re:publica & Bundeswehr – Wenn die Staatsmacht David spielt

Die re:publica, eine vereinfacht gesprochen Internet-Messe/Ausstellung/Treffen in Berlin, besuche ich regelmäßig seit ihrem Start vor mehr als zehn Jahren. Ich war als Besucher da, als Journalist und auch schon mal als Redner. Am (heutigen) Mittwoch, dem ersten Tag der re:publica 2018, fand ich es wichtiger, den Beschlüssen des Bundeskabinetts zum Haushalt und damit auch zum Verteidigungsetat nachzugehen und habe deshalb ein Randereignis der rp18 verpasst, das in den sozialen Medien heute hohe Wellen schlug: Die Guerilla-Protestaktion der Bundeswehr vor dem Veranstaltungsgelände (als ich um 09.30 Uhr vorbeiging, hatte die Aktion noch nicht begonnen; als ich um 17.00 Uhr wiederkam, war wohl schon Dienstschluss und alles vorbei).

Ich kann mir deshalb nur aus den verschiedenen social media-Kanälen (auch in den Kommentaren hier auf Augen geradeaus!) und den Berichten ein Bild machen – und zu diesem Bild habe ich durchaus eine Meinung.

Was ist passiert? Die Bundeswehr wollte, wie auf etlichen anderen öffentlichen Messen, auch auf der re:publica mit einem Stand vertreten sein – so wie zahlreiche andere Unternehmen, Institutionen und auch Bundesministerien wie das Entwicklungsministerium (siehe Partner-Werbewand oben im Foto). Die rp-Macher wollten das nicht, die Bundeswehr selbst stellt das (auf ihrer Nachwuchs-Werbe-Facebook-Seite Bundeswehr Karriere) so dar:

Nachdem die #Bundeswehr im vergangenen Jahr keinen Stand haben durfte, weil die Anmeldung angeblich zu spät erfolgt sei, konnten die Organisatoren diese Begründung in diesem Jahr nicht anführen. Nun verweigern sie unseren #Soldaten aber den Zutritt in #Uniform. Die vorgebliche Toleranz der Konferenz hat also seine Grenzen – Uniformen sind unbequem.

Nun kann man lange darüber streiten, wie die re:publica ihre Partner, Sponsoren und Aussteller aussucht, und daran ist sicherlich oft genug Kritik gerechtfertigt (in den Vorjahren, nicht diesmal, habe ich mich schon gewundert, dass ausgerechnet ein dort verliehener Preis für Finanzblogger von einer größeren deutschen Bank gesponsort wurde). Ob bestimmte Unternehmen dem kritischen Geist, der dieses Treffen mal ins Leben rief, tatsächlich gerecht werden. Ebenso muss sich natürlich diese Veranstaltung fragen lassen, warum sie eine staatliche Institution wie die Bundeswehr ausschließt. Denn natürlich wird auch eine Firma wie Daimler dort für seine Sache werben, warum also die Streitkräfte nicht?

Die Aktion, mit der die Bundeswehr – oder genauer: deren Nachwuchswerbung – auf diesen Ausschluss reagierte, schien zunächst mal ganz pfiffig: Einen Werbe-Truck mit einem Großplakat vor dem Eingang platzieren und von Soldaten in Tarnfleck erklären lassen, warum sie diese Absage für falsch halten.

Nur: Die Bundeswehr versuchte sich dann im ewigen Narrativ David gegen Goliath als der David zu präsentieren. Aber die Staatsmacht als David, als der Underdog? Ernsthaft?

Das fing schon an mit der – so lese ich es – Erklärung, warum die Bundeswehr darauf bestehen müsse, auch in Uniform auf der re:publica präsent zu sein: Die Uniform sei schließlich die Arbeitskleidung. Dass diese Erläuterung immer wieder verwendet wird, ändert nichts daran, dass sie schlicht unsinnig ist. Eine Uniform ist gerade bei Streitkräften nie nur Arbeitskleidung. Sie ist auch immer Sinnbild der staatlichen Gewalt – und das sehr bewusst und gewollt. Wenn ein privater Veranstalter diesen demonstrativen Auftritt der staatlichen Gewalt nicht will, kann man das beklagen, aber ihn nicht in den Senkel stellen.

Auch wie die Bundeswehr die Aktion an ihre Follower in den sozialen Netzen kommuniziert, provozierte einige üble – und ich wage die Behauptung: auch vorhersagbare – Reaktionen. Der entsprechende Post auf Instagram mit dem eigens abgeänderten Slogan Wir kämpfen auch dafür, dass die re:publica gegen uns sein kann hatte am Donnerstagabend nicht nur fast 7.000 Likes, sondern auch Kommentare wie

Art der Diskriminierung. Die nächsten Jahre die Veranstaltung verbieten. Fertig is der Quark

deren antidemokratische Ausrichtung für das social media-Team der Bundeswehr offensichtlich kein Grund zur Löschung war.

Auch ein Kommentar hier auf Augen geradeaus!, in dem das Zutrittsverbot für Uniformierte mit der nationalsozialistischen Kauft nicht beim Juden-Kampagne verglichen wurde, zeigt, was da ausgelöst wurde: Wer die Bundeswehr nicht unterstützt, ist ein Volksschädling.

Ich behaupte natürlich nicht, dass das gewollt war – aber es hätte absehbar sein können. Und ob das tatsächlich die Zustimmung zur Bundeswehr in den Teilen der Gesellschaft erhöht, die ihr kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, wage ich zu bezweifeln.

Recht problematisch finde ich auch die in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchende Behauptung, wer als Veranstalter staatliches Geld in irgendeiner Form bekomme, müsse selbstverständlich auch die Bundeswehr zu seiner Veranstaltung zulassen. Interessant, ich bin gespannt, wo die Uniformierten dann künftig überall vor der Tür stehen. Und was das Entwicklungsministerium sagt (auch wenn es beim Thema Haushalt im engen Schulterschluss mit dem BMVg agiert), wenn künftig bei jeder Aktivität dieses Ministeriums die Frage gestellt werden muss, ob damit auch das selbstverständliche Recht der Bundeswehr zur Beteiligung verbunden ist. Oder das Bildungsministerium. Oder….

Der Bendlerblogger hat das natürlich wieder mal viel lässiger und treffender formuliert als ich mit meiner differenzierten Darstellung: Eine staatliche Institution, die sich wie ein beleidigter Pennäler aufführt, weil sie nicht mitspielen darf, weil sie sich nicht an die Spielregeln halten will, ist intellektuell in der Pubertät stecken geblieben.

Ach, noch als Randbemerkung: die hämischen Bemerkungen der Bundeswehr über die fehlende Toleranz der rp-Macher heben wir uns mal auf und gucken bei der nächsten – wohlgemerkt friedlichen – Protestaktion bei einer Bundeswehr-Veranstaltung, wie sich die Feldjäger da benehmen. Und wie da Toleranz gelebt wird.