Jetzt offiziell: Die neue ‚Strategie der Reserve‘
Die neue Strategie der Reserve, mit der die Bundeswehr künftig Reservisten stärker in ihre Arbeit einbinden und im Bedarf auch heranziehen will, ist jetzt in Kraft. Ein wesentlicher Baustein ist eine geplante Grundbeorderung von sechs Jahren für alle ausscheidenden Soldaten.
Die Grundzüge der neuen Reservisten-Strategie waren bereits im August bekannt geworden. Die neue Konzeption setzt in einer veränderten Sicherheitslage auf eine teilweise Rückkehr zu früheren Strukturen: Künftig soll die Bundeswehr wieder gezielt auf Reservisten zurückgreifen können, um die aktive Truppe zu verstärken. Bereits im Frieden sollen alle ausscheidenden Soldaten erfasst werden und freiwillig üben können.
In dieser Woche zeichnete Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer das Papier, das am (heutigen) Freitag gültig wurde. Aus der (offenen) Regelung Konzeptionelle Grundlagen für die Reserve der Bundeswehr:
Wesentliche Kernelemente und damit zugleich auch Eckpunkte der Strategie der Reserve sind
• das zu erfüllende Aufgabenspektrum der Reserve aus dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr abzuleiten und dabei die Gestaltung der Reserve an die Planungssystematik der Bundeswehr anzulehnen,
• den Reservistendienst im Frieden unterhalb des Bereitschafts-, Spannungs- oder Verteidigungsfalls unter der politischen Vorgabe der Freiwilligkeit auszugestalten,
• den Schwerpunkt in der Beorderung von Reservistinnen und Reservisten auf die Verstärkungsreserve (VstkgRes) zu legen,
• über eine Grundbeorderung7 die vollständige Bedarfsdeckung der Truppenreserve (TrRes) und der TerrRes sicherzustellen,
• die Verlässliche Verfügbarkeit einer möglichst großen Zahl beorderter Reservistinnen und Reservisten zu erreichen,
• nicht aktive Truppenteile – Ergänzungstruppenteile, Kräfte der territorialen Reserve und Feldersatztruppenteile – zur Erfüllung ihres Auftrages aufgabenorientiert mit Großgerät, Fahrzeugen und Material auszustatten,
• ein System der Inübunghaltung und der Ausbildung zu entwickeln, um Reservekräfte einsatzbereit zu halten und Abholpunkte für die Krisenausbildung festzulegen und verlässlich zu erreichen,
• einen zügigen und umfänglichen Aufwuchs der Bundeswehr durch beorderte Reservistinnen und Reservisten in einer Krise zu gewährleisten,
• Bundeswehr und Gesellschaft enger miteinander zu verknüpfen sowie das Gemeinschaftsverständnis zwischen aktiven Soldatinnen und Soldaten sowie Reservistinnen und Reservisten weiter zu verbessern.
Zum Nachlesen (am Wochenende vielleicht…) das komplette Papier hier auf der Bundeswehr-Webseite*.
Vor der Jahrestagung der Reserve in Berlin nannte Kramp-Karrenbauer noch einmal die Gründe, die zu einer Rückkehr der Bundeswehr zur Reserve geführt haben:
Ein Gedanke ist, dass aufgrund der internationalen Lage die Aufgaben unserer Bundeswehr zahlreicher und vielfältiger und bestimmt nicht einfacher werden.
Deswegen braucht unsere Bundeswehr mehr denn je die Unterstützung einer lebendigen Reserve.
Konkret leiten sich für die Reserve daraus drei Aufgabenschwerpunkte ab:
• Die Reserve gewährleistet den Aufwuchs unserer Bundeswehr.
• Die Reserve verstärkt die Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr.
• Und die Reserve erhöht die Durchhaltefähigkeit unserer Bundeswehr.
All das gilt insbesondere mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung.
Dass wir dieser Aufgabe wieder mehr Aufmerksamkeit widmen müssen, dass wir Verteidigung wieder ernst nehmen müssen,
wissen wir spätestens seit Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim.
(zitiert nach dem vom Verteidigungsministerium veröffentlichten Redetext)
Die Vorgaben in der neuen Strategie werden nur schrittweise umgesetzt werden können – so werden auch Gesetzesänderungen nötig sein, zum Beispiel für den so genannten Bereitschaftsdienst, zu dem Reservisten auf Beschluss der Bundesregierung herangezogen werden können sollen. Auch die mit Aussetzung der Wehrpflicht praktisch eingestellte Verwaltung und Erfassung von Reservisten muss erst wieder aufgebaut werden.
*Vorsorglich die Konzeption auch noch mal als gespeicherte Datei:
Strategie der Reserve
(Archivbild Mai 2015: Reservisten der Reservistenkameradschaft Undenheim in Hessen bereiten sich auf einen 12-km-Marsch gemeinsam mit US-Soldaten vor – U.S. Air Force photo/Staff Sgt. Armando A. Schwier-Morales)
@Koffer
Eben weil ich sie missverstanden habe und Unterstellungen anderer Personen unakzeptabel.
Das die Gesetze seit Jahrzehnten gelten ist ja gerade mein Punkt, die Bedingungen haben sich entscheidend geändert – Stichpunkt Wehrgerechtigkeit, die Gesetze nicht, und entsprechende Urteile aus Karlsruhe sind mir nicht bekannt.
Zu 2
Muss dieser Bürokratische „Ballast“ sein oder warum behält man ihn bei, wenn es auch ohne geht?
Unbewusst Steine zu legen wäre schlimm genug.
Das ist so ist IMHPOV gerade eines der Probleme der BW und eines der Nachteile eines „zu“ konservativen Mindsets.
@ Koffer: 22.10.2019 um 12:37 Uhr an „Cato“
„Hier wird von vielen Seiten ja immer so getan, als würde man den („echten“) Reservisten bewusst oder aus Gleichgültigkeit Steine in den Weg legen.
Aber vielleicht ist es ehrlich zu sagen, dass es so halt in der Bundeswehr ist. Auch für die Aktiven. Da gibt es gar keine bewusste Benachteiligung.“
Selbst wenn ich davon ausgehe, dass die aktiven Kameraden ebenso mit aus meiner Sicht unsinnigen Vorschriften zu kämpfen haben gibt es einen gravierenden Unterschied: Der aktive Kamerad führt diesen Kampf in seiner bezahlten Dienstzeit und bei seinem Hauptarbeitgeber. Der Reservist kämpft diesen Kampf jedoch i.d.r. während seiner Freizeit, während kurzer Zeitfenster bei seinem zivilen Hauptarbeitgeber und wenn er dann in Übung ist während dieser kurzen kostbaren Zeit, die viele sich sogar von ihrem Urlaub ab sparen.
Soldaten sind ja in der Regel durchaus geduldige Wesen, aber wenn man mehrere Jahrzehnte in der Reserve auf dem Buckel hat, dann ist es einem irgendwann egal warum etwas nicht geht, sondern man darf zu recht Lösungen erwarten.
Der User „Cato“ schrieb von seiner Arbeit im Bereich ZMZ. Die aktive Truppe sollte hier lediglich als ‚Enabler‘ für die Reservisten dienen, die sehr selbständig und oft mit hohem zeitlichen Engagement tätig sind. Die Realität sieht jedoch leider oft anders aus. Als Reservist nimmt man viele Sachen leider oft hin, weil der Zeitaufwand für den Kampf mit der Bürokratie oft in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Dass man damit die Motivation der Reservisten grob fahrlässig verbrennt scheint niemanden zu interessieren. Wendet man sich mit berechtigten Beschwerden an aktive Vorgesetzte, dann üben diese oft die perfide Gesprächstaktik an sich mit einem zu solidarisieren und den schwarzen Peter an übergeordnete nicht zu erreichende Stellen zu schieben.
@ Koffer: Sie wehren sich dagegen „so zu tun, als wolle man den „echten“ Reservisten etwas böses.“
Darüber will ich nicht spekulieren. Wir müssen allerdings hier einfach die Fakten sehen: Dazu nur ein konkretes Beispiel:
Das Aktuellhalten von relevantem Wissen im Zeitalter großer, sich schnell ändernder Informationen erfordert die Präsenz im IntranetBw. Reservisten haben nur während ihrer RDL-Tage Zugriff auf diese Informationen bzw. können gemeinsam mit Aktiven an Dokumenten arbeiten. Gerade die kontinuierlich arbeitenden Reservisten in der ZMZ und der Cyber-Reserve verbringen dann viel Zeit damit, Informationen für ihre Tätigkeit zu rekonstruieren bzw. über die Intranet-Grenze hiweg zu managen. Hier pflegt die Bundeswehr ein institutionalisiertes Mißtrauen gegenüber Leuten, die jahrelang ihre Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt haben. Dabei haben wir in unserem Land Mechanismen, mit denen wir das Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Bürgern absichern, wie z.B. den Geheimschutz für Wirtschaftsunternehmen, der in Kooperationen der Bundeswehr mit der Wirtschaft zum Einsatz kommt, und die Zuverlässigkeitsüberwachung von Luftfahrtpersonal. Hier kann man dann schon zumindest von „Gleichgültigkeit“ gegenüber berechtigten Ansprüchen von Reservisten sprechen.
An anderer Stelle verstehe ich Ihre Argumentation so, dass Sie das Leiden von Aktiven unter bürokratischen Ineffizienzien dazu heranziehen, um nachzuweisen, dass Aktive und Reservisten gleichermaßen leiden müssten. Hier lade ich Sie dazu ein, gemeinsam mit Reservisten an einer Verbesserung der entsprechenden Prozesse zu arbeiten. Im Zusammenwirken aus Ihrem – in diesem Blog immer wieder gezeigten – reichen Schatz and Erfahrungen und der Expertise, die Reservisten aus der Privatwirtschaft mitbringen, sollte ein solches Team (fast) unschlagbar sein (und viele kommerzielle Beraterstunden entbehrlich machen)
In Sachen „Mobbing“ habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen: Hier geht es sicher nicht um einen allgemeinen Unmut sondern um Situationen konkreter Beleidigungen und – teilweise sehr subtiler – Unterstellungen. Dahin gehören sicher auch Situationen, die ein Reservist als Kurzzeitmitglied einer Einheit anders einschätzt. In diesem Sinn plädiere ich für eigene „Vertrauensleute bzw. Mediatoren für Reservisten“ speziell in einer Zeit, in der die Bindungs- und Leidensfähigkeit von Reservisten schwindet.
Was das Thema „Dank“ betrifft halte ich es mit Friedrich II., der einmal gesagt hat „Dem Mann, der die Geige baut, dankt allein ihr Klang“. Bedankt fühlte ICH mich, wenn die „Geige Bundeswehr“ wieder einen guten Klang hätte, und das in möglichst vielen Frequenzbereichen. Dann könnte ich auch meinen Enkeln eines Tages wieder gute Gewissens zuraten, dort zu dienen.
Derzeit erscheint der Zugang in die Bundeswehr für Reservisten und solchen, die als Quereinsteiger nach § 43 Soldatenlaufbahnverordnung Deutschland dienen wollen nach wie vor hürdenreich und nicht motivierend. Der Einstieg muß vereinfacht werden, wenn die notwendige Zahl an Reservisten gewonnen werden soll. Am Willen der Reservisten fehlt es nicht. Nach wie vor geht die Initiative überwiegend von den Reservisten aus. Die Bundeswehr zeigt sich dem Reservisten oder Quereinsteiger gegenüber in der Praxis eher zurückhaltend und oft nicht gut vorbereitet. Personalberatung für die Reservisten und Gestaltung deren Karrierewege als Reservist oder Quereinsteiger kann durch eine aktive Förderung des Reservisten und Ansprache durch die Bundeswehr verbessert werden, um es vorsichtig auszudrücken. Der“geschlossene Personalkörper Bundeswehr“ mit seinen festgelegten ATN’s etc. erscheint kein Zukunftsmodell wie u.a. der Bereich Cyber zeigt. Von der Bundeswehr geforderte Qualifikationen müßen auf ihre „Zukunftsfähigkeit“ überprüft und ggf. gestrichen oder durch andere ersetzt werden. Um mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten, muß die Bundeswehr auf andere Berufs- und Ausbildungswege im digitalen Zeitalter besser eingestellt sein.
@Cato sagt:22.10.2019 um 19:49 Uhr
Auch wenn das jetzt etwas Off-Topic ist. Seit 2014 haben der Leiter und sein Stellvertreter jedes KVK/BVK auf den Dienstnotebooks einen Internetzugang mit passwortgeschützten Zugang zum Intranet Bw. Und den Rechner nimmt man mit nach Hause, wie soll man sonst seine Dienstmails checken? Da hat sich schon einiges getan.
Natürlich hat die Bundeswehr ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, aber wenn ich mir meinen Bekannten ansehe, der Projektleiter bei Siemens ist, ist das auch nicht umfangreicher, schlimmer oder wie Sie das bezeichnen wollen, als bei großen zivilen Unternehmen.
Und Bürokratie, das ist kein Einzelproblem der Bundeswehr. Mittlerweile hat die Einwilligungserklärung zur RDL 4 Seiten, früher nur eine. Hinzugekommen ist die Angabe Jahresgehalt >< € 72.000 für die Wirtschaftlichkeitsberechnung und die Datenschutzerklärung gem. DSGVO. Und alles geht an verschiedene Stellen. Alleine schon dort ist Optimierungsbedarf, aber es schafft Stellen in Stäben und Verwaltung.
Zu Ihren Ausführungen konkreter Beleidigungen und subtiler Unterstellungen. Da sage ich mal, da gehören immer zwei dazu. Einer der beleidigt und unterstellt und einer der sich beleidigen und etwas unterstellen lässt. Es ist mir weder in meiner aktiven Zeit (12 Jahre) noch in meinen mittlerweile mehr als 20 Jahren Reservistentätigkeit passiert, das jemand mich beleidigt hat. Er würde es auch ungestraft nicht überstehen. Als Reservist haben Sie doch alle Freiheiten, da kann einem sogar bis zu einem gewissen Grad der Dienstgrad des Gegenübers wurscht sein. Man ist dann zwar nicht überall beliebt, aber respektiert. Und wenn das alles nicht passt, ja dann geht man eben nach Hause. In letzter Konsequenz machen wir das alle völlig freiwillig, dafür lasse ich mich doch nicht anpöbeln oder schikanieren.
Aber das sind alles Probleme, die nichts mit der hier diskutierten Strategie der Reserve zu tun haben. Die wird solche Zustände weder verschlechtern und wahrscheinlich auch nicht verbessern, wobei die Hoffnung stirbt zuletzt.
Aber eines bleibt, man darf als aktiver, beorderter Reservist ruhig selbstbewusst auftreten. Ohne uns bekommt die aktive Truppe es nicht hin, schon gar nicht in den Bereichen zivil-militärische Zusammenarbeit oder CIR. Manche aktiven Kameraden wollen das nur nicht einsehen.
[OTs haben wir hier schon genug, bitte da etwas zurückhaltender. T.W.]