„Gehorsamsverweigerung“ beim Wachbataillon: Irrungen, Wirrungen und ein Freispruch

Vor dem Amtsgericht Tiergarten ist am (gestrigen) Freitag Donnerstag ein Hauptfeldwebel des Wachbataillons der Bundeswehr vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung freigesprochen worden. Der 37-jährige hatte sich, nach einer vom Bundeswehrkrankenhaus festgestellten ansteckenden Lungenentzündung, nicht wie befohlen zur späteren korrekten Abmeldung bei seinem Kompaniechef einfinden wollen. In der Hauptverhandlung hatte dann allerdings selbst die Staatsanwaltschaft einen Freispruch gefordert.

Der Berufssoldat war vom Truppenarzt aufgrund der Diagnose nach Hause geschickt worden. Beim Versuch, sich korrekt in der 3. Kompanie des Wachbataillons krank zu melden, traf der Hauptfeldwebel aber weder den Kompaniechef noch dessen Stellvertreter an und bat den Personalfeldwebel, seine Krankmeldung weiterzureichen, bevor er die Heimreise antrat. Seine Vorgesetzen beharrten jedoch darauf, dass der Hauptfeldwebel erneut nach Berlin kommen und sich persönlich abmelden solle, was der Soldat unter Berufung auf seine Krankheit ablehnte. Daraufhin wurde das Verfahren wegen Verstoß gegen Paragraf 20 des Wehrstrafgesetzes an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Über das Verfahren hatte zuerst der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) berichtet. Ein Sprecher der Berliner Justiz bestätigte, dass in dem Prozess auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Freispruch erfolgte.

Der Anwalt des angeklagten Berufssoldaten sagte im Gespräch mit Augen geradeaus!, der Freispruch sei eine Folge der deutlich veränderten Aussagen des Vorgesetzen vor Gericht gewesen. Der habe im Verfahren erklärt, dass er  von der Schwere der Erkrankung des Hauptfeldwebels zunächst keine Kenntnis gehabt habe. Erst später habe er von der Lungenentzündung erfahren und dann den Befehl zurückgenommen. Nach Angaben des Anwalts hatten sich diese Angaben jedoch in den Akten von der ersten Vernehmung des Vorgesetzen nicht gefunden; die veränderte Aussage habe dann zum Freispruch geführt.

Gegen den Hauptfeldwebel ist auch nach dem Freispruch vorerst weiter ein Disziplinarverfahren anhängig.

Die zuständigen Bundeswehrstellen waren zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Das Verteidigungsministerium lehnte, wie inPersonalangelegenheiten  üblich, eine Stellungnahme zu diesem Fall ab, erklärte aber:

Als Soldat, gleich ob Vorgesetzter oder Untergebener, hat man besondere Rechte und Pflichten.
So wie ohne den Gehorsam kein Militär der Welt funktionieren würde, ist es die Pflicht von Vorgesetzten, Befehle rechtmäßig, zweckmäßig und angemessen zu erteilen. Gute Führung impliziert immer auch ein gewisses Maß an Empathie.

Eine Einschätzung unabhängig von der juristischen Bewertung: Da waren zumindest Kommunikationsprobleme im Spiel – die kein richtig gutes Licht auf den Umgang innerhalb der Truppe werfen. Und das nicht bei einem Bataillon im Nirgendwo, sondern bei der größten Infanterieeinheit des Deutschen Heeres einer Einheit, die aufgrund ihrer Repräsentationsaufgaben etwas mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht.

(Aktenzeichen: Amtsgericht Berlin-Tiergarten 240 DS 2/18)

(Archivbild: Ehrenformation des Wachbataillons auf dem Hof des Kanzleramtes im Juni 2018 – Janine Schmitz/ photothek.net)