Dokumentation: Bundestagsfraktionen zu „65 Jahre Bundeswehr“
Die Übergabe der Ernennungsurkunden an die Freiwilligen der neuen Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland am 12. November 1955 gilt als die Geburtsstunde der Bundeswehr. Zur Dokumentation die Aussagen der im Bundestag vertretenen Fraktionen zu diesem Jahrestag:
CDU/CSU – der verteidigungspolitische Sprecher Henning Otte:
Vor exakt 65 Jahren, am 12. November 1955, erhielten die ersten 101 Freiwilligen der Bundeswehr ihre Ernennungsurkunden. Damit begeht die Bundeswehr ein besonderes Jubiläum. Aufgrund der Corona-Pandemie kann das feierliche Gelöbnis leider nicht öffentlich vor der Kulisse des Reichstagsgebäudes stattfinden. Trotzdem stehen die Soldatinnen und Soldaten unverkennbar als Parlamentsarmee in der Mitte unserer Gesellschaft. Auch in diesen Tagen beweisen sie, dass ihr Einsatz unermüdlich und von wesentlicher Bedeutung ist. Nicht nur fernab der Heimat kämpfen sie für unsere Sicherheit und Freiheit, sondern auch vor unseren Haustüren beweisen sie Kraft und Durchhaltefähigkeit bei der Eindämmung des Coronavirus. Allen Bundeswehrangehörigen gilt unser Dank, unsere Anerkennung und unser Respekt.
SPD – der verteidigungspolitische Sprecher Fritz Felgentreu:
Die Bundeswehr feiert heute ihr 65-jähriges Bestehen. Dazu gratuliert die SPD-Bundestagsfraktion allen Soldatinnen und Soldaten sowie allen Zivilbeschäftigten herzlich.
Am 12. November 1955 wurden die ersten 101 Freiwilligen zu Soldaten in der jungen Bundesrepublik Deutschland ernannt – die Geburtsstunde unserer Bundeswehr. Eine Erfolgsgeschichte: Die Umsetzung des Konzepts der Inneren Führung, die vollständige Integration in die NATO und die friedliche Vereinigung zweier deutscher Armeen stehen beispielhaft für die großartigen Leistungen der Bundeswehr.
Die Männer und Frauen der Bundeswehr leisten seit Jahrzehnten einen verlässlichen Dienst für unser Land. Sie dienen Recht und Freiheit und tragen zu unserer aller Sicherheit bei. Sei es im Rahmen von Auslandseinsätzen oder daheim unterstützend wie derzeit in der Corona-Pandemie. Auf die Bundeswehr ist Verlass – darauf können alle Angehörigen der Bundeswehr und auch ihre Familien zu Recht stolz sein. Auch wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sowie Bürgerinnen und Bürger können stolz auf unsere Bundeswehr sein.
Damit die Bundeswehr auch weiterhin erfolgreich ihren Auftrag erfüllen kann, benötigt sie ohne Abstriche die bestmögliche Ausstattung und Ausrüstung. Als Sozialdemokraten werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass es den Soldatinnen und Soldaten an nichts mangelt. Alle Maßnahmen der Bundesverteidigungsministerin prüfen wir daher weiterhin sehr genau und greifen bei Bedarf korrigierend ein. Die Männer und Frauen der Bundeswehr haben es verdient!
AfD – der verteidigungspolitische Sprecher Rüdiger Lucassen:
Seit nunmehr 65 Jahren schützen unsere Streitkräfte unser Land und unser Volk vor äußeren Feinden. Die AfD-Bundestagsfraktion steht felsenfest an der Seite unserer Soldaten. Wir setzen uns für ihre gesellschaftliche Anerkennung und den politischen Rückhalt ein. Vielen Dank für 65 Jahre Treue, Tapferkeit und Dienst für unser Deutschland.
Streitkräfte verkörpern den vitalen Anspruch eines Staates auf nationale Souveränität und territoriale Integrität. Trotzdem ist die Bundeswehr bis heute das Stiefkind deutscher Regierungspolitik. Sie wird bestenfalls geduldet. Unsere Streitkräfte befinden sich im Jahr 2020 in der schlechtesten Verfassung seit ihrer Aufstellung. Daran trägt die Bundesregierung die Alleinschuld. Statt leeren Versprechungen und halbherzigen Glückwünschen braucht die Bundeswehr heute eine echte verteidigungspolitische Offensive, um ihren grundgesetzlichen Auftrag erfüllen zu können.
Die AfD-Bundestagsfraktion fordert deshalb einen Maßnahmenkatalog, der eine nationale Sicherheitsstrategie, materielle Vollausrüstung, die Neuorganisation der Rüstungsbeschaffung, die Reaktivierung der Wehrpflicht und die Beschränkung von Auslandseinsätzen auf Fälle erheblichen nationalen Interesses vorsieht.
FDP – die verteidigungspolitische Sprecherin Marie-Agnes Strack-Zimmermann:
Heute feiern wir 65 Jahre Bundeswehr. Ein guter Zeitpunkt, um unseren Soldatinnen und Soldaten von ganzem Herzen dafür zu danken, dass sie unseren Frieden, unsere Werte und unsere Freiheit weltweit verteidigen. Zugleich sehen wir derzeit, wie wertvoll die Bundeswehr auch bei der Krisenbewältigung im Inland ist. Viele Gesundheitsämter, Testzentren, Pflegeheime, Kommunen und Behörden wären ohne ihre Hilfe bei der Bewältigung der Corona-Krise völlig aufgeschmissen. Für ihren Einsatz im In- und Ausland gebührt den Soldaten unsere Anerkennung und unser Dank. Die Bundeswehr braucht aber mehr als das, um ihre Aufgaben vollumfänglich zu erfüllen. Vom Idealzustand einer exzellent ausgestatteten Armee sind wir noch weit entfernt. Wenn Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer meint, wir hätten ,niemals erfolgreichere und vertrauenswürdigere Streitkräfte‘ gehabt, ist das leider Wunschdenken. Die Bundeswehr braucht dringend modernes und einsatzfähiges Material, ausreichend Personal und vor allem flachere und klarere Strukturen. Notwendig sind hierfür eine umfassende Reform des Beschaffungswesens, transparentere Freigabewege und klare Ausschreibungskriterien. Die FDP-Fraktion wird sich auch weiterhin für alle notwendigen Weichenstellung zum Wohle der Bundeswehr und der Soldaten einsetzen und bleibt ein enger Partner der Bundeswehr im Parlament.
Linke – der stellvertretende Parteivorsitzende Tobias Pflüger:
Die Bundeswehr ist heute auf einem grundlegend falschen Kurs. Vor 65 Jahren im Rahmen der umstrittenen Wiederbewaffnung zur Landesverteidigung gegründet, stehen Bundeswehr-Soldatinnen und Soldaten heute in Afghanistan, in Mali und anderen fragwürdigen Einsätzen. Zugleich wird immer weiter aufgerüstet. Seit dem Amtsantritt von Angela Merkel hat die Bundeswehr jedes Jahr im Schnitt 1 Milliarde Euro mehr bekommen. Inzwischen liegt der Militärhaushalt bei mehr als 50 Milliarden Euro, nach NATO-Kriterien bei 53,1 Milliarden Euro, ein trauriger Rekord. Nicht mal angesichts der weltweiten Pandemie rücken Union und SPD davon ab. Das Geld wird im Kampf gegen Corona wahrlich dringender gebraucht.
65 Jahre Bundeswehr sind ein guter Anlass, diesen Kurs zu korrigieren: Interventionismus bringt nichts, das zeigen die Einsätze in Afghanistan und Mali deutlich. Die Bundeswehr hat am Hindukusch oder in Afrika nichts verloren. Und der Kosovo-Krieg, korrekter der Nato-Angriffskrieg gegen das damalige Jugoslawien, an dem die Bundeswehr beteiligt war, war ein glatter Verstoß gegen das Völkerrecht, wie der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder 2014 dann selbst zugegeben hat.
Wir brauchen wieder mehr Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO führt zu einer massiven Aufrüstung, die falsch ist und zudem die Beziehungen zu Russland ruiniert. Die Bundesregierung muss sich für eine Wiederbelebung der Rüstungskontrolle einsetzen, die von der Trump-Administration ruiniert worden ist. Und die Bundesregierung muss ihren Aufrüstungskurs stoppen: keine neuen Eurofighter, keine Eurodrohne, kein ‚Future Combat Air System‘ (FCAS). Das sind gefährliche Rüstungsprojekte oder neue oder laufende Milliardengräber. In Corona-Zeiten muss die Bundeswehr kürzer treten.
Bündnis 90/Die Grünen – der sicherheitspolitische Sprecher Tobias Lindner:
Seit 65 Jahren stellt die Bundeswehr die Streitkräfte des demokratischen Deutschlands dar. Sie ist Teil unserer Gesellschaft, kein Staat im Staate, und hat es als Armee der Einheit geschafft, zwei sich im Kalten Krieg gegenüberstehende, unterschiedlich organisierte und ausgerüstete Streitkräfte zusammenzuführen. Als Parlamentsarmee ist und war die Bundeswehr an verschiedenen internationalen Einsätzen beteiligt.
Auf all das können die Soldatinnen und Soldaten zurecht stolz sein. Wenn es um Traditionspflege geht, kann die Bundeswehr heutzutage aus diesen 65 Jahren schöpfen und muss sich nicht anderer oft zweifelhafter Vorbilder bedienen.
Für die kommenden Jahre steht die Bundeswehr vor großen Herausforderungen. Das betrifft nicht nur die Frage, wie sich der Auftrag der Streitkräfte und ihre Ausstattung mit Personal, Material und Finanzen vernünftig in Einklang bringen lassen. Gerade in einer multipolaren Welt, in der die Herausforderungen bei der Landes- und Bündnisverteidigung nicht mehr ausschließlich von Staaten ausgehen, müssen Strategien und Denkweisen aus dem Kalten Krieg überwunden werden. Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert wird selbstverständlich auch die Bundeswehr umfassen, sie darf sich aber nie rein auf das Militärische verengen.
Die Soldatinnen und Soldaten, die den Werten und Prinzipien unseres Grundgesetzes verpflichtet sind, müssen auch gegen die Feinde im Innern der Bundeswehr vorgehen. Rechtsextremismus darf in unseren Streitkräften nie wieder einen Platz haben.
(Damit die Debatte hier nicht zerfasert, an dieser Stelle keine Kommentare – bitte ggf. im Haupt-Thread kommentieren.)
(Foto: Ein Hauptmann des Wachbataillons beim Gelöbnis vor dem Schloss Bellevue in Berlin am 12. November 2020 – Felix Zahn/photothek.net)
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