Sicherheitshalber, der Podcast, Folge 21: Abschreckung, Vorausschau 2020 – und Buchtipps
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 21 sprechen Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich zuerst über die Rückkehr und die Rolle der militärischen Abschreckung in Europa – und zwar ganz konkret am Beispiel des Beitrags der Bundeswehr zur NATO enhanced Forward Presence (eFP) in Litauen. Als zweites wagen wir eine sicherheitspolitische Vorausschau auf das Jahr 2020 und darüber hinaus.
Es wird eher düster, so viel sei verraten. Abschließend diesmal ausnahmsweise kein Sicherheitshinweis, sondern wie immer vor Weihnachten (also zum zweiten Mal) unsere Buchtipps – diesmal mit vielen Sachbüchern und Romanen in deutscher und englischer Sprache zum Lesen und Verschenken in den kommenden Tagen.
Sicherheitshalber kommt 2020 zurück – und zwar LIVE, am 23. Januar in der Urania in Berlin! Am besten gleich jetzt hier ganz fix (das womöglich letzte) Ticket sichern: https://www.urania.de/sicherheitshalber-der-podcast-zur-sicherheitspolitischen-lage
Bis dahin wünschen Rike, Frank, Carlo und ich allen Hörerinnen und Hörern schöne Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr.
Unser Shop: https://shop.spreadshirt.de/sicherheitshalbershop/
Thema #1 – Abschreckung: 02:31
Thema #2 – Vorausschau 2020+: 45:15
Buchtipps: 1:15:05
Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Thema 1 – Konventionelle Abschreckung in Europa (am Beispiel Baltikum)
Abschlusserklärung des NATO-Gipfels in Warschau, 9. Juli 2016
https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_133169.htm
Punkt 40: “We have decided to establish an enhanced forward presence in Estonia, Latvia, Lithuania and Poland to unambiguously demonstrate, as part of our overall posture, Allies‘ solidarity, determination, and ability to act by triggering an immediate Allied response to any aggression.”
Augen geradeaus!, 7. Februar 2017: Offizieller Start für erste NATO-Battlegroup im Nordosten
https://augengeradeaus.net/2017/02/offizieller-start-fuer-erste-nato-battlegroup-im-nordosten/
Bundesverteidigungsministerium: Baltikum, 2019,
https://www.bmvg.de/de/themen/friedenssicherung/einsaetze-und-engagement-der-bundeswehr/baltikum
Richard K. Betts: Conventional Deterrence. Predictive Uncertainty and Policy Confidence. In World Politics 37 (2), 1985, S. 153-179.
Bernard Brodie (Hrsg.): The Absolute Weapon. Atomic Power and World Order. Harcourt, Brace & Co, 1946.
Lawrence Freedman: Deterrence. Polity, 2004.
Frank Sauer: Atomic Anxiety: Deterrence, Taboo and the Non-Use of U.S. Nuclear Weapons. Palgrave Macmillan, 2015.
Richard Shirreff: War With Russia: A Menacing Account. Hodder&Stoughton, London 2016
Thema 2 – Vorausschau 2020+
Julian Borger: Trump re-election could sound death knell for Nato, allies fear. The Guardian, December 3, 2019,
https://www.theguardian.com/world/2019/dec/02/nato-donald-trump-second-term
Jonathan V Last: Trump is forever: The four reasons why Republicans won’t turn on Trump, no matter what. The Bulwark, December 17, 2019,
https://thebulwark.com/trump-is-forever/
Georg Mascolo: Bundesregierung will „Open Skies“-Abkommen retten. Süddeutsche Zeitung, 5. November 2019,
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-entspannungspolitik-open-skies-1.4668965
Ankit Panda: Putin: Russia Ready to Extend New START With US ‘Without Any Preconditions’. The Diplomat, December 06, 2019,
https://thediplomat.com/2019/12/putin-russia-ready-to-extend-new-start-with-us-without-any-preconditions/
Alicia Sanders-Zakre: NPT Meeting Looks to 2020 Review Conference. Arms Control Association, June 2019,
https://www.armscontrol.org/act/2019-06/news/npt-meeting-looks-2020-review-conference
Buchtipps:
Rike:
- Sarah Brockmeier und Philipp Rotmann: Krieg vor der Haustür. Die Gewalt in Europas Nachbarschaft und was wir dagegen tun können
Dietz Verlag 2019 - Kathleen McInnes, The Heart of war: Misadventures in the Pentagon, 2018, Post Hill Press
Frank:
- Marc-Uwe Kling: QualityLand, 384 Seiten, Verlag: Ullstein Hardcover; Auflage: 7. (22. September 2017)
- Stuart Russell: Human Compatible: Artificial Intelligence and the Problem of Control, 352 Seiten, Verlag: Viking (8. Oktober 2019)
Carlo:
- Joshua R. Itzkowitz Shifrinson: Rising Titans, Falling Giants: How Great Powers Exploit Power Shifts (Cornell Studies in Security Affairs) 2019
- Marlon James: Schwarzer Leopard, roter Wolf. Übers. Stephan Kleiner. Heyne, München 2019
Thomas:
- Peter W. Singer, August Cole: Ghost Fleet – A Novel of the Next World War (auf Deutsch offensichtlich nicht verfügbar), 2015 (Spoiler Alert: Der Wikipedia-Eintrag dazu: https://en.wikipedia.org/wiki/Ghost_Fleet_(novel) )
- Heiner Möllers: Die Affäre Kießling – Der größte Skandal der Bundeswehr; Ch. Links Verlag, Berlin 2019
Ich glaube es muss im Text Vorschau 2020+ heißen.
Frohe Festtage.
[Hm, meinen Sie statt Vorausschau? Sonst verstehe ich das nicht… Danke, ebenso! T.W.]
Gemeint ist glaube ich, dass in Ihrer Beschreibung „Vorausschau 2010 +“ anstatt 2020+ steht.
Ansonsten vielen Dank für eine interessante und gute Folge Sicherheitshalber.
Ich wünsche schöne und ruhige Festtage und einen guten Start ins neue Jahr!
[Ups, jetzt auch gesehen, verstanden und korrigiert. Danke und sorry! Danke für die Blumen, und ebenso! T.W.]
Ach…gottchen. Ich hab jetzt nur mal kurz reingehört. Musste Carlo die ganze Sendung über in einem Eimer sitzen?
Erwartung eines Patrioten in DEU:
– Trump wird wiedergewählt, ob das mancher in DEU mag oder nicht.
– DEU wird sich kaum aufraffen, um Bundeswehr, Haushalt (mifri) und Prioritäten so zu sortieren, dass neues Vertrauen in EU entsteht (in FRA und anderswo?)
– Im Effekt: wir schleppen uns in die nächste Krise und sind weniger vorbereitet, denn je (besonders: Euro, Migranten, EU-Zusammenhalt mit V4 etc.)
Fazit: DEU wird wieder „überrascht“ – und Zar Wladimir darf sich wieder bestätigt fühlen. Folgen sind klar (!), aber werden in DEU ausgeblendet, bis es passiert.
Thema 1
Die Aussage „Abschreckung sei wieder Standardvokabel“ geworden zweifle ich hinsichtlich ihrer Allgemeingültigkeit an. Auf SiPo-Fachkreise, bzw. die interessierte Öffentlichkeit trifft dies zweifelsohne zu. Wobei ich hierzu ergänzend frage, ob diese Gewissheit jemals gänzlich abwesend war? Zuzeiten eines Jelzin und des offensichtlichen Niedergangs Russlands lag dieser Gedanke verführerisch auf der Hand. Dennoch bestand auch in den 90ern eine imposante russische Nuklearmacht, die eigentlich in unsicheren Zeiten mehr denn je Besorgnis erregend war. Die mögliche Annahme, in der breiten Öffentlichkeit gehöre Abschreckung zum aktiven Wortschatz betrachte ich höchst skeptisch. Allenfalls schreckt eine Folgebetrachtung von Abschreckung den heutigen Deutschen per se nachhaltig ab. Eine sicherheitspolitische „Erziehung“, die solche Beiträge leisten könnte, findet nicht statt. Nicht nur weil kein grundlegendes sicherheitspolitisches Selbstverständnis existiert. Vielmehr hat sich die gesellschaftliche Realität dahingehend manifestiert, dass Machtpolitik außerhalb tradierter Denkschemata angesiedelt ist.
Wenn eFP eine „russische Verhaltensänderung“ zum Ziel hat, muss die Beantwortung der Frage gefordert sein, welches Verhalten soll mit welcher Zielsetzung ge/verändert werden? Da hierbei die Lage Krim/Donbas ursächlich beurteilt sein dürfte kann festgestellt werden, das seinerzeitige Agieren Moskaus war offensichtlich ein einmaliger Vorgang, da weitere Interessengebiete in Georgien und Moldawien nicht attackiert wurden.
Nichtsdestotrotz bleibt eFP unverzichtbar, unbestreitbar jedenfalls aus baltischer und polnischer Sicht.
Zum Stichwort „flexible response“ muss auf den Harmel-Bericht als Grundlage der damaligen neuen NATO-Strategie hingewiesen werden, der 1967 seinen Niederschlag in der flexible response fand. Überraschenderweise findet sich das bei Harmel inne wohnende Angebot dauerhafter Beziehungen über Verhandlungen, seit Trump eher in Moskau dann in Washington; auf Putins Vorschlag neuer INF-Gespräche war bislang aus Trumps Administration nichts zu hören. Jegliche Verhinderung einer Wiederaufnahme der Systemkonfrontation zwischen Ost und West, ergänzt um China, kann zur Genugtuung aller Beteiligten allein verhandlungsweise erreicht werden.