Kurzzeitiger Pseudo-Streit um Soldaten-Altersgrenze: Showtime oder Versuchsballon?
Das war doch ein richtiger Aufreger, heute am Samstagnachmittag: Im Bundesfinanzministerium, so berichtete der Spiegel, wird eine Anhebung der Altersgrenze für Soldaten gefordert. Das sorgt für den erwartbaren Protest, selbst der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion spricht sich dagegen aus, und am Ende gibt es so eine Art Dementi des Finanzministers. Es bleibt nur die Frage: War das inszenierte Showtime – oder schlicht ein Versuchsballon?
Die Abfolge, mal der Reihe nach:
• In den Beratungen der beteiligten Ministerien über das geplante Bundeswehreinsatzbereitschaftsstärkungsgesetz (was für ein Wort…), das die Attraktivität und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr verbessern soll, gibt es eine Stellungnahme des Finanzministeriums. Vermutlich nur auf der Fachebene, zu dem Zeitpunkt ohne Beteiligung der politischen Spitze des Ressorts. Darin der Vorschlag – oder auch: die Forderung – einer Anhebung der Altersgrenze für Berufssoldaten.
• Die Stellungnahme wird dem Spiegel zugespielt. Der spitzt das noch ein bisschen zu – aus den tatsächlich knapp 53.000 Berufssoldaten werden rund 170.000, weil die Gesamtzahl der Zeit- und Berufssoldaten verwendet wird und nicht die der von einem solchen Vorschlag Betroffenen. Außerdem zitiert der Spiegel eine ablehnende Stellungnahme des Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes – damit wirkt das Papier aus dem Finanzministerium noch authentischer.
(Nachtrag: Der Bild am Sonntag wurde es anscheinend ebenfalls zugesteckt, doppelt hält besser)
• Die absehbare aufgeregte Debatte beginnt, und auch der verteidigungspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag geht via Twitter auf Distanz zum SPD-geführten Finanzministerium: Das stehe nicht im Koalitionsvertrag, sei auch sonst nicht vereinbart und mit der SPD-Fraktion nicht zu machen.
• Ein paar Stunden später gibt’s vom Finanzministerium eine Art Dementi: Minister Olaf Scholz halte von dem Vorschlag nichts und unterstütze ihn nicht, und im Ministerium würden immer wieder verschiedene Vorschläge zur Diskussion gestellt. Das sagt ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings auch ausschließlich der, danach ist die Pressestelle des Ministeriums nicht erreichbar. Es könnte ja jemand noch detaillierter nachfragen.
Das war’s, Thema durch. Ergebnis und Siegerehrung: Eine Erhöhung der Altersgrenzen für Berufssoldaten steht derzeit nicht zur Debatte. Da liegt die Vermutung nicht fern, dass genau das beabsichtigt war. Am Ende bleibt nur die Frage, wer diesen Spuk inszeniert hat.
Ein Schuss aufs Geratewohl ins Blaue ungeklärter Parteiführung der CDU und Neubewertung der Sozialvorsorge (Hartz IV ablösen) von Nahles bis Die Linke.
Motto: „Mal abwarten wer sich in welche Richtung bewegt“, die innenpolitischen Zeiten sind volatil. Es kann also „Feuer herausgelockt werden“ was zur Preisgabe der Gegenposition führen kann.
Dass aus dem BMF derart direkt Militär angegangen wird, wenige Tage nach Durchwinken erhöhter Finanzansätze im VgAussch, dann ohne Kenntnis/wohlwollendem Abnicken des Vizekanzlers, glaubt an den Weihnachtsmann.
[Auch der Weihnachtsmann sollte sich an die Fakten halten: Laut Spiegel stammt das Papier vom 24. Oktober, also deutlich vor dem, wie sie es nennen, Durchwinken erhöhter Finanzansätze im VgAussch (tatsächlich war der Beschluss des Haushaltsausschusses entscheidend). T.W.]
Oh nein, wir sollen doch nich etwa spekulieren? Vorschlag: Anruf bei SPON ;-) Spass bei Seite, es ist doch nur gut, dass es nun Klarheit gibt. Und nach meiner Kenntniss war diese Stellungnahme doch schon länger im Umlauf und hat einige im BMVg leicht nervös gemacht. Somit alles gut, ich leg mich wieder hin ;-))
@KPK:
Kleiner Hinweis, da es da wohl weiterhin ein Missverständnis gibt:
Der Haushaltsausschuss hat nicht höhere Finanzansätze „durchgewunken“ , sondern die Prioritäten innerhalb des unveränderten Finanzrahmens verändert (siehe die Diskussion hierüber vor wenigen Tagen: https://augengeradeaus.net/2018/11/aufgestockter-verteidigungshaushalt-soll-grosse-ruestungsprojekte-ermoeglichen/).
Da kann ich nur zustimmen, wenn das tatsächlich aus dem Haus geht ohne dass der Herr Finanzminister davon weiss, bringt die neuen Soldaten auch der Klapperstorch!
Insgesamt passt das zwar zu dieser Regierung und der bisher abgelieferten Arbeit, man sollte halt trotzdem bedenken wem man gerade mit voller Wucht wohin tritt. Unseriös ist noch das harmloseste das mir dazu als Umschreibung einfällt. Hauptsache bei „Europaarmee“ auf dicken Hosenanzug machen…
Gibt es eigentlich diese sagenumwobene Richtlinienkompetenz? Wenn ja, dann sollte eine gewisse Kanzlerin mal in sich gehen und den Geldverwalter mal fragen, wie er sich eine Bundeswehr so denkt….falls das nicht auch so etwas wie diese sehr flexibel auslegbare Sicherheits- Garantie einer Stadt im Norden Deutschlands zum G20 Gipfel ist. Damit hat der Herr ja Erfahrung….
[So nicht, sachfremd von der Seite zutreten ist nicht. T.W.]
Also, dass deutsche Sportabzeichen können auch über 90 jährige ablegen, damit wären sportliche Leistungsvergleiche schon mal bis ins hohe Alter abgesichert.
Ansonsten ist der Mist sicher bei irgend welchen Beratern gewachsen.
Und als nächstes kommt die Idee, die Wiedereinführung der Wehrpflicht bis ins 70. Lebensjahr
Manchmal befremden mich SPON Artikel genauso, wie dauerhaft von BILD.
Man scheint beim Spiegel zu sehr selber Politik machen zu wollen.
Mehr will ich jetzt nicht sagen… Ausser das ich gespannt bin, was der Spiegel nochmal nachrecheriert…
Die von Wörner so bezeichnete ‚Knackigkeitsgrenze‘ ist meines Wissens nie fachlich unterlegt worden. Ich z.B. habe bis 63 gedient, ohne dass ich darunter gelitten hätte :-)
Und die meisten meiner Oberstaber und Hauptleute FD konnten eigentlich auch nicht einsehen, warum sie so früh gehen sollten. Aber – zugegeben – das war in einem Amt. Das mag, nein, das wird in der Truppe anders aussehen.
Aber das Argument, dass die Menschen immer älter werden und das bei guter Gesundheit, ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen.
Und wenn die Bw dann auch noch hingehen würde und ihren Anspruch auf körperliche Fitness über die gesamte Dienstzeit und auf allen Dienstposten durchsetzen würde, stünde einer maßvollen Anhebung der besonderen Altersgrenzen nichts im Wege.
NB: für SanOffz gab es die besonderen Altersgrenzen nie (wegen Mangel), die mußten immer bis zum ‚bitteren Ende‘ dienen.
Verstehe zwar die Aufregung, aber nicht den Auf reger.
Aus Sicht BMF ist das doch ok und folgerichtig.
Leider Gift für die Einsatzbereitschaft der Armee – noch mehr Alte. Das ist keine Diskriminierung sondern einfach eine Feststellung, dass man ab 40 nicht mehr ins Feld gehört. Und dafür sind Soldaten nun mal da – nicht zur Selbstverwaltung.
Und solange BMVg meint, Soldaten sind auch nur Beamte, ändert sich auch nix.
Also in Wahrheit ein systemisches Problem – nicht im BMF.
Kommen sich die alten Soldaten mit über 33 Jahren Dienstzeit nicht langsam verarscht vor?
Zuerst verschwindet das Dienstzeitende (Sang- und Klanglos) von den Gehaltsbescheinigungen, anschließend stellt man heraus das das Dienstzeitende nur in der EDV oder auf der Kommandierungsverfügung geschrieben steht.
Die dort oben sollen ruhig diejenigen, die Lebtag in Stäben und sonstigen Ämtern / Behörden verbracht haben bis 62+ halten. Bitte aber diejenigen, die seit mehr als 3 Jahrzehnten draussen am Mann / Frau dienen, davon „raus“ lassen!
Ich frage mich angesichts solcher Umstände, ob da oben im Management des Staates jeder machen kann was er will ? Und ich meine ganz bewußt Management.
Sehr geehrter Herr Wiegold, auch wenn ich es wahrscheinlich etwas drastischer formuliert habe, in der Sache denkt offenbar der ehemalige Generalinspekteur Kujat in derselben Richtung. Im WO Beitrag von heute heisst es:
„Ohne die Bereitschaft, dauerhaft die notwendigen Mittel für die europäische Sicherheitsvorsorge bereitzustellen, bleiben jedoch alle Überlegungen im Hinblick auf die Selbstbehauptung oder gar „eigenständige“ militärische Fähigkeiten zur Verteidigung Europas fruchtlose Gedankenspiele.“
Diese mangelnde Bereitschaft, in Sonntagsreden erklärte Ziele und Absichten auch in die Tat umzusetzen, kreide ich in der Tat dieser Regierung an.
Aber das ist nur meine Meinung, es ist ihr Blog, also nichts für ungut, falls sie sich angegriffen gefühlt haben.
[Ich wüsste nicht, dass Kujat über einen Politiker wegen eines ganz anderen Ereignisses, das nichts mit den Themen hier zu tun hat, hergezogen hätte? Und darum ging es ja. T.W.]
Bin noch recht neu hier. Ich finde es interessant, dass die Berichterstattung hier erst da losgeht, wo der Großteil der Presse aufhört.
Danke dafür, teilweise auch recht lustig geschrieben:
„Bundeswehreinsatzbereitschaftsstärkungsgesetz (was für ein Wort…), das die Attraktivität und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr verbessern soll“
Ich würde mal behaupten, wer so ein Wort erfindet hat von Attraktivität nichts verstanden
@0815
Die Diskussion existiert für BO41 seit mindestens 16 Jahren.
Genauso lange windet sich das Ministerium bei Anfragen von Abgeordneten oder Journalisten zu den Flugstunden (180h, 150h, 130h?) der Jetpiloten oder der materiellen Einsatzbereitschaft.
@ nikom: „Und wenn die Bw dann auch noch hingehen würde und ihren Anspruch auf körperliche Fitness über die gesamte Dienstzeit und auf allen Dienstposten durchsetzen würde, stünde einer maßvollen Anhebung der besonderen Altersgrenzen nichts im Wege.“ … Stellt sich dann nur die Frage, was macht man mit Soldaten, die (unverschuldet) eben diese verloren haben????
Diese als dienstunfähig zu entlassen mit entsprechenden finanziellen Ansprüchen ist sicher auch nicht im Sinne des BMF. und für „Neukunden“ gleich mal die Klausel einbauen, dass bei nicht mehr vorhandener körperlicher Leistungsfähigkeit der Vertrag einfach endet … ist eine Möglichkeit, aber nicht gerade attraktiv.
Länger dienen … ja bitte gerne, aber eben nicht überall.
@ auslandsdiener: „dass man ab 40 nicht mehr ins Feld gehört. Und dafür sind Soldaten nun mal da – nicht zur Selbstverwaltung“
Ob wir mit zivilen „Verteidigungsbeamten“ (könnte man ja dann als Alternative für nicht mehr so fitte Soldaten erfinden) wirklich besser dran sind und eine bessere „Wertschöpfung“ haben, kann man sicher trefflich diskutieren.
Außerdem sei angemerkt, dass die in den Artikeln benannten Altersgrenzen tatsächlich die Extremvarianten sind, die teilweise sowieso schon fast Geschichte sind (z.B. haben eine Menge BO41 zu dieser Thematik Post bekommen).
@Wetzelsgruen | 18. November 2018 – 16:35
Schön, das mal wieder ein Mitglied der (ehemaligen) Generalität aus dem Busch kommt./sarc
Das sind mir die Liebsten. Jahrelang in höchster Besoldungsstufe und Verantwortung wegducken und dann als Pensionär sein Gewissen und die Weisheit entdecken. Warum hat er keine Veränderungen angestoßen, als er die Möglichkeit dazu hatte?
Diese Leute gehen mir mittlerweile gehörig auf den Senkel.
Durch welche Umstände er auch immer gezündet wurde, aus meiner Sicht ein klassischer Testballon. Würde mich nicht wundern, wenn dieser direkt aus dem Fenster des BMVg zu Herrn Gebauer auf den Schreibtisch geflogen ist.
Klar ist doch, dass sich das BMVg (die Ministerin) weiterhin davor drückt, eine offene Kommunikation mit Zahlen, Daten, Fakten im Bezug auf die Verschiebung von BAG in Richtung AAG. Zu groß dürfte die Angst vor dem Echo der Truppe und den Verbänden sein. Da lässt man (Frau) das militärische Personal lieber weiterhin mit dem ungewissen im Regen stehen und schaut sich die Reaktion auf dieses Papier an.
Fürsorge für unterstelltes Personal war gestern, heute zählt einmal mehr der politische Machterhalt.
Ich denke, langfristig werden sich die Berufssoldaten dem nicht entziehen können, wesentlich länger zu dienen, wenn andere Arbeitnehmer bis 65 oder darüber hinaus beschäftigt werden müssen, um das Rentensystem nicht kollabieren zu lassen. In Stäben, Ämtern, Schulen etc. gibt es ausreichend Dienstposten, um diejenigen, die körperlich nicht mehr in der Lage sind, in der Truppe zu kämpfen, mit ihrer Erfahrung gewinnbringend verwenden zu können. Dazu müsste es für besonders belastende Einsätze, Seefahrt, Fliegerei usw. anteilige ZEITGUTSCHRIFTEN geben, die eine vorgezogene Zurruhesetzung ohne Pensionskürzung möglich machen. Bin mir jedoch sicher, dass den „Personalern“ soviel Flexibilität nicht schmecken wird.
Nur eine kurze Randbemerkung:
In Zeiten von zunehmenden „seiten- und Wiedereinsteigern“ sollte man sich mal Gedanken darüber machen inwiefern der „Gerechtigkeitsgrundsatz“ beachtet wird, wenn selbige nach 30 Jahren Dienstzeit in Ruhestand gehen im Vergleich zum Kameraden der dann 45Jahre gedient hat….
Ggf. sollte man die Pensionsansprüche eben an Dienstzeiten und nicht an Altersgrenzen binden… Analog dem frz. System könnte man dann „zusätzliche“ Dienstzeiten über Auslandseinsätze u.ä. erwerben – dann würde das vom Bw-Verband verkaufte „doppelte Anrechnung von Dienstzeiten“ dann auch tatsächlich greifen und für ALLE einen Mehrwert darstellen.
@ PioFritz
Da stimme ich Ihnen zu, möchte aber den Gedanken weiterführen. Die militärische Lageeinschätzung ist nur die eine Seite, Politiker tragen aber zum Beispiel im Verteidigungsausschuss exklusive Verantwortung für die Bundeswehr. Daher überrascht mich die Überraschung dieser Politiker immer wieder, wenn es um Einsatzbereitschaft von Material und besonders von Personal geht.
Hier sehe ich aber erheblichen Handlungsbedarf bei der Motivation der „Bestandssoldaten“. Wenn nun ein Finanzminister so einen Testballon steigen lässt, bei dem alle bisherigen Lebensplanungen der Soldaten mal wieder über den Haufen geworfen werden sollen, regt mich das zugegeben etwas auf. Die Rüge vom Hausherrn habe ich dafür schon kassiert und verstanden…
@SuumCuique
„In Zeiten von zunehmenden „seiten- und Wiedereinsteigern“ sollte man sich mal Gedanken darüber machen inwiefern der „Gerechtigkeitsgrundsatz“ beachtet wird, wenn selbige nach 30 Jahren Dienstzeit in Ruhestand gehen im Vergleich zum Kameraden der dann 45Jahre gedient hat….“
Jeder der länger dient bekommt 100% und jemand der 45Jahre dient sollte auch 15 Jahre mehr Zeit für Kariere haben.
@Lucky.Sailor | 19. November 2018 – 10:05
Ich denke, langfristig werden sich die Berufssoldaten dem nicht entziehen können, wesentlich länger zu dienen, wenn andere Arbeitnehmer bis 65 oder darüber hinaus beschäftigt werden müssen, ……..(…)“
Ich denke lanfgistig wird die Bw kein Personal finden welches bis 65/67 mobil sein wird. Es gibt gute Gründe für die besondere Altersgrenze, erst recht seit die Kameraden im Einsatz.
Was für ein Wahnsinn.
@Zimdarsen | 19. November 2018 – 16:44
„Ich denke lanfgistig wird die Bw kein Personal finden welches bis 65/67 mobil sein wird. (…)“
Mobil sein wird oder mobil sein möchte? Aber ja, ich sehe Ihren Punkt. Die „Abkehr“ vom andauernden 2-3-jährigen DP-Wechsel ist eine Mär der sogenannten „Agenda Attraktivität“. „Pflichtkarriere“ und der ach so breite (gewünschte) Erfahrungsschatz lassen den Teufelskreis des ewiglich Getriebenseins wahrlich nicht durchbrechen.
@Paprikant
Es gibt DP wo eine lange Stehzeit durchaus erforderlich ist – auch wegen der (ggü. anderen Ressorts) erforderlichen Fachexpertise (Erfahrung) und dazugehöriger Lehrgänge.
@Paprikant
Es geht um die Abwesenheit von Zuhause und da haben wir eine zweigeteilte Bw. Viele haben sich gut eingerichtet (zB in Stäben, Ämtern, Schulen und Kommandobehörden) Truppe geht von der Vorübung, zur Übung, in den Einsatz, auf Lehrgang und dann Versetzung……in beliebiger Reihenfolge.
Kaum eine Familie hält das aus und schon gar nicht unter den Bedingungen.
Es mangelt halt an qualifiziertem Nachwuchs für die Bundeswehr. Allein um den Bedarf an Offizieren zu decken müßten 10% jedes Abiturientenjahrganges für die Bundeswehr gewonnen werden. Nur für den Offiziersbedarf, egal ob Mann oder Frau, 10 Prozent jedes Jahr. Andere Laufbahnen, für die Abitur sinnvoll ist, noch garnicht eingeschlossen.
Daß das völlig illusorisch ist dürfte jedem klar sein. Von daher ist der Gedanke einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit auch bei der Bundeswehr bei allen damit verbundenen Problemen nicht von der Hand zu weisen. Selbst wenn das nicht die alleinige Lösung des Personalproblems sein kann.
@Mitleser | 20. November 2018 – 11:01
„Es mangelt halt an qualifiziertem Nachwuchs für die Bundeswehr.“
Starke Behauptung. Die übrigens in dieeer generellen Form von keinem mit bekannte Fachmann geteilt wird. Und ich bin vom Fach.
„Allein um den Bedarf an Offizieren zu decken müßten 10% jedes Abiturientenjahrganges für die Bundeswehr gewonnen werden.“
Falsch!!!
Es sind 0,5% (ca. 2.200 OA von 400.000 Fach-Abiturienten pro Jahr).
Es gibt verschiedene Wege in die Offizierslaufbahn, auch verschiedene Bildungswege. Es gibt in der Offizierslaufbahn einige Karrierewege, bei denen ein Hochschulstudium erforderlich wird. Hochschule, nicht Fach-Hochschule.
Ich kann ihnen gern die Quelle nennen: Oberst von Fritschen, Commodore der TLG 73 Steinhoff, vorher bis 2016 Sprecher für Luftwaffenangelegenheiten im Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums. Ich gehe davon aus, daß das Verteidigungsministerium einen Überblick über den Bedarf an Abiturienten im Sinne von Gymnasialabsolventen für die Offizierslaufbahn hat.
Die Bundeswehr kann ihre Nachwuchsprobleme weder mit einer Erhöhung bzw. Abschaffung der besonderen Altersgrenze lösen,noch überhaupt alleine ohne andere Bereiche im öffentlichen Dienst mit einzubeziehen.
Aus meiner Sicht sollte es weiterhin dienstgradabhängig unterschiedliche Zurruhesetzungsdaten geben. Allerdings sollte anschließend eine Weiterverwendung im öffentlichen Dienst bis zum normalen Rentenalter geben. Also z.B. als Uffz eine Verwendung als Soldat bis zum 40. Lebensjahr, als Offz z.B. bis 55 und dann entweder auf eine zivile Stelle in der Bundeswehr oder eine Weiterverwendung bei Bund, Land oder Kommune mit vorhergehender Qualifizierung bis 67.
Ich behaupte das ganze würde auch Personalprobleme im öffentlichen Dienst lösen denn auch dort sind viele Stellen unbesetzt. Mir ist klar das man dort dicke Bretter bohren muss um gegen die Macht der Gewerkschaften und Personalräte anzukommen, aber alles andere löst die Probleme der Bw nicht, sondern verschiebt sie nur auf der Zeitachse ein paar Jahre nach hinten. Von Beförderungsstau und Demotivation der Bestandskunden ganz zu schweigen.
Kurzer Exkurs zur politischen Bildung: Zu einer Zeit, als nur ein Bruchteil eines Jahrganges das Abitur ablegen durfte. hat es die damalige deutsche Armee auch geschafft ausreichend Bewerber zu finden.
1935 gab es 24.750 Abiturienten, von diesen wurden 4.307 Offizieranwärter oder Reserveoffizieranwärter.
Offizier war der meistgeäußerte Berufswunsch unter Abiturienten (20%, gegenüber 12% die Arzt werden wollten).
Wenn wir es bei 345.000 Abiturienten im Jahr 2017 nicht schaffen 2.000 geeignete Offizieranwärter zu finden, dann sollte die Bundeswehr wegen mangelndem Rückhalt in der Bevölkerung sofort aufgelöst werden.
[Ihnen ist schon bewusst, dass es in den Jahren nach 1935 einen, äh, Bruch gab, der vielleicht auch die Berufswunschsituation erklärt? Oder worauf wollen Sie mit gerade diesem Vergleich hinaus? T.W.]
@Insider
Damit würden Soldaten a.D. die Verwaltung dominieren, der Staat würde bestimmen wer von Land und Kommunen einzustellen wäre.
Das würde mMn Länder und Kommunen entmachten und damit den Förderalismus aushebeln.
@Mitleser | 20. November 2018 – 19:05
„Ich kann ihnen gern die Quelle nennen: Oberst von Fritschen, Commodore der TLG 73 Steinhoff, vorher bis 2016 Sprecher für Luftwaffenangelegenheiten im Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums. Ich gehe davon aus, daß das Verteidigungsministerium einen Überblick über den Bedarf an Abiturienten im Sinne von Gymnasialabsolventen für die Offizierslaufbahn hat.“
Ich wiederhole gerne die Zahlen (und wie gesagt, ich bin „vom Fach“):
Im Jahr 2017 haben rund 440.000 junge Menschen die allgemeine oder fachgebende Hochschulreife erlangt. Im Jahr 2017 wurden rund 2.200 OA eingestellt.
Damit ergibt sich eine Quote von 5 Promille, nicht von 10 Prozent!
@insider
Früher gab es die als 12ender bezeichneten Angestellten / Beamten in der Verwaltung. Woher kamen die bloß, aus dem Wald oder?
Auch heute freut sich eine Verwaltung wenn sie einen Mathematiker und Informatiker für ihre IT oder sonstige Abteilung einstellen kann. Von der Munich Re werben die allerdings selten jemanden ab.
@ TW: Selbstverständlich ist mir bekannt, dass sich das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu den eigenen Streitkräften in den letzten 80 Jahren gewandelt hat.
Alleine die Kenntnis darüber, welche zahlenmäßige Herausforderungen im Bereich der Rekrutierung früher gemeistert wurden, hilft aber schon dabei die aktuelle Situation weniger dramatisch zu empfinden. Damals wurde im Vergleich zu heute ca. 35 mal so viele Offizieranwärter je Abiturient gewonnen wie heute. Bei allem gesellschaftlichem Wandel sollte es weiterhin kein großes Problem für die Bundeswehr darstellen, ihre 2200 Offizieranwärter pro Jahr zu gewinnen.
Diesen Punkt wollte ich „Mitleser“ mitgeben.
Die besonder Altersgrenze macht Sinn und das Verfahren der freiwilligen Verlängerung ist ein Erfolg.
Wer hat denn bis jetzt aufgezeigt in welcher Verwendung Bedarf an alten Soldaten ist?
Bis jetzt geht es nur um pauschale Zahlen und die werden der Problemlösung nicht gerecht.
Das Potential der Freiwilligen ist noch lange nicht ausgeschöpft.
Das Potential der freiwillig Längerdienenden ist noch lange nicht ausgeschöpft. Bis jetzt geht es nur um pauschale Zahlen ohne, dass jemand aufgezeigt hat in welcher Verwendung alte Soldaten fehlen und nicht freiwillig gewonnen werden können.
Dort wo es Engpässe gibt und das Verlängern zur Problemlösung beitragen könnte, wären Angebote im Rahmen der Betreuung, Fürsorge und Mobilität evtl Hilfen.
Die besondere Altersgrenze macht Sinn und ist ein gutes Instrument zur Personalführung.
Als ich Berufssoldat wurde lag die besondere Altersgrenze noch bei 53. Neben vielen anderen Punkten war dies auch ein Atraktivitätsmerkmal – wenn auch eins ohne Garantie. Das war und ist mir bewusst. Ohnehin ist dies eh schon Geschichte.
Das österreichische Bundesherr hat (hatte) übrigens ein ähnliches Problem der „Überalterung“, dort löst man das, indem man angefangen hat die „weißen Elefanten“ in die zivile Verwaltung (Finanzamt, Zoll etc.) zu überführen – nach entsprechender Weiterqualifizierung versteht sich. Auch dort herrscht ja bekanntlich Personalmangel. Das wäre vielleicht eine Lösung für einen Teil des Problems (Überalterung) und vielleicht auch ein Baustein der Lösung des anderen Problems (Peronalgewinnung), da man damit eine Ende aufzeigt, was auch etwas mit Attraktivität zu tun hat. Und dann wäre da nur noch: Verlässlichkeit des Dienstherrn. Wie gesagt das ist ein Vielleicht und eine persönliche Meinung.