Deutsch-britische Verteidigungskooperation: Verständigung auf ‚Leuchtturmprojekte‘

Deutschland und Großbritannien wollen ihre Zusammenarbeit bei Rüstung und Verteidigung weiter ausbauen und dafür eine Vereinbarung über konkrete Projekte unterzeichnen. Mit der so genannten Trinity House Erklärung, die am (morgigen) Mittwoch in London abgeschlossen werden soll, will Großbritannien unter der neuen Labour-Regierung auch das seit dem EU-Austritt des Landes schwierige Verhältnis zu Europa weiter verbessern.

Die Vereinbarung, die der britische Verteidigungsminister John Healey und sein deutscher Kollege Boris Pistorius im Trinity House unterzeichnen wollen, folgt auf eine grundsätzliche Erklärung beider Minister zur Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen aus dem Juli dieses Jahres. Die Benennung der Vereinbarung am Mittwoch ist offensichtlich auch eine Referenz an das Lancaster House Abkommen mit Frankreich aus dem Jahr 2010 – wenn auch mit dem grundlegenden Unterschied, dass London und Paris dabei auch Zusammenarbeit im Bereich ihrer Atomwaffen vorsahen.

Als weiterer Schritt der deutsch-britischen Verteidigungszusammenarbeit ist ein bilateraler Vertrag beider Regierungen für kommendes Jahr geplant – dann auf der Ebene der beiden Regierungschefs Bundeskanzler Olaf Scholz und Premierminister Keir (KORREKTUR, nicht Keith) Starmer.

Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums werden als konkrete Schlüsselprojekte in der Trinity House Erklärung unter anderem genannt:

• Stärkung unserer Sicherheits- und Verteidigungsindustrie: Wir bauen die Industriekooperationen aus, insbesondere im Bereich Heer. Rheinmetall stellt in seinen britischen Werken in Dorset, Telford, Bristol und im Nordosten des Landes militärische Fahrzeuge her, darunter den Transportpanzer Boxer und – zusammen mit BAE – den Challenger 3 Kampfpanzer. Das britische Heer hat 500 Boxer bestellt. Großbritannien und Deutschland werden im Rahmen der neuen Vereinbarung bei der Entwicklung zukünftiger Anpassungen und Fähigkeiten noch enger zusammenarbeiten. In Großbritannien entsteht ein neues Artillerierohrwerk mit 400 zusätzlichen Arbeitsplätzen.

• Stärkung der Ostflanke: Unsere Landstreitkräfte werden noch enger zusammenarbeiten, vor allem in den baltischen Staaten, um die Ostflanke der NATO weiter zu stärken. Durch gemeinsame Übungen stellt die Vereinbarung sicher, dass die Landstreitkräfte an der Ostflanke der NATO effektiv abschrecken und im Falle eines Angriffs auf NATO-Territorium in der Lage sind, uns zu verteidigen. In diesem Zusammenhang wollen wir auch eine bessere Drohnen-gestützte Vernetzung unserer Panzerverbände sicherstellen. Zudem werden wir unsere Kräfte bündeln, das heißt die gemeinsame Nutzung von Logistik, Lagerung und Versorgung.

• Entwicklung neuer Langstreckenwaffen: Wir entwickeln mit unseren Partnern neue Systeme mit noch größerer Reichweite und höherer Präzision als derzeit marktverfügbar.

• Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur: Wir tragen gemeinsam zum Schutz der kritischen Unterwasserinfrastruktur und wichtiger Seehandelsrouten bei, indem wir sicherstellen, dass es ein klares und umfassendes Unterwasser-Lagebild gibt.

• Deutsche Flugzeuge in Schottland: Deutsche P8A-Seefernaufklärer werden regelmäßig von Lossiemouth aus zum Schutz des Nordatlantik beitragen. Damit verkürzen wir die Transitzeit und vereinfachen gemeinsame Übungen und Einsätze.

• Unbemannte fliegende Systeme und deren Vernetzung: Beide Länder verpflichten sich zur engen Zusammenarbeit bei der Forschung und Entwicklung von unbemannten Flugsystemen und wollen deren Interoperabilität mit zukünftigen Kampfflugzeugsystemen sicherstellen. Diese Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung mit unseren Verbündeten und Partnern (v.a. Frankreich). Hierbei kommt es besonders darauf an, dass unsere heutigen und zukünftigen Luftfahrzeuge und die zu entwickelnden Drohnen miteinander kommunizieren und operieren können.

• Zusammenarbeit bei Luftverteidigungssystemen: Zusammen mit anderen Partnern werden wir an der Integration von Luftverteidigungssystemen arbeiten, um den europäischen Luftraum besser vor der Bedrohung durch Flugkörper großer Reichweite schützen zu können. Die Grundlage dafür wurde vergangene Woche beim NATO-Verteidigungsministertreffen gelegt.

• Weitere Unterstützung der Ukraine: Wir arbeiten gemeinsam daran, dass der von Deutschland an die Ukraine abgegebene Sea-King Hubschrauber mit modernen Flugkörpern ausgestattet werden kann und bauen unsere Zusammenarbeit im Rahmen von Fähigkeitskoalition aus.

• Neue Gesprächsformate für die Zusammenarbeit: Die Vereinbarung schafft neue Gesprächsformate für die langfristige Kooperation. Vorgesehen sind regelmäßige jährliche Treffen in verschiedenen Formaten bis zur Ministerebene, um die rasche Umsetzung und Weiterentwicklung der gemeinsamen Projekte zu gewährleisten und neue Initiativen zu fördern. Zeit ist für uns ein kritischer Faktor und durch diese Gesprächsformate werden wir schneller werden.

Einiges davon war bereits bekannt oder absehbar – und manches wird spannend: zum Beispiel die Frage, wie Unbemannte fliegende Systeme und deren Vernetzung gemeinsam von Deutschland und Großbritannien entwickelt werden sollen, in enger Kooperation mit Frankreich. Wo doch das von Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Spanien zu entwickelende Future Combat Air System (FCAS) mit einem ähnlichen, von Großbritannien geführten Projekt konkurriert.

Nachtrag: In der britischen Fassung sind die Punkte etwas anders gefasst:

The Trinity House Agreement includes:

• New long-range strike weapons – working jointly to rapidly develop a new system that can fire even further and be more precise in its targeting than any current system.

• New boost for British industry – a new large calibre gun manufacturing facility in the UK, supporting more than 400 jobs, and planned to use British steel, bringing nearly half a billion-pound economic boost to the UK over 10 years.

• New cooperation to strengthen the Eastern Flank – the armies training and exercising more together, using the front as a catalyst for developing new ways of fighting.

• Land Industrial Cooperation – cooperation on Boxer armed vehicles and kickstarting collaboration of land-based drones.

• Protecting critical underwater infrastructure – working together to protect the vital cables in the seabed on the North Sea. This includes exploring new offboard undersea surveillance capabilities to improve detection of adversary activity.

• German planes in Scotland – German P8 aircraft will periodically operate out of Lossiemouth to help protect the North Atlantic.

• New drones – working towards drones that could operate alongside our fighter jets, as well as drones that can be used by other military force.

• Exploration and development of new Maritime Uncrewed Air System capabilities.

• New Ukraine support – new joint work to enable German Sea King helicopters to be armed with modern missile systems as well as work on capability coalitions.

• Joint work with partners to integrate air defence systems to better protect European air space against the threat of long-range missiles, building on work agreed at the NATO Defence Ministers meeting just last week.

(wird ggf. nach Unterzeichnung ergänzt)

(Foto: Pistorius, Mitte links, und Healey, Mitte rechts, vor der Unterzeichung im Trinity House in London – MoD Phot Rosie Hallam/UK MOD/Crown Copyright/News License)