Ende einer Ära: Bundeswehr beendet Patrouillen im Kosovo (m. Korrektur)
Im Kosovo ist zum 1. Oktober eine Ära zu Ende gegangen: 17 Jahre und fast drei Monate nach dem Einmarsch deutscher Truppen ins Kosovo, damals noch serbische Provinz, hat die Bundeswehr ihre Patrouillen in dem Balkanland eingestellt. Die deutsche Einsatzkompanie gab am (gestrigen) 30. September ihren Auftrag zurück und bereitet sich auf die Rückverlegung vor. Allerdings bleiben noch mehrere hundert deutsche Soldaten für voraussichtlich bis zu zwei Jahren im Kosovo: Im Stab der NATO-Operation KFOR (Kosovo Forces) in Pristina, im Einsatzlazarett in Prizren und, für mögliche erneute Probleme, im Gerätezug eines deutsch-österreichischen Reservebataillons.
Der beendete Einsatz der deutschen Kompanie ist Teil der Bemühungen der Bundesregierung und der NATO insgesamt, die Mission im Kosovo langsam aber sicher zu einem Ende zu bringen. Zwar sind die Spannungen zwischen den Kosovaren und den ethnischen Serben im Norden des seit 2008 – umstritten – unabhängigen Landes nach wie vor nicht vollständig ausgeräumt. Auch die Bundeswehr bewertet die Bedrohungssituation im Norden des Kosovo weiterhin als mittel, im Gegensatz zum Rest des Landes, wo sie als niedrig eingeschätzt wird.
Doch insgesamt gilt die Sicherheitslage in dem kleinen Balkanland als Fall für Polizeikräfte und nicht mehr für Militär. Allerdings hatte die NATO mit der Einschätzung, die Mission könne bald auslaufen, schon zweimal gravierend falsch gelegen – 2004, als es zu schweren Übergriffen von Kosovo-Albanern gegen Serben kam. Und erneut im Sommer 2011, als nationalistische Serben Grenzübergänge zwischen dem Kosovo und Serbien in Brand setzten und verbarrikadierten. Beide Male hatte es kurz zuvor so ausgesehen, als könnte die internationale Schutztruppe sich langsam auf ein Ende ihrer Mission vorbereiten.
Zum letzten schweren Zwischenfall mit deutschen Soldaten kam es im Juni 2012, als zwei deutsche Soldaten bei der Räumung einer Barrikade im Norden des Landes verwundet wurden, darunter ein Oberstleutnant. Korrektur: Der Vorfall, bei dem der Kommandeur des Reservebataillons, Oberstleutnant Klaus Glaab, verwundet wurde, ereignete sich im Novembr 2011.
Jetzt sieht es so aus, als könnte die KFOR-Mission tatsächlich heruntergefahren werden. In den vergangenen Wochen hatte die deutsche Einsatzkompanie bereits die meisten Soldaten nach Prizren verlegt, dem deutschen Camp, das seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten der Schwerpunkt der Bundeswehr-Aktivitäten im Land ist. Am 20. September hatte sich die Bundeswehr bereits aus dem Camp Marechal de Lattre de Tassigny, der Basis für die Einsätze im Norden, verabschiedet.
Auch wenn mit der Rückverlegung der Einsatzkompanie (im 44. Kontingent!) rund 150 Soldaten nach Deutschland zurückkehren: Zwischen 500 und 600 Soldaten werden noch eine Weile dort Dienst tun. Das Einsatzlazarett soll Mitte 2018 abgegeben werden, die politischen Gespräche darüber sind noch nicht beendet. Und voraussichtlich bis Mitte kommenden Jahres stehen zusätzlich fast 520 Bundeswehrsoldaten im gemeinsamen deutsch-österreichischen operativen Reservebataillon (Operational Reserve Force/ORF) für plötzliche Probleme auf Abruf innerhalb von sieben Tagen zur Verfügung; 30 von ihnen sind ständig im Kosovo und betreuen das dort eingelagerte schwere Gerät wie Transportpanzer.
Bis der letzte deutsche Soldat das Kosovo verlässt und damit eine mehr als 20 Jahre dauernde Geschichte der Bundeswehreinsätze auf dem Balkan beendet, wird es also noch eine Weile dauern.
(Foto oben: Soldaten des Artilleriebataillons 131 im September 2014 bei der CRC-Ausbildung im Kosovo – Foto privat; Foto unten: U.S Army photo by 2nd Lt. Jason Dvorak)
Kosovo ist ja jetzt auch ein „herkunft sicheres“ Land.
@ Herr Müller,
Die anhaltenden Spannungen (außenpolitisch) zwischen den Statten Kosovo und (dem EU beitritskanidaten, oder doch nicht?!?!) Serbien haben halt mal keine Auswirkungen auf das deutsche Asylrecht, höchstens bietet es sukzessive nicht abschiebe Gründe.
Meiner Meinung nach, wäre ein stärkeres (finanziell, Ausbildung- und Ausrüstungshilfe) Engagement im Bereich der kosovarischen Sicherheitskräfte zielführender gewesen, als als mit einer militärischen KFOR über Jahre hinweg als „neutraler“ Puffer zwischen serbischen und kosovarischen Interessen zu stehen während die kosovarischen Sicherheitskräfte vollkommen falsche Schwerpunkte umsetzen.
Und zum Schluss noch mal kurz kluggeschissen. Der OTl und Kdr des ORF-Btl wurde im November (28.) 2011 angeschossen, 2012 wurden zwei Sdt. des ABCAbwBtl 750 aus Bruchsaal angeschossen keiner davon war OTL.
… sicheres Herkunftsland … unnd ja: ist es auch !
@ Simulant | 01. Oktober 2016 – 12:37:
Grundsätzliche Zustimmung. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass die Roma da unten – also meiner Wahrnehmung nach auf dem ganzen Balkan – einen schweren Stand haben.
Hans Schommer
DANKE für die Errettung und Schutz auch von zigtausenden Muslimen in der Region. Das geht in bestimmten Kreisen immer wieder unter.
Bitte richtig recherchieren, erst recht, wenn es um verwundete Soldaten geht. Die zwei verwundeten Soldaten waren Mannschaftsdienstgrade des Bravo-Zuges. Der von Ihnen verwechselte Vorfall mit dem verwundeten Oberstleutnant, dem damaligen Kommandeur des ORF-Bataillons ereignete sich im November 2011
Ups, mein Fehler. Bin unterwegs und kann das jetzt nicht korrigieren, hole das aber nach.
/edit: ist korrigiert.
(Übrigens: diesen Hinweis praktisch wortgleich unter drei verschiedenen Namen zu posten zu versuchen ist schon ziemlich merkwürdig.)
@Hans Schommer | 01. Oktober 2016 – 14:26
Die Roma hat man ins Gebirge gejagt, sie leben oberhalb der Baumgrenze in Zweighütten die mühselig mit Wellblechresten und Plastikplannen abgedeckt waren. Ziegen, Hühner, ein alterschwaches Kfz, kein fliessendes Wasser, kein Strom.
Da wir keinen Elends-Tourismus betreiben haben wir auch nicht fotografiert (2013).
@ cosmo | 01. Oktober 2016 – 22:34
Ja, ich hab da auch so einiges gesehen – schlimm. Allerdings auch, wie in Sarajewo an einem dieser Verkehrskreisel ein Schweizer Ehepaar – die standen da mit ihrem Cabrio, um sich einzufädeln – in weniger als einer Minute von Roma-Kindern ihres gesamten Gepäcks beraubt wurde. Und ich habe mir bei Verhandlungen mit Clan-Chefs in einem feuchten, dreckigen Gemäuer in der Nähe von Rajlovac eine Tuberkulose eingefangen. Die Roma-Familien lebten da in verlassenen Häusern – in noch nicht minenberäumten Ortsteilen. Es war Winter, keine Heizung, keine Fensterscheiben, kein fließend Wasser, kein Strom. Richtig furchtbar. Letzteres war allerdings Ende der Neunziger oder Anfang 2000er.
Hans Schommer