Merkposten: Die härtesten deutschen Worte im Fall Nawalny von der Verteidigungsministerin

Die nunmehr von deutschen Behörden bestätigte Vergiftung des russischen Kreml-Kritikers Alexei Nawalny ist bislang ein Thema der Außen-, nicht der Sicherheitspolitik. Deshalb lässt aufhorchen, wie sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer dazu äußert: mit den bislang härtesten Aussagen aus der Bundesregierung.

Nachdem am (gestrigen) Mittwoch die Bundesregierung offiziell bekannt gab, nach den Untersuchungen des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München sei Nawalny zweifelsfrei mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden, begann die politische Debatte über die Konsequenzen in Deutschland und in der EU. Und eben auch mit den Aussagen der Verteidigungsministerin am (heutigen) Donnerstag in der Rheinischen Post*:

„Der Fall Nawalny passt zu dem Verhalten, das wir von Putin und seinem Regime kennen. Wir erhalten immer wieder Nachrichten, dass Russland gezielt den Luftraum der baltischen Staaten verletzt. Schweden berichtet über russische U-Boote nahe schwedischer Inseln. Wir kennen das gewaltsame Vorgehen Russlands in der Ukraine.“ (…)
„Ich bleibe bei meiner Haltung: Wir wollen gute Beziehungen zu den russischen Menschen, aber wir müssen das System Putin als das betrachten, was es ist – ein aggressives Regime, dass seine Interessen ohne Skrupel auch mit Mitteln der Gewalt durchzusetzen versucht und die internationalen Verhaltensregeln immer wieder verletzt.“
„Die Vergiftung von Alexei Nawalny ist der Beweis, dass in Russland gegen Menschen, die für ihre demokratischen Rechte eintreten und den amtierenden Präsidenten kritisieren, chemische Kampfstoffe eingesetzt werden, und zwar Stoffe, die weltweit geächtet sind.“ Das Regime Putin stelle sich damit „auf die gleiche Stufe mit denen, die etwa in Syrien in der Vergangenheit mit chemischen Kampfstoffen gegen die eigene Zivilbevölkerung vorgegangen sind“.

Damit ging Kramp-Karrenbauer über die zwar auch deutlichen, aber weit weniger harschen Aussagen zum Beispiel von Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch hinaus:

Meine Damen und Herren, ich habe mich heute Mittag mit dem Bundesfinanzminister und Vizekanzler, dem Außenminister, der Verteidigungsministerin, dem Innenminister, der Justizministerin und dem Chef des Bundeskanzleramts über neue Erkenntnisse im Fall Alexej Nawalny informieren lassen, und wir haben darüber beraten, wie wir mit diesen Erkenntnissen umgehen. Wir haben Sie darüber am Nachmittag ja schon schriftlich informiert. Es sind bestürzende Informationen über den versuchten Giftmord an einem der führenden Oppositionellen Russlands. Daher ist es mir wichtig, dazu auch noch einmal vor Ihnen Stellung zu nehmen.
Herr Nawalny ist seit dem 22. August hier in Berlin in Behandlung. Aus humanitären Gründen und auf Wunsch seiner Familie haben wir seine Verlegung nach Deutschland ermöglicht.
Die Charité hat spezialisierte Toxikologen der Bundeswehr mit der Untersuchung verschiedener Proben von Herrn Nawalny beauftragt. Nun hat das Speziallabor der Bundeswehr einen klaren Befund geliefert: Alexej Nawalny wurde Opfer eines Angriffs mit einem chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe. Dieses Gift lässt sich zweifelsfrei in den Proben nachweisen.
Damit ist sicher: Alexej Nawalny ist Opfer eines Verbrechens. Er sollte zum Schweigen gebracht werden. Ich verurteile das auch im Namen der ganzen Bundesregierung auf das Allerschärfste.
Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, Alexej Nawalny und auch seiner Familie, die Schweres durchmacht, mein Mitgefühl auszusprechen. Ich hoffe und wünsche ihm, dass er von diesem Anschlag genesen kann.
Ich habe vorhin auch den Herrn Bundespräsidenten angerufen und mit ihm über diese neue Entwicklung im Fall Nawalny gesprochen. Die Bundesregierung hat darüber hinaus die Fraktionen im Deutschen Bundestag unterrichtet. Mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW, in Den Haag wird die Bundesregierung Kontakt aufnehmen.
Der russische Botschafter wurde am Nachmittag im Auswärtigen Amt über die Untersuchungsergebnisse unterrichtet. Wir erwarten, dass sich die russische Regierung zu diesem Vorgang erklärt. Es stellen sich jetzt sehr schwerwiegende Fragen, die nur die russische Regierung beantworten kann und beantworten muss. Das Schicksal Alexej Nawalnys hat weltweite Aufmerksamkeit erlangt. Die Welt wird auf Antworten warten.
Wir unterrichten unsere Partner in der EU und in der NATO über die Untersuchungsergebnisse. Wir werden gemeinsam beraten und im Lichte der russischen Einlassungen über eine angemessene gemeinsame Reaktion entscheiden. Das Verbrechen an Alexej Nawalny richtet sich gegen die Grundwerte und Grundrechte, für die wir eintreten.

Das Überraschende an den darüber hinaus gehenden Äußerungen Kramp-Karrenbauers ist vor allem, dass sie von der Verteidigungsministerin kommen – und nicht vom Außenminister, in dessen Zuständigkeit das eigentlich fiele. Die interessante Frage ist, ob die Bundesregierung mit diesen Aussagen von der Spitze des Wehrressorts die Debatte und die absehbare Konfrontation mit Russland damit auch bewusst in einen anderen Bereich schiebt. Die Erwähnung des Baltikums und der Ukraine heben das ja auf eine neue Ebene.

Vorsorglich der Hinweis: Das hier ist ein Blog zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und die Debatte über dieses Thema sollte sich auch auf diese Aspekte beschränken, weil es sonst schlicht den Rahmen hier sprengt.

*Deutsche Verlangswebseiten werden hier i.d.R. nicht verlinkt; bei dem verlinkten Text handelt es sich aber nicht um die redaktionelle Darstellung, sondern um eine Pressemitteilung der Rheinischen Post; deshalb auch das längere Zitat.

(Foto: Kramp-Karrenbauer am 2. September 2020 bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Heiko Maas zum Fall Nawalny im Auswärtigen Amt – Felix Zahn/photothek.net)