Dokumentation: Grundsatzrede der Verteidigungsministerin (m. Audio)

Knapp vier Monate nach Amtsantritt hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre grundsätzlichen sicherheitspolitischen Vorstellungen in einer Rede an der Bundeswehr-Universität München erläutert. Zur schnellen Dokumentation hier der Redetext – in der vorab veröffentlichten Fassung, an die sich die Ministerin weitgehend gehalten hat.

An einem Punkt ist Kramp-Karrenbauer deutlich über den vorbereiteten Text hinausgegangen: Die von ihr angestrebte deutsche Streckung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO – 1,5 Prozent bis 2024, zwei Prozent dann bis 2031 – begründete sie, und das scheint mir neu, mit dem NATO-Planungsprozess. Die von Deutschland zugesagten Beiträge zur Allianz und auch das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr seien auf das Jahr 2031 ausgerichtet – und dann sei es auch sinnvoll, die finanzielle Steigerung daran auszurichten.

Zur Dokumentation der Audio-Mitschnitt der Rede (der veröffentlichte Redetext darunter):

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Ich freue mich sehr,
dass ich heute hier bei Ihnen bin.
Mein erster Besuch hier an der Universität der Bundeswehr München –
deren guter Ruf ihr vorauseilt,
nicht nur, was die Forschungsleistungen im Bereich Cyber Defense betrifft.

Ich sehe hier den Führungsnachwuchs unserer Bundeswehr.
Hier an der Universität lernen Sie nicht nur akademisches Handwerk,
werden Sie nicht nur mit Wissen und Ideen vertraut gemacht.
Sondern Sie lernen, über den Tellerrand hinauszuschauen.
Sie erhalten hier die bestmögliche wissenschaftliche Ausbildung.
Und daraus erwächst Ihre Verpflichtung, etwas zurückzugeben.
Sie sind diejenigen, die unserem Land dienen,
Sie sind diejenigen, die die Werte unseres Grundgesetzes leben und für Sicherheit und Freiheit einstehen,
Sie sind diejenigen, die Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen.
Dafür danke ich Ihnen ausdrücklich.
Und ich ermuntere Sie, diese Rolle anzunehmen.
Nicht nur Vorgegebenes auszuführen, sondern wirklich zu führen –
und so die Zukunft zu formen.

Das gilt gerade in Zeiten des Umbruchs. Der Ungewissheit.
Wenn man merkt, es ändert sich etwas, aber das Neue hat noch keine Gestalt erhalten.
Dieser Eindruck entsteht derzeit beim Blick auf die internationale Lage und beim Nachdenken über Deutschlands Rolle in der Welt.
Einer Welt, wie inzwischen viele sagen, die aus den Fugen geraten ist.
Sie alle kennen die Entwicklungen, die unsere Sicherheitspolitik fordern:
 Die russische Aggression in der Ukraine und insbesondere die völkerrechtswidrige Annexion der Krim; die weltumspannenden Netzwerke des islamistischen Terrorismus; der machtpolitische Aufstieg Chinas, der mit einem Herrschaftsanspruch einhergeht – inzwischen nicht mehr nur in seiner unmittelbaren Nachbarschaft.

Wir erleben derzeit eine Rückkehr der Konkurrenz großer Mächte um Einflusssphären und Vorherrschaft.
Wir erleben autoritäre Herausforderungen gegenüber unseren offenen Gesellschaften.
Wir erleben, wie Staaten die seit Jahrzehnten etablierten Regeln internationaler Ordnung unterlaufen – sei es bei der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen oder beim internationalen Handel.
Und wir erleben das unter den Bedingungen tiefgreifender Veränderung –
Klimawandel, Demographie und Digitalisierung sind die Stichworte.
Das sind neue Bedingungen, die aber verkoppelt sind mit traditionellen sicherheitspolitischen Fragen.
Um beim Beispiel Cyber zu bleiben:
Der Cyber-Raum ist zunächst einmal keine physische Dimension und kennt in sich keine geographischen Grenzen.
Aber er ist doch ein menschengemachter Raum, in dem vielfältige politische, ökonomische, gesellschaftliche Interessen miteinander konkurrieren, auch staatliche.

Und er ist auch nicht rein virtuell.
Irgendwo stehen die Router und Rechenzentren,
verlaufen die Datenleitungen, kreisen die Satelliten,
die den Cyber-Raum ermöglichen.
Irgendjemand baut die Hardware und programmiert die Software,
verkauft die Anwendungen.
Und all das verschafft Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gestaltung des Cyberraums,
verschafft Macht und Einfluss, nicht nur auf die digitale Welt.
Daraus ergeben sich Aufgaben für unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik –
wo wüsste man das besser als hier, an dem Standort schlechthin für die deutsche Forschung zur Cyberverteidigung.
Und wie es sich für eine Universität geziemt, könnte ich diese vielfältigen neuen Herausforderungen noch detailliert ausbreiten und tief analysieren.
Ich will mich aber heute gerade nicht in Beschreibung ergehen, sondern ich will überlegen, was die Entwicklung der sicherheitspolitischen Lage insgesamt für uns bedeutet und was wir tun können.

Präsident Obama hat oft zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt: „Don’t admire the problem. Tell me about solutions.“
Nicht das Problem bewundern, sondern Lösungen anbieten.
Das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger von Politik erwarten.
Und das ist es auch, was unsere Bundeswehr von ihrer politischen Führung erwarten darf.
Nun herrscht kein Mangel an klugen Analysen und Strategiepapieren.
Im Gegenteil, es besteht breite Übereinstimmung, dass Deutschland angesichts der strategischen Herausforderungen aktiver werden muss.
Dass wir, um unsere Werte und Interessen zu schützen, mehr tun müssen.
Das gilt besonders für eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die eine dienende Funktion hat, indem sie die Voraussetzung für Entwicklung, Wohlstand und Freiheit schafft.

Vor allem bei der Lösung von Konflikten sollte sich Deutschland, wie der damalige Bundespräsident Gauck gesagt hat, „früher, entschiedener und substantieller einbringen.“
Das war auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014, wo sich der damalige Außenminister Steinmeier und die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen ganz ähnlich äußerten.
Und dieser parteiübergreifende sogenannte Münchner Konsens prägt auch das Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr aus dem Jahr 2016.
Das alles bleibt nach wie vor gültig und richtig.
Ein Land unserer Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen,
das kann nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen.
Nicht einfach nur abwarten,
ob andere handeln, und dann mehr oder weniger entschlossen mittun.
Wir müssen selbst Vorschläge machen, Ideen entwickeln, Optionen vorstellen.

Wir Deutschen haben eine Pflicht und vor allem ein Interesse, uns in diese internationalen Debatten einzubringen, sie voranzutreiben.
Daran mitzuwirken, die internationale Ordnung zu schützen und sinnvoll weiterzuentwickeln.
Denn wir sind es doch, die wie kaum ein anderer von der liberalen Ordnung profitieren, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut und ausgeweitet wurde.
Wir sind die Handelsnation, die von internationaler Verlässlichkeit lebt.
Wir sind neben China führend in der internationalen Containerschifffahrt – und auf freie und friedliche Seewege angewiesen.
Und wir sind in der Mitte eines Europas, das von sicheren Grenzen und gleichzeitig kraftvollem Miteinander lebt –
nicht nur in der Wirtschaft,
sondern auch in Wissenschaft und Kultur, unserem gesellschaftlichen Leben.
Das gibt es nicht zum Nulltarif.
Lange haben andere den Großteil der dafür erforderlichen Energie aufgebracht, allen voran die USA.

Derzeit schwinden dort aber der Wille und die Kraft,
überproportionale Beiträge zu leisten.
Und deswegen sind wir für die Zukunft gefordert,
wie andere auch, die für eine verlässliche und freiheitliche Ordnung einstehen.
Ja: Deutschland leistet schon markante Beiträge. Auch im Feld der Sicherheit und Verteidigung.
Wir sind zum Beispiel der zweitgrößte Truppensteller bei der Mission in Afghanistan –
und auch in der NATO insgesamt.
Wir haben als einzige kontinentaleuropäische Nation eine Führungsrolle bei der Enhanced Forward Presence zum Schutz Osteuropas.
Wir unterstützen Partnerstaaten wie Mali und Irak bei der Ausbildung eigener Sicherheitskräfte –
als Bollwerke gegen den internationalen Terrorismus.
Trotzdem wird unsere Rolle immer wieder in Frage gestellt, werden immer wieder Zweifel laut.

Wenn diese Zweifel geäußert werden, liegt das sicher nicht allein daran, dass wir zu wenige Ergebnisse greifen können.
Denn wir sehen ja Fortschritte,
etwa mit Blick auf den sogenannten Islamischen Staat, der sein Territorium räumen musste –
auch dank unserer Beiträge, mit denen wir die Peschmerga unterstützten.
Aber wir wissen auch um die tragische Natur der internationalen Sicherheitspolitik:
Es wird immer Krisen geben, und wir werden nicht jede Bedrohung ausschalten, jedes zerrissene Land befrieden können.
Wir schätzen unsere Möglichkeiten realistisch ein und müssen es auch tun.
Worin liegen die Zweifel also begründet? Ich vermute ich in etwas anderem.
Unsere Absichtserklärungen und strategischen Konzepte stimmen nicht immer und nicht vollständig mit unserem tatsächlichen Handeln überein.
Wir Deutschen sind oft besser darin, hohe Ansprüche, auch moralisch hohe Ansprüche zu formulieren,
an uns und an andere,
als selbst konkrete Maßnahmen vorzuschlagen und umzusetzen.

Das gilt insbesondere für unsere militärischen Beiträge,
geht aber darüber hinaus.
Meine Damen und Herren,
viele in Deutschland haben erkannt, dass wir mehr Verantwortung übernehmen müssen – das war die Botschaft des Münchner Konsens und des Weißbuchs der Bundesregierung.
In dieser Erkenntnis steckt aber ein Versprechen, das wir noch nicht vollständig eingelöst haben.
Weil wir spüren, wie schwierig es ist, die richtigen Ideen in Taten zu übersetzen.
Wir sprechen von unserer „Kultur der Zurückhaltung“, verweisen auf alle möglichen Rücksichtnahmen und Zwänge.
Dabei haben wir allen Grund, mutiger zu handeln.
Nicht nur, weil die strategische Lage ernster wird.
Sondern auch, weil unser Deutschland fest in seiner demokratischen und rechtsstaatlichen Tradition steht – tief verwurzelt im transatlantischen Bündnis und in der Europäischen Union.
Es ist an der Zeit, dass wir daraus die Kraft und das Selbstvertrauen schöpfen, gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten die Welt und unsere Zukunft stärker zu gestalten.
Wenn wir den Mut haben,
diese Rolle der Gestaltungsmacht anzunehmen, wird das ein Gewinn für uns alle sein –
in Deutschland und darüber hinaus.
Den Aufruf dazu höre ich aus allen Richtungen.
Etwa wenn ich auf viele Titel von Büchern schaue, die Fachleute zur deutschen Sicherheitspolitik in den vergangenen Monaten veröffentlicht haben.
Oder bei meinen Reisen als Verteidigungsministerin.
Ob es nun Termine in Brüssel oder Washington sind,
oder Einsatzreisen in Mali oder Litauen – überall werde ich gefragt:
„Könnt ihr Deutschen bitte noch mehr tun?“

Und: „Bleibt ihr wirklich verlässlich oder zieht ihr euch bald wieder ins Schneckenhaus zurück?“
Das ist einerseits schön, weil es zeigt, wie anerkannt und wertvoll unsere Beiträge sind.
Andererseits verdeutlicht es mir, dass wir von der Lösung der Probleme noch weit entfernt sind.
Aber was heißt nun „mehr tun“? „Mehr Verantwortung übernehmen“?
Es heißt zunächst einmal, dass Deutschland zu allen Fragen, die seine strategischen Interessen betreffen, eine Haltung entwickeln muss.
Denn natürlich hat Deutschland wie jeder Staat der Welt eigene strategische Interessen.
Zum Beispiel als global vernetzte Handelsnation im Herzen Europas.
Wir vertreten jeden Tag unsere Interessen. Aber wir müssen endlich anfangen, das zuzugeben.

Deshalb müssen wir aber auch etwas tun und Initiative ergreifen,
damit aus Haltung und Interesse Wirklichkeit werden kann.
Dazu gehört es auch, unseren gegenwärtigen sicherheitspolitischen Status quo zu hinterfragen.
So liegt z.B. zum Beispiel die Bekämpfung des Terrorismus in der Sahelregion vor allem in den Händen unserer französischen Freunde – obwohl wir in Deutschland gleichermaßen vom Terror und seinen Folgen bedroht sind.
Und obwohl unsere Verbündeten Ziele verfolgen,
für die auch die Bundesregierung steht.
Ich bin aber überzeugt davon, dass wir in Europa gemeinsam von Sicherheit und Stabilität profitieren und deswegen auch die Lasten gemeinsam tragen müssen.
Die materiellen und die moralischen Lasten – wie es Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble vorige Woche in seinem Adenauer-Vortrag ausgedrückt hat.
Dazu gehört letztendlich auch die Bereitschaft, gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern das Spektrum

militärischer Mittel wenn nötig auszuschöpfen. So, wie wir es in Afghanistan schon bei der Bekämpfung des Terrorismus gezeigt haben.
Ich weiß genau, wie viele unserer Soldaten beim ISAF-Einsatz getötet und verletzt worden sind.
Und gerade weil ich es weiß, ist mir die Bedeutung des Einsatzes unserer Partner und Verbündeten umso bewusster und wertvoller.
Wir sollten ihn nie als Selbstverständlichkeit annehmen sondern als Teil gelebter Solidarität.
Und Solidarität ist nie und darf nie eine Einbahnstraße sein.
Oder ein anderes Beispiel:
Unsere Partner im Indo-Pazifischen Raum – allen voran Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien –
fühlen sich von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt.
Sie wünschen sich ein klares Zeichen der Solidarität.
Für geltendes internationales Recht, für unversehrtes Territorium,
für freie Schifffahrt.

Es ist an der Zeit,
dass Deutschland auch ein solches Zeichen setzt, indem wir mit unseren Verbündeten Präsenz in der Region zeigen.
Weil wir ein Interesse daran haben,
dass bestehendes Recht respektiert wird. Und weil wir nur dann auf die Solidarität anderer zählen können,
wenn wir selbst solidarisch sind.
Dabei, das ist meine tiefe Überzeugung, hilft uns ein starkes, einiges Europa.
Wir wollen und wir werden die europäische Zusammenarbeit in der Verteidigung verstärken. Das wird einer der
Schwerpunkte unser Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2020 sein. Alle Vorschläge zur Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit zu Sicherheit und Verteidigung stärken dabei den europäischen Arm innerhalb der Nato.
Da haben wir eine Menge vor, gemeinsam mit allen EU-Mitgliedstaaten.
Zum Beispiel wollen wir der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU einen Strategischen Kompass geben. Einen Kompass, der klar die Richtung weist, wohin wir Europäer wollen und wie wir dahin kommen.

Einen Kompass also für eine selbstbewusste Europäische Verteidigungsunion.
Als Europa sind wir stark – wirtschaftlich, politisch und auch militärisch. Wenn wir es denn sein wollen und bestehende Hürden aus dem Weg räumen. Tun wir es nicht, verzwergen wir uns selbst.
Für mich ist klar: Das geht nur mit einem starken deutsch-französischen Tandem.
Dieses Tandem dient der gemeinsamen europäischen Sache,
das ist der Geist des Aachener Vertrages.
Das gemeinsame Ziel,
auch mein Ziel ist ein handlungsfähiges Europa.
Die Fachleute sagen: „A2A, Ability to Act“. Darum geht es, nicht um Autonomie und Abgrenzung.
Deswegen ist die Europäische Verteidigungsunion immer auf die Zusammenarbeit mit der NATO ausgerichtet, die der Anker der Sicherheit Europas bleibt.
Wir wollen Komplementarität, nicht Konkurrenz.

Deswegen bin ich auch dafür, dass wir kreative Wege finden, Großbritannien weiter in die Sicherheit Europas einzubinden.
Brexit hin oder her, die Insel wird nicht davonsegeln. Sie bleibt weiterhin Teil unserer Sicherheitsarchitektur.
Ich schlage deshalb vor, das in der Iranfrage entstandene „E3-Format“ aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland zu verstetigen.
Auf der Ebene der Verteidigungsminister sollte dieses Format fest etabliert werden, mit einem weiteren Treffen noch dieses Jahr.
Gewissermaßen als zusätzliches Scharnier zwischen NATO und EU.
So schaffen wir neue Impulse für unsere gemeinsame Sicherheit, sowohl in der EU als auch in der NATO, für alle Europäer.
Und wo wir beim Begriff des Sicherheitsrats sind:
Die Idee, wir bräuchten auch einen Sicherheitsrat auf nationaler Ebene, ist gewiss nicht neu.

Aber ich finde die Argumente, wie sie jüngst Wolfgang Ischinger vorgebracht hat, sehr bedenkenswert.
Wir sollten den jetzigen Bundessicherheitsrat weiterentwickeln.
Hin zu einem Ort, der die verlässliche Koordination unserer strategischen Instrumente gewährleistet.
Ein Ort, an dem zusammengedacht wird, was zur Schaffung einer auf Humanität beruhenden Ordnung zusammengehört: Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, Innere Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit.
Denn wenn wir unseren umfassenden,
vernetzten Ansatz mit Leben füllen wollen, dann müssen wir das auch an herausgehobener Stelle organisieren.
So ein Nationaler Sicherheitsrat würde unsere Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung schneller und effektiver zur Wirkung bringen.
Und auch durch vorausschauende Themensetzung einen wichtigen Beitrag zu unserer strategischen Kultur leisten.
Und ich will gleich dazusagen: Entscheidungen über Einsätze der Bundeswehr würden natürlich nach wie vor von einem Mandat des Deutschen Bundestags abhängen.
Die öffentliche Beratung unseres Parlaments und sein eindeutiger Beschluss verschaffen den Einsätzen unserer Soldatinnen und Soldaten besondere demokratische Legitimität.
Das ist ein hohes Gut.
Allerdings sehe ich auch, dass die Kommission zur Überprüfung der Beteiligungsrechte des Parlaments in der vergangenen Legislaturperiode einige Gedanken entwickelt hat,
die noch nicht ausreichend zum Tragen gekommen sind.
Ich denke da an die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens der parlamentarischen Meinungsbildung.
Mir ist wichtig, dass die Bundeswehr an völkerrechtlich legitimierten internationalen Operationen teilnehmen kann, ohne dass Verzögerungen und Unsicherheiten über unsere Leistungsbereitschaft entstehen – und zugleich die Rechte des Bundestags gewahrt bleiben.
Wenn klar ist, dass es internationale Missionen sind, ob von der Nato geführt oder von den Vereinten Nationen, könnte das Verfahren im Parlament beschleunigt

werden. Das sollte auch möglich sein, wenn wir mit europäischen Partnern zusammen tätig werden wollen. Eine Bundeswehr ohne Parlamentsvorbehalt kann ich mir aber nicht vorstellen.
Nationaler Sicherheitsrat, Parlamentsbeteiligung, pragmatischere europäische Strukturen –
das sind die Maßnahmen, mit denen wir unsere „A2A“, die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands verbessern können.
Meine Damen und Herren,
beim Thema Handlungsfähigkeit fasse ich mir als Verteidigungsministerin natürlich zuerst an die eigene Nase.
Unsere Bundeswehr ist zwar nur eines von vielen Instrumenten der deutschen Sicherheitspolitik, aber doch ein besonders wichtiges.
Und wir wissen alle, dass unsere Bundeswehr noch Nachholbedarf hat, dass gerade bei der Einsatzbereitschaft von Material und Ausstattung noch manches zu verbessern ist.

Vieles ist da in den vergangenen Jahren geschehen, aber es bleibt noch deutlich Luft nach oben.
Das fängt an bei einer vernünftigen Entwicklung des Verteidigungshaushalts – auf 1,5% des BIP bis 2024 und 2% bis spätestens 2031.
Nicht, weil der amerikanische Präsident – und nicht nur der aktuelle – das fordert.
Sondern weil es in unserem eigenen Sicherheitsinteresse ist.
Das mag manchem nicht schnell genug gehen. Manch anderer hingegen möchte überhaupt nicht so viel Geld für Verteidigung aufwenden.
Ich sage: Wir haben ein kluges Weißbuch der Bundesregierung und ein kluges Fähigkeitsprofil der Bundeswehr.
Da haben wir genau beschrieben, mit welchen Aufgaben unsere Bundeswehr rechnen muss, und was sie dafür braucht.
Das ist gut ausgeplant, und daran halte ich fest. Das habe ich erst gestern bei der Begegnung mit NATO-Generalsekretär

Stoltenberg gesagt und das werde ich auch morgen sagen,
wenn US-Außenminister Pompeo den Bendlerblock besucht.
Meine Damen und Herren,
Mit Blick auf die Bundeswehr sollten wir nicht so tun, als könne unsere Truppe nichts.
Der Eindruck stellt sich bei all den hämischen Kommentaren ja gelegentlich ein.
Meine Erfahrung aus den vielen Besuchen und Gesprächen in den ersten Monaten im Amt ist eine ganz andere.
Die Bundeswehr ist voller tatkräftiger Menschen, die mit Leidenschaft und höchster Einsatzbereitschaft ihren Dienst leisten.
Die auch dann, wenn die Rahmenbedingungen schwierig sind, immer wieder zeigen, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben jederzeit erfüllt.
Es ist die Aufgabe der Politik, diese Rahmenbedingungen zu verbessern.

Damit wir uns effektiver, kreativer und mutiger in die internationale Problemlösung einbringen.
Andere mit unseren Ideen überzeugen und durch unser Tun zum gemeinsamen Handeln inspirieren.
Aber dabei ebenso prinzipienfest wie pragmatisch bleiben.
Für Abenteuer war die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik nie zu haben,
und das bleibt auch so.
Ich bin aber überzeugt davon:
Über unsere Initiativen, die Konsequenzen unseres Handelns,
aber auch unseres Nicht-Handelns müssen wir offener debattieren.
Wir müssen mehr miteinander reden, mehr erklären,
mehr über alternative Handlungsoptionen streiten.
Nicht den oberflächlichen Konsens suchen,
sondern mehr sprechen über deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik,
um mehr tun zu können.

Als zukünftige Führungskräfte unserer Bundeswehr,
wird das auch Ihre Aufgabe sein, meine Damen und Herren.
Lassen Sie uns deshalb heute damit anfangen,
jetzt mit Ihren Fragen und Ideen.
Herzlichen Dank!

(Foto: Jonas Weber/Bundeswehr)