Nachgetragen: ‚Gorch Fock‘ ausgedockt
(Nachgetragen wg. low ops) Am Freitag vergangener Woche (21. Juni) ist der Rumpf der Gorch Fock nun doch planmäßig bei der Bredo-Werft in Bremerhaven ausgedockt worden. Zuvor hatten sich das Bundesamt für Ausrüstung, IT und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) als Vertreter des Bundes, der Hauptauftragnehmer Elsflether Werft und die Bredo-Werft vorerst gütlich geeinigt, nachdem zuvor juristischer Streit dieses Ausdocken fast verhindert hätte.
Das Segelschulschiff der Deutschen Marine hat damit bewiesen, dass der Rumpf weiterhin schwimmfähig ist – eine Entscheidung über die Zukunft der Dreimastbark ist allerdings damit noch nicht verbunden. Nach dem Ausdocken folgen Dichtigkeitsprüfungen des Rumpfes, außerdem sollen jetzt die Ergebnisse des Krängungsversuchs ausgewertet werden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Vor allem aber sollen nun externe Gutachter die schiffbaulichen Arbeiten an der Gorch Fock bewerten.
Damit ist weiterhin unklar, ob die begonnene Grundsanierung des Großseglers auch bis zur Fertigstellung und Hochseetauglichkeit fortgeführt wird. Die Sanierungskosten des 1958 gebauten Schiffes waren von zunächst geschätzten zehn Millionen auf 135 Millionen Euro gestiegen, von denen rund 70 Millionen Euro bereits ausgegeben wurden. Erschwert wurden die Sanierungsarbeiten zusätzlich durch die Insolvenz der Elsflether Werft, die mit den Arbeiten an der Gorch Fock beauftragt wurde.
Mit anderen Worten: Ob die Dreimastbark wieder als Segelschulschiff für die Marine zur See fahren wird, ist nach wie vor nicht entschieden. Diese Entscheidung soll nach den Angaben des Ministeriums allerdings recht bald fallen.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gab sich allerdings nach dem Ausdocken vergangene Woche recht optimistisch: Die Perspektive ist besser geworden, dass wir unser gemeinsames großes Ziel erreichen können, dass die Gorch Fock im Herbst 2020 wieder in der Ausbildung eingesetzt werden kann.
(Foto und Audio: Bundeswehr)
Wenn man die Aussagen der Ministerin beim Ausdocken auf der Bredo-Werft gehört hat, dann hat sie ja schon angedeutet, dass weder der sogenannte Fixpreis von jetzt 135 Millionen noch die Fertigstellung bis September 2020 wirklich zu halten ist.
Dann wäre das Schiff bereits fünf Jahre nicht mehr mit Kadetten gefahren und damit obsolet. Als ehemaliger Seekadett empfinde ich die Aufgabe dieses Schiffes zwar als schmerzhaft, als Steuerzahler den Endpreis (?) jedoch unvertretbar. Statt hier im Zeitalter der Digitalisierung für Nostalgie weiter HH-Mittel zu „verbrennen“, sollte man lieber mehr davon in die einsatzvorbereitende (Simulator)Ausbildung der Besatzungen der wenigen Fregatten stecken, wenn „ihr Schiff“ gerade mit der anderen Crew in See steht.
@Lucky.Sailor sagt: 24.06.2019 um 14:47 Uhr
„Statt hier im Zeitalter der Digitalisierung für Nostalgie weiter HH-Mittel zu „verbrennen“,“
Es geht nicht um Nostalgie, sondern um Charakterbildung und Festigung des Berufsbildes. Das ist in Geld nur schwer aufzurechnen.
„sollte man lieber mehr davon in die einsatzvorbereitende (Simulator)Ausbildung der Besatzungen der wenigen Fregatten stecken, wenn „ihr Schiff“ gerade mit der anderen Crew in See steht.“
Ich kann nur deutlich davon abraten zwei überhaupt nicht im Zusammenhang stehende Teilvorhaben gegen einander aufzurechnen.
Sonst sind wir ganz schnell bei der Diskussion „Kindergärten statt Panzer“…
Ob EUR 135 Mio. angemessen oder zu teuer ist. Ob man bei bereits verausgabten 50% vielleicht sogar die Entscheidung durch den bereits erfolgten Finanzabfluss als gegeben hinnehmen muss oder ob man statt dessen eher der Fraktion „besser ein Ende mit Schrecken als…“ angehört, all das sind valide Argumente. Aber ein „what about“ ist in 9 von 10 Fällen missleitenden ;)
Warum sind „Charakterbildung und Festigung des Berufsbildes“ nicht auch auf zwei oder drei modernen Schulbooten (Größe ca. Frankenthalklasse, ohne die Minenjagdausrüstung) möglich, auf denen die Ausbildung zudem dem Dienstalltag der modernen Flotte wesentlich näher wäre?
@Koffer 24.06.2019 um 18:21 Uhr
„Es geht nicht um Nostalgie, sondern um Charakterbildung…“
Die Marine verfügt nach offizieller Auskunft des Marineuntersuchungsausschusses in der Sache Jenny Böken auch über noch andere bemerkenswerte Formen der Charakterprägung des Führungsnachwuchses, siehe ehem. WBdBT Hellmut Königshaus ab 16:48 in https://www.youtube.com/watch?v=oJGJcv9RbRQ. Die Marine hat dem Wehrbeauftragten damals offiziell und sicher vielfach in der Hierarchie mitgezeichnet berichtet , der unsachgemäße Umgang mit Damenunterwäsche sei als gemeinschaftsförderndes Element an Bord zu sehen. Das erinnert eher an Zustände und Verhaltensniveau wie in einer schlechten Studentenburschenschaft. Man kann dann nur ahnen, auf welches Vorgesetztenmilieu so etwas hindeutet. Ob die Gorch Fock dem Auszubildendennachwuchs überwiegend wertvolle Charaktereigenschaften vermittelt, will ich hier nicht bewerten. Einen guten Eindruck vom Dienst auf der Gorch Fock und den dort üblichen Sitten vermag ich aber jedenfalls aus diesem Bericht nicht unmittelbar abzuleiten. Insoweit im Zuge des Sanierungsskandals bei der Gorch Fock in der Presse ehemalige Kadetten in der Presse zu ihren Erinnerungen berichteten, hielten sich kritische und unterstützende Stimmen zum Ausbildungsbetrieb und seines Sinns für die Marinepraxis auch eher die Waage.
[Ich wäre dankbar, wenn der Fall Böken jetzt nicht mit dem Thema Sanierung der ‚Gorch Fock‘ vermengt wird. T.W.]
Was wir auf dem Bild sehen ist ein leerer Schiffsrumpf in Grundierung, vielleicht sogar ohne Zwischendecks – das wäre dann sogar „weniger“ als eine Hulk.
Was hat der Weg bis dahin gekostet? Was kostet er noch bis zu einer seegehenden GF, und wie lange wird dies dauern?
Wie gesagt, man hätte die GF II überholen und in MÜRWIK vertäuen und parallel ein neues Schiff beauftragen sollen.
@MFG sagt: 24.06.2019 um 20:30 Uhr
„Warum sind „Charakterbildung und Festigung des Berufsbildes“ nicht auch auf zwei oder drei modernen Schulbooten…“
Wäre sicherlich auch machbar (FRA zB geht ja einen Weg mit einem modernen Schiff), aber für DEU und viele andere Länder hat sich der Weg über ein klassisches Segelschiff bewährt. Gerade für junge OA ist die enge, fast schon archaische Bindung an die Elemente eine dauerhafte, prägende Erfahrung.
Darüber hinaus hat ein Segelschulschiff auch noch nicht zu unterschätzende, sekundäre Effekte (ÖA der Bundeswehr, Nachwuchswerbung, diplomatische Nutzung).
Zudem ist die GF II eine der wenigen Traditionsträger der Marine im Traditionsstrang „Bw-eigene“ Tradtionen.
Es gibt also zugegebener Maßen zwar keine zwingenden, aber dafür immerhin zahlreiche sehr gute Gründe für die GF.
@Koffer
GF und Traditionsträger der Bw … die Traditionslinie reicht ja da noch weiter zurück ^^
@Koffer:
Ich stimme ja zu, dass die Segelausbildung den jungen Offizieranwärtern eine „prägende Erfahrung“ vermittelt.
Es wird aber in der öffentlichen Diskussion und der Argumentation der Marine verschwiegen, dass ungefähr die Hälfte aller Offizieranwärter jeder Crew, nämlich SaZ 4-12, gar nicht auf der GF ausgebildet werden. Viele heutige Stabsoffiziere sind deswegen keine schlechteren Vorgesetzten als ihre Kameraden mit GF-Erfahrung.
Außerdem dauert die gesamte Ausbildung auf der GF mal gerade 8 Wochen. Die ersten 10-14 Tage davon ist „Trockenausbildung“ an der Pier zum Vermitteln des Wissens um die gesamte Takelage. Weitere 6 – 8 Tage liegt das Schiff auf jeder Ausbildungsreise in den besuchten Häfen. Bleiben also netto nur ca. 5 Wochen, um das Schiff im Segelbetrieb zu „erfahren“, falls auch der Wind günstig weht. Da die Besatzung in 4 Wachen eingeteilt ist, kommt der einzelne Kadett so auf eine maximale Erfahrungszeit von nur ca. 210 Stunden bzw. 9 Tagen im Rahmen seiner seemännischen Grundausbildung.
Dies alles in Betracht ziehend, stellt sich doch zu recht die Frage, wie „notwendig“ und „wirksam“ die GF-Ausbildung für die Prägung der Marineoffiziere tatsächlich ist und ob ein Instandsetzungspreis von 135 Mio. dafür noch vertretbar ist.
@Lucky.Sailor
Es geht auch um die Erfahrung des Lebens an Bord – „Rein Schiff“, und so weiter. Das geht über die Anzahl der Wachen hinaus.
@Thomas Melber:
Sorry, aber „Rheinschifferfahrungen“ kann man auch auf anderen Schiffen als der GF machen.
Hier geht’s doch darum ob die Offizieranwärter „archaische“ Erfahrungen durch den Betrieb eines Großseglers „um jeden Preis“ machen müssen.
gerade kam auf n-tv die Meldung das UvdL den Weiterbau der GF befohlen hat
[Jetzt auch offiziell:
https://twitter.com/BMVg_Bundeswehr/status/1143463617469276160?s=19
(Meldung später)
T.W.]
@LuckySailor
„Es wird aber in der öffentlichen Diskussion und der Argumentation der Marine verschwiegen, dass ungefähr die Hälfte aller Offizieranwärter jeder Crew, nämlich SaZ 4-12, gar nicht auf der GF ausgebildet werden. Viele heutige Stabsoffiziere sind deswegen keine schlechteren Vorgesetzten als ihre Kameraden mit GF-Erfahrung.“
– Vielen Dank für diesen wichtigen Hinweis. Damit ist die Debatte in einem wesentlichen Punkt „entemotionalisiert“ worden.
– Wenn die Hälfte aller Offizieranwärter jeder Crew den Ausbildungstabschnitt „Gorch Fock“ ganz offensichtlich nicht benötigt dann stellt sich in der Tat die Frage, warum die andere Hälfte der Offizieranwärter den, mit offensichtlich 8 Wochen, zeitlich relativ geringen Ausbildungstabschnitt „Gorch Fock“ UNBEDINGT haben muss.
„Sorry, aber „Rheinschifferfahrungen“ kann man auch auf anderen Schiffen als der GF machen.“
Schön auf den Punkt gebracht :-))
@Lucky Sailor:
„ungefähr die Hälfte“ ist falsch, wenn man „Normaljahre“, in denen die GF voll verfügbar war, als Maßstab nimmt. In meiner Crew kann man die Kameraden ohne „GF Erfahrung“ an einer Hand abzählen! Und das beinhaltet die SanOA (heute -Offz). Eigentlich kommt man nur als „Sonderfall“ mit z.B. medizinischen Problemen (Unfall) oder als Seiteneinsteiger mit Sonderprogramm o.ä. nicht mit auf die GF.
In einigen Jahren war die GF allerdings nicht voll verfügbar, oder man hatte die Übergangslösungen Lehmkuhl oder Mircea, und man hatte nicht genügend Seewochen um alle OA einer Crew mitzunehmen. Dann hat man für einen Teil der Crew z.B. die Sprachausbildung der Pilotenanwärter oder das Ingenieurspraktikum künstlich verlängert. Das ist aber nicht die Regel. Hier Argumente auf Basis von Jahrgängen mit eingeschränkter Verfügbarkeit der GF bzw. eines Segelschulschiffersatzes zu bringen ist unehrlich. Das Ziel ist immer noch die universelle seemännnische Erfahrung auf einem Segelschulschiff für alle OA und alle Maaten- /Bootsmannsanwärter des Decksdienstes.
@Pete sagt: 25.06.2019 um 12:27 Uhr
[LuckySailor] „Es wird aber in der öffentlichen Diskussion und der Argumentation der Marine verschwiegen, dass ungefähr die Hälfte aller Offizieranwärter jeder Crew, nämlich SaZ 4-12, gar nicht auf der GF ausgebildet werden.“
[Pete] „Vielen Dank für diesen wichtigen Hinweis. Damit ist die Debatte in einem wesentlichen Punkt „entemotionalisiert“ worden.“
Ja, in der Tat.
Wenn diese Aussage zutreffend wäre, dann schon.
Ist sie aber nicht.
Siehe hierzu die sehr treffende Richtigstellung von @TBR sagt: 25.06.2019 um 13:01 Uhr
Verschärfend kommt noch hinzu, dass die wenigen SaZ4 4-12, die es heute noch/wieder gibt nicht die Primärgruppe der OA des Truppendienstes sind, bei denen es vor allem um die charakterliche Prägung und Schaffung/Festigung des Berufsbildes geht.
Im Ergebnis: Es gibt gute Argumente gegen eine Ausbildung auf einem Segelschulschiff, aber die von @LuckySailor sind das nicht.
@TBR:
Wenn Sie meine Aussagen anzweifeln, dann sollten Sie sich mal beim Personalamt der Bundeswehr konkrete Zahlen geben lassen.
Aus meiner Erfahrung auch als Inspektionschef an der Marineschule Mürwik WEISS ich, dass die Crewstärken seit Aufstellung der Bw immer bei ca. 250 lagen. Die SaZ 12 und BOA machten ca. die Hälfte aller Crews aus, die erlebten in den Jahren, wo das Schiff fuhr ihre Segelausbildung darauf. Die andere Hälfte der SaZ 4 -12 ging im Anschluss an die Grundausbildung auf Lehrgänge an Schulen der Marine. Etliche davon sind aber später durchaus als Berufssoldaten übernommen worden und waren nicht schlechter qualifiziert als die Crewkameraden mit GF-Erfahrung.
120 Kadetten ist auch in etwa die Ausbildungskapazität der GF, d.h. es war gar kein Platz für komplette Crews!
@luckysailor
Ich weiss nicht wann Sie ihre Erfahrung machten, aber alleine dass Sie einen Unterschied zwischen „Saz12 und BOA“ und „SaZ 4-12“ machen ist ein Indiz. Schon vor zwanzig Jahren machte man da in der Ausbldung keinen Unterschied mehr, BOA waren nur ca. 2-3% der Crew, der Rest war SaZ12 (heute SaZ13) mit ein oder zwei Ausnahmen, es war schwieriger als SaZ4 eingestellt zu werden denn als BOA, wir hatten m.W.n. nur genau einen SaZ4 in der Crew. Nur SaZ2 ROA wurden separat geführt, waren aber auch nicht Teil der „Normalcrew“ des Jahres, das hat sich mittlerweile baer auch geändert.
Eine Crew aus OATrD, SanOA und ausländischen LT liegt/lag in der Tat bei ca. 240-250 OA. Daher gab es ja auch zwei „Törns“ in einer Ausbildungsreise der Gorch Fock mit jeweils ca. 120 OA’s an Bord während die andere Hälfte der Crew Sprachausbildung, Ingenieurspraktika oder (SanOA) einen Lehrgang an der SanAk machte. Es war/ist also der Plan das jeder OA (mittlerwile einschließlich der SaZ2 ROA) die Gorch Fock Erfahrung macht. Aus meiner Crew gibt es m.W.n. nur einen BS der nicht auf der GF gefahren ist, der hatte einen Autounfall zur Unzeit.
@Koffer
Ich setze die „Ausbildung“ auf der GF mit Absicht in Gänsefüßchen, da ich bis heute nicht weiß, was denn die ach so tolle Erfahrung dort gewesen sein soll. Ja, hat Spaß gemacht, aber bis auf den Aufenthalt in der Takelage gab es dort nichts, was man nicht auch auf anderen Einheiten hätte lernen können. Segeln lernen geht preiswerter und einfacher mit ganz normalen handelsüblichen Booten, eine seemännische Grundausbildung kann auf modernen Fahrzeugen wesentlich mehr für die richtige Marine nützliche Fertigkeiten vermitteln.
Um „eine Hand fürs Schiff, eine Hand für den Mann“ und dass man bei Seegang seekrank werden kann zu vermitteln, braucht man kein Segelschiff. Hier werden zwanghaft Gründe dafür gesucht, die heilige Kuh nicht schlachten zu müssen.
@MFG sagt: 26.06.2019 um 19:05 Uhr
Ganz ehrlich ich bin Infanterist, mir persönlich ist die GF reichlich egal.
Aber offensichtlich und nach Bewertung der Marineführung und zahlreicher mir bekannter Kameraden hat sich das Prinzip über Jahrzehnte bewährt.
Auch zahlreiche andere Nationen bewerten es ebenso.
So falsch kann die Führung der Marine mit ihrem Beharren auf Beibehaltung also ja nicht liegen.
Für mich gilt dass die Erfahrung auf der GF dazu führte das ich die Aufgabe als Sicherheitsoffizier bei semännischen Manövern extrem ernst nahm.
Aber wer den Effekt eines Segelschulschiffs „messen“ will sollte mal die Unfallhäufigkeit pro „Mannseetag“ bei US-Navy und US-Coast Guard vergleichen. Ich habe die Daten nicht, aber alleine nach REputation fährt die USCG um Längen sicherer als die USN zur See.