Merkposten: Kosovo-Entwicklung – mit Auswirkung auf Bosnien?

Wenn der frühere internationale Hohe Kommissar in Bosnien (und ehemalige schwedische Außenminister) Carl Bildt sowohl EU als auch NATO auffordert, ihre Truppen im Kosovo und in Bosnien zu verstärken, sollte man zumindest mal hingucken. Bildts Forderung kommt als Folge eines angestrebten, aber noch nicht fest stehenden Gebietsaustausches im seit zehn Jahren unabhängigen Kosovo: Der mehrheitlich von Serben bewohnte Norden des Landes soll gegen das mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte serbische Preševo-Tal getauscht werden.

Der Plan, bislang nur vom kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi ausgesprochen,  während die Position des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić noch offen scheint, könnte die Stabilität auf dem Balkan insgesamt gefährden – das ist Bildts Befürchtung, die er am (heutigen) Mittwoch via Twitter äußerte:

Der Schwede bezieht sich dabei auf eine aktuelle Einschätzung des Centre for European Reform, die kurz gefasst lautet: Der Plan zum Gebietsaustausch, wenn er denn sowohl in Serbien als auch im Kosovo eine Mehrheit finden sollte, könnte zwar den anhaltenden Konflikt zwischen beiden Ländern entschärfen – aber auch im Gegenteil anheizen. Und zusätzlich würde er das fragile Staatengebilde Bosnien-Herzegowina gefährden, weil die Republika Srpska, als Region mit serbischer Bevölkerungsmehrheit Teil Bosniens, den Anschluss an Serbien suchen würde.

Die politischen Implikationen sind im dem Text ausführlich erläutert; interessant ist, dass Bildt vorbeugend einen militärischen Aufbau fordert – im Gegensatz zur tatsächlichen Entwicklung. Denn sowohl in Bosnien, wo die EU eine nur noch sehr kleine militärische Mission unterhält, als auch bei der KFOR-Truppe im Kosovo unter NATO-Führung, geht der Trend in die andere Richtung: Truppenreduzierung und baldmögliche Beendigung des Engagements.

Ein wesentlicher Meilenstein dabei war das Ende des sogenannten Operational Reserve Batallions (ORF), eine in den vergangenen Jahren von Österreich und Deutschland gestellte Einheit, die innerhalb von zwei Wochen verlegt werden konnte. Ende Juni wurde das Bataillon außer Dienst gestellt, die im Kosovo eingelagerte Großgeräte-Reserve auf den Rückweg nach Deutschland geschickt.

In der EU-Mission in Bosnien ist Deutschland schon seit einigen Jahren nicht mehr militärisch vertreten.

Neben Bildts Worten gab es am Mittwoch auch eine andere interessante Äußerung: Der serbische Außenminister Ivica Dacic äußerte sich zum Thema Kosovo, und neben den nicht neuen Aussagen, dass es keine Anerkennung der ehemaligen serbischen Provinz als eigenständiges Land geben werde, sagte er auch:

„From one aspect, it may seem that a frozen conflict is a better solution for Serbia, especially as more countries could withdraw their recognition of Kosovo, so in the end the number will fall below half of UN member-states,“ he said when asked „whom a frozen conflict would suit.“
Dacic added, however, that there would be more risk in that case. The first is the risk of an armed attack against the north (mostly Serb) part of Kosovo, „as in the case of (Operation) Storm (Croatian attack in 1995 against Serb areas), somebody carrying out a blitzkrieg with outside help and attacking the north.“

Sollte Serbien das nicht hinnehmen, so Dacic weiter, würde das am Ende eine militärische Konfrontation mit KFOR bedeuten.

Mit anderen Worten: Während die internationale Gemeinschaft hat derzeit keinesfalls eine Verstärkung der militärischen Präsenz auf dem Balkan auf der Liste hat, im Gegenteil, scheint es in der Region wieder ein wenig explosiver zu werden. Bildts Worte sind da eine Mahnung, keine Vorhersage.

Nachtrag: Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Silberhorn ist derzeit in der Region unterwegs; mal sehen, ob von der Seite noch was kommt.

(Foto: Turkish soldiers exit a UH-60 Black Hawk, from 3rd Battalion, 126th Aviation Regiment, Massachusetts Army National Guard, Aug. 24 2018 near the town of Miresh, Kosovo, during an aerial insertion exercise – Photo by Capt. Jason Sweeney, KFOR Multinational Battle Group East)