Von der Leyen verschärft Anforderungen an (muslimische) Militärgeistliche (Nachtrag: BPK)

Einen Tag nach der Ankündigung, dass künftig jüdische Rabbis und muslimische Geistliche Soldaten ihrer Glaubensrichtung in der Bundeswehr betreuen sollen, hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Anforderungen an diese Militärgeistlichen verschärft. Sie müssten zwingend die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sagte die CDU-Politikerin am (heutigen) Mittwoch bei einer Tagung des Zentralrats der Juden in Berlin.*

Die Ministerin bezog sich dabei nicht ausdrücklich auf Muslime. Faktisch dürfte die Anforderung aber in erster Linie diese Gruppe betreffen, da bei Muslimen der Mangel an in Deutschland ausgebildeten Imamen – ein Begriff, den das Verteidigungsministerium nicht verwendet – zudem mit deutscher Staatsbürgerschaft nicht nur für die Streitkräfte bereits jetzt Probleme auch außerhalb der Streitkräfte bedeutet.

Die Ankündigung der Ministerin bei der Tagung des Zentralrats zum Thema Militärrabbiner:

In der Bundeswehr sollen in Zukunft Militärrabbiner und muslimische Militärseelsorger Aufgaben übernehmen wie unsere christlichen Seelsorger. Sie sollen hier in der Heimat wirken. Sie sollen in den Einsätzen unserer Truppe Beistand geben. Sie werden den lebenskundlichen Unterricht mitgestalten.
Es gibt viele offene Fragen, die wir gemeinsam beantworten müssen – aber das werden wir. Militärseelsorger, seien sie Katholiken, Protestanten, Juden oder Moslems – Militärseelsorger müssen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Und in Deutschland ausgebildet sein. Im Lebenskundlichen Unterricht müssen die Module untereinander abgestimmt werden.
Aber genau das gibt die Möglichkeit des Über-Einander-Lernens. Des Verstehens! Die Gespräche dazu werden wir nun rasch aufnehmen.

Im Vergleich dazu die am Vortag vom Ministerium bekannt gegebenen Anforderungen an muslimische Geistliche:

Folgende Voraussetzungen für islamische Militärseelsorger wurden im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz einvernehmlich formuliert: Ein muslimischer Militärseelsorger in der Bundeswehr muss die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen und sicherheitsüberprüft sein. Er oder sie muss einen in Deutschland anerkannten Hochschulabschluss in islamischer Theologie besitzen, über eine seelsorgliche oder gemeindliche Erfahrung in Deutschland verfügen und von islamischen Religionsgemeinschaften, die die Zielgruppe der Soldatinnen und Soldaten repräsentieren, in die Bundeswehr entsandt und seitens der Bundeswehr akzeptiert werden. Auch hier wird für den Beginn mit einer niedrigen einstelligen Zahl an Geistlichen in der Bundeswehr geplant.

(Hervorhebungen T.W.)

Von der deutschen Staatsbürgerschaft war im Verweis auf die Voraussetzungen also zuvor nicht die Rede. Unklar bleibt vorerst, was die Ministerin zu der kurzfristigen Verschärfung bewogen hat.

Nachtrag: Einige Stunden vor der Rede der Ministerin waren Militärgeistliche für Juden und Muslime auch Thema in der Bundespressekonferenz – und da hatte Ministeriumssprecher Jens Flosdorff lediglich davon gesprochen, dass die muslimischen Militärgeistlichen wenn möglich, auch deutsche Staatsbürger sein sollten. Im Gesamtzusammenhang:

Flosdorff: Ich möchte ein bisschen Werbung machen und Sie zu einer besonderen Veranstaltung einladen, die heute Nachmittag stattfindet. Es ist eine Veranstaltung des Zentralrats der Juden im Leo-Baeck-Haus hier in Berlin. Sie hat den verräterischen Titel „Militärrabbiner in der Bundeswehr“. Die Ministerin wird dort um 16 Uhr die Eröffnungsrede halten.

Anlass ist, dass in der Bundeswehr zunehmend mehr Soldatinnen und Soldaten jüdischen und muslimischen Glaubens ihren Dienst tun. Sie alle haben Anspruch auf Seelsorge innerhalb der eigenen Religionszugehörigkeit. Es gibt seit langem den Wunsch, dass das auch in den seelsorgerischen Strukturen der Bundeswehr in Angeboten abgebildet ist. Deswegen hat die Ministerin jetzt entschieden, einen Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden zu schließen. Künftig wird es dort eine jüdische Militärseelsorge geben. Darüber hinaus beabsichtigt die Bundeswehr, auch die Angebote für die muslimische Seelsorge zu verbessern. Das geht auf einer anderen juristischen Basis und hat technische Gründe.

Ich möchte sagen, dass das ein sehr großer und bedeutender Schritt für die Bundeswehr ist, weil wir damit die gewachsene Vielfalt innerhalb der Bundeswehr und die weltanschauliche Neutralität der deutschen Streitkräfte unterstreichen.

Frage: Herr Flosdorff, Sie haben das unter anderem mit der wachsenden Zahl von Soldaten jüdischen Glaubens in der Bundeswehr begründet. Ich wusste gar nicht, dass die Zahl der Soldaten, gegliedert nach Religion oder Konfession, nachgehalten wird. Deswegen meine Frage: Wie stark ist die Zahl dieser Soldaten gewachsen, dass eine solche Maßnahme jetzt ergriffen wird?

Dann wüsste ich gern ein bisschen mehr. Wird es sich dann um eine Person handeln, oder wird es mehrere davon geben? Vielleicht können Sie das ein bisschen erläutern, auch was die Betreuung bei Auslandseinsätzen angeht.

Flosdorff: Das kann ich gern tun. In der Tat gibt es nur Schätzwerte. Die Konfession wird nicht abgefragt. Aber es sind Schätzungen, die aus der Bundeswehr, die aber auch vonseiten des Zentralrats der Juden kommen, die ein Gefühl dafür zu haben glauben, wie viele aus ihren Reihen in den Reihen der Bundeswehr dienen. Nach Schätzung des Ministeriums und nach Schätzung des Zentralrats der Juden beträgt die Zahl jüdischer Soldatinnen und Soldaten, die in der Bundeswehr Dienst tun, ungefähr 300.

Der übliche Schlüssel, den wir bei den christlichen Konfessionen in der Bundeswehr haben, ist, dass pro 750 Soldaten eine Seelsorgestelle bei uns eingerichtet wird. Das heißt, wir werden jetzt Stellen für Militärrabbiner einrichten. Wir werden uns entsprechend dem Bedarf daran herantasten. Es ist denkbar, dass es eine Person macht, aber es kann natürlich auch zwei halbe Stellen für Militärrabbiner geben, die sich dann abwechseln. Sie werden sich hier in einem Anstellungsverhältnis befinden.

Natürlich werden sie die Möglichkeit haben, über die modernen Kommunikationsmittel ihre seelsorgerische Arbeit auch in der Breite der Bundeswehr wahrzunehmen. Aber sie haben auch die Möglichkeit, in die Einsatzgebiete zu reisen. Sie haben die Möglichkeit, in die ausländischen Dienststellen zu reisen, die nicht Einsatzgebiete sind. Sie haben natürlich auch die Möglichkeit, in der ganzen Fläche der Bundeswehr aktiv zu sein.

Zusatzfrage: Wie lange wird es dauern, bis der Rabbiner seinen Dienst aufnimmt?

Flosdorff: Wir rechnen damit, dass wir gegen Ende des Jahres so weit sein werden. Im Moment wird der Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden ausgehandelt. Dann wird man noch einige organisatorische Vorkehrungen treffen müssen. Sowohl die jüdischen Seelsorger als auch die muslimischen Seelsorger, die wir einführen wollen, müssen sicherheitsüberprüft sein. Dieser Auswahlprozess läuft gemeinsam in enger Abstimmung mit den Verbänden sowohl auf der jüdischen als auch auf der muslimischen Seite.

Zusatzfrage: Wie weit ist es mit den muslimischen Seelsorgern gediehen? Sind die Voraussetzungen schon ähnlich konkret? Um wie viele Soldaten geht es dabei?

Flosdorff: Die Schätzwerte gehen dahin, dass wir ungefähr 3000 muslimische Soldatinnen und Soldaten in den Reihen der Bundeswehr haben. Hier wird daran gedacht, Gestellungsverträge abzuschließen. Das hat folgenden Hintergrund: Einen Staatsvertrag kann man nur dann abschließen, wenn es die notwendige Repräsentativität auf der anderen Seite gibt, also einen anerkannten Dachverband. Sie kennen das Thema sicherlich auch von der Islamkonferenz. Das ist beim Zentralrat der Juden gegeben. Auf muslimischer Seite ist das ein bisschen ausdifferenzierter. Dort gibt es viele Verbände. Man kann Gestellungsverträge mit einzelnen Verbänden schließen. Einige Verbände können sich zusammentun und einen Gestellungsvertrag mit der Bundeswehr schließen. Dann wird man sich auf Vorschlag mit Seelsorgern aufseiten der Bundeswehr auseinandersetzen.

Die Auswahl trifft letztlich die Bundeswehr. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass es sich um Seelsorger handelt, die einen deutschen theologischen Abschluss haben, die natürlich der deutschen Sprache mächtig und, wenn möglich, auch deutsche Staatsbürger sind und die auch das nötige seelsorgerische Vorwissen mitbringen, also eine Ausbildung oder Erfahrung aus der Gemeindearbeit. Wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann können sie sich sicherlich in das bisherige, jetzt schon bestehende seelsorgerische Angebot der Bundeswehr einfügen.

Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie damit rechnen, dass es schon nächstes Jahr auch mit der muslimischen Seelsorge in der Bundeswehr losgeht? Ich frage das auch deshalb, weil es ja keine in Deutschland ausgebildeten muslimischen Theologen gibt, die hier eine praktische Ausbildung machen. Das ist auch das Problem in der Islamkonferenz. Das, was Sie gerade als Berufsprofil beschrieben haben, gibt es meiner Kenntnis nach auf dem Markt nicht. Wo wollen Sie also diese muslimischen Seelsorger finden?

Meine zweite Frage richtet sich wahrscheinlich am ehesten ans Innenministerium. Die Kirchen leisten Seelsorge nicht nur in der Bundeswehr, sondern zum Beispiel auch in der Polizei. Gibt es konkrete Bemühungen, auch dort jüdische Seelsorger unterzubringen?

Flosdorff: Sie haben recht, das ist eine relativ neue Sache. Es gibt Personen, die die theologische Ausbildung hier in Deutschland abschließen. Was die seelsorgerische Ausbildung angeht, gibt es Pilotprojekte, zum Beispiel in Osnabrück. Aufseiten der Bundeswehr besteht natürlich ein sehr hohes Interesse, an diesen Erfahrungen zu partizipieren. Wenn es bereits nachgewiesene seelsorgerische Erfahrung gibt – sie kann auch in der Praxis gewonnen werden -, dann wird man sich das sicherlich auch anschauen, und dann kann das auch anerkannt werden.

Was den Zeitrahmen angeht, wird es wahrscheinlich zuerst den Militärrabbiner geben. Aber es wird nicht lange dauern, bis wir auch die ersten muslimischen Seelsorger in der Bundeswehr haben.

Schmidt: Für den Bereich der Polizei könnte ich es Ihnen für die Bundespolizei sagen, bin damit aber im Moment überfragt. Ich werde es Ihnen nachreichen.

Frage: Bei den Militärseelsorgern christlichen Glaubens gibt es die Unterscheidung nach evangelisch und katholisch. Wird es das bei den muslimischen auch geben, also eine Unterscheidung nach schiitisch und sunnitisch? Was ist mit Soldaten anderer Religionszugehörigkeit? Meines Wissens gibt es in der Bundeswehr auch Buddhisten, Orthodoxe, Neuapostolische.

Flosdorff: Ich fange mit Ihrer zweiten Frage an. Das werden wir sicherlich im Auge behalten. Wenn sich solche Bedarfe entwickeln, dann wird geprüft, ob das den entsprechenden Umfang hat, damit man diesem Anspruch Rechnung trägt.

Wenn jemand einer anderen Glaubensrichtung angehört – das ist auch schon bei den muslimischen und den jüdischen Soldatinnen und Soldaten so -, dann heißt das nicht, dass es für ihn gar kein Angebot gibt. Bisher hatten wir eine Ansprechstelle. Wenn sich die Soldatinnen und Soldaten mit Sorgen und Nöten an diese Stelle gewandt haben, dann wurden Kontakte zu Seelsorgern, zu muslimischen Seelsorgern und zu jüdischen Seelsorgern, außerhalb der Bundeswehr hergestellt. Jetzt holen wir diese Strukturen in die Bundeswehr hinein. Das heißt, die Angebote haben wir vorher über Verträge auch zur Verfügung gestellt, aber außerhalb der Bundeswehr. Das kommt jetzt in die Bundeswehr. Bei anderen Glaubensrichtungen wird das auch künftig gewährleistet. Das gibt es heute schon. Wir werden dann vielleicht irgendwann den Punkt erreichen, dass wir bei einer anderen Religionszugehörigkeit auch sagen: Jetzt hat man eine solche Mächtigkeit erreicht, dass wir die Strukturen in der Bundeswehr dann eigens und fest aufbauen.

*Nach Angaben des Ministeriums hat von der Leyen die ihrem vorab veröffentlichten Redemanuskript enthaltene Passage in ihrer Rede auch so gesagt.

(Archivbild Mai 2012: AMMAN, Jordan — Chaplain (Lt. Cdr.) Abuhena Saifulislam, a staff chaplain for U.S. Central Command, reads the Quran after a religious leaders‘ conference in Zarqa, Jordan during Exercise Eager Lion 12- U.S. Army Photo by Sgt. Nathan Booth)