Australien: Spezialkräfte als Mörderbande
Neu sind die Vorwürfe nicht, aber jetzt hat sie auch ein offizieller Bericht bestätigt: Im Afghanistan-Einsatz haben australische Spezialkräfte gefangene Zivilisten ermordet, teilweise sogar solche Morde als Aufnahmeritual für neue Mitglieder ihrer Einheit verlangt. Zahlreiche Soldaten erwartet jetzt ein Gerichtsverfahren; die betreffende Einheit wurde aufgelöst.
Der Bericht, den der Inspector-General for the Australian Defence Forces am (heutigen) Donnerstag vorlegte, ist selbst in der nüchternen bürokratischen Sprache im Hinblick auf die Kriegsverbrechen erschreckend genug. Ein Auszug aus der Zusammenfassung:
However, the Inquiry has found that there is credible informationof 23 incidents in which one or more non-combatants or persons hors-de-combat were unlawfully killed by or at the direction of members of the Special Operations Task Group in circumstances which, if accepted by a jury, would be the war crime of murder, and a further two incidents in which a non-combatant or person hors-de-combat was mistreated in circumstances which, if so accepted, would be the war crime of cruel treatment. Some of these incidents involved a single victim, and some multiple victims.
These incidents involved:
a. a total of 39 individuals killed, and a further two cruelly treated;and
b. a total of 25 current or formerAustralian Defence Force personnel who were perpetrators, either as principals or accessories, some of them on a single occasion and a few on multiple occasions.
None of these are incidents of disputable decisions made under pressure in the heat of battle. The cases in which it has been found that there is credible information of a war crime are ones in which it was or should have been plain that the person killed was a non-combatant, or hors-de-combat. While a few of these are cases of Afghan local nationals encountered during an operation who were on no reasonable view participating in hostilities, the vast majority are cases where the persons were killed when hors-de-combat because they had been captured and were persons under control, and as such were protected under international law, breach of which was a crime.
The Inquiry also found that there is credible information that some members of the Special Operations Task Group carried ‘throwdowns’ – foreign weapons or equipment, typically though not invariably easily concealable such as pistols, small hand held radios (‘ICOMs’), weapon magazines and grenades – to be placed with the bodies of ‘enemy killed in action’ for the purposes of site exploitation photography, in order to portray that the person killed had been carrying the weapon or other military equipment when engaged and was a legitimate target. This practice probably originated for the less egregious though still dishonest purpose of avoiding scrutiny where a personwho was legitimately engaged turned out not to be armed. But it evolved to be used for the purpose of concealing deliberate unlawful killings.
In different Special Operations Task Group rotations, the Inquiry has found that there is credible information that junior soldiers were required by their patrol commanders to shoot a prisoner, in order to achieve the soldier’s first kill, in a practice that was known as ‘blooding’. This would happen after the target compound had been secured, and local nationals had been secured as ‘persons under control’. Typically, the patrol commander would take a person under control and the junior member, who would then be directed to kill the person undercontrol. ‘Throwdowns’ would be placed with the body, and a ‘cover story’ was created for the purposes of operational reporting and to deflect scrutiny. This was reinforced with a code of silence.
Unterm Strich: Gefangene afghanische Zivilisten ermordet, den Mord durch nachträglich hinzugefügte Ausrüstungsgegenstände zur Leiche verschleiert, und Soldaten zum Mord an Gefangenen aufgefordert. Wohlgemerkt nicht in einer Gefechtssituation, sondern danach, hors-de-combat.
Armeechef Generalleutnant Rick Burr nahm persönlich die Auflösung der entsprechenden Einheit vor:
As the Chief of Army, I also directed the removal of the title: 2 Squadron, Special Air Service Regiment, from the Australian Army’s Order of Battle.
Although the incidents outlined in the Inquiry occurred across the Regiment, the report has made it clear that there was a nexus of alleged serious criminal activities, in 2 Squadron, Special Air Service Regiment at a point in time. This alleged grave misconduct has severely damaged our professional standing.
This action reflects no judgement on the current members of 2 Squadron, Special Air Service Regiment, but we all must accept the wrongdoings of the past.Current members of the squadron will be reassigned to other sub-units within the Regiment. A deliberate implementation plan will be developed to support this.
Der ganze offizielle Bericht, mit zahlreichen geschwärzten Seiten in der veröffentlichten Fassung, ist 465 Seiten lang und hier nachzulesen.
Nachtrag: Die Pressekonferenz der australischen Streitkräfte zur Vorlage des Berichts gibt es hier zum Nachlesen.
(Archivbild: A member of Australia’s Special Operations Task Group (SOTG) focuses his night vision goggles during a nighttime training validation exercise for Provincial Response Company – Uruzgan in Tarin Kot, Afghanistan, April 27, 2013 – U.S. Army photo by Sgt. Jessi Ann McCormick)
Heftig.
Da denkt man sofort an die Waffen-SS oder den Vietnamkrieg.
Menschen als Aufnahmeritual töten macht fassungslos.
Es schockiert auch mich zutiefst, allerdings denke ich sofort an die Opfer.
Menschenleben aus niederen Beweggründen zu beenden … die Überschrift „Mörderbande“ ist berechtigt und gut gewählt.
Was geht in den Köpfen dieser Mörder vor?
Unbegreiflich.
@ Der Realist
Ihre Beispiele zu anderern geschichtlichen Vorfällen greift, ehrlich gesagt, sogar zu kurz: Während dort u.a. Wehrpflichtige oder junge Vorgesetzte regulärer Fronteinheiten für die Verbrechen verantwortlich waren, so sind es in diesem Fall absolute Profis einer Spezialeinheit mit langer Tradition.
Dies ist unverzeihlich und lässt einen in der Tat fassungslos zurück.
Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die schon immer behaupteten, „Soldaten sind Mörder“.
@Der Realist:
Also ich habe an alles gedacht. Aber nicht an die Waffen-SS und auch nicht an Vietnam..
Ich habe an die militärischen Führer gedacht.
In welch einem Umfeld kann es im 21. Jahrhundert bei einer demokratischen Armee vorkommen, dass
25 Personen bei
23 verschiedenen Vorfällen
39 Menschen ermorden.
Da ist vom Auswahlverfahren, Ausbildung, Korpsgeist, Dienstaufsicht alles falsch gelaufen.
Warum ist der Armeechef noch im Amt?
@Der Realist
Absolut. Es gebührt den Australischen Streitkräften indes Anerkennung dafür, dass sie sich den Vorwürfen ernsthaft gewidmet haben, zumal lange Zeit eine Medienkampagne gegen die Untersuchungen stattfand, die 2013 mit durchaus moralisch ambivalenten Vorwürfen begannen.
Auch jetzt noch, so verrät es ein Blick in die Presse „down under“, plädieren manche Australier dafür, die „verdienten“ Soldaten in Frieden zu lassen oder erklären ihre Verbrechen mit dem psychischen Druck, der auf ihnen gelastet habe.
Dazu kann man nur sagen: Ein Rechtsstaat, der seine Söhne und Töchter den Schrecken des Krieges aussetzt, muss jedes unmoralische Verhalten nicht zuletzt deshalb bestrafen, um sie vor sich selbst zu schützen.
Denn welcher normale Mensch will schon zum Mörder werden? Für die meisten Soldaten sind bereits absolut legitime Kampfhandlungen eine gehörige Belastung.
Das kommt dabei raus, wenn die Kontrollinstanzen versagen.
Das sollte all denen ein Lehrstück sein, die meinen, mit dem KSK werde zu hart umgegangen. Und das, wo das KSK (hoffentlich) von solchen Zuständen noch weit entfernt ist. Wehret den Anfängen!
Das passiert, wenn man die scharfen Klingen, die man als Nation im uebertragenden Sinne fuehrt, nicht im Auge behaelt, dann schneidet man oft sich tief ins eigene Fleisch.
Deutschland kann froh sein, dass in Sachen KSK so etwas nicht zum Vorschein gekommen ist. Dennoch, der Schaden fuer das Ansehen eines Landes und seiner Sk sind in einem solchen Falle enorm. Keine operativen oder taktischen Erfolge koennen dies kompensieren: Wessen Handlung als SAS-trooper der Geschichte, die Australien ueber sich selbst erzaehlen will, zuwidergeht, vergeht sich an der Glaubwuerdigkeit der eigenen Werte und Gesetze.
Daher folgerichtig und in englischer Sprache noch viel zutreffender: Einheit wird aus der „Schlachtordnung“ gestrichen. Womit der Souveraen sagt: Mit dieser Standarte ziehen wir nicht mehr in den Krieg, da diese unseren Farben und damit unserem „Standing“ in der Welt keine Ehre gemacht hat. Ehrlosigkeit wird mit Vergessen gestraft, in der sichtbaren Geschichte einer Armee hat diese Truppe zukuenftig keinen Platz mehr. Ich kann mich nicht erinnern, dass diese Botschaft in der Causa KSK im Vordergrund stand, in Deutschland hat so etwas ja oft die Anmutung eines notwendigen Verwaltungsaktes („Wir wissen nicht genau wieso, aber das sind leider die Vorschriften/Anweisungen…“), aber unterschwellig war es diesselbe, sehr angemessene Mitteilung in die Bundeswehr hinein: Eine Einheit, die nach aussen wie nach innen in rufschaedigender Weise versagt, ist nicht mehr und wird nicht mehr sein.
Um so wichtiger ist es, allen in den Sk immer wieder klarzumachen: Wofuer stehen wir, wofuer kaempfen wir, wofuer sind wir tapfer. DAS ist „Innere Fuehrung“, also der Kompass und der Massstab, an dem das eigene soldatische Handeln auszurichten ist und entlang welchem das Handeln anderer, ob Vorgesetzte oder Untergebene, beurteilt werden muss.
Wer also den Wesensgehalt des Grundgesetzes zum Leitmotiv des eigenen Handelns macht, wird nicht Unbewaffnete erschiessen, um im Verband als vollwertiger Soldat anerkannt zu werden. „Innere Fuehrung“ ist also keine Schoenwetter-Friedensdienst-Veranstaltung, sondern strategische Kommunikation nach innen fuer verlaessliche strategische Handlungsfaehigkeit nach aussen. Viel zulange und viel zu oft haben Angehoerige der politisch-strategischen Leitung in Parlament und Regierung nach der Devise gehandelt: „Jetzt schicken wir die armen Soldatinnen und Soldaten schon sonstwohin, und wissen selber nicht so richtig warum, da werden wir nicht auch noch nach patriotischer Gesinnung fragen…“ Die Wehrbeauftragte schickt bei jedem Statement hinterher: „..aber kein Generalverdacht gegen die Truppe…“ Ich wuensche mir da noch mehr Selbstbewusstsein, auch bei den MdB, Bundespraesident und die IBuK sind da schon in die richtige Richtung unterwegs. Damit uns sowas wie den Australiern mit ihren Spezialeinsatzkraeften nicht passiert.
@J10: 1+* Danke!
@J10: inhaltlich 100% Zustimmung.
Bei der Verkündung der Auflösung der Einheit hat der Heereskommandeur ja gesagt, dass dies ausdrücklich keine Schuldzuweisung an alle derzeit dort dienenden Soldaten sei, jedoch die Verfehlungen der Vergangenheit als Tatsache akzeptiert werden müssten.
Schön fand ich auch die im Weiteren getroffene Feststellung: „Künftige Generationen werden durch die Lücke in der Abfolge der Einheitsnummerierung an diesen Zeitpunkt unserer Militärgeschichte erinnert werden“.
Da nimmt einer die Angelegenheit nicht nur ernst, sondern will auch ein Zeichen setzen, indem er bewusst eine Erinnerung an diesen Vorfall hervorhebt, gerade damit es nicht noch einmal passiert! Das ist schon eine Qualität des „Sich-ehrlich-machens“, die Anerkennung verdient. Aber auch in Australien scheint der Korpsgeist unter Spezialeinheiten in Form der Omertà lange verhindert zu haben, dass jemand den Mund aufgemacht hat… Berichten von Soldaten zufolge wusste beim SAS darüberhinaus wirklich nahezu jeder Bescheid darüber (https://www.tagesanzeiger.ch/die-hatten-so-eine-blutgier-psychos-absolute-psychos-828045287618).
Der strafverfolgungsrechtliche Teil ist allerdings offenbar noch längst nicht ausgestanden, weil anscheinend weite Teile der im Wege der militärinternen Ermittlungen nicht ohne Weiteres im Strafprozeß verwendet werden dürfen, sondern erneut zu ermitteln sind. Disziplinarisch dürfte aber dort jeder dieser Täter achtkantig aus der Truppe fliegen, wie sich das gehört.
Die Qualität der Verbrechen ist wirklich erschütternd. Da wusste jeder ganz genau, was er da tat. Das kann man auch nicht mehr wegdiskutieren, dass da irgendwelche Einsatzeinflüsse mit im Spiel gewesen wären. Da wurde vorsätzlich und systematisch gemordet, zum Mord angestiftet, Entlastende Umstände fingiert, usw… Solche Leute gehören meiner Meinung nach auf Lebzeit weggesperrt, da sie aufgrund ihrer Ausbildung und offensichtlich kaltblütig gleichgültigen Einstellung zur Menschenwürde als gemeingefährlich betrachtet werden müssen.
Nicht auszudenken, wenn womöglich herauskommen sollte, dass deutschen KSK-Angehörigen auch nur ansatzweise vergleichbare Vorwürfe gemacht werden müssen.
Die zitierten Passagen, dass Gefangene und Zivilisten als Aufnahmeritual ermordet wurden, sind wirklich übel. Da der Bericht die Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Beschuldigten empfiehlt, werden da möglicherweise noch andere, hässliche Details ans Licht kommen.
Interessant finde ich im Bericht auch den Teil 3. Es wurde nicht nur untersucht, was genau passiert ist (die Einzelheiten zu den jeweiligen Vorfällen sind ja allesamt geschwärzt), sondern auch, welche strategischen, operativen, organisatorischen und kulturellen Faktoren es soweit haben kommen lassen.
Viele Passagen könnten auch von unseren Streitkräften als Lessons Identified genommen werden: Ein permanentes Wegschauen bei Fehlverhalten, ein falsches Elitenverständnis, Arroganz, eine Kriegerkultur ohne ethisch Basis – das hat es bei uns auch schon gegeben. Ich hoffe nur, dass diese Vorfälle auch für unsere Bundeswehr als Warnung verstanden werden.
Die Kriegsverbrechen der australischen 2nd Squadron Special Air Service Regiment in indirekte Beziehung zu der Auflösung der 2. Kdo.Kp. KSK und den dortigen geschmacklosen Vorkommnissen zu setzen, ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Das ist einfach unerhört!
@Derfflinger
(blockquote) Das ist einfach unerhört!
Ja vielleicht haben sie recht, Mag sein, es ist eine weit hergeholte Verbindung, allerdings möchte ich durchaus zu bedenken geben, dass gerade der Bericht, von @Metallkopf verlinkt, durchaus Ähnlichkeiten in der Art zu denken offenbaren könnte. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass damit die Gemeinsamkeiten ihr Ende finden.
Allerdings, und das bleibt durchaus auch zu berücksichtigen, rechtfertigen die Möglichkeiten der Entwicklung (wie jetzt berichtet) durchaus ein drastisches Durchgreifen in der Form wie beim KSK geschehen. Wir möchten nicht so weit kommen müssen, Dabei möchte ich mich bei jedem entschuldigen, dessen Gefühle ich verletze und der mit beiden Beinen fest in einem Wertefundament innerhalb unserer demokratischen Grundordnung steht. So bleibt doch auch festzuhalten, und als Wahrheit zu akzeptieren, dass es eben auch die Anderen gibt. Und das sind die, die uns das antun, die uns in Verruf bringen, die uns schaden. Diese müssen wir aussortieren, schnell und ohne falsche Scheu.
(blockquote)Wehret den Anfängen.
Ich mag diesen Spruch eigentlich nicht.
Aber frei nach Heinrich Heine:
„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“
Nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dass die Spirale des mangelnden Respektes, Dinge die man tut oder lässt, was in Ordnung ist, selten ein gutes Ende findet, wenn erst einmal ein gewisser Grad erreicht ist. Und diese Parallele sehe ich durchaus als möglich an, in manchem was man weiß über diese beiden Einheiten.
Hinzu kommt, dass mich der von @Metallkopf verlinkte Bericht sehr an die aufgeführten Punkte der festgestellten ursächlichen Schwierigkeiten des KSK erinnert, über die wir ja hier ja zu genüge gelesen und geschrieben haben.
@Derffinger
Verwahren sie sich vor dem Vergleich zwischen diesen beiden Einheiten, trotzdem mögen manche ein „Zum Glück“ anfügen …
War es nicht mithin bekannt das Spezialkräfte Leben von Zivilisten nur als Lästigkeit wahrnehmen? Ich habe aus Hörensagen, dass die KSK in Afghanistan nach einiger Zeit von den amerikanischen Kommandokräften belächelt wurden, da sie lieber einen Spähposten räumen welcher zufällig von einem Hirten entdeckt wird, als diesen einfach auszuschalten.
[Die „ich habe aus Hörensagen“-Geschichten sind hier, sagen wir mal, nicht so richtig gerne gesehen. Weil jeder aus Hörensagen so irre viel hat… und dann alles unter Spekulationen begraben wird. Also bitte nicht ohne Belege oder zumindest gute eigene Kenntnis – jetzt unabhängig davon, ob diese Anekdote stimmt oder nicht. T.W.]
Es ist doch unser Glück, das es weder eine indirekte noch direkte Beziehung KSK und diese Mörder herstellbar ist.
Und so verstehe ich @J10: Ein Hoch auf die innere Führung, und die Tatsache, dass bei uns weit früher drastische Maßnahmen zum Zuge kommen, denn:
Wir wehren den Anfängen! Daher sind unsere SoF auch exorbitant vertrauenswürdiger.
@ T.W. bezüglich KSK und Ziegenhirte empfehle ich folgenden Beitrag (ich hoffe Verlinkung passt, da von 2012)
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.afghanistan-anaconda-wird-zur-blindschleiche.5d8bede3-f660-4e33-8195-c9bfb8cc6a98.html
[Danke für den Link; kannte ich noch nicht. T.W.]
„Unterm Strich: Gefangene afghanische Zivilisten ermordet, den Mord durch nachträglich hinzugefügte Ausrüstungsgegenstände zur Leiche verschleiert, und Soldaten zum Mord an Gefangenen aufgefordert. Wohlgemerkt nicht in einer Gefechtssituation, sondern danach, hors-de-combat.“
Das ist mE eine partielle, wenn sicher auch unabsichtige, Verdrehung dessen, was der engl. Text sagt, vor allem hinsichtlich des Begriffs „Zivilist“:
„the vast majority are cases where the persons were killed when hors-de-combat because they had been captured and were persons under control, and as such were protected under international law, breach of which was a crime.“
Hier geht es nicht um arme, friedliche Zivilisten. Sondern um Taliban, die keine Uniform tragen und nach erfolgreichen Anschlägen ihre Waffen im nächsten Tal verstecken und dann wieder zu ihren Familien zurückkehrten, wo sie dann „hors de combat“ – ausserhalb eines Gefechts – aufgriffen worden.
Ja, das Völkerrecht betrachtet sie technisch gesehen zu diesem Zeitpunkt wieder als „Zivilisten“. Allerdings als Zivilisten, die Morde begangen haben und nach Afghanischem Recht zum Tode zu verurteilen sind.
Das Verbrechen ist hier im wesentlichen äquivalent zum Erschiessen von Kriegsgefangenen. Allerdings von Kriegsgefangenen, die sich selbst nicht im Entferntesten an die Regeln zivilisierter Kriegsführung halten.
Vergleichbar mit US Soldaten die am D-Day SS Truppen nach ihrer Gefangennahme erschossen haben. Die werden in vielen Hollywoodfilmen heute noch als Helden gefeiert.
Hätte man diese Personen einen Tag vorher per Drohne beobachtetet, als sie noch ihre Waffen dabei hatten, hätte man ihnen nach Völkerrecht völlig legitim eine Bombe auf den Kopf werfen dürfen.
Ja, es ist trotzdem verboten und gehört aus guten Gründen bestraft. Aber meine moralische Empörung hält sich insoweit in Grenzen.
[Diese Art der Debatte und der Verharmlosung von Kriegsverbrechen lassen wir einfach. T.W.]
Siehe hierzu ABC News:
https://www.abc.net.au/news/2020-10-21/soldiers-killed-man-who-could-not-fit-on-aircraft-says-us-marine/12782756
https://www.abc.net.au/news/2020-03-17/four-corners-sas-allegations-war-crimes/12028522?nw=0
https://www.abc.net.au/news/2020-10-16/adf-issues-embargo-on-destruction-of-afghan-war-evidence/12769318
https://www.abc.net.au/news/2020-07-22/australian-soldiers-signal-with-confederate-flag-in-afghanistan/12476530
https://www.abc.net.au/news/2020-07-14/australian-special-forces-killed-unarmed-civilians-in-kandahar/12441974
https://www.abc.net.au/news/2020-03-16/video-shows-afghan-man-shot-at-close-range-by-australian-sas/12028512
Sowie es aussieht, ist dieser Bericht wirklich nur die Spitze des Eisbergs und enthält nur das was man Gerichtsfest beweisen kann/musste, nachdem zu den beschwerden aus den australischen Reihen amerikanische Beschwerden dazukamen.
In mehreren dieser Artikel wird ausdrücklich von vorangegangenen Beschwerden und Untersuchungen gesprochen, die ohne folgen geblieben sind.
Zu den Waffen bei getöteten Zivilisten platziert wurden, in einem der Artikel hat ein Zeuge gesagt dass die Täter Witze darüber gemacht haben, dass nie jemand die Seriennummern auf den Waffen in den Photos vergleichen darf, weil sonst herauskommt dass sie die selben Waffen immer wieder verwendet haben.
Die Frage die man sich jetzt vorallem stellen muss, ist wie geht man mit so etwas um wenn es einem bei einem NATO-Partner begegnet?
Was mache ich mit einem US-Marine, von dem ich weiß das er in Guantanamo war und dort Leute gefoltert hat?
Was wenn wir einem zweiten Edward Gallagher begegnen,
und der erste wurde nur wegen Photos mit Leichen belangt, nicht die Morde an sich.
Obwohl sein Platoon gegen ihn ausgesagt hat und sie ihn als „freaking evil“ bezeichnet haben.
https://www.nytimes.com/2019/12/27/us/navy-seals-edward-gallagher-video.html
Will man mit einem britischem Para zusammenarbeiten, der findet seine vorgänger waren in Nordirland zu zimperlich (https://en.wikipedia.org/wiki/Bloody_Sunday_(1972)#Casualties)?
Wenn so etwas passiert, dann ist es ersteinmal geheim. Und bei den meisten Armeen, auch innerhalb der Nato, wird es ersteinmal geheim bleiben.
@Positroll
Sie sollten sich noch einmal genau überlegen, was Sie meinen und wie Sie es meinen. Denn einen Nonkombattanten zu erschießen, sei er nun Zivilist oder Kriegsgefangener, ist definitiv ein Kriegsverbrechen. Da hilft auch die Verschleierung des Verbrechens im Nachgang der Tat nicht, oder dass die übliche Strafe in AFG bei Mord der tot ist. Darüber haben wir als Soldaten nicht zu richten. Ihre Argumente sind weit entfernt von jeglichen Rechtfertigungsgründen.
Die Straftat ist nicht nur im wesentlichen äquivalent zur Erschießung von Kriegsgefangenen. Es ist die Erschießung von Kriegsgefangenen. Da macht das Völkerrecht auch keinen Unterschied guten und bösen Kriegsgefangenen. Ob AUS oder GER, beide Staaten haben das internationale Völkerrecht anerkannt, sind Teil der UN und haben sich damit auch an die Bestimmungen zur Behandlung von Kriegsgefangenen zu halten.
Außerdem betrachtet das Völkerrecht die rechtlichen Gesichtspunkte und nicht die Technischen, das ist ja kein Lastenheft.
Wenn sich Ihre moralische Empörung hier in Grenzen hält sollten Sie durchaus Ihren moralischen Kompass noch einmal einnorden. Auch der Feind besitzt in unserem System Rechte.
Ich gehe mit @Derfflinger d’accord. @Pio-Fritz’ens Vergleich geht mir zu weit.
Wer hier eine Kontinuität der Entwicklungsstadien andeutet, verkennt nicht nur die Unterschiede in puncto Mentalität und Kontrollmechanismen zwischen der Bundeswehr und anderen Streitkräften – gerade solchen der vormaligen englischen Kolonien, wo Soldaten stellvertretend für Pioniere und Siedler als Inbegriff der Landnahme, als Verkörperung des Wesens der Nation heroisiert werden.
Er verkennt auch den Unterschied in der Natur der Vorwürfe.
Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob mir mein Kamerad mit diesem braunen Quark daherkommt, dass Hitler auch seine guten Seiten gehabt und Deutschland groß gemacht habe, oder ob ich beiseite genommen werde und erfahre, dass ich heute einen unbewaffneten Afghanen töten soll, um mich als „real man“ zu erweisen.
Ersteres ist eine (falsche, verwerfliche, aber) *subjektive* Meinung, Letzteres eine offenkundig verbrecherische Handlung. Die angemessenen und selbst die verständlichen Reaktionen unterscheiden sich erheblich.
Diejenigen von uns, die noch nicht verinnerlicht haben, dass sie in einer hochpolitisierten Zeit leben, in der selbst die Nichtteilnahme an einer Demonstration als verwerfliche politische Handlung gelten kann, werden Kamerad 1 entweder ins Gebet nehmen oder ihn ignorieren.
(Und bevor sich jemand ob des „Ignorierens“ entrüstet – erzählen Sie mir nicht, liebe Mitforisten, es gäbe nicht in Ihrem Leben mindestens einen Bekannten, Kollegen oder Angehörigen, den Sie in die Kategorie aussortiert haben: Lasst ihn schwafeln, der hört auch wieder auf.)
Kamerad 2 hingegen ist *objektiv* jenseits von Gut und Böse. Der Bruch durch die Leitplanke der Werteordnung bahnt sich hier nicht wie bei einem eventuellen politischen oder religiösen Radikalisierungsprozess auf einer windungsreichen Straße mit vielen Abfahrten an, sondern der Delinquent ist schnurstracks und mit voller Absicht durch die Begrenzung gebrettert.
Wer da nicht einschreitet, macht sich konkret mitschuldig – hier, jetzt, sofort. Er ist nicht Teil einer tausendfältigen Kausalkette, die vielleicht ins Unheil führt oder vielleicht vorher abreißt, sondern in aller Regel Mittäter eines charismatischen Anstifters, der – jedenfalls lässt die Geschichte diesen Schluss zu –, eines Tages eine abartige Idee hatte und umsetzte.
Und jedermann sollte diese Gefahr erkennen können. Weit mehr als die Anstifter erschrecken mich deshalb all die Männer, die anscheinend lieber zu Mördern wurden, als ihre Karrieren oder die Anerkennung durch ihre sogenannten „Kameraden“ aufs Spiel zu setzen.
Kann man glauben, frage ich mich, dass manche sich vor ihren Kameraden gefürchtet haben wollen? Allein dass sich die Täter große Mühe gaben, mit falschen Beweismitteln und abgesprochenen Aussagen ihre Verbrechen als legitime Kampfhandlungen zu tarnen, weist doch auf die Nähe von „Uneingeweihten“ hin, die das Ganze nicht mitbekommen durften.
Also auf potentielle Zeugen auch von Vergeltungsmaßnahmen gegen den SAS-Trooper, der sich mitzumachen weigert. Falls es denn in der Einheit wirklich so weit gekommen war, dass einer, der „Nein!“ sagte und sich abwandte, damit rechnen musste, vielleicht zum Inhalt der nächsten „Aufnahmeprüfung“ zu werden.
Übrigens glaube ich nicht, dass Spezialkräfte für solche Entwicklungen besonders anfällig sind. Ein Blick in die jüngere Geschichte lässt vermuten, dass sich die meisten Kriegsverbrecher unter gewöhnlichen Soldaten finden lassen. Seit Anfang des Jahrtausends scheinen Führungsunterstützungs- und Logistiktruppen sogar überdurchschnittlich vertreten.
@Positroll: „Hors de Combat“, da geht es doch eben darum, dass es am Vortag noch ein Kombattant war, daher darf er ja gefangen genommen und inhaftiert werden. Wenn sie einfach so – Hors de Combat – nen Zivilisten festnehmen, als Soldat, dann gibt’s richtig auf den Sack.
Regeln des Krieges: Humanitäres Völkerrecht
https://www.bmvg.de/de/themen/friedenssicherung/humanitaeres-voelkerrecht
@muck sagt: 20.11.2020 um 3:07 Uhr
Ich habe mich in meinem Kommentar vom 19.11.2020 um 13:26 Uhr bewusst kurz gehalten, um Missverständnisse zu vermeiden. Ich empfehle, den Post einfach nochmal zu lesen. Sie unterstellen mir gerade eine Position, die ich gar nicht vertreten ahbe.
Allerdings verstehe ich nicht, wie Sie und einige Kommentatoren darauf kommen, das KSK und die australische SAS seinen nicht miteinander vergleichbar. Wenn ich SOF westlicher Staaten, die das nahezu gleiche Wertesystem vertreten, nicht miteinander vergleichen kann, was soll man dann vergleichen? Oder wollen Sie im KSK Engelshaarperücken verteilen?
@ Wa-Ge; @ T.W.
Es gab vor knapp 18 Jahre auch Berichte, dass deutsche Spezialkräfte, das KSK in AFG von den USA nicht akzeptiert wird und nur zur Bewachung von Gefangenen eingesetzt werde, weil deutsche Spezialkräfte im Aufklärungseinsatz eben keine Ziegenhirte erschießen, die die Stellung entdeckt haben und gesuchte Personen festnehmen und nicht erschießen wollen.
Wer sich für die Australische Reaktion interessiert: Hier sind ein Paar relevante Links:
Der Whistleblower:
https://en.wikipedia.org/wiki/David_McBride_(whistleblower)
natürlich angeklagt.
Der zensierte original Bericht:
https://afghanistaninquiry.defence.gov.au/sites/default/files/2020-11/IGADF-Afghanistan-Inquiry-Public-Release-Version.pdf
Zitat von Seite 183 zur histrischen Einordnung:
Ein Artikel über die Reaktion der Australischen Behörden:
https://www.abc.net.au/news/2019-06-05/abc-raided-by-australian-federal-police-afghan-files-stories/11181162
Durchsuchung der ABC-Redaktion, Kistenweise Dokumnete beschlagnahmt, Anklage gegen die Journalisten vorbereitet, aber nicht erhoben.
[Natürlich kann man Links immer wieder bringen; aber der Link zum „zensierten Original-Bericht“ ist ziemlich genau der, der auch oben im Text steht? T.W.]
@Pio-Fritz
Warum ich zwischen Bundeswehr und anderen Streitkräften, bzw. zwischen KSK und SASR einen Unterschied sehe, habe ich bereits dargelegt. Siehe bspw. das Stichwort „innere Führung“.
Man sieht aber noch andere Unterschiede, bzw. Symptome dieser Unterschiede. So produzieren die ADF viel mehr Anzeigen wegen sexueller Gewalt gegen Soldatinnen als die bedeutend größere BW. Es herrscht eine andere Kultur, und die Kontrollmechanismen sind weniger ausgeprägt.
Und nochmals, nein, ich glaube nicht, dass Spezialkräfte für solche Abwärtsspiralen prädestiniert sind.
Der Amokläufer von Kandahar war ein gewöhnlicher Infanterist, auch die „Kill Teams“ kamen aus normalen Einheiten. Die Folterer von Abu Ghraib und Bagram waren Militärpolizisten, Sanitäter und Logistiker. Mahmudiyya und Haditha verübten gewöhnliche Grunts. Die Beispiele sind Legion und bestimmt auch damit zu erklären, dass die charakterlichen Anforderungen bei normalen Einheiten geringer sind als bei den speziellen, ebenso der Umfang der psychologischen Betreuung.
@Georg
Sie schrieben „[…] weil deutsche Spezialkräfte […] gesuchte Personen festnehmen und nicht erschießen wollen.“
– Wobei der Vollständigkeit halber bemerkt sei, dass gezielte Tötungen feindlicher Kombattanten legitim sein können. Ein, sagen wir, Taliban-Bombenbauer in seinem Compound unterscheidet sich darin nicht notwendigerweise z.B. von einem Offizier im Gefechtsstand.
@muck
Angesichts der zurückliegenden Ereignisse und der gerade stattfindenden Maßnahmen im Bezug auf das KSK wäre ich vorsichtiger mit der Einschätzung bezüglich höherer charakterlicher Anforderung und höherer Resilienz der Speziellen.
Irgendwie kann ich diese Einschätzung nicht mit den letzten Nachrichten vereinbaren.
Die Abwärtsspirale liegt nicht in der Natur der Spezialkräfte, sie liegt allgemein in der Natur des Menschen. Die Psychologie zeigt in beeindruckender Weise, wie diese Mechanismen funktionieren, und die Geschichte leider auch.
Was hier jetzt offiziell bestätigt wurde liegt ja sogar noch im Mittelfeld…
Die Liste an Kriegsverbrechen ist ja elend lang. Das geht bei dem sauberen Luft- und Drohnenkrieg los, geht über tote Ladendiebe, Entführungen gen Guantanamo Bay, solche Vorfälle wie jetzt die Liste aus Australien, Videos wie „collateral murder“, „Driving in Iraq“, „Leaked Blackwater Iraq Videos“ und „The Blackwater Shooting (2007)“ hin zu Schiffscontainern voller Einschusslöcher und Leichen.
Im Gedächnis blieb mir da die Zusammenarbeit zwischen lokalen Soldaten und Spezialeinheiten, die dann für kleinste Vergehen, teils für Ordnungswidrigkeiten tödliche Gewalt anwanden.
Vor 3 Jahren fand ich auch diesen Artikel, der wirklich eine kollosale Länge hat und extrem ins Detail geht, sehr interessant:
https://theintercept.com/2017/01/10/the-crimes-of-seal-team-6/
Es ist nur echt ein wenig viel um das länger zu behalten.
@ muck
Ich präzisiere meine obige Aussage: Das KSK war bei der US-Führung nicht so beliebt, weil die politischen Entscheider in Berlin die gesuchte Terroristen (Al-Kaida) oder Aufständische festnehemen lassen wollte und nicht liquidieren.
Wir reden hier nicht über Kombatanten auf dem Gefechtsfeld. Es galt damals Listen mit von den Amerikanern gesuchten Männern abzuarbeiten und zwar wie tradionell bei den Amerikanern üblich „tod oder lebendig“ den Job zu erledigen.
Da sieht man mal wie wichtig Innere Führung und politische Bildung im westlichen Wertesystem sind. Oder gibt es bereits ein europäisches, dass sich vom anglo-amerikanischen stark unterscheidet? Mit Blick auf die USA und nun diesen unglaublichen Vorfall im Australien glaube ich es.
Es läuft am Ende immer wieder auf das Selbe hinaus, egal ob KSK, Aussies, Abu Ghraib, My Lai oder anderswo: Führung, oder das Fehlen derselben.
Es ist egal, ob die Vorgesetzten unfähig waren, desinteressiert, weggeschaut haben, im Stillen befürwortet oder ihre Untergebenen offen ermutigt haben: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Das Ergebnisse ist immer das, was man später zu sehen bekommt: Regelverstöße, Gesetzesbrüche, Kriegsverbrechen. Immer. Die Unterschiede sind graduell, nicht prinzipiell. Egal ob KSK oder SAS.
Ein Grund mehr, alle Vorkommnisse beim KSK genau aufzuklären und jeden Verantwortlichen in der Befehlskette zur Verantwortung zu ziehen, unabhängig von Rang und Position, und fürderhin die Dienstaufsicht penibel wahrzunehmen.