Wahlkampf: Fragen an die Bundestags-Parteien
Der aktuelle Wahlkampf für die Bundestagswahl am 24. September spielt hier auf Augen geradeaus! keine große Rolle – sehr bewusst und aus gutem Grund: Angesichts der sehr unterschiedlichen politischen Ansichten der Leser ist es wenig sinnvoll, hier ein weiteres Wahlkampf-Debattenforum aufzumachen.
Dennoch als Lesehinweis: Der Deutsche Bundeswehrverband hat (inzwischen) die Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien zu ihren Positionen in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik befragt:
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz
Der Spitzenkandidat der Linken, Dietmar Bartsch
Der Spitzenkandidat von Bündnis90/Die Grünen, Cem Özdemir
Ich weise die geneigten Leser darauf hin und bitte zugleich sehr dringend darum, bei Kommentaren dazu sachlich zu bleiben und auf Parteien-Bashing zu verzichten (aus unschöner Erfahrung).
Sicherheits- und verteidigungspolitisch interessant wird vor allem jenes sein, was nicht da steht, nämlich was in denkbaren Koalitionsverträgen von den jeweiligen Forderungen der Parteien übrig bleiben wird.
@T.W.
Ich denke einmal eine Diskussion ist „müßig“, denn es fehlen die Positionen der CSU, der FDP und der AfP….rein „faktisch“ betrachtet ;-)
@ klabautermann | 29. August 2017 – 10:18:
Man vergleiche dazu den Vergleich des DBwV der Positionen auch der übrigen Parteien. Abrufbar mithilfe der anderen Links links im Menü.
@Anubiswaechter | 29. August 2017 – 10:36
Danke für den Hinweis, allerdings sind imho das Format der Parteiprogramm-Synopse und diese Befragung der 4 Spitzen-Kandidaten nicht so ganz vergleichbar. Von daher bleibe ich bei meinem „müßig“ – zumal in der Synopse CDU/CSU in einen Topf geworfen werden und z.Bsp. Herr Seehofer bei Einsatz BW im Inneren ja so seine eigenen Ideen hat ;-)
@Klabautermann: Es sind die Positionen der im BT vertretenen Parteien bzw. Fraktionen. Die CSU bildet eben mit der CDU eine gemeinsame Fraktion. Die CSU denkt vielleicht ein bißchen anders über VDL, aber wird dies im Wahlkampf nicht laut sagen. Außer einer Forderung nach BW-Einsatz im Inneren hätte hier auch die CSU kaum was anderes gesagt als die CDU.
Und die AfD ist für mich keine demokratische Partei(siehe Gauland Äußerungen) und deshalb spielen deren Vorstellungen für mich keine Rolle. Zudem wissen die selber nicht, ob sie ein Milizbundeswehr nach Schweizer Vorbild wollen oder eine Wehrpflicht-BW nach bisherigem Vorbild.
@Anubiswaechter | 29. August 2017 – 9:55
Und genau da ist der Hund begraben!
Unter dem Strich: Alles nur Gefasel vor der Wahl. Die einen stellen ihre Errungenschaften in der Vergangenheit und Gegenwart dar, wohl nicht um die eigenen Pleiten wissend, alles beschönigend.
Die nächsten bezeichnen sich als „das beste“ oder verlieren sich im Farbenspiel ohne konkreten („Ottonormalverbraucher“) Inhalt.
Es fehlen wie bereits angesprochen CSU,FDP,AFD. Auch hier wäre ein „aktuelles“ Statement von großem Interesse gewesen.
Folglich müsste der DBwV vollkommen unparteiisch allen Parteien der nächsten Bundestagswahl (zeitgleich) die Fragen stellen um ein vernünftiges und chancengleiches Bild zu bekommen.
Ist aber derzeit nicht seine primäre Aufgabe…oder etwa doch?
Ich werde ihn aus diversen Gründen nicht wählen, muss Herrn Schulz aber zugestehen, dass er – zumindest im sicherheitspolitischen Bereich – seine Hausaufgaben gemacht hat: SAZV, Beschaffung, Wehrdienstbeschädigung, dynamisches Verfügbarkeitsmanagement, Breite vor Tiefe, ungeplante Schließung von Standorten, Auflösung des PlStab, fehlende Flugstunden – das ist deutlich konkreter als alles, was die anderen Interviewpartner so von sich gegeben haben.
Apropos: Schade, dass Herr Bartsch der NVA-Frage lieber ausgewichen ist, anstatt klar Stellung zu beziehen. Gerade für seine Partei sollte die ganze Angelegenheit doch einen gewissen Stellenwert haben.
@ 0815 | 29. August 2017 – 12:01:
Dem möchte ich nur zum Teil zustimmen. Auch wenn das für niemanden neu ist, möchte ich dennoch an folgendes erinnern. Man wird es grob in drei Phasen einteilen müssen:
1. Phase: Wahlkampf
Die mehr oder weniger auf eine Regierungsbeteiligung oder wenigstens anderweitige parlamentarische Mitwirkung hoffenden Parteien (etc.) bewerben sich beim Wähler. Sie stellen sich folglich – nach ihrer jeweiligen Sicht – im besten Lichte dar, formulieren Wunsch-Forderungen, erinnern an ihre besten Leistungen und verschweigen oder umschiffen jedes kritische Thema.
2. Phase: Koalitionsverhandlungen
Wenn es dann für die ein oder andere Partei ernst wird, müssen die eigenen und anderen Forderungen etc. unter einen Hut gebracht werden. Anhand der gewonnenen Prozente (also Macht) und der historischen und damit bekannten Standpunkte und Positionen wird man auch hier bereits bei der ein oder anderen politischen (und später auch personellen) Forderung prognostizieren können, was es in den Koalitionsvertrag schafft. Vieles ist hier eine berechenbare Größe. So ist es ebenso unwahrscheinlich, dass die BRD auf die nukleare Teilhabe verzichten wird, wie es unwahrscheinlich ist, dass wir der NATO Lebe wohl sagen.
3. Phase: Realpolitik
Die schließlich bestimmende Phase ist es dann, wenn die Forderungen und Vorstellungen aufgrund der realen Lage abgeklopft werden. Selbstverständlich wird auch diese Phase innerhalb einer Legislaturperiode und darüber hinaus weiter unterteilt werden müssen. So sind auch bspw. Strategiepapiere wie „Eckpunkte“ oder „Weißbücher“ zu relativieren. Problematisch weil unvorhersehbar sind allein (relativ) spontan eintretende Ereignisse, bspw. „kleine grüne Männchen“ die in Ländern auftreten, oder wenn mal wieder ein Atomreaktor hochgehen sollte. Jedoch ist bei den meisten relevanten Akteuren bekannt, ob sie eher zur opportunen Anpassung ihrer eigenen Haltung neigen oder vorherigen Positionen standhaft treu bleiben.
Fazit:
Wenn man sich dies bewusst macht, wird man vieles (Reden, Wahlprogramme, Weißbücher etc. pp.) sehr viel besser anhand der wesentlichen Eigenarten der Phasen einordnen und relativieren können, und insbesondere wird man prognostizieren können, welche Partei bzw. welcher Politiker/mandatierte Abgeordnete zum bisher Verschwiegenen stehen wird. Das, wie Sie sagen, „Gefasel“ gehört daher zum Spiel dazu und ist IMHO ein wesentlicher Bestandteil dessen, muss bzw. sollte und kann aber auch relativiert werden.
Wer tatsächlich Tacheles reden und Butter bei die Fische machen würde, würde mit einer übergroßen Wahrscheinlichkeit gar nicht erst gewählt werden und hätte somit auch keinen Einfluss auf die spätere politische Willensbildung. Und dies gilt in Demokratien im Hinblick auf künftige Wahlen zu jeder Zeit.
Bürger | 29. August 2017 – 12:02
Sie glauben doch nicht, dass auch nur einer der Befragten die Interviewfragen selbst beantwortet hat? Da hat der zuständige Fachreferent schon seine abgestimmte Fachmeinung niedergeschrieben.
Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, wenn Sie Herrn Schulz nächste Woche bezüglich des dynamischen Verfügbarkeitsmanagements befragen würden, würde er nichts Vernüftiges dazu antworten können.
Bzgl. NVA und Die Linke irren Sie auch, da dort maximal die ehemalige PDS Fraktion Interesse daran hätte dieses Thema anzusprechen, DIE Linke als solche will mit der DDR nicht wirklich in Verbindung gebracht werden.
Viel wichtiger als die Stimmabgabe zur Bundestagswahl bzgl der Führung der Bundeswehr und SiPo, ist das erheben der behaltenen Stimme gegenüber den Abgeordneten.
Ein OTL (Mitglied in der CDU) tut dies. Druck auf die Abgeordneten im Wahlkreis ist effektiver für die Einflussnahme als die Fixierung auf den Wahlkampf. Die Veröffentlichung des DBwV ist schon deshalb gut, weil man daraus Fragen an seine Abgeordneten ableiten kann und man ist dann auch in der Lage zu fragen, was haben sie denn bisher getan.
Wenn alle sagen, dass Auftrag und Mittel nicht übereinstimmen, die evtl Erhöhung der Mittel nur langfristig Wirkung zeigen kann, dann sollte man kurzfristig die Aufträge an das Potential anpassen. Alles andere isr verantwortungslos.
Vertrauen in die Politik ist wichtig und sollte nicht entäuscht werden, sonst fehlt die dienstliche Grundlage.
@Bürger: Bartsch weicht immer allen Nachfragen aus, wenn es denn mal konkret wird. Und ein klares Nein verschreckte die DDR-Ostalgiker unter seinen Wählern. Also keine Überraschung. Allerdings überraschend sind die Antworten sChulzens. Sollte da tatsächlich jemand in der SPD arbeiten, der sich mit der Materie beschäftigt?
@Anubiswaechter
„Unter dem Strich: Alles nur Gefasel vor der Wahl“
1. Sehr schoen zusammengefasst. Entspricht meiner Bewertung.
2. Ich werde den Eindruck nicht los, dass die politische Klasse keine Ahnung hat WOFÜR sie die Armee haben möchte.
3. Wenn ich mit 2. Recht haben sollte, sind Finanzierungsbedarf, Ausrüstung, Personalbedarf und Struktur nicht abgeleitet aus einem tatsächlichen Bedarf, sondern willkürlich festgelegt. Dann kauft man eben beispielsweise 5 Korvetten ohne das Personal dafür vorgesehen zu haben. Auch ob wir 100 000 oder 200 000 oder 300 000 Soldaten benötigen wissen wir eigentlich nicht weil wir nicht wissen wofür.
4. Irgendwie kommt mir die Bundeswehr „zusammengeschustert“ vor, ohne klares Ziel mit vielen Einzel Aktivitäten und symbolischen Gesten in einzelnen Taetigkeitfeldern.
5. Dass die Kanzlerin nach 12 Jahren Regierungszeit dermaßen schwammig bleibt ist eigentlich erschütternd. Wenn ich an einen Kanzler Schmidt denke, dann liegen Welten dazwischen. Ist wohl so und nicht zu aendern, trotzdem schade.
@Anubiswaechter | 29. August 2017 – 13:20
Danke für die sehr treffliche Zusammenfassung ;-)
aber
„Wer tatsächlich Tacheles reden und Butter bei die Fische machen würde, würde mit einer übergroßen Wahrscheinlichkeit gar nicht erst gewählt werden und hätte somit auch keinen Einfluss auf die spätere politische Willensbildung“
Hmm…
Heißt im Umkehrschluss das wir belogen,betrogen oder offensichtlich hinter das Licht geführt werden wollen?
Mir ist jemand der zu seinem Wort steht (und ausführt) lieber, als derjenige der viel ankündigt und hinterher an Gedächtnisverlust leidet. Gesichtsverlust scheint den meisten Politikern eh vollkommen egal zu sein. Hauptsache die Bezüge stimmen.
Wenn das gelebte deutsche Demokratie sein soll, dann gute Nacht!
Es braucht auch kein Politiker der „etablierten“ Parteien erstaunt aufzurufen wenn ein Akteur a la AfD plötzlich auftaucht und nicht unerheblich Wählerstimmen absaugt. Die etablierten können m.E. froh darüber sein, das genau die „Alternative“ sich selber die Füße wegzieht. In der richtigen personellen Besetzung ohne die ganzen Spinner könnte es ganz anders aussehen!
Nach der Wahl liegen neue „Papiere“ auf dem Tisch und alle fragen sich wieder wer das gewählt hat! Somit schließt sich der Kreis im Punkt 3.
Ich habe es heute schon mal probiert,
jetzt nochmal:
Fällt außer mir bei Cem Özdemir „Die Bundeswehr muss UN-Fähiger werden“ niemanden etwas ein?
Zur Sache: Man sagt ja, nach der Wahl (dem Spiel, etc) ist vor der Wahl. Bei Wahlversprechen oder Aussagen zum eigenem Handeln nach der Wahl gilt wohl eher „Nach der Wahl ist schauen wir mal“,
Werferfehler
Ich hatte in der Konzeptionsphase der jeweiligen Wahlprogramme (1. Quartal diesen Jahres) meine eigenen Fragen
zum Thema Bundeswehr/SiPo formuliert und über unterschiedliche Medien (FDP: deren offene Diskussionsplattform, CDU und SPD per Mail, Linke im Rahmen einer Bürgerfragestunge von Frau Kipping, Grüne über deren Webseite wo zeitweise Fragen zum Wahlprogramm zugelassen waren). Das Ergebnis ist ernüchternd (und für mich als Konservativen schmerzhaft): einzigst von der SPD kamen substanzielle Antworten. Am schlimmsten waren die Phrasen der CDU und die Interessenlosigkeit der FDP.
Zu de m Thema finde ich Professor Neitzels Gastkommentar „Entfernung von der Truppe “ in der FAZ von vorgestern eigentlich die einzig brauchbare Wortmeldung. Geht zwar spezifisch um die Ministerin, aber gilt eigentlich für alle. Wie Anubis so richtig sagte: Geschwafel vor der Wahl.
@ Wa-Ge | 29. August 2017 – 13:34:
„Sie glauben doch nicht, dass auch nur einer der Befragten die Interviewfragen selbst beantwortet hat? Da hat der zuständige Fachreferent schon seine abgestimmte Fachmeinung niedergeschrieben.“
Zumindest im Vorspann des Schulz-Interviews steht, dass der SPD-Vorsitzende mit dem DBwV „gesprochen“ habe.
Und selbst wenn nicht: Wen juckt’s? Ein Berater mit sicherheitspolitischer Expertise ist immer noch besser als gar keine SiPo. Falls es einen solchen Referenten also wirklich gibt, ist das doch ein gutes Zeichen.
„Bzgl. NVA und Die Linke irren Sie auch, da dort maximal die ehemalige PDS Fraktion Interesse daran hätte dieses Thema anzusprechen, DIE Linke als solche will mit der DDR nicht wirklich in Verbindung gebracht werden.“
Gerade dann sollte es Herrn Bartsch doch recht leicht fallen, sich zur Traditionswürdigkeit der NVA zu äußern, meinen Sie nicht? ;)
@Bürger
Sie hätten Recht wenn es in den Parteien
A) keinen Proporz und
B) keine internen Machtkämpfe und Sprachvorschriften geben würde.
Um es mal plakativ zu beschreiben, was nützt es den USA der Welt, dass Trump über eine Anzahl an fähiger Fachberater hat (gilt auch für vdL) wenn er nichts auf deren Mrinung zählt im im Falle des Falles zig andere Dinge eine höhere Priorität haben.
@ Wa-Ge | 29. August 2017 – 17:51:
„Um es mal plakativ zu beschreiben, was nützt es den USA der Welt, dass Trump über eine Anzahl an fähiger Fachberater hat (gilt auch für vdL) wenn er nichts auf deren Mrinung zählt […]“
Nach seiner Kehrtwende in Sachen Afghanistan, für die vor allem Mattis und McMaster verantwortlich sein sollen, ist Trump diesbezüglich ein eher schlechtes Beispiel.
Der (SPD-nahe) Historiker Heinrich August Winkler war heute im Gespräch mit der Berliner Zeitung über die Rolle Deutschlands und die Zukunft des Westens. Zitat: „Wir sollten uns immer mit unseren engsten Verbündeten abstimmen und das Völkerrecht achten und in diesem Rahmen unserer Verantwortung gerecht werden. Und da müssen wir deutlich machen, was uns die äußere Sicherheit wert ist, Stichwort: Erhöhung des Verteidigungsetats.“ Ob das Schulz und Gabriel nach den Ausfällen der letzten Tage beherzigen, darf man bezweifeln.
Werte Mitforisten – es ist Wahlkampf und im Wahlkampf geht es um Stimmenfang auf der Basis von für „den“ Wähler relevanten/wichtigen Themen. Welchen Rang hat denn bitte das allgemeine Thema Verteidigungspolitik/Bundeswehr für die überwiegende Masse der deutschen Wählerschaft ? Bestimmt nicht Rang 1 würde ich vermuten. Verteidigungspolitik/Bundeswehr war, ist und bleibt ein „Expertenthema“ in Deutschland – damit mobilisiert man keine Wähler und gewinnt keine Stimmen. Das wissen alle Parteien, selbst die AfD hat das schon begriffen. Egal welche Koalition künftig in Berlin regieren wird, der Wehretat wird in jedem Fall erhöht werden schon allein aus Gründen der „Attraktivität“, denn für „Facharbeiter“ gehört zur Attraktivität eben auch die materielle und personale Professionalität. Und das ist eben das demographisch-haushalterische Dilemma: hat doch keinen Sinn für -zg Milliarden military hightech einzukaufen, wenn ich nicht das Fachpersonal generieren kann dieses Mat zu betreiben, zu pflegen und einzusetzen. Jetzt schaut euch doch mal das künftige „System“ Infanterist an – der systemlogistische Aufwand für dieses System ist doch mit einem Wald-und Wiesen-G3-Infanteristen aus den guten alten Zeiten des Jägers aus Kurpfalz im Fulda Gap gar nict mehr zu vergleichen.
Geisterdiskussion……
Bei „Wirtschaftswoche“ wird von deutlichen Besoldungsverbesserungen in kommender Legislatur berichtet. Wettbewerbsfähigkeit stärken, insbesondere gelte das für Cyber- und SanDienst, so angeblich IBuK.
Dies kann geteilte Besoldungsstrukturen bedeuten?