnlos. Die Luftwaffe hatte erst im Juni 2019 eine neue Maschine für diese Einsätze erhalten (Foto oben) – 22 Jahre, nachdem das damalige Open Skies-Flugzeug der Bundeswehr, eine Tupolew T-154, vor Namibia 1997 mit einer Frachtmaschine der US-Luftwaffe zusammengestoßen war.
Zum Nachlesen: Der Vertrag über den Offenen Himmel in der offiziellen deutschen Fassung hier.
(wird ggf. ergänzt)
(Archivbild November 2019: Das ‚Open Skies“-Beobachtungsflugzeug der Bundeswehr, ein Airbus A319CJ, beim Anflug auf die spanische Luftwaffenbasis Getafe – José Luis Celada Euba)
Mal auf die blöde. Hätten denn Deu nicht auch über SAR Lupe genug Möglichkeiten zum spähen? Wenn man dieses Argument schon anbringt.
Die neue US-Administration kann das Ruder ja noch herumwerfen und dem Vertrag wieder beitreten. Genau wie die USA hat die Russische Förderation genug Satellitenkapazitäten, um auch so an die gewünschten Informationen zu gelangen.
Aber so ist (und -hoffentlich bald friedlich- war) die Trump-Administration. Auf außenpolitischem Parkett wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Und war es doch mal halbwegs gelungen, hat Trump es mit seinen Tweets garantiert noch versaut. Hauptsache keine Verpflichtungen für die USA zu irgendetwas.
Die Liste der außenpolitischen Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten für den neuen Präsidenten ist mittlerweile lang, Hoffentlich sieht er die Dringlichkeit.
Wieder so ein Treppenwitz der deutschen Sicherheitspolitik. In den Jahrzehnten, als es noch sinnvoll gewesen wäre, hat man kein Geld für den Ersatz des abgestürzten Flugzeugs gefunden, oder finden wollen, und nun ist das Flugzeug da, aber es kommen die Einsatzmöglichkeiten abhanden, mangels Vertragspartner…
Eingedenk des Satteliten-Arguments erleben wir eine Aufwertung der Bedeutung des Weltalls als strategischen Raum.
Oder anders formuliert: Wer braucht OST, wenn er ne Spaceforce oder SAR Lupe hat?
@Dante:
Open Sky ist eben kein „Ausspähen“ sondern eine „vertrauensbildende Maßnahme der Rüstungskontolle“ auf gegenseitiger vertrauensvoller, regulierter und abgestimmter Basis.
Und die kann eben nur durchgeführt werden, wenn Kontrollierender (mittels durch alle Vertragspartner zertifiziertem Luftfahrzeug/ Kamerasystem) und Kontrollierter (Nachverfolgung zuvor angemeldeter Flugweg) sicher sein können, dass sich alle Seiten an die vertraglich vereinbarten Regeln halten.
Das Abkommen war wohl immer schon wichtiger für die Europäer, die ehr weniger Satelliten Kapazität haben als die USA und Russland.
Entweder geht die neue US Administration wieder auf die Russen zu oder lässt es sein…. in dem Fall wäre mein Vorschlag einfach den ISIS Sensor in die freie Maschine einzurüsten.
Na dann hat die Bundeswehr jetzt ja ein „MPA“ mit optischen Aufklärungsmitteln – aber ohne Waffenwirkung.
Wäre ja für Atalanta, o.ä. sicher gut zu gebrauchen.
Noch mehr zerschlagenes Porzellan dieses Präsidenten, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat.
Aus dem A319 machen wir einfach wieder einen VIP-Flieger für den Bundestag. Das Onboard-Enterteinmentsystem hat dann sogar eine bessere Aussensichtkamera als ein brandneuer A350 ;-)
@Küstengang01
Sie schrieben: „Das Abkommen war wohl immer schon wichtiger für die Europäer, die ehr weniger Satelliten Kapazität haben als die USA und Russland.“
— Das hat damit nichts zu tun. OpenSkies ist eine, wenn Sie so wollen, Flurbegehung durch die Feldgeschworenen; bahnbrechende Erkenntnisse und Aufklärungsergebnisse werden hier nicht gewonnen, zumal die Beobachtungen allen Vertragsstaaten zugänglich gemacht werden (auch dem überflogenen).
Es handelt sich um eine vertrauensbildende Maßnahme und ein Bekenntnis dazu, dass die Nachbarn ein berechtigtes Interesse daran haben, zu erfahren, was man so treibt. Aber Diplomatie ist eben nicht die Stärke der scheidenden US-Administration, und von ideellen Werten versteht dieser Präsident erst recht nichts.
Fux sagt:
15.01.2021 um 16:16 Uhr
Genau darum geht es!
@Nachhaltig
„Na dann hat die Bundeswehr jetzt ja ein „MPA“ mit optischen Aufklärungsmitteln – aber ohne Waffenwirkung.“
Nein. Die Kameras sind absichtlich sehr schlecht gehalten. Das ist auch so reglementiert. Viel kann man damit nicht aufklären. Es ist wirklich nur ein Werkzeug zur groben Aufklärung extrem großer Gebiete. Eventuell kann man aber die Kamerahalterungen für was anderes nutzen. Im Gegensatz zu einem A330 gibt es da auch keine Hardpoints an den Flügeln. Der A330 CEO hat die Flügel vom A340-200/300 aber nur 2 statt 4 Triebwerke dran. Dem A320 fehlt sowas und das dürfte teuer werden.
Problem ist halt, das ist ein A319 (der vom VW Management…) und der taugt nicht gerade für Langstreckenflüge. Die normale Variante schafft knapp 7000km, die VIP Variante hat Zusatztanks im Frachtraum und kann auf 11,100 km kommen. Sofern die da noch alle drin sind oder je drin waren. Ohne die Tanks ist die Reichweite echt mau. Ein A330 käme mit Zusatztanks schon 15,400 km weit. Ein A350 VIP, wie der neue Kanzlerflieger, kommt auf 20,000 km Reichweite.
–
Es ist wirklich eine Blamage das wir es 20 Jahre lang nicht geschafft haben einen Flieger zu organisieren und das erst ins Laufen kam, als Trump schon die Abrissbirne schwingen lies. Es war abzusehen wohin das führt.
Aber die Bürokratie und die Politik in ihrem Lauf, halten weder Ochsen noch Esel auf – oder so ähnlich.
Für mich klingt es erst einmal nach einem guten politischen Schachzug Russlands.
Sollten die USA demnächst wieder eintreten ist nicht einfach alles vergessen und wie zuvor. Damit der Vertrag dann Sinn ergibt muss man Russland überzeugen wieder beizutreten. Das bedeutet man muss mit Russland verhandeln. Russland kann dabei nur gewinnen, denn schlechter werden die Vertragsbedingungen für Russland nicht werden.
Wären Trump und Putin schneller gehandelt, wäre Deutschland fein raus gewesen.
Getreu dem Motto: Erledigung durch liegen lassen!
….man kann nicht immer Glück haben.. .
@SvD & @Bow
Eine Blamage? So eng würde ich das nicht sehen, zumal auch andere Vertragsstaaten über keine eigenen Flugzeuge verfüg(t)en. Außerdem lässt sich das deutsche Engagement im Lichte der Krim-Krise als Versuch rechtfertigen, Russland in internationalen Netzwerken zu halten.
Und ob eine Kündigung von Open Skies durch die USA zu erwarten stand, lässt sich in meinen Augen kontrovers diskutieren. Auch bestand durchaus die Möglichkeit, dass Russland dennoch zu einer weiteren Teilnahme bereit gewesen wäre, schon um die europäischen NATO-Staaten gegen die USA auszuspielen.
Eine Neuauflage des Vertrages unter Mitwirkung der neuen US-Administration ist zumindest denkbar. Sollte dies nicht möglich sein, könnte man die vorhandene Maschine immer noch anderen Nutzungen zuführen, um den Wertverlust zu mindern – sei es bei der Bundeswehr, sei es bei DLR oder ESA.
Da gibt es nichts zu diskutieren.
Niemand im politischen Establishment dachte das Trump gewinnt, darum hat sich auch keiner mit seinen Ankündigungen beschäftigt.
Er hat stupide Rechtspopulisten und Nationalisten in diverse Ämter gehoben. Es war doch klar wohin das geht.
„So eng würde ich das nicht sehen, zumal auch andere Vertragsstaaten über keine eigenen Flugzeuge verfüg(t)en.“
Das stimmt zwar, aber viele Länder kooperieren auf dem Gebiet und nutzen einen zertifizierten Pod, den Special Avionics Mission Strap-on-Now (SAMSON). Dieser kann an die Hardpoints der C-130 gesetzt werden.
Dieser Klub nennt sich „open skies pod group“.
Das umfasst Kanada, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Griechenland, Italien, Norwegen, Portugal und Spanien.
https://www.osce.org/oscc/104038
Prinzipiell könnte man den SAMSON auch an ein A310 Tankflugzeug hängen oder an einen A330 (auch zivil, weil eben die Flügel mit dem A340 baugleich sind und für 4 Triebwerke ausgelegt wurden).