Bundeswehr im Inneren: Erste Übung mit der Polizei im Februar 2017 (Nachtrag)

27092011_Feldjaeger_ILUe

Ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren, wie ihn das Grundgesetz in bestimmten Situationen erlaubt, wollen Streitkräfte und Polizei aus verschiedenen Ländern im Februar kommenden Jahres üben. Auf eine solche Übung für einen Terrorfall verständigten sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und mehrere Landes-Innenminister, darunter der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, am (heutigen) Mittwoch in Berlin.

Dazu die Aussage von de Maizière:

TdM_Bw-im-Innern_31aug2016     

 

Vor allem Weiteren ein wichtiger sachdienlicher Hinweis: Die Möglichkeiten für den Einsatz der Bundeswehr im Inland sind zwar durch Grundgesetz und Urteile des Verfassungsgerichts recht klar definiert, aber in der öffentlichen Diskussion wie in Politik und Medien geht es immer munter durcheinander (nein, die Amtshilfe nach dem Grundgesetz-Artikel 35 ist kein Innerer Notstand). Deshalb empfehle ich vor dem Weiterlesen die exzellente Übersicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu dem Thema:

Aktueller Begriff – Die Verwendung der Bundeswehr im Inneren


Mit anderen Worten: Es geht derzeit nicht, wie von der Union seit Jahren immer wieder gefordert, um eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Inland. Sondern um die Erprobung und Übung der bereits jetzt zulässigen Möglichkeiten – jedenfalls in dem Rahmen, in dem Union und SPD gemeinsam die entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts interpretieren. So zum Beispiel im aktuellen Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr:

Der Einsatz der Streitkräfte hat damit auch im Zusammenhang mit heutigen Bedrohungslagen zur wirksamen Bekämpfung und Beseitigung katastrophischer Schadensereignisse in den engen Grenzen einer ungewöhnlichen Ausnahmesituation nach der geltenden Verfassungslage seine Bedeutung. Es ist wichtig, an den Schnitt- stellen der im Katastrophenfall zusammenarbeitenden Bundes- und Landesbehörden weiter an einer guten Zusammenarbeit zu arbeiten und diese im Rahmen von Übungen vorzubereiten. Hierauf muss im Rahmen einer gemeinsamen verantwortungsvollen Sicherheitsvorsorge in unserem Land Verlass sein.

Das hindert natürlich den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, den saarländischen Innenminister Klaus Bouillon (CDU), nicht daran, die aktuelle Entwicklung als Erfolg für sich zu beanspruchen:

Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundesverteidigungsministerin klar gestellt hat, dass jetzt Gespräche mit der Bundeswehr geführt werden können und damit das weitere Vorgehen bezüglich gemeinsamer Übungen offiziell konkretisiert werden kann.
Als ich vor eineinhalb Jahren das Vorhaben angestoßen habe, gab es starken Gegenwind und es wurden erhebliche Bedenken geäußert. Mittlerweile habe ich viele Befürworter und bin umso erfreuter darüber, dass wir heute ein neues Kapitel in der Sicherheitsdebatte der Bundesrepublik Deutschland einleiten können.
Es geht darum, alle Kräfte für den Fall der Fälle zu bündeln, der hoffentlich nie eintritt. Doch wir müssen vorbereitet sein, um in vollem Umfang handlungsfähig zu sein. Dazu gehört die Unterstützung der Polizei in den Ländern durch die Bundeswehr, die u.a. mit Spezialfahrzeugen und logistischem Know-how helfen kann.
Dabei bleibt die Zuständigkeit bei den Ländern, diese agieren auf dem Boden der Verfassung: Die Anforderung und die Führung liegt bei den Innenministern und Polizeichefs der Länder.
Die Einigung zwischen den Ländern, eine gemeinsame Übung durchzuführen, legt einen Grundstein für die wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bundeswehr im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
In den nächsten Tagen werden die Länder bestimmt, die als Übungsorte in Frage kommen. Die anderen Länder erhalten einen Beobachtungsstatus, damit das durch die Übungen erlangte Wissen weitergegeben werden kann.

Der Bundeswehrverband  begrüßte die geplante Übung, warnte aber zugleich davor, Personalengpässe bei der Polizei mit Soldaten kompensieren zu wollen. Sein Vorsitzender André Wüstner:

Solche Übungen sind unverzichtbar. Wer sich dagegen sperrt, handelt im höchsten Maße verantwortungslos!
Wir wissen schon lange, wie komplex die Zusammenarbeit beispielsweise bei Katastropheneinsätzen ist – wenn der Einsatz nach einem Zugunglück oder einem Flugzeugabsturz geübt wird. In solchen Szenarien wird die Amtshilfe der Bundeswehr gebraucht, das üben wir gemeinsam mit Polizei, THW, Feuerwehr oder Rotem Kreuz – allerdings nur auf regionaler Ebene.
Heute muss sich Deutschland zusätzlich mit der Gefahr terroristischer Großlagen auseinandersetzen, ich denke beispielsweise an Anschläge von mehreren Terroristen an unterschiedlichen Orten gleichzeitig, mit Schusswaffen, Sprengsätzen oder Giftgas.
In solchen komplexen Szenarien ist es unverzichtbar, dass die Behörden und Einsatzkräfte länderübergreifend Ansprechpartner, Schnittstellen und Verfahren kennen – und auch die jeweilige Leistungsgrenze einzelner Akteure.
Seit fast einem Jahr fordert der Deutsche BundeswehrVerband daher, mögliche worst-case-Szenarien zu üben und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Erst nach entsprechenden Übungen kann man Handlungsbedarf erkennen, beispielsweise beim Schließen von Fähigkeitslücken oder der Optimierung im Bereich von Einsatzzentralen auf Landes- oder Bundesebene.
Für uns bleibt klar: Die Bundeswehr kann und soll den Personalabbau bei der Polizei nicht als Lückenfüller kompensieren. Diese ist wegen der Sparpolitik der letzten 20 Jahre selbst in einem äußerst schlechten Zustand und soll dennoch aktuell mehr Einsätze schultern als je zuvor.
Wenn sich die Bundesregierung zu dem bekennt, was sie kürzlich im Weißbuch 2016 beschrieben hat, dann gilt es vorrangig nicht, über Steuersenkungen nachzudenken, sondern über die finanzielle Unterfütterung der Instrumente unserer gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge. Die entsprechenden Instrumente wie Polizei oder Bundeswehr müssen schnell auf den notwendigen Grad an Einsatzbereitschaft gebracht werden, den sie mit Blick auf die heutigen Gefahren und Bedrohungen in puncto innere und äußere Sicherheit dringend brauchen. Alles andere wären Scheindebatten und Placebos!

In der Bundespressekonferenz gab es dazu natürlich auch einige Nachfragen, allerdings recht wenig Antwort. Zu dem Thema Johannes Dimroth vom Bundesinnenministerium und Jens Flosdorff vom Verteidigungsministerium:

 

BPK_BW_im_Inneren_31aug2016     

 

 

(Archivbild: Feldjäger bei der Informations- und Lehrübung von Heer und Streitkräftebasis 2011 in Bergen – Bundeswehr/Dana Kazda)