Bundestag gibt weitere Gelder für deutsch-französisches Kampfflugzeugprojekt frei – und stellt Bedingungen

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat weitere Mittel für die Entwicklung des deutsch-französischen (und künftig um eine spanische Beteiligung erweiterten) Kampfflugzeugprojekts Future Combat Air System (FCAS) freigegeben. Zugleich banden die Abgeordneten die Entwicklung dieses Systems in einem gesonderten Beschluss an die parallele Entwicklung des ebenfalls deutsch-französischen Bodenkampfsystems (Main Ground Combat System, MGCS).

Die Freigabe von 77,5 Millionen Euro deutschem Anteil an der FCAS-Entwicklung durch den Ausschuss am (heutigen) Mittwoch ist bereits der zweite parlamentarische Schritt: Bereits im Juni vergangenen Jahres hatten die Abgeordneten Ausgaben für eine Konzeptstudie gebilligt, mit der das Next Generation Weapons System (NGWS), ein Kampfflugzeug der sechsten Generation als Teil des Gesamtsystems, untersucht werden sollte. Bereits im damaligen Beschluss hatte der Haushaltsausschuss die Bundesregierung aufgefordert, auf ein mögliches französisches Übergewicht in dem Luftfahrtprojekt zu achten.

Die am Mittwoch freigegebenen Gelder sollen vor allem der Vorbereitung von so genannten Technologiedemonstratoren dienen. In dieser so genanten Phase I A des Projekts geht es unter anderem um die Definition des:

• Grundsätzlichen Designs (Strategie der Demonstration, Zertifizierung, Design des Datenmanagements)
• Design der Luftfahrzeuge (Systemarchitekturen, Flugphysikalische Grundlagen, Waffenintegration, Demonstrationskonfigurationen)
• Systeme (Antrieb, Sensorik und deren Integration)
• Definition Simulationsumgebung, Integration & Test-Strategien,
Programmkonsistenz
• Erste Pakete der Technologiereifmachung (u.a. Signaturreduzierung
auch bei Überschall)
•  Strategie zur Produktion.

Diese Aufgaben sind auf zunächst fünf Technologiebereiche aufgeteilt, die jeweils von französischen und deutschen Unternehmen in Angriff genommen werden sollen:

1. „Flugzeug“ mit einem französischen Auftragnehmer (Dassault) und einem deutschen Hauptunterauftragnehmer (Airbus Defence&Space GmbH – ADS).
2. „Triebwerk“ mit einem französischen Auftragnehmer (SAFRAN) und einem deutschen Hauptunterauftragnehmer (MTU). Für die weiteren Phasen soll ein Joint Venture zwischen den beiden Partnern gegründet werden.
3. „UnbemannteKomponenten“ mit einem deutschen Auftragnehmer (ADS) und einem französischen Hauptunterauftragnehmer (MBDA Frankreich).
4. „SystemischerAufbau“ mit einem deutschen Vertragsnehmer (ADS) und
einem französischen Hauptunterauftragnehmer (Thales).
5. „Programmkonsistenz“ mit zwei deutschen Auftragnehmern (ADS, MTU) und zwei französischen Auftragnehmern (MBDA FRANKREICH) in einer gemeinsamen Vertragsnahme.

Frankreich hatte sich offensichtlich eine weitergehende finanzielle Verpflichtung Deutschlands auch bereits für folgende Schritte erhofft; angesichts des deutlich höheren finanziellen Volumens blieb es aber zunächst bei den jetzt freigegebenen Summen.

Auf Antrag der Koalitionsfraktionen verabschiedete der Haushaltsauschuss zudem einen so genannten Maßgabebeschluss mit Forderungen an die Bundesregierung. Und darin geht es nicht nur darum, dass die beiden Projekte FCAS und MGCS aus Parlamentariersicht im Gleichklang ablaufen müssten – sondern auch um Zugang weiterer deutscher Firmen zu den von Airbus gehaltenen Aufträgen.

Der Beschluss im Wortlaut:

Der Haushaltsausschuss stellt fest:
Die Projekte „Future Combat Air System“ (FCAS) und „Main Ground Combat System“ (MGCS) werden vom Haushaltsausschuss in einem Zusammenhang betrachtet. Der Grundgedanke dabei ist eine zeitliche Parallelität in der Entwicklung beider Projekte. Diese ist aktuell gefährdet.
Der Haushaltsausschuss fordert daher die Bundesregierung auf,
1. in den Sitzungen des Haushalts- und Verteidigungsausschusses am 04. März 2020 über den Sachstand zum Projekt MGCS, insbesondere über die Konsolidierung der deutschen Landsystemindustrie, zu berichten,
2. eine ressortübergreifende industriepolitische Steuerung der Projekte „Future Combat Air System“ (FCAS) und „Main Ground Combat System“ (MGCS) zu etablieren,
3. ein Reportingsystem zu etablieren, in dem die Mitglieder des Haushalts- und Verteidigungsausschusses quartalsweise über den Sachstand der Entwicklungen beider Projekte unterrichtet werden,
4. in beiden Projekten nationale Schlüsseltechnologien zu definieren und Maßnahmen zu ergreifen, um deren (Weiter-)Entwicklung, Herstellung und Verfügbarkeit in und für Deutschland zu gewährleisten. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere auch die Beteiligung von deutschen Unternehmen auf Haupt- wie Unterauftragnehmerebene an nationalen und internationalen Technologie- und Demonstratorvorhaben.
5. für die Erforschung und Entwicklung von Technologien, die das Potential für eine zivile Nutzung bzw. wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn haben, gemeinsame Maßnahmen von BMVg und BMWi bzw. von BMVg und BMBF zu initiieren und bestehende Förderstrukturen, wie zum Beispiel das Luftfahrtforschungsprogramm im BMWi, dafür zu nutzen.
6. den im Jahr 2013 zwischen dem Bund und AIRBUS (ehemals EADS) geschlossenen Vertrag zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf das Projekt FCAS fortzuentwickeln.
7. zu den Punkten 2 bis 6 dem Haushalts- und Verteidigungsausschuss erstmalig zum 17. Juni 2020 über die Erfüllung zu unterrichten.

Daraus klingt schon recht eindeutig die Befürchtung der Koalitionsabgeordneten, dass Frankreich vor allem im FCAS-Projekt dominiert, während das Projekt für das Landkampfsystem – mit deutlich geringerem finanziellen Volumen – in den Hintergrund gerät. Und beim MGCS hat Deutschland faktisch durch seine stärkere Landsystemindustrie die Vorreiterrolle.

Zur Erinnerung, der Sachverhalt ist kompliziert, noch mal die grundlegenden Definitionen aus der Vorlage des Verteidigungsministeriums zur Freigabe der ersten Mittel im vergangenen Jahr, einschließlich der Abgrenzung von Future Combat Air System (FCAS) und Next Generation Weapons System (NGWS):

Die Bundesregierung hat am 13. Juli 2017 mit der Regierung der Französischen Republik die Absicht formuliert, ein zukünftiges Kampfflugzeugsystem NGWS im Gesamtkontext eines FCAS gemeinsam zu entwickeln. Der Französisch-Deutsche Nukleus soll hierbei die Grundlage einer breiten europäischen Kooperation bilden mit dem Ziel, bis zum Beginn einer Außerdienststellung der in Nutzung befindlichen Kampfflugzeugflotten (EF und Rafale) ab dem Jahr 2040 eine Anfangsbefähigung für den Einsatz zu erreichen. (…)
Mit der europäischen Entwicklung und Beschaffung eines NGWS soll das bruchfreie Bereitstellen der derzeit durch den EF abgebildeten Fähigkeiten im Systemverbund FCAS für potentielle Einsätze in einem Bedrohungsspektrum ab dem Jahr 2040 im Einklang mit der Militärischen Luftfahrtstrategie 2016 initiiert werden.
FCAS bezeichnet dabei den Systemverbund luftgestützter bemannter und/oder unbemannter Waffensysteme sowie weiterer (nicht notwendigerweise luftgestützter) Systeme und Sensoren.
Beim NGWS wird es sich um ein sogenanntes „System of Systems“, d.h. einen Systemverbund aus bemannten oder optional bemannten Plattformen (Command Fighter) und unbemannten Komponenten (Remote Carriers, [RC]) handeln, der wiederum in den FCAS Verbund zu integrieren sein wird.

Beim Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner stieß die heutige Freigabe der Mittel für FCAS auf Widerstand – nicht aus grundsätzlicher Ablehnung eines gemeinsamen europäischen Projekts, sondern wegen aus seiner Sicht falschen Regelungen:

Grundlegende programmatische Fragen wie die geistigen Eigentumsrechte und die zukünftige Rolle Spaniens im Programm sind nach wie vor nicht ausreichend geklärt. Diese Fragen sind aber durchaus wichtig, um sicherzustellen, dass das Flugzeug auch innerhalb Deutschlands gewartet und ggf. in ein paar Jahrzehnten auch weiterentwickelt werden kann.

Nachtrag: Das Statement von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Billigung:

(Archivbild Juni 2019: Erweiterung der Vereinbarungen zur Ausweitung des FCAS-Programms auf Spanien bei der Luftfahrtausstellung in Le Bourget; v.l. Eric Trappier (Dassault Aviation); Dirk Hoke (Airbus Defence and Space); die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen; die französische Verteidigungsministerin Florence Parly, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles – Foto Martin Agüera)