Ausbildung in Pfullendorf: Verdacht auf „beabsichtigte Überforderung“

Die Spezialausbildungskompanie 209 in Pfullendorf ist eine besondere Einheit. Nicht nur, weil sie mit rund 500 Soldatinnen und Soldaten eine der größten Kompanien des Heeres ist: In dieser Einheit wird der Feldwebel-Nachwuchs für die Fallschirmjägertruppe und das Kommando Spezialkräfte (KSK) ausgebildet. Das bedeutet zum einen höhere körperliche Anforderungen – zum anderen aber auch, dass diese Kompanie gerade nach den verschiedenen Vorfällen des vergangenen Jahres am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf unter besonderem Augenmerk steht.

In dieser Ausbildungskompanie, deren Auftrag grundsätzlich der gleiche ist wie bei den Feldwebel- und Unteroffizierbataillonen des Heeres, lief nach den bisherigen internen Ermittlungen der Bundeswehr Anfang Januar bei der ausdauerorientierten Sportausbildung etwas gründlich schief.

Bei einem 15-Kilometer-Lauf erlitten sieben Rekrutinnen und Rekruten körperliche Erschöpfungserscheinungen unterschiedlicher Art, heißt es in einem Bericht, den der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber dem Verteidigungsausschuss des Bundestages vorlegte. Ein Soldat brach sogar bewusstlos zusammen und kam erst während der Verlegung in das Kreiskrankenhaus Pfullendorf wieder zu sich.

Zuvor hatten die Ausbilder die Rekruten über das normale Laufpensum hinaus gefordert. Aus dem Bericht, der Augen geradeaus! vorliegt:

Nach 1,5 km konnte die Marschformation an einer Steigung aufgrund der zu hohen körperlichen Belastung nicht mehr eingehalten werden. Es kam zu „Abrissen“.
Daraufhin hat der Ausbilder den vorn laufenden Rekruten befohlen, umzukehren und die zurückliegenden Rekruten wieder einzusammeln. Diese Maßnahme wurde insgesamt dreimal wiederholt. Dabei brach der o.a. letztgenannte Rekrut gegen 14.00 Uhr zusammen und wurde bewusstlos.

Aus den bislang bekannten Einzelheiten dieses Ausbildungslaufs wird in Taubers Bericht der Schluss gezogen:

Der Geländelauf wurde in diesem Fall überfordernd und dem Ausbildungs- und Trainingsstand der Feldwebelanwärter zu Beginn der Ausbildung nicht angemessen durchgeführt. Es besteht darüber hinaus der Veracht, dass der Geländelauf als „Selektionslauf“ angelegt und zumindest die Überforderung einer Rekruten beabsichtigt gewesen sein könnte.
Es hat sich damit der Verdacht erhärtet, dass im vorliegenden Fall nicht nur die Methodik der Sportausbildung falsch war, sondern auch gegen Grundsätze einer zeitgemäßen Menschenführung und weitere soldatische Pflichten verstoßen worden sein könnte.

Bei dieser – vorläufigen – Beurteilung spielte offensicht eine Rolle, dass die Rekruten erst am 2. Januar ihren Dienst bei der Bundeswehr angetreten hatten – exakt eine Woche vor diesem Training.

Als erste Konsequenz wurde gegen den Oberleutnant, der als Zugführer den abwesenden Kompaniechef vertrat, eine Disziplinarbuße von 2.000 Euro verhängt: Wegen des Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht, die Pflicht zur Dienstaufsicht sowie gegen Dienstvorschriften, heißt es in dem Bericht. Gegen den Gruppenführer bei dieser Ausbildung wurden disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet, außerdem seien die Ermittlungsunterlagen auf Anfrage der Staatsanwaltschaft Hechingen zur Verfügung gestellt  worden.

Im Heer wie im Ministerium dürfte zudem für Ärger gesorgt haben, dass sowohl das Ressort als auch das Kommando Heer erst durch anonyme Schreiben am 14. Januar von dem Vorfall am 9. Januar erfuhren. Im Meldewesen Innere und Soziale Lage der Bundeswehr wurde das Ereignis, meldepflichtig wegen des Ausfalls eines Soldatens, erst am 17. Januar eingestellt.

Die Probleme in der Spezialausbildungskompanie trugen offensichtlich zu der Weisung des Ausbildungskommandos von Mitte März bei, in der die Bedeutung individueller körperlicher Unversehrtheit hervorgehoben wird. Kommandeur Generalmajor Norbert Wagner hatte in seinem Schreiben auch darauf hingewiesen, dass ein Vorfall in Pfullendorf derzeit strafrechtlich untersucht werde.

(Erste Berichte über den Vorfall im Januar hatte es Anfang März in der Lokalpresse gegeben, z.B. im Südkurier; Link aus bekannten Gründen nicht. Den Bericht Taubers hatte am heutigen Mittwochmorgen auch Spiegel Online aufgegriffen.)

(Archiv/Symbolbild: Durchschlageübung der 5. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 8 aus Ingolstadt am 14.06.2010 – Bundeswehr/Andrea Bienert; leider habe ich keine verwendbaren Fotos von Ausbildung im Sportanzug finden können. Hat jemand was passendes?)