Waffen für ISIS: USA verletzten mit Weitergabe EU-Regeln

Das Auswärtige Amt hat eine umfangreiche Untersuchung zu den Waffenbeständen des so genannten Islamischen Staates mitfinanziert, deren Ergebnis die deutsche Außenpolitik vermutlich nicht so prominent hervorheben wird: Die britische Organisation Conflict Armament Research (CAR) ist der Frage nachgegangen, woher ISIS in den vergangenen Jahren seine Waffen bezogen hat. Und neben den Lieferungen – auf Umwegen – aus russischer und chinesischer Produktion tauchen dabei vor allem Waffen aus EU-Ländern auf – die legal an die USA verkauft wurden, aber von den USA offensichtlich in Verletzung der Endverbleibsklauseln an syrische Rebellenorganisation weitergegeben wurden und dann bei ISIS landeten.

Die Passage dazu in dem am (heutigen) Donnerstag veröffentlichten Bericht:

CAR has documented and traced numerous weapon systems in service with IS forces.
Many derive from shipments made to the US government, or to entities operating under US government contracts. The United States has acknowledged its support to Syrian opposition forces, orchestrated primarily through resupply from the territories of Jordan and Turkey. All of the shipments originated in EU Member States; in most cases, US retransfers (exports made after purchase by the United States) contravened clauses in end-user certificates (EUCs) issued by the United States to EU supplier governments.

The United States signed these certificates prior to transfer, stated that it was the sole end user of the materiel, and committed not to retransfer the materiel without the supplier government’s prior consent. It did not notify the supplier states concerned before retransferring the materiel.

Die Organisation dokumentiert als ein Beispiel die Lieferung bulgarischer Panzerabwehrraketen vom Typ 9M111MB-1 an die U.S. Army am 12. Dezember 2015. Bereits wenige Wochen später, am 9. Februar 2016, wurden Waffen aus dieser Lieferung bei ISIS-Kämpfern in der irakischen Stadt Ramadi sichergestellt. Im Dezember 2015 aufgenommene Fotos mit übereinstimmenden Chargen-Nummern legten nahe, dass diese Waffen von den USA an die syrische Rebellenorganisation Jaysh al-Nasr weitergeben wurden, ehe sie bei ISIS landeten.

Ähnliche Ergebnisse gab es für diverse andere Waffen, vor allem Raketen, aus osteuropäischer Produktion. In allen Fällen hätten die Endverbleibsklauseln eines EU-Landes gegolten. Die US-Behörden reagierten laut CAR nicht auf Anfragen zu diesen Lieferungen.

Der Bericht enthält darüber hinaus zahlreiche Detailinformationen zu Waffen und Munition, die ISIS offensichtlich vor allem aus den Beständen irakischer Regierungstruppen erbeutete. Für Kenner eine Fundgrube an Informationen.

Aus europäischer Sicht allerdings ist bedeutsam, dass der wichtigste Verbündete europäischer Staaten ganz offensichtlich Waffen aus EU-Ländern bezogen, aber die mit diesem Export verbundenen Bestimmungen nicht eingehalten hat: Eine Weitergabe der gelieferten Systeme von den USA an Dritte wäre genehmigungspflichtig, zumindest hätte das Herstellerland informiert werden müssen. Das ist ganz offensichtlich nicht geschehen.

Für die deutsche Politik ist das deshalb bedeutsam, weil sowohl das Auswärtige Amt als auch das Verteidigungsministerium beim Export deutscher Waffen immer wieder darauf verweisen, dass die vom Empfänger unterzeichnete Endverbleibsklausel ihr schärfstes Schwert ist, um eine illegale Weitergabe der Waffen zu verhindern. Wenn ausgerechnet die USA in diesem Zusammenhang als unzuverlässig angesehen werden müssen, wären eigentlich Konsequenzen bei Waffenexporten aus der EU nötig. Die allerdings kaum zu erwarten sind.

Denn auch wenn sowohl die EU als auch das Auswärtige Amt die CAR-Untersuchung (mit)finanziert haben – die Ergebnisse müssen sie sich ja nicht zu eigen machen:

This document has been produced with the financial assistance of the European Union and the German Federal Foreign Office. The contents of this document are the sole responsibility of Conflict Armament Research and can under no circumstances be regarded as reflecting the positions of the European Union and the German Federal Foreign Office.