US-Verteidigungsminister Mattis geht: Andere Ansichten zu Bündnissen als der Präsident

Vor gut zwei Jahren, nicht lang nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump, unterhielt ich mich mit einem in Deutschland stationierten hochrangigen US-Offizier über die erwartbaren Auswirkungen des neuen Präsidenten auf die Sicherheitspolitik der USA. Das werde schwierig, räumte mein Gesprächspartner ein, verwies dann aber auf den Ex-General und Verteidigungsminister Jim Mattis im Kabinett: We have an adult, wir haben einen Erwachsenen an der Spitze, der das schlimmste verhindern werde.

Dieser – letzte? – Erwachsene an der Regierungsspitze in Washington hat in der vergangenen Nacht seinen Rücktritt erklärt.

Der komplette Brief von James ‚Jim‘ Mattis ist auf der Pentagon-Webseite nachzulesen*, und das Alarmierende daran: Die Entscheidung des Präsidenten, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen, mag den Ausschlag für Mattis‘ Entscheidung gegeben haben – die Gründe liegen tiefer.

Ausdrücklich verweist der scheidende Verteidigungsminister darauf, dass aus seiner Sicht die USA auf das System der Bündnisse und Partnerschaften angewiesen seien, das über die vergangenen Jahrzehnte aufgebaut wurde: While the US remains the indispensable nation in the free world, we cannot protect our interests or serve that role effectively without maintaining strong alliances and showing respect to those allies. Die Unterstützung der Verbündeten sichere letztendlich auch die USA.

Seine grundlegenden Ansichten, so heißt es recht deutlich in dem Rücktrittsschreiben, seien offensichtlich mit denen des Präsidenten nicht in Übereinstimmung – und der habe natürlich ein Recht auf einen Verteidigungsminister, der so denke wie er.

Bis zum angekündigten Ende von Mattis‘ Amtszeit am 28. Februar kommenden Jahres haben die Verbündeten jetzt Zeit herauszufinden, was dann auf sie zukommen könnte. Der Abzug aus Syrien ist bereits verkündet; nach US-Medienberichten ist darüber hinaus geplant, die Zahl der US-Truppen in Afghanistan von bislang rund 14.000 zu halbieren. Für die Länder, die in Koalitionen oder, wie in Afghanistan, in der NATO gemeinsam mit den USA im Einsatz sind, wird das tiefgreifende Folgen haben.

Aus europäischer und deutscher Sicht wird aber die spannendste Frage, wie sich das auf das militärische US-Engagement in Europa auswirkt. Ungeachtet der ständigen Vorwürfe Trumps an die europäischen NATO-Länder, sie würden ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, haben die USA ihre Präsenz in Europa in den vergangenen Jahren deutlich aufgestockt – im Gleichklang mit diesen europäischen Partnern.

Ob nun dieses Engagement im Umfang verändert wird, oder ob die bislang abgestimmte Art des Engagements bleibt, das wird Auswirkungen haben. Schon das Drängen Polens, die USA sollten doch statt vor allem in Deutschland lieber mit Masse in Polen dauerhaft präsent sein, war bislang aus rationalen Erwägungen nicht besonders erfolgreich: Eine Verschiebung der US-Infrastruktur von Deutschland (zum Beispiel der Truppenübungsplatz Grafenwöhr) nach Osten wäre wirtschaftlich unsinnig und militärisch nicht besonders sinnvoll. Und darüber hinaus eine Erklärung auch der amerikanischen Seite, dass die NATO-Russland-Grundakte obsolet wäre (die die USA ungeachtet aller Kritik bislang respektiert haben).

Die Frage bleibt jetzt, wie – aus außen- und sicherheitspolitisch gesehen – rational die weiteren Entscheidungen des US-Präsidenten und seiner Regierung ausfallen. Wäre man als Europäer nicht selbst betroffen, könnte man sich schon mal Popcorn holen.

*Da nicht sicher ist, ob/wie lange Mattis‘ Rücktrittsschreiben auf der Pentagon-Webseite verfügbar bleibt, hier als pdf-Datei:
20181220_Mattis_DoD_Ruecktrittsschreiben

(Archivbild: Mattis und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 – Foto MSC/Mueller)