Neues Design für die Bundeswehr: Polygon für alle
Die Bundeswehr stellt ihren öffentlichen Auftritt um. Das neue Corporate Design der deutschen Streitkräfte, das ab dem 10. April eingeführt werden soll, orientiert sich in weiten Teilen an dem bisherigen grafischen Auftritt der Nachwuchswerbung: Zentrales Element wird das so genannte Tarnpolygon, eine grafisch verfremdete Flecktarn-Variante, die künftig für alle Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche die Grundlage bilden soll. Das Eiserne Kreuz als Logo der Bundeswehr wird beibehalten, allerdings mit einem veränderten Schriftzug und künftig ohne den dazu gestellten Claim Wir.dienen.Deutschland .
Wir sind eine Bundeswehr, begründete Generalinspekteur Eberhard Zorn die Einführung des grüngrundigen Tarnpolygons für alle in einem Interview für ein Magazin, das das Verteidigungsministerium eigens zum Start des neuen Designs in hoher Auflage für die Truppe und die Zivilbeschäftigten produzierte.
Angesichts einer zunehmend komplizierteren Struktur der Streitkräfte müsse die Bundeswehr nach innen Unterscheidbarkeit zulassen, aber nach außen erkennbar sein: Wir sind nicht irgendein Arbeitgeber – nein, wir sind das Polygon, Tarnung, Flecktarn. Damit sind wir wiedererkennbar, modern und zukunftsfähig aufgestellt.
Das neue Erscheinungsbild wurde von der Agentur Castenow entwickelt, die bereits für die Nachwuchswerbung der so genannten Arbeitgebermarke Bundeswehr arbeitet. In dem Magazin zum künftigen Corporate Design erklärt sie ihren Ansatz:
Eine Marke ist das, was ein Unternehmen einzigartig macht und von der breiten Masse abhebt. Sie ist Vertrautes und Versprechen zugleich; sie vermittelt eine Haltung oder ein Lebensgefühl. Das gilt nicht nur für Marken wie Nivea, Bosch und Lufthansa, sondern auch für die Bundeswehr, selbst wenn das vielen vielleicht noch ungewöhnlich erscheint.Der Auftrag der Bundeswehr ist eindeutig: Sie garantiert seit über 60 Jahren unsere Sicherheit. Aber sie ist noch viel mehr: Die Bundeswehr ist einer der größten Arbeitgeber und Ausbilder Deutschlands.
Für die Marke Bundeswehr bei jungen Menschen zu werben, ist seit Aussetzung der Wehrpflicht unverzichtbar geworden.
Wesentliches optisches Identifizierungsmerkmal soll auch künftig – neben dem vor allem als Hintergrund eingesetzten Polygon – ein grafisch überarbeitetes Eisernes Kreuz mit einem neu gestalteten Schriftzug sein. Die Anpassung klingt im Grafikerdeutsch so:
Der größere, weiße Freiraum zwischen Kontur und Kreuz sorgt für Offenheit und Transparenz. Zusätzlich gewährleistet der größere Freiraum einen besseren Kontrast bei einer kleinen Logodarstellung. Die Proportionen im Logo sind jetzt ausgewogener und das Kreuz als Bildmarke wird präsenter. Durch das neue Größenverhältnis zwischen Bild (Kreuz) und Wort (Bundeswehr) wirkt das Bundeswehr-Logo insgesamt quadratischer. (…) Die Farben wurden ebenfalls aktualisiert. Der Blauton wirkt nun moderner und weniger satt. Der Grauton wurde in seiner Intensität und Helligkeit harmonisch zum Blau angepasst.
Dabei wurde der Schriftzug Bundeswehr nicht nur auf Großbuchstaben umgestellt: Er ist in der Schriftart BundesSans gehalten, die von allen Ressorts der Bundesregierung für Produkte der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wird. Diese Schriftart wird über das Wort Bundeswehr hinaus die Optik des öffentlichen Auftritts bestimmen.
Auch wenn das Tarnpolygon mit seiner Anlehnung an das Fünffarb-Flecktarnmuster und damit in Assoziation zu Landstreitkräften das optisch bestimmende Merkmal wird, sollen die einzelnen Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche mit zugeordneten Farben voneinander optisch abgegrenzt werden. Dafür sind für das Heer ein dunkles Grün, für die Luftwaffe ein helles und für die Marine ein dunkles Blau vorgesehen. Die Streitkräftebasis wird wie schon bisher Ocker als Farbton verwenden, der Sanitätsdienst rot und das Kommando Cyber- und Informationsraum einen graugrünen Farbton.
Die Reaktion aus den Teilstreitkräften wird interessant – zum Beispiel, wie es Marine und Luftwaffe finden, wenn auch ihre Druckerzeugnisse bis hin zur Visitenkarte des Inspekteurs auf der Rückseite raumfüllend das Flecktarn-Polygon tragen. Und natürlich die erwartbare Frage, ob denn die Bundeswehr keine anderen Probleme habe, zum Beispiel beim Material. Darauf ging der Generalinspekteur in dem Interview der Design-Broschüre ebenfalls ein: Es ist wie bei allem, die Gesamtschau über die Dinge zählt. Es nützt mir nichts, wenn ich nur das Gerät betrachte und kein Personal dazu habe. Um Personal zu gewinnen, brauche ich eine vernünftige Arbeitgebermarke und einen attraktiven Gesamtrahmen.
Die Bundeswehr als Marke – dazu hat Bettina Fetzer natürlich eine Meinung. In einem Interview im Corporate-Design-Magazin wird die Vice President Marketing Mercedes-Benz Cars nicht nur zum neuen Auftritt der Streitkräfte befragt, sondern auch dazu, wie Mercedes-Benz so stark in den Medien präsent wurde. Ihre eigentlich recht einfache Antwort: Die Basis sind hervorragende Produkte, die vermehrt auch neue und jüngere Käuferschichten ansprechen, und eine faszinierende Markenwelt, die die Menschen rund um den Globus fasziniert und begeistert. Mit so einer Grundlage kann man natürlich sehr gut arbeiten.
Eines noch: das Polygon lässt sich mit heutigen Grafikprogrammen natürlich blitzschnell vom Heeresgrün auf jeden anderen Farbton umstellen. So was wie die Hot Pink-Variante zum Frauentag am 8. März soll aber die Ausnahme bleiben.
(Grafiken: Bundesministerium der Verteidigung)
Auf das „Wir sind eine Bundeswehr“ schoss mir ganz spontan der Antwortslogan durch den Kopf, den ich gar nicht verhindern konnte und den auch angesichts der aktuellen (Fehl-)Entwicklungen viele im Bekanntenkreis vor Augen haben werden: „Na, und was für eine!“
Und das Polygonmuster als Sinnbild nur einer einzigen ehemaligen TSK, heute eines OrgBereichs, dem die anderen ehemaligen TSK günstigstenfalls reserviert, teilweise mit innerem Abstand gegenüberstehen und von dem auch die neuen OrgBereiche sich gewiß gerne abgrenzen würden, zeigt eher, dass ähnlich wie mit dem Überstülpen des Begriffs „Armee“, also einer Bezeichnung zunächst für lediglich eine Untergliederung der Landstreitkräfte (z.B. „6. Armee“ seinerzeit) und heute allenfalls für die gesamten Landstreitkräfte eines Landes gebräuchlich (z.B. US-Armee als Übersetzung für „Army“, neben Air Force oder Navy) über die gesamte Bundeswehr mehr und mehr das Heer stellvertretend für die Bundeswehr seitens der Politik und Medien wahrgenommen wird.
Dem hätte man beizeiten entgegenwirken müssen, denn das ist ist für die Wahrnehmung der Bundeswehr als komplexe Organisation, die weit über die Landstreitkräfte hinaus geht, überhaupt nicht zuträglich.
Ich finde, das hätte man besser machen können, dem Hype unkritischer Jugend für Flecktarnmode zum Trotze. Bis das Logo überall eingeführt ist, dürfte die Begeisterung der Jugendlichen für die Flecktarnmode längst der Vergangenheit angehören, und dann hinkt die Bundeswehr, wie so oft, dem Zeitgeist einmal mehr hinter.
@Chrissie | 01. April 2019 – 8:00
Kurzer Hinweis am Rande: Heer, Lw und Marine sind natürlich auch weiterhin „TSK“ :)
Zitat Aufklärer
„Dass das Polygon überhaupt so dominierend verwendet werden soll – und nicht Eisernes Kreuz/Claim etc. -, liegt genau an den Erwartungen der jüngeren Zielgruppen. Zum großen Erstaunen vieler Älterer ergab eine repräsentative Erhebung vor der Entscheidung über die Gestaltungselemente, dass jüngere Menschen inzwischen mit den grünen Polygonen häufiger „Bundeswehr“ verbinden als mit dem Eisernen Kreuz.“
Da würde mich interessieren, woher diese Erkenntnis kommt. Weil auf Instagramm Sportkameradinnen und -kameraden in dem Nachwuchswerbungs-Polygonshirt pausenlos posieren?
Mich erinnert das Polygonmuster übrigens entfernt an Splittertarnmuster. So eines nutzen die schwedischen Streitkräfte mit dem M90. Nicht daß sich die Interessentinnen und Interessenten bei der falschen Streitmacht bewerben…
Alle Design-, Werbe- und Marketingexperten hier wieder mal versammelt! ;-)
Über Geschmack lässt sich (zumal in den Streitkräften) eben trefflich streiten. Oder man kann Pre-Tests machen, was laut #Aufklärer (31. März 2019 – 12:57) ja auch geschehen ist. Manchmal muss man sich eben eingestehen, dass man offensichtlich nicht DIE Zielgruppe ist.
Doch an die Troupiers gerichtet: Wenn ihr euch um das Flecktarn auf den Uniformen der Soldatinnen und Soldaten kümmert, d.h. sie gut ausbildet und mehr noch dazu beitragt, dass sich in deren Köpfen keine wirren antidemokratischen Vorstellungen breit machen, dann leistet ihr mehr für das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit als jedes noch so ausgefeilte Design-Manual.
Das erinnert an die Szene aus „Per Anhalter durch die Galaxis“, wo die Überlebenden der Arche B auf der Erde die „Arbeitsgruppe Rad“ gründen, die als erstes Ergebnis ein viereckiges Rad präsentieren, sich aber nicht über die Farbgebung einigen konnten…..
@Christoph | 01. April 2019 – 10:32
„Alle Design-, Werbe- und Marketingexperten hier wieder mal versammelt“
:)
„Oder man kann Pre-Tests machen, was laut #Aufklärer (31. März 2019 – 12:57) ja auch geschehen ist. Manchmal muss man sich eben eingestehen, dass man offensichtlich nicht DIE Zielgruppe ist.“
Ja und nein.
Da es jetzt ja nicht mehr nur der personalwerbliche Auftritt ist, sondern das allgemeine CD/CI betrifft es natürlich alle. Auch und gerade die Aktiven für die Aussen- und auch die Binnenwirkung der Selbstdarstellung der Bw Teil ihres täglichen Dienstes ist.
Und zu einem gewissen (!) Teil trifft es sogar den normalen Bürger, denn die Bw ist ja auch seine Armee…
@Koffer
Nein. Sind sie nicht mehr. Der Begriff TSK/milOrgBer wurde zugunsten der einheitlichen Begrifflichkeit Organisationsbereich (OrgBer) ersetzt.
Die aktuelle Seite BMVg.de für die „Organisation der Streitkräfte“ listet TSK ( H, Lw, Mar) UND OrgBer (SKB, SAN, CiR) auf.
https://bw2.link/G8VIB
Danke, haben wir das auch geklärt und brauchen den Streit, ob es TSK, OrgBer oder beides oder keines von beiden gibt, nicht weiter zu vertiefen.
besser als Thomas Althoff | 30. März 2019 – 12:25 kann man es einfach nicht ausdrücken.
Wenn Sie schreiben
„Hier geht es doch gar nicht um Personalwerbung, sondern vielmehr, dass sich das allgemeine CD/CI der Bw dem der Personalwerbung anpasst.“
dann geht es eben doch um die Verknüpfung von Aufgabe, Werbung und vllt. einem CI/CD. CI kommt davon, dass man sich mit dem „Unternehmen“ Bundeswehr auch mit dem Auftritt identifiziert.
Aber die Personalwerbung deutet m.M.n. in die falsche Richtung. Und damit ist auch das CI/CD fehl am Platze.
Just my 2 Cents
Wer sagt denn, dass der Ausspruch des GI „Wir sind eine Bundeswehr“ nicht eine Freudsche Fehlleistung anlässlich der Zersplitterung der Bw war ?
Dazu würde dann auch das Polygon-Motiv passen:
„Viele Ecken und Kanten des Symbols, aber trotzdem eine geschlossene Fläche, ein gemeinsames Ganzes!
Zitat Christian (1. April 2019, 10:32): „Doch an die Troupiers gerichtet: Wenn ihr euch um das Flecktarn auf den Uniformen der Soldatinnen und Soldaten kümmert, d.h. sie gut ausbildet und mehr noch dazu beitragt, dass sich in deren Köpfen keine wirren antidemokratischen Vorstellungen breit machen, dann leistet ihr mehr für das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit als jedes noch so ausgefeilte Design-Manual.“
…und damit letztlich auch mindestens genau so viel für eine nachhaltige Nachwuchsgewinnung wie jede knallbunte Knalla-Balla-Insel-der-Glückseeligen-Show in den sozialen Medien.
Und da ist auch schon gleich die neue corporate identity zu sehen:
http://www.spiegel.de/karriere/bundeswehr-nutzt-stellenabbau-bei-ford-fuer-jobwerbung-a-1261279.html
[Nee, bei der Nachwuchswerbung ist das Design schon lange in Gebrauch. T.W.]
Kann mal bitte jemand den Werbefutzis sagen, daß ein eisernes Kreuz SCHWARZ ist? Stört mich schon seit Jahren!
Die „Werbefutzis“ haben gute Gründe kein Schwarz zu benutzen bzw. Alternativen bereitzustellen. Aber was wissen die schon von ihrem Beruf. /s
Ergänzend zum Beitrag hier auch einmal der Link zur Seite der Bundeswehr,
dort befindet sich auch eine weitergehende Broschüre zum Download.
https://bit.ly/2UauhfA
@Georg
Stimmt, wenn man das jetzt explizit betonen muß („Wir sind eine Bundeswehr“) war es wohl mit der TSK-/MilOrg-übergreifenden Kohäsion nicht weit her.
Neben der üblichen Frotzeleien und dem eigenen Waffenstolz ist mir das bisher gar nicht aufgefallen, aber vielleicht fehlt mir dazu auch das Problembewußtsein ^^
„Der größere, weiße Freiraum zwischen Kontur und Kreuz sorgt für Offenheit und Transparenz.“ – Also jetzt auch in der Berateraffäre, dem Untersuchungsausschuss und den sonstigen Merkwürdigkeiten oder nur im Logo?
„Rotes Kreuz“ bzw. „Schweizerfahne“ als Icons für den Sanitätsdienst? Wenn das keine Probleme gibt …