Wehrbeauftragter fordert mehr Tempo bei der ‚Trendwende‘ in der Bundeswehr (Update)

Ohne ein einziges Mal den Namen der Verteidigungsministerin zu nennen, hat der Bundestags-Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels Ursula von der Leyen und ihrem Apparat ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Für alle ihre Trendwende-Projekte, sei es bei Personal oder Material, brauche die Bundeswehr eine Beschleunigungs-Initiative, sagte Bartels am (heutigen) Dienstag bei der Vorlage seines Jahresberichts für 2016. Zwar sei das alles politisch beschlossen, aber bei Soldatinnen und Soldaten kämen bislang noch nicht mehr Personal und Ausrüstung an, sondern im Gegenteil erstmal mehr neue Aufträge, rügte der Wehrbeauftragte.

Beispielhaft verwies Bartels auf den errechneten Bedarf von 14.300 zusätzlichen Dienstposten, um die Lücken schon in der aktuellen Bundeswehrstruktur zu schließen. Vorgesehen seien aber zunächst nur 7.000 weitere Dienstposten bis 2023. (Und bislang ist, siehe hier, noch nicht einmal die derzeit angestrebte Zahl an Berufs- und Zeitsoldaten erreicht.) Bei der Ausrüstung nannte Bartels das Thema Kampfpanzer, deren Zahl um 100 aufgestockt werden soll, die aber zunächst von der Industrie zurückgekauft und modernisiert werden müssen. Bislang gebe es für dieses Vorhaben, das Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im April 2015 angekündigt hatte, noch nicht mal einen Vertrag, und selbst dann seien für die Modernisierung sieben Jahre vorgesehen. Wenn man schon gebrauchte Panzer zurückkauft – warum dauert das dann so lange? frage Bartels.

Zusätzlich zu den angekündigten und beschlossenen Trendwenden sei deshalb eine Art Mentalitäts-Trendwende nötig, forderte der Wehrbeauftragte. Die bürokratischen Abläufe und Verfahren aus einem Vierteljahrhundert kontinuierlicher Reduzierung passen möglicherweise nicht mehr in die heutige Zeit.

Die komplette Pressekonferenz des Wehrbeauftragten, einschließlich der Fragen und Antworten, hier zum Nachhören:

 

Wehrbeauftragter_BPK_24jan2017     

 

 

Und der Bericht selbst, zum Nachlesen, hier.

Die ganzen Details zu Eingaben aus dem Bericht werden sicherlich noch debattiert, an dieser Stelle verzichte ich erst mal auf die Darstellung. Aber noch ein Punkt aus der Pressekonferenz: Auf die Frage nach der beabsichtigten Compliance-Regelung, die für Soldaten und Mitarbeiter deutliche Einschränkungen in der Kommunikation nicht zuletzt mit Medien bedeuten würde, sagte Bartels nur recht trocken: Das liest sich nicht gut. … Ich würd’s lassen.

Nachtrag: Die Reaktion der Ministerin auf der Webseite des Verteidigungsministeriums:

Wehrbericht bringt viele positive Erkenntnisse

Ursula von der Leyen hat dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, für einen „„konstruktiven Bericht““ gedankt. Er bestätige die eingeschlagene Richtung der Bundeswehr und die Trendwenden im Personal, Material und den Finanzen. Bei der Umsetzung wünsche auch sie sich noch mehr Tempo. Dies dürfe aber nicht zulasten der Personalauswahl und der Aushandlung „„guter Verträge““ mit der Industrie gehen.

… und des Bundeswehrverbandes: Bundeswehr ist nur bedingt einsatzbereit – was muss noch passieren?