Christliche Kirchen verlangen einklagbare Regeln für Rüstungsexport (m. Nachtrag)
Die beiden großen christlichen Kirchen haben Bundesregierung und Bundestag aufgefordert, die Genehmigung von Waffenexporten in einem Gesetz zu regeln und solche Exporte außerhalb von NATO und EU nur in begründeten Einzelfällen zu erlauben. Zwar habe die Bundesregierung in den vergangenen Jahren Neuregelungen für solche Lieferungen angekündigt und zum Teil auch umgesetzt, sagten Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche bei der Vorlage des Rüstungsexportberichts der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) am (heutigen) Montag in Berlin. Dennoch entstehe der Eindruck, dass die Schwankungen in den Exportvolumen weniger einer bewussten Politik als vielmehr der jeweils aktuellen Auftragslage geschuldet sind, sagte der evangelische Prälat Martin Dutzmann.
Die bestehende Regel, das Rüstungsexporte an die so genannten Drittstaaten nur im Ausnahmefall genehmigt werden sollten, habe sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt, klagte Dutzmann. Er verwies auf Rüstungsexporte an Länder wie Algerien, Saudi-Arabien und Ägypten: Es sei nicht zu erkennen, dass die Bewaffnung dieser Länder mit einer sehr schlechten Menschenrechtssituation im außen- oder sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands liege. Der evangelische Theologe kritisierte vor allem die laufende Lieferung deutscher Patrouillenboote an Saudi-Arabien. Solche Boote hätten Seehäfen im Jemen blockiert, zivile Hilfslieferungen damit verhindert und eine Bekämpfung von Cholera-Epidemie und Hungersnot erschwert. Darüber hinaus sei Deutschland durch die Genehmigung von Teilelieferungen für Kampfflugzeuge der Typen Tornado und Eurofighter in Saudi-Arabien für die Situation im Bürgerkriegsland Jemen mit verantwortlich.
Mit einem neuen Rüstungsexportkontrollgesetz habe eine neue Bundesregierung die Chance, eine eindeutige und konsistente gesetzliche Grundlage auf den Weg zu bringen, die die politische Steuerung einer tatsächlich restriktiven Genehmigungspraxis von Rüs- tungsexporten ermöglicht, sagte der katholische Prälat Karl Jüsten. Zwar habe sich in den vergangenen Jahren unter dem SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einiges in der Praxis der Waffenexporte verbessert. Eine tatsächlich restriktive Genehmigungspraxis von Rüstungsexporten mit politischer Steuerung brauche dennoch eine gesetzliche Grundlage, die auch einklagbar sei.
Die Kirchenvertreter machten deutlich, dass sie kein grundsätzliches Verbot von Rüstungsexporten aus Deutschland an Staaten außerhalb von NATO und EU verlangten: Es könne durchaus in Einzelfällen Gründe für solche Lieferungen geben. Allerdings müsse die Pflicht zur Begründung umgekehrt und die Genehmigung eines Exports begründet werden.
Den GKKE-Bericht gibt es hier zum Nachlesen; die Statements von Dutzmann hier und von Jüsten hier.
Nachtrag: Ich hab‘ es glatt übersehen, wurde aber dankenswerterweise drauf hingewiesen: Die GKKE hat sich in in ihrer Fachgruppe in diesem Jahr prominente neue Expertise dazugeholt: Zu dieser Gruppe gehört jetzt auch Arnold Wallraff, bis zum Februar Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – also ein Profi, was Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte angeht.
(Archivbild 2010: Eurofighter Typhoon der Königlich Saudischen Luftwaffe – Gordon Zammit via Wikimedia Commons unter GNU Free Documentation License)
„nur in begründeten Einzelfällen“, wie bislang also, z.B. wenn die DEU SiPo Interessenlage betroffen ist / wird.
Empfehlung an ESAK/KASAK, bei S.Gabriel sich schlau machen, der Eindeutiges am Beispiel der RüZus mit dem KSA bei #AnneWill verdeutlicht hatte.
Wen repräsentieren beide Kirchen noch?
Weitere Empfehlung, den Zentralrat der Juden/der Muslime mit ins Boot holen.
@kpk
Meine Empfehlung: Die Kirchen sollen sich um das eigene Haus und das Seelenheil der Gläubigen kümmern und die Tagespolitik der Politik überlassen.
Denn geistliche und weltliche Interessen haben im 21. Jahrhundert nur geringe Überschneidungen.
Und diese Aussage tätige ich als überzeugter und gläubiger Christ.
Ich bin schon ein bisschen verblüfft, in welchem Ton einige hier über die Kirchen abpöbeln, ohne auch nur den Anschein einer sachlichen Kritik. Und nein, diese Kommentare schalte ich nicht frei. Die Herren können ihren Kirchenhass ja vielleicht anderswo ausleben.
@ kpk @Wa-Ge
Dann erklären Sie doch mal, warum ausgerechnet Saudi Arabien, der Gegenspieler vieler westlicher Militärinterventionen der letzten 30 Jahre und Hort des militanten Islamismus ein Kunde im deutschen sicherheitspoltischen lnteresse sein soll?
Die Kirchen vollziehen nur mit, was die deutsche Politik seit Ende des WW II bestimmt: Die Schuld am Kriegsbeginns und am Holocaust durch Einnehmen einer pazifistische Grundhaltung und dem gequaeltem Zugestaendnis zu einer Wiederbewaffnung und Waffenproduktion.
@Georg
Da erlaube ich mir S. Gabriel – aus dem Gedächtnis (!) – zu zitieren:
– wenn wir nur uns genehme, tatsächliche Demokratien als Interessenpartner akzeptieren wollen, bleiben kaum Gesprächspartner für DEU innerhalb der in der UN Vollversammlung präsenten Staaten
– das KSA ist insofern zu (be)achten, als dass die Wahhabiten, jenseits ihrer aggressiven Auslegung des sunnitischen Islams auf der arabischen Halbinsel wie im gesamten Mittleren Osten genuiner Gegenspieler der Islamische Republik Iran darstellen.
– wir wollen schließlich, und müssen Handel treiben können.
Ähnliches ließe sich konstruieren in der Rüstungshilfe bei U-Booten (mit 30% DEU Finanzierung) für Israel und Ägypten, auch hier handelt DEU interessengeleitet.
„DEN“ militanten Islamismus gibt es nicht.
Die Unterschiede der sunnitischen Auslegung anhand von SUNNA und Hadithe sowie die schiitische der SCHIA folgend trennen sich schon nach dem Tod des „Propheten“ in der Frage des rechtmäßigen Nachfolge bis heute, wie beispielhaft an der unterschiedlichen Interessenlage und militärischen Beteiligung in SYR deutlich wird.
Meiner Erinnerung nach haben wir schon eines der schärfsten Exportregime der Welt. Ausgeführt wird, was den außenpolitischen Interessen Deutschlands unterstützt. Die Freunde einer noch restriktiveren Exportkontrolle scheinen darauf abzuzielen, dass die deutsche Rüstungsindustrie dann neben der Bundeswehr nur noch einige potentielle NATO- und EU-Kunden hätte, sich dort aber mit anderen Firmen ohne Handicap (und größeren Stückzahlen) messen müsste. Interessanterweise werden in einigen Exportprojekten bereits Lösungen umgesetzt, die in einigen Jahren erst überhaupt für den deutschen Kunden geprüft werden (z.B. die digitale Brigade etc.). Vielleicht gibt es dann auch wieder die guten, alten Arsenale, die mit allen Vor- und Nachteilen die Systeme selber zusammenbauen. Da auf meinem Lohnzettel ein internationaler Konzern steht, lege ich mich wieder hin.
P.S.: Ende Januar wird von einer Gesellschaft für Wehrtechnik eine Studie zur Akzeptanz der Industrie vorgelegt, vielleicht klappt das dann mit etwas Charme die Herzen und Seelen zu erobern…
Nur einige kleine Anmerkungen:
@kpk
* die Wahabiten stehen im KSA in Opposition zum Königshaus, sie bestimmen auch die Politik gegenüber dem Iran nicht. Das tut das Königshaus, das nicht zu den Wahabiten gehört.
* nur Israels U-Boote, nicht aber die Ägyptens werden aus dem Bundeshaushalt finanziell unterstützt.
@Reiter3
Die Deklaration einer „restriktiven“ Rüstungsexportpolitik bedeutet nicht zwangsnotwendig eine „restriktive“ Praxis. Hier kann und hat es in der Geschichte der Bundesrepublik eklatante Widersprüche (ge)geben. Die von den Kirchen geforderte Umkehr zu einer Begründungsnotwendigkeit für Lieferungen, die genehmigt werden sollen, kann sowohl der parlamentarischen Kontrolle als auch der Verkleinerung des Widerspruchs zwischen Anspruch und Wirklichkeit dienen. Rüstungsexportgenehmigungen eignen sich nicht für das freie Spiel der Kräfte zwischen Ethik/Moral und Gewinnstreben.
Auf die Studie bin ich gespannt – vorausgesetzt sie stellt keine Weiterführung der beiden Studien für den BDSV dar, denn die waren ziemlich platt und wenig überzeugend.
Na ja, wünschenswert wäre eine Begrenzung von Waffenexporten schon, weltweit. Ein Alleingang Deutschlands wird nichts bringen, die Lücke füllen andere.
Das ist vergleichbar mit dem Atomausstieg oder dem geplanten Kohleausstieg. Dann werden Kapazitäten mit eben jenen Energieträgern in den Nachbarstaaten geschaffen und deutsche Energiekonzerne kaufen ihren Strom dort.
Ergo ist die Forderung der Kirchen moralisch sehr lobens- und wünschenswert, ökonomisch Harakiri für die betroffenen Firmen und politisch eine Nullnummer.
Für Tornado und Eurofighter gelten die deutschen Exportvorschriften nicht, wenn eine andere der beteiligten Nationen diese Kampfflugzeuge exportiert, weil wir uns in beiden Fällen verpflichtet haben, die Exportentscheidungen der anderen beteiligten Nationen anzuerkennen und unsere Teile zuzuliefern.
Gleiches galt für die Roland-Flugabwehrpanzer oder die Milan-Panzerabwehrraketen, wo der damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt dies Frankreich in einem Geheimbrief zugesichert hatte. Folglich wurden die Milan-Raketen z.B. von Frankreich an Syrien exportiert.
@T.Wiegold: In der Bibel steht, geht dem Kaiser was des Kaiser ist. So daß man schon hinterfragen darf, ob die Krichen für Rüstungsexporte zuständig sind, ob diese nicht eine allein staatliche Angelegenheit ist?
@ONA
Die meisten Wahhabiten leben heute in Saudi-Arabien, wo ihre Lehre staatliche Förderung genießt.
Der Wahhabismus ist im KSA Staatsreligion!
Da arbeiten Sie doch nochmal nach.
Als seriöse Quelle empfehle ich das religions-philosophische Institut der Leibniz-Universität zu Hannover.
@ Georg
Abseits von den rüstungsindustriepolitischen Aspekten fällt mir auch der Aspekt der Stabilität durch Aufrüstung in den Sinn.
Der Kalte Krieg war unter anderem deshalb kalt, weil alle Parteien bis an die Zähne bewaffnet waren und dadurch eine gewisse Abschreckung existiert hat.
Wenn Saudi Arabien und Iran irgendwann mal in einen heißen Konflikt übergehen sollten, will ich nicht wissen welche Auswirkungen dies auf den Exportweltmeister Deutschland haben wird. Dabei ist es unerheblich ob die Konfliktparteien die Köpfe mittels Düsenjägern oder Keulen einschlagen, wenn dort Krieg ist, dann werden wir in Deutschland dies sehr schnell in unserem Geldbeutel spüren.
Und um den Faden mal weiter zu spinnen, was glauben Sie wie es um unseren gesellschaftlichen Frieden ergehen würde, wenn wir nicht mehr genug Geld hätten unsere doch durchaus beträchtlichen Sozialen Ausgaben aus der Portokasse zu bezahlen.
@kpk
ich spare mir eine detaillierte Antwort, da ich Ihre Sicht nicht teile und mich auf einen solchen Ton auch nicht einlassen will. Damit bestreite ich nicht, dass die meisten Wahabiten in Saudi Arabien leben oder der Wahabismus die dominante Auslegungsform des Islams in Saudi Arabien ist.
@closius | 18. Dezember 2017 – 14:37
„In der Bibel steht, geht dem Kaiser was des Kaiser ist. So daß man schon hinterfragen darf, ob die Krichen für Rüstungsexporte zuständig sind, ob diese nicht eine allein staatliche Angelegenheit ist?“
Wenngleich ich auch der Meinung bin, dass sich die Kirchen bei tagespolitischen Fragen deutlich zurück halten sollten, so entspricht es sehr wohl dem heutigen Verständnis beider großen Kirchen nicht nur das Recht zur Teilnahme am politisch-gesellschaftlichen Diskurs zu haben, sondern sogar die Pflicht!
Von daher kann man grundsätzliche Forderungen in Bezug auf Waffenlieferungen glaube ich nicht als außerhalb des Verantwortungs- mindestens aber des Interessenbereiches bewerten ;)
PS
@closius | 18. Dezember 2017 – 14:37
Ob man dann allerdings als Staat (oder auch als einzelner Christ) diesen Empfehlungen/Positionen der Kirchen folgen möchte oder vielmehr aus „ganzheitlicher“ Sicht zu einem anderen Ergebnis kommt (bzw. ggf. leider kommen muss), dass ist dann doch eine ganz andere Frage ;)
Ich halte es auch sehr für fragwürdig, wenn wir Partei ergreifen, in einem Konflikt, über den wir in Deutschland sehr wenig wissen. Auch in AG war der Jemen bis jetzt kaum Thema.
Wer ist hier der Böse? Der Iran, SA oder beide??? Tatsache ist, daß die Regierung des Jemen SA um Hilfe gerufen hat. Damit unterscheidet sich der Konflikt nicht vom Syrien-Konflikt, wo Assad die Russen um Hilfe gerufen hat.
Mir wäre bis jetzt nicht aufgefallen, daß die Kirchen den russischen Krieg in Syrien groß verurteilen. Wer zum einen Krieg schweigt, der kann doch nicht im anderen Bürgerkrieg sicher sein, den richtigen zu beschuldigen.
Ich denke, die Rüstungsindustrie in Deutschland soll geschädigt werden, aber eigentlich ist das Ganze mit der Rüstüngspolitik nur ein Vorwand oder Zwischenziel, damit die Wehrfähigkeit Deutschlands eingeschränkt und beseitigt werden und damit in Wirklichkeit die BW getroffen werden und diese langfristig abgeschafft oder zum THW umgebaut werden kann.
Der Anspruch der Kirche ist da knapp 2000 Jahre alt, als Johannes der Täufer den Soldaten im Lukasevangelium sagte
Misshandelt niemanden, erpresst niemanden, begnügt euch mit eurem Sold!
und dem Kirchenvater Augustinus und seinem gerechten Krieg.
Aus christlicher Sicht kann man das sehr gut nachvollziehen, MUSS man das eigentlich auch!
Leider aber sieht die „menschengemachte“ Raelitaet im Gegenzug dazu ziemlich ernuechternd traurig aus. Und so werden einerseits IMMER irgendwelche „Gegenstaende“ als Waffen genutzt, zu solchen umumgebaut oder eben als solche und ausschliesslich zum Zwecke, „anderen“ auf fuer die eigene Person/Gruppe moeglichst risikoarme Art und Weise das Licht auszuknipsen, gebaut werden.
Das muss und sollte man nicht „toll“, gut oder sonstwie positiv finden, die Augen vor der Realitaet zu verschliessen hilft dagegen aber auch ueberhaupt nicht weiter!
Und so muss DEU seine „Art und Weise“ des Umgangs mit dieser Angelegenheit finden, ohne allzu viel „Oel ins Feuer“ zu Giessen aber auch „Handel und Wandel“ als Lebensgrundlage fuer die „vor-Export-steht-der-IMPORT“-Weltmeisterrepulik zu erhalten.
Denn ohne das, ist’s ruck-zuck vorbei mit der huebschen „Komfortzone DEU“ und schon ziemlich ausgeuferten Vorstellungen allzu vieler Buerger, was den alles so „vom Staat“ zu leisten sei!
Die staendige Schreierei nach einem (Grund-) Rechtsanspruch auf… hilft leider UEBERHAUPT nicht weiter sondern letztlich in die Sackgasse, beachtet man die nun einmal geltenden „Rahmenbedingungen“ nicht genuegend.
@ closius | 18. Dezember 2017 – 14:37
„Für Tornado und Eurofighter gelten die deutschen Exportvorschriften nicht, wenn eine andere der beteiligten Nationen diese Kampfflugzeuge exportiert, weil wir uns in beiden Fällen verpflichtet haben, die Exportentscheidungen der anderen beteiligten Nationen anzuerkennen und unsere Teile zuzuliefern.“
Wie kommen Sie zu dieser Aussage? Haben Sie eine Quelle dafür?
Die Bundesregierung schrieb nämlich 2006 dazu folgendes:
„Die zwischen den Eurofighter-Partnerländern Deutschland, Großbritannien,
Italien und Spanien im Oktober 1986 geschlossene Regierungsvereinbarung legt
fest, dass die Partner den Verkauf der gemeinsam entwickelten Produkte durch
ein anderes Partnerland nicht behindern dürfen. Sollte ein Land die Zulieferung
seines Lieferanteils nicht genehmigen, ist es verpflichtet, dem anderen Land die
Errichtung einer alternativen Bezugsquelle zu ermöglichen und ggf. zu finan-
zieren.“ http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP16/22/2296.html