Neue Bemerkungen des Rechnungshofes: Orion, F125, Funkgeräte
Die Prüfungen von Beraterverträgen in Verteidigungsministerium durch den Bundesrechungshof haben im vergangenen Jahr hinreichend Staub aufgewirbelt und zu einem Untersuchungsausschuss im Bundestag geführt – aber natürlich gibt es davon getrennt unverändert die üblichen Prüfungen der militärischen Ausgaben durch die Bonner Prüfer. Am (heutigen) Mittwoch haben sie weitere so genannte Bemerkungen vorgelegt, in denen auch erneut einzelne Projekte der Bundeswehr im Mittelpunkt stehen – und unter wirtschaftlichen Aspekten nicht gut wegkommen.
Eine kurze Übersicht:
• Seefernaufklärer Orion P-3C (Foto oben)
Das BMVg verfehlt das Ziel, acht betagte Marineflugzeuge nach umfangreichen Modernisierungen wirtschaftlich zu nutzen. Die Bundeswehr schloss hierfür im Jahr 2015 Verträge über 500 Mio. Euro. Die Marine will die Flugzeuge bis zu ihrer geplanten Ablösung im Jahr 2035 für die Aufklärung auf See und die Bekämpfung von U-Booten nutzen. Die Arbeiten sollten im Jahr 2023 abgeschlossen werden. So hätten die Flugzeuge noch mehr als zehn Jahre wirtschaftlich genutzt werden können.Die Modernisierung dauert wesentlich länger und kostet erheblich mehr als vorgesehen. Die Bundeswehr hat zusätzliche Leistungen beauftragt, die das Projekt obendrein verzögern. Die im Jahr 2015 eingeplanten Haushaltsmittel reichen nicht aus, um die Flugzeuge zu modernisieren. Inzwischen plant das BMVg mit einem weiteren Investitionsbedarf von mindestens 340 Mio.
• Ausbildungszentrum Fregatten F125
Die Bundeswehr beschafft für mehr als 3 Mrd. Euro vier neue Fregatten für die Marine, versäumte es aber, die notwendige Ausbildungseinrichtung an Land (Einsatzausbildungszentrum) für die Besatzungen aufzubauen. Es können daher nicht genügend Besatzungen ausgebildet werden. Die neuen Fregatten können deshalb nicht wie geplant eingesetzt werden.
• Handfunkgeräte Tetrapol
Obwohl die Bundeswehr über ausreichend Handfunkgeräte für ihr Funksystem TETRAPOL Bw verfügt, prüft sie, ob sie für über 1 Mio. Euro im Jahr 2019 noch weitere 800 Handfunkgeräte kaufen will. (…) Von 2020 bis 2022 will die Bundeswehr nach und nach für den gleichen Einsatzzweck ein Nachfolgesystem einführen. Die Handfunkgeräte des Funksystems TETRAPOL Bw sind mit dem geplanten Nachfolgesystem nicht kom-patibel.
Die Bundeswehr hält dennoch die Beschaffung der insgesamt 4 000 Reservegeräte für erforderlich. Das Funksystem TETRAPOL Bw müsse bis zum Ende der Einführung des Nachfolgesystems im Jahr 2022 vollständig einsatzbereit bleiben.
Der Bundesrechnungshof hält daran fest, dass schon die Beschaffung der 3 200 Reservegeräte unnötig war, weil die Bundeswehr bereits über ausreichend Reservegeräte verfügte.
(Aus privaten Gründen habe ich in diesen Tagen wenig Zeit; deshalb nur diese kurze Übersicht)
(Archivbild Mai 2012: Orion P-3C in der Antipirateriemission Atalanta in Djibouti)
@Jas: ich bezog mich darauf, dass ME-Plan zum Projektleiter wandert. Somit liegt dann die Planung, wann eine Einheit verfügbar ist, ganz in den Händen von Rü.
Jas | 13. April 2019 – 9:26
„Der InspM muss sich eben endlich mal seiner Rolle bewusst werden. Es ist nicht „seine“ Marine – er verwaltet und führt diese im Auftrag des GI für das BMVg.“
Das sehe ich anders. Als Heeresmann auch ich in bin in Bezug auf das Mehrbesatzungskonzept äußerst skeptisch, aber es ist „seine“ Marine. Verantwortung ist unteilbar. Er führt diese gemäß seinem besten Wissen und Gewissen. Verwalten sollten andere…
Und wenn er von den Auflagen des GI beharrlich abweicht, dann muss ihn der GI halt zurechtweisen oder schlimmstenfalls absetzen.
@Nur 2 Cent
Ich bin in meiner Karriere bisher 5mal mit einer Einheit in den Einsatz „abgebogen“ die eigebtlich in die Werft musste (nicht nur sollte). Da funktionierte quasi nix mehr ausser dass die Hülle von A nach B fuhr (und das selten mit allen Maschinen und Motoren die ab Werk eigentlich vorgesehen sind). War aber im Rahmen internationalem Krisenmanagements ja genug.
Ich hatte schon fliegende Systeme im Einsatz die nur durch einen stetigen Ersatzteilstrom aus der Heimat am Leben gehalten wurden und eigentlich auch nicht wirklich „fit“ waren.
Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee der Marine bei ihrer Einsatzplanung in Verbindung mit ME nicht ganz so freie Hand zu lassen wie bisher. So kann der InspM ein „geht nicht“ besser ertragen, weil er es nicht selbst Verantworten zu hat und die Systeme mal so gewartet, gepflegt und repariert werden wie es sich gehört.
@Jas | 13. April 2019 – 15:19
„Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee der Marine bei ihrer Einsatzplanung in Verbindung mit ME nicht ganz so freie Hand zu lassen wie bisher. So kann der InspM ein „geht nicht“ besser ertragen, weil er es nicht selbst Verantworten zu hat“
Ist nicht DAS große Problem unserer Zeit die Verantwortungsdiffusion?
In einem militärischen System muss derjenige die alleinige Entscheidungs- und Befehlsgewalt haben (und damit auch die Verantwortung), dem alle Teile unterstehen.
Das ist für den Einsatz einer in See gehenden Einheit nunmal der InspM.
Damit ist ja nicht gesagt, dass er machen kann, was er will. Es liegt am GI im klare Vorgaben zu machen und ihn daran zu messen.
„und die Systeme mal so gewartet, gepflegt und repariert werden wie es sich gehört.“
Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass eine Verlagerung der Einsatz- und Übungsplanung vom KdoM zum BMVg die Marine entlasten würde?!?!
@Koffer
[blockquote] Das sehe ich anders. Als Heeresmann auch ich in bin in Bezug auf das Mehrbesatzungskonzept äußerst skeptisch, aber es ist „seine“ Marine. Verantwortung ist unteilbar. Er führt diese gemäß seinem besten Wissen und Gewissen. Verwalten sollten andere…[/blockquote]
Klar [b]fühlen[/b] wir da alle anders und wollen den Insp da mehr zusprechen. Nur leider entspricht das nicht den Tatsachen. Kernauftrag der Insp der OrgBer ist das Bereitstellen einsatzbereiter Kräfte. Danach kommt sehr sehr lange nichts. Was für Kräfte, wie viele und mit welchen Fähigkeiten kriegt er top down vorgegeben.
Nochmal: Streitkräfteplanung ist Top Down, nicht bottom up und auch nicht “mid section omnidirectional” um hier mal den Insp gerecht zu werden. Vorgaben macht das Ministerium, die Inspekteure setzen um. Es hat schon seinen Grund, dass selbige seit der letzten Reform [b]nicht[/b] mehr Angehörige der ministeriellen Ebene sind.
[blockquote] Und wenn er von den Auflagen des GI beharrlich abweicht, dann muss ihn der GI halt zurechtweisen oder schlimmstenfalls absetzen.[/blockquote]
Da dies eine politische Entscheidung ist, die weder im Verantwortungsbereich oder Kompetenzbereich des GI liegt, noch dass er sie “sauber” und “skandalfrei” erklären könnte wird nicht abgesetzt sondern ausgesessen. Bis zu einem unauffälligem, plausiblen Termin.
[blockquote] In einem militärischen System muss derjenige die alleinige Entscheidungs- und Befehlsgewalt haben (und damit auch die Verantwortung), dem alle Teile unterstehen. [/blockquote]
Das ist ja mit BMin und GI gegeben…
Und überhaupt: Sobald Kräfte aus dem Übungs- und Grundbetrieb in den Einsatz wechseln, haben die Insp der OrgBer so mal gar keine “Entscheidungs- und Befehlsgewalt“ mehr. Die wechselt dann.
[Blockquote] Das ist für den Einsatz einer in See gehenden Einheit nunmal der InspM. [/blockquote]
Nein. Eben nicht für den Einsatz. Das ist er lediglich für die Bereitstellung einsatzbereiter Kräfte seines OrgBer. Oftmals sind unsere Systeme aber einsatzbezogen ablauforganisatorische Fähigkeitsverbünde (SP IKM) oder gar schon organisch so geplant (z.B. Flottendienstboote).
“Verantwortungsdiffussion” darf man nicht mit Zuweisung von Verantwortlichkeiten verwechseln.
[blockquote] Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass eine Verlagerung der Einsatz- und Übungsplanung vom KdoM zum BMVg die Marine entlasten würde?!?! [/blockquote]
So ist es doch jetzt bereits. Das Marinekommando (MarKdo – es gibt kein KdoM) bleibt verantwortlich für die Übungsplanung.
Einsatzplanung obliegt dem EinsFüKdoBw. Die Marine ist [b] Truppensteller[/b].
Nun sitzt man als InspM aber in der Falle, brav den Vorgaben zu folgen und eben seinen Auftrag (und darum gehts ja in diesem Militär) zu erfüllen. Problem ist: Obwohl der Insp nicht Teil der ministeriellen Ebene ist, bleibt sein Wirken nach oben immer politisch. Und so muss er denken. Also – Unklar melden bleibt schwierig, denn das muss er immer auch im Hause politisch verantworten. Derzeit in Teilen für Rüstung und Beschaffung (das ist sehr marinespezifisch – aber gerade an der F125 schön zu sehen – trotzdem Schwachsinn) und bei der Einsatzfähigkeit seiner Truppen. Da hat die Marine aber aufgrund ihrer geringen Größe und systemgebundenheit den Nachteil nicht unendlich intern Räubern gehen (Helden und Teile) zu können. Diese Zwickmühle führte zu den Entsendungen der letzten Jahre. Und das hat immer dazu geführt, dass eine teilkaputte Einheit geschickt wurde und immer richtig kaputt wieder kam. Das kostete mehr Geld und führte durch die längeren Ausfallzeiten zu einer signifikanten Senkung der Einsatzbereitschaft.
Leider aber ein gewachsenes System.
Jetzt schafft man dem InspM doch die Möglichkeit die Einsatzbereitschaft seiner Kräfte in klare externe Rahmenparameter zu setzen. Jetzt kann er sagen: No can’t do Ma’am – da ist das Schiff in der Werft. Planung ist so vorgegeben. Müssen SIE oder andere entscheiden (und Verantworten) wenn sie ne kaputte Einheit trotzdem schicken wollen.
Da würde ich als InspM auch Beifall quatschen.
@Jas | 14. April 2019 – 11:00
Sie und ich haben offensichtlich komplett andere Vorstellung davon wofür Vorgesetzte da sind, wie Streitkräfte gegliedert sein sollten und wo die Fehler in unserem heutigen System liegen.
@Jas: Danke für die schöne Darstellung von „Verantwortungsdiffusion durch klare Zuweisung von Teilverantwortung“. Der InspM schiebt es dann auf den PL der Klasse im BAAINBw, der schiebt es auf LogZBw (Mat) und BKdo (mangelnde PME), alle zeigen dabei vorsorglich vorwurfsvoll auf BAPersBw (unbesetzte DP, Soldatenarbeitszeitverordnung).
@Jas
„Nur leider entspricht das nicht den Tatsachen.“
Ja, Wunsch und Notwendigkeit sind weit auseinander.
„Kernauftrag der Insp der OrgBer ist das Bereitstellen einsatzbereiter Kräfte.“
…..und schon das kann er nicht, weil er auf die dazu notwendigen Ressourcen zT keinen Zugriff hat und ihm ein Teil seiner Planung durch laufende Entscheidungen und Einsätze durchkreuzt wird.
„Danach kommt sehr sehr lange nichts. Was für Kräfte, wie viele und mit welchen Fähigkeiten kriegt er top down vorgegeben.“
Das ist so nicht ganz richtig, denn die Vorgabe beruht auf Vorschläge der Inspekteure und die anschließende Priorisierung läuft in den TSK/Org Bereichen.
„Nochmal: Streitkräfteplanung ist Top Down, nicht bottom up und auch nicht “mid section omnidirectional” um hier mal den Insp gerecht zu werden.“
Wenn das nicht so ist, wird es Zeit es so zu regeln.
Um eine bestimmte Wirkung in einem bestimmten Raum, Zeit un Umfang zu erreichen benötige ich x Wirkmittel und x Platformen mit x Personal, x Mat, x Infra und x Logistik.
Der Rest darüber ergibt sich daraus, so läuft die Planung, die Umsetzung beginnt dann im Kdo/Amt und endet beim Klopapier.
“ Vorgaben macht das Ministerium, die Inspekteure setzen um.“
Ja, aber eben nach einem mehr oder weniger guten Planungsprozess. Der von TdM war zu kurz und unsauber geplant.
„Es hat schon seinen Grund, dass selbige seit der letzten Reform nicht mehr Angehörige der ministeriellen Ebene sind.“
Es spielt keine Rolle wessen Teil sie sind, wichtig ist, dass Verantwortung, Entscheidungsbefugnis und Kompetenz gebündelt sind.
@ Nur 2 Cent: und was heisst das jetzt bitte auf Zivilistendeutsch?? Nicht jeder Leser dieses Blocks hat Jahrzehnte bei der BW verbracht!!
@TW
Falls ich damit gemeint bin („was Tetrapol eigentlich ist“ etc), keine Sorge, ich weiß schon was ich da schreibe.
@0815
1000 Liter und 3500 Liter. Und dass ich da verwundert reingeblickt habe, ist nicht lange her.
Hmm, mal ohne Abküfi: Der Inspekteur der Marine schiebt es dann auf den Projektleiter der Schiffsklasse im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, der schiebt es wegen mangelhafter Materialbewirtschaftung auf das Logistikzentrum der Bundeswehr und wegen mangelhafter Pflege und Wartung auf die Besatzungen, alle zeigen dabei vorsorglich vorwurfsvoll auf das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr wegen unbesetzter Dienstposten und der Soldatenarbeitszeitverordnung.
Bonus: das Logistikzentrum der Bundeswehr zeigt vorwurfsvoll wieder zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, weil für das einzelne Material jeweils einzelne Gerätebearbeiter (= Geräteprojektleiter) überall verstreut sitzen und bemängelt die fehlerhaften Stammdaten und die ungenauen Planzahlen. Warum soll der Logistiker auch nur vermuten, dass für die Dieselmotoren der Bundeswehr mehr als zwei Einspritzdüsen pro Jahr benötigt werden; ist ja nur eine weitere Bestellnummer…
Resultat: Alle machen ihres richtig und insgesamt kommt trotzdem nix bei rum. Das hat man davon, wenn die Spitzenstellen mit Kästchenmalern ohne direkten Bezug zur Realität besetzt sind.