Zur Dokumentation: Aus der BPK – Polizisten-Abzug Südsudan, Zivilisten Opfer von Luftangriff in Syrien
Zur Dokumentation zwei Themen aus der Bundespressekonferenz am (heutigen) Freitag. Das eine Thema spielt schon im Bällebad eine Rolle: Warum hat die Bundesregierung bei den jüngsten Unruhen im Südsudan die deutschen Polizisten aus der UN-Mission abgezogen? Das andere Thema ist (nicht nur) in Deutschland bislang weitgehend untergegangen: Bei einem Luftangriff, vermutlich durch die US-geführte Anti-ISIS-Koalition, sind am vergangenen Dienstag bei Manbij in Syrien zahlreiche Zivilisten Opfer der Bomben geworden, wie unter anderem Amnesty International beklagt.
Zum Thema Südsudan, mit Aussagen von Sebastian Fischer vom Auswärtigen Amt und Tobias Plate vom Bundesinnenministerium:
FRAGE: Eine Frage an die Bundesregierung zum Südsudan: Der UN-Generalsekretär soll sehr verärgert darüber sein, dass Deutschland ohne Absprache mehrere Führungsoffiziere der Polizei aus dem Südsudan abgezogen hat. Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, dass das ohne Absprache und zur Verärgerung der UN oder des Generalsekretärs gelaufen sei?
FISCHER: Wenn ich mich dazu äußern darf: Es ist richtig, dass im Rahmen der Evakuierung der deutschen Staatsbürger und des Botschaftspersonals aus dem Südsudan durch Transportmaschinen der Bundeswehr auch fünf unbewaffnete deutsche Polizisten ausgeflogen worden sind, die bei der UNMIS-Mission ihren Dienst getan haben. Die Bundeswehr hat zudem vier verletzte UNMIS-Soldaten sowie viele Angehörige anderer Staaten ausgeflogen. Vielleicht ergänzend dazu: 15 Bundeswehrsoldaten, die bei UNMIS derzeit eingesetzt sind, leisten weiterhin vor Ort ihren Dienst.
Die Entscheidung beruhte darauf, dass in Anbetracht der heftigen Gefechte und Auseinandersetzungen vor Ort aus Sicht der Bundesregierung eine unmittelbare Gefahr für die persönliche Sicherheit der eingesetzten Polizisten bestand, die eine zeitweilige Evakuierung notwendig gemacht haben. Bei diesen temporär abgezogenen Polizisten handelt es sich um unbewaffnete Kräfte, die Beratungs- und Trainingsaufgaben ausgeführt haben. Es bestand dabei große Eilbedürftigkeit, weil die Bundeswehr eben nur an diesem einen Tag vor Ort in Dschuba war und die Polizisten ausfliegen konnte.
Ich glaube, es ist auch wichtig mitzuteilen, dass der zeitweilige Abzug dieser Polizisten dem Sekretariat der Vereinten Nationen im Voraus mündlich und schriftlich angezeigt worden ist. Die sind in New York also informiert gewesen.
ZUSATZFRAGE: Man hört den Vorwurf, das sei ein schlechtes politisches Signal. Es gibt ja andere Nationen, die ihre Leute nicht abgezogen haben. Was sagen Sie dazu?
FISCHER: Das kann ich nicht erkennen. Sie haben ja gehört, dass es sozusagen Gefahr in Verzug gab, dass der Handlungszeitraum, den es gab, nicht besonders groß war, und wir trotzdem die Vereinten Nationen unterrichtet haben. Von daher kann ich, glaube ich, mit Blick auf die Sicherheit der Polizisten und die Sicherheit ihres Einsatzes nur sagen: Der temporäre Abzug war vollständig gerechtfertigt.
FRAGE JUNG: Herr Plate, wenn ich richtig informiert bin, kam die Anordnung, dass die Polizisten zurückkommen, aus Ihrem Ministerium. Können Sie noch einmal begründen, warum Sie die Fürsorgepflicht als Grund angegeben haben?
DR. PLATE: Das kann ich, ehrlich gesagt, aus dem Stand nicht; mir ist die Anordnung nicht bekannt.
ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das nachreichen?
DR. PLATE: Ich werde es versuchen. Wenn die Anordnung tatsächlich von uns ist und das da drin steht, dann kann ich das nachreichen; wenn es nicht so ist, dann kann ich das logischerweise nicht nachreichen.
FRAGE DR. MAYNTZ: Temporär heißt ja, dass der Abzug zeitlich begrenzt ist. Wann gehen die wieder zurück?
FISCHER: Darüber werden wir beraten, und wenn der Zeitpunkt gekommen ist, werden die Polizisten auch wieder zurückkehren.
FRAGE PELZ: Warum hat man denn die Soldaten abgezogen? Der Umgang mit schwierigen Situationen ist in der Polizeiarbeit ja durchaus nichts Ungewöhnliches, und das war laut UN-Angaben eine Situation, in der die Polizei dringend gebraucht wurde. Warum dann trotzdem diese Entscheidung?
FISCHER: Erst einmal sind ja nicht Soldaten abgezogen worden; die Soldaten sind vor Ort geblieben. Es sind Polizisten gewesen, die unbewaffnet gewesen sind und die Trainings- und Beratungsaufgaben übernommen haben. Das heißt, die sind gar nicht operativ auf der Straße in Dschuba eingesetzt worden. Es hat Verletzte in der UNMIS-Mission gegeben, und da stand es aus unserer Sicht im Vordergrund, dass wir der Fürsorgepflicht, die wir für diese Beamten haben, nachkommen und sie mit den Möglichkeiten, die wir haben, dann auch aus Land herausbringen. Diese Möglichkeit mithilfe der Bundeswehr gab es einfach nur an diesem einen Tag.
FRAGE JESSEN: Ist das entscheidende Kriterium denn die Tatsache gewesen, dass die Offiziere, die Polizisten unbewaffnet waren? Denn wie Sie sagten, gab es auch Verletzte bei der UNMIS-Mission, und da sind, wie Sie gesagt haben, weiterhin deutsche Soldaten im Einsatz. Worin besteht denn der Unterschied bei der Fürsorgepflicht? Beruht der wirklich auf dem Kriterium der Bewaffnung, ist es das? Oder gibt es eine andere Fürsorgepflicht für Soldaten als für Polizisten?
FISCHER: Die Fürsorgepflicht ist natürlich bei allen deutschen Staatsbürgern die gleiche. Aber in diesem Fall wurde es vom Auftrag abhängig gemacht, und der Auftrag der Polizisten war einfach ein anderer als der der Soldaten. Im Übrigen unterliegen die Polizisten in der Tat auch dem Dienstvorbehalt des Bundesministeriums des Innern, und dort können Sie sicherlich auch weitere Aufklärung erhalten.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich verstehe es immer noch nicht. In beiden Fällen sind es im weiten Sinne Angehörige von Institutionen der deutschen staatlichen Sicherheit. Auch Polizisten sind gelegentlich bewaffnet, begeben sich in schwierige, auch gesundheitsgefährdende Situationen. Was macht in diesem Fall unter Sicherheitsaspekten den Unterschied zwischen Polizeioffizieren und Soldaten bezüglich derer Sie gesagt haben, dass auch für die ein Verletzungsrisiko besteht aus? Ist es die Tatsache der Bewaffnung? Hätte man sie dann nicht vor Ort bewaffnen können?
FISCHER: Es ist so, wie ich schon ausgeführt habe: Der Unterschied liegt im Auftrag, und diese Polizisten hatten einen Beratungsauftrag. Dieser Beratungsauftrag war in der unübersichtlichen Situation, die es in Dschuba gab, nicht mehr zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund gab es aus unserer Sicht dann auch keinen Grund, dass sie noch vor Ort verbleiben mussten zumal bei der Abwägung dann die Fürsorgeaspekte überwogen haben.
FRAGE WONKA: Herr Fischer, als ich im Sudan war, habe ich registriert, dass die Bundeswehrsoldaten und die Bundespolizisten im gleichen Camp untergebracht sind. Können Sie sagen, ob sich an dieser Situation etwas geändert hat? Sollte sich daran nichts geändert haben: Wieso ist da die Sicherheitslage für die Soldaten anders als für die Polizisten, wenn sie im gleichen Camp, abgesichert durch relativ viel Militär und starke Kontrollen, untergebracht sind?
FISCHER: Mangels Ortskenntnis kann ich Ihnen nicht mitteilen, ob die in demselben Camp untergebracht waren; da kennen Sie den Südsudan mutmaßlich besser, als ich ihn kenne. Aber noch einmal: Ich habe hier auf den Auftrag der Polizisten abgestellt, der in der unübersichtlichen Situation, die in Dschuba herrschte, nicht durchführbar gewesen ist.
ZUSATZFRAGE WONKA: Aber der Auftrag bzw. die Tätigkeit beider Gruppen vollzog sich ja aus dem Camp heraus? Deswegen frage ich nach dem Unterschied bei der Sicherheitseinstufung für Soldaten und für Polizisten.
FISCHER: Sie haben meine Antwort gehört.
Zum Thema Luftangriff in Syrien, mit Aussagen von Jens Flosdorff vom Verteidigungsministerium und Regierungssprecher Steffen Seibert:
FRAGE JUNG: Ich möchte zu den Luftangriffen in Syrien kommen. Herr Flosdorff, Amnesty International spricht jetzt von mehr als hundert Toten, die es bei einem Luftangriff der Anti-ISIS-Koalition auf ein syrisches Dorf gegeben habe; Al Jazeera spricht sogar schon von 200 getöteten Zivilisten, darunter 35 Kinder. Haben Sie mittlerweile erste Erkenntnisse über diesen Angriff Ihrer Koalition? Hat Deutschland, haben die Bundeswehr-Tornados diese Area vorher aufgeklärt oder nicht? Fordern Sie eine unabhängige Untersuchungskommission, die diese Tat aufklärt?
FLOSDORFF: Herr Jung, dieses Thema hatten wir hier ja schon häufiger. Der Auftrag der Bundeswehr dort besteht darin, Aufklärungsflüge über dem Nordirak und über Syrien gegen den IS durchzuführen. Aufklärungstornados der Bundeswehr liefern hochauflösende Bilder, die sowohl dazu dienen, Ziele zu identifizieren, als auch dazu, schützenswerte zivile Ziele auszuklammern und zur Identifikation beizutragen. Die Angriffe, die dann geflogen werden, und die Entscheidungen, die gefällt werden, welche Ziele angegriffen werden, fußen auf einer Fülle von Informationen und nicht nur auf Luftaufklärungsbildern, sondern auch auf anderen Bildern, auf mündlichen Aussagen oder auf sonstigen Erkenntnissen, die im Rahmen der Koalition gewonnen werden.
Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bundeswehr in irgendeiner Weise direkt oder indirekt in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt hat. Ich habe hier auch nicht über irgendwelche Erkenntnisse zu berichten, was das konkrete Ausmaß dieses unglücklichen Ereignisses angeht. Ich weiß aber, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits angekündigt haben, dort eine Untersuchung anzustellen, um den genauen Hergang herzuleiten und die Folgen zu analysieren.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, schließen Sie sich der Aussage an, dass das ein „unglückliches Ereignis“ ist, dass man da hundert unschuldige Menschen wegbombt? Wie passt das eigentlich mit der Fluchtursachenbekämpfung der Bundesregierung zusammen?
Herr Flosdorff, habe ich Sie richtig verstanden: Sie klären immer nur im Vorfeld auf, aber Sie klären im Nachhinein nicht auf, ob das, was Sie da bombardieren wollten, auch wirklich bombardiert wurde?
FLOSDORFF: Herr Jung, Sie haben vielleicht eine falsche Vorstellung von den militärischen Abläufen. Das sind konkrete Aufklärungsaufträge, die im Rahmen der Koalition ergehen. Das alles wird von einem gemeinsamen Hauptquartier aus koordiniert. Die Bundeswehr führt diese Aufträge aus und wertet auch selber aus, trägt also dazu bei, die Sicherheit zu erhöhen.
Ich möchte das alles auch noch einmal in den Zusammenhang stellen: Bei allen an diesem wirklich schrecklichen und brutalen Konflikt beteiligten Parteien ist es sicherlich so, dass die Koalition sehr viel Rücksicht auf ziviles Leben und schützenswerte Einrichtungen nimmt und sich sehr viel Mühe gibt, da Erkenntnisse zu gewinnen, und sie steckt da auch so viel Sorgfalt und so viele Ressourcen hinein wie keine andere an diesem fürchterlichen Konflikt beteiligte Partei in welche Richtung sie da auch schauen.
Insofern kann ich Ihnen jetzt nicht berichten, dass wir eigene Erkenntnisse haben. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie lange jetzt die Untersuchungen dauern werden. Es ist gut, dass diese Untersuchungen angestellt werden. Wir haben auch keine Zweifel daran, dass diese Untersuchungen mit hoher Intensität und Sorgfalt durchgeführt werden. Mehr kann ich Ihnen dazu an dieser Stelle leider nicht berichten.
VORS. DETJEN: Herr Seibert, Sie waren angesprochen.
STS SEIBERT: Das hatte ich nicht so verstanden; ich habe das jedenfalls nicht gehört. Ich kann mich aber dem anschließen, was Herr Flosdorff für das Bundesverteidigungsministerium gesagt hat.
VORS. DETJEN: Die Frage war, ob Sie sich den Begriff des „unglücklichen Ereignisses“ zu eigen machen.
STS SEIBERT: Ich glaube, Herr Flosdorff hat das gerade doch sehr klar charakterisiert. Wenn so etwas in einem Konflikt geschieht, also Zivilisten zu Opfern werden, dann ist das natürlich unglücklich man könnte auch sagen, dann ist das tragisch und dann muss das aufgeklärt werden. Aber die Anti-IS-Koalition, deren Teil wir sind, tut alles, was sie kann, um genau diesen Fall zu vermeiden. Sie wird mit Sicherheit nach der Untersuchung dieses Falles daraus auch Konsequenzen ziehen.
Bei Manbij konnte in den letzten Tages der Belagerungsring beträchtlich zugezoden werden. Die SDF hat Daesh Angeboten, seine Kämpfer aus der Stadt abzuziehen. Umkämpftes gebiet entspricht beinahe ausschliesslich Straßenzüge und Wohngebiet, BDL: Häuserkampf.
OIR unterstützt in dieser Gemengelage die vorrückenden Einhieten der SDF mit mehreren Luftschlägen täglich. Genaueres zu den Umständen ist nicht bekannt, aber Zivilisten geraten zunehmend zwischen die Fronten.
Ich denke dennoch, dass unsere LuWa überprüfen sollt, ob sie Teil der Identifikationskette der Ziele war und entsprechende Angaben machen. Soweit ich weiß sind Spotter der internationalen SOF zusändig, Luftschläge zu koordinieren.
Daher droht uns hier wohl keine Kunduz Affäre ins Haus.
Hier die zeitnahe Erstmeldung:
http://syria.liveuamap.com/en/2016/19-july-aleppo-again-today-reports-of-dozens-of-civilians
Nun ja, und deswegen haben wir genau welche Fähigkeiten zum Häuserkampf aufgebaut?
@Carabas: Im Theatre Syria gar keine. Der einzige Berührungspunkt sind Luftaufnahmen. Und wie schon hervorgehoben, us stünde nix ins Haus.
Ich bin unangenehm überrascht ob der feindseligen Atmosphäre in der Fragerunde und den z.T. unprofessionellen Fragen aber auch ob der Qualität der Antworten.
@ Thomas Melber
„Ich bin unangenehm überrascht ob der feindseligen Atmosphäre in der Fragerunde und den z.T. unprofessionellen Fragen …“
Das ist doch Tilo Jungs Markenzeichen! Wenn Sie sich mal wundern wollen wie wenig man können und wissen muss um zu einer BPK zugelassen zu werden, kann ich Ihnen nur seinen Youtube-Kanal empfehlen. Meiner Meinung nach einer der besten Trolle in der deutschen Medienlandschaft …
Die Unterscheidung nach Auftrag, also Polizist in Beraterfunktion oder Soldat als Militärbeobachter ist schon sehr theoretisch. Vor allem bei Erfahrungen vor Ort. Was mir viel mehr Sorgen macht ist die Aussage dass die „Mithilfe der Bundeswehr“ nur an diesem Tag möglich war……Dann geht Notfallevakuierung nur Mittwochs? Keinem der anwesenden Journalisten scheint der Passus aufgefallen zu sein…..Auch eine Aussage
@emdeema
du weißt doch gar nicht, wer gemeint war.
Video von Freitag:
– komplette BPK https://www.youtube.com/watch?v=3Dzz8bzPjEU
– Fragen zum Luftangriff https://www.youtube.com/watch?v=WpL6LAwfDdo
Schon am Mittwoch ging’s um die Luftangriffe der „Anti-ISIS-Koalition“:
– Video https://www.youtube.com/watch?v=33EuASm8hQ4
FRAGE JUNG: Wieder zurück zum Irak und zu Syrien: Gestern sind bei einem Luftangriff in Tokhar 85 Zivilisten gestorben oder getötet worden. Das ist in Nordsyrien. Laut mehrerer Quellen war das ein Angriff der Anti-ISIS-Koalition, also einer Koalition, die Sie unterstützen und in deren Rahmen die Bundeswehr aufklärt, damit so etwas nicht passiert. Die Quelle ist das Syrian Observatory for Human Rights, das die Bundesregierung selbst immer wieder als zuverlässige Quelle zitiert hat.
Ich würde gerne wissen, Herr Nannt: Wie konnte das passieren, wenn die Bundeswehr aufklärt, damit das nicht passiert? Können Sie uns sagen, wer diesen Luftangriff mit 85 zivilen Opfern durchgeführt hat?
NANNT: Ich kann Ihnen nur aus meiner Sicht sagen: Ich habe dazu keine Kenntnisse. Wir hatten ja in der Vergangenheit gerade auch mit Ihnen schon häufiger darüber gesprochen. Wir haben keine eigenen Erkenntnisse. Das, was Sie jetzt gerade zitiert haben, habe ich heute Morgen auch gelesen.
Ich glaube, gerade in der letzten Woche hatten Sie diese Frage auch gestellt, und ich kann die Worte von Herrn Flosdorff dazu nur noch einmal wiederholen: Gerade bei unserem Beitrag, den wir dazu im Bereich der Aufklärungs- und Hochwertfähigkeiten leisten, geht es, sage ich einmal, eben auch darum, die Ziele auszuwählen und zu suchen, um eben auch die Zivilbevölkerung zu schützen und gezielt und effektiv gegen den sogenannten Islamischen Staat vorzugehen. Dazu leisten wir unseren Beitrag. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Das war ja gerade die Frage: Haben Sie Ihren Beitrag in diesem Fall also offenbar nicht geleistet, wenn da 85 Zivilisten getötet wurden? Sind es nach Ihrem Stand die ersten zivilen Opfer westlicher Luftangriffe? Bisher konnten Sie uns nämlich nie von irgendwelchen berichten.
NANNT: Das ist genau das, was ich gerade geantwortet habe. Ich habe keine eigenen Erkenntnisse dazu. Insofern kann ich auch nicht kommentieren, ob das jetzt die ersten sind oder ob es schon welche gab. Wir haben dazu keine eigenen Erkenntnisse.
Insofern: Wir leisten unseren Beitrag als Bundeswehr. Wir haben dazu einen klaren Auftrag, auch einen des Bundestags. Den leisten wir. Das ist eine Hochwertfähigkeit, die wir dort einbringen, um so etwas eben natürlich auch zu verhindern.
Aber ich weiß nicht, wie gesagt, ob diese Zahlen so sind, wie sie sind, weil wir dazu eben keine eigene Erkenntnis haben.
FRAGE STEINER: Herr Nannt, ich würde jetzt doch ganz gerne Folgendes wissen: Wenn Sie zumindest keine eigenen Erkenntnisse über Opfer etc. pp. haben, dann werden Sie ja doch sicherlich zumindest eigene Erkenntnisse darüber haben, ob Bundeswehrmaschinen dort vorher im Einsatz waren, um in diesem Zielgebiet Ziele zu markieren, zu identifizieren etc. pp.
NANNT: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Sie müssen das so verstehen, auch im Sinne einer militärischen Operation: Um eine sogenannte Luftoperation durchzuführen, kommen ganz viele Erkenntnisse zusammen. Das heißt, wir liefern eine Datenbasis. Im Rahmen des Targeting-Prozesses laufen ganz viele einzelne Schritte ab. Es wird immer wieder verifiziert, es wird überprüft. Da kommen ganz viele verschiedene Erkenntnisse zusammen. Mehr weiß ich dazu nicht.
ZUSATZFRAGE STEINER: Aber kann ich denn davon ausgehen, dass Sie zumindest technisch in Erfahrung bringen können, ob Bundeswehrangehörige an einer Identifikation im entsprechenden Gebiet beteiligt waren?
NANNT: Noch einmal: Es ist nicht nur ein Punkt, der für einen solchen Prozess infrage kommt, sondern es sind insgesamt zig Punkte, zig verschiedene Erkenntnisse, die dort zusammenfließen und die dann dort insgesamt ein Lagebild ergeben. Mehr gibt es dazu, wie gesagt, nicht zu sagen. Wir leisten mit dieser Hochwertfähigkeit unseren Beitrag dazu, dass das insgesamt geleistet wird, und zwar genau so, wie auch alle anderen Nationen der Koalition dort tätig sind.
FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Nannt, laut britischen Medienberichten war das ja ein US-Luftangriff. Gab es darüber irgendwelche Gespräche mit der amerikanischen Seite, um eben zumindest von der amerikanischen Seite Aufklärung über diesen Fall zu erhalten? Ich meine, es geht hier um 85 Menschen, die gestorben sind, unter ihnen auch viele Kinder.
NANNT: Ich habe dazu keine Erkenntnisse. Das weiß ich nicht.
FRAGE JUNG: Herr Nannt, können Sie uns einmal erläutern, wie jetzt der Lernprozess innerhalb der Anti-ISIS-Koalition abläuft? Wenden Sie sich also an die Amerikaner und fragen nach, was dort passiert ist und ob sie selbst mitschuldig, mitverantwortlich sind?
Herr Fischer, weil Sie ja von der Reduzierung von Terroristen gesprochen haben: Was glauben Sie denn, wie viele Terroristen dieser Anschlag jetzt wieder kreiert hat? Wir wissen ja nämlich: Wenn Unschuldige getötet werden, dann führt das dazu, dass neue Terroristen motiviert werden, neue Terroristen entstehen. Vielleicht mag Herr Seibert auch etwas dazu sagen.
FISCHER: Wenn ich einmal anfangen darf: Es ist ja so, dass die Terrororganisation IS bereits weit vor dem Eingreifen der internationalen Koalition aktiv gewesen ist und Menschen auf ganz grauenvolle Art und Weise umgebracht, verfolgt und ermordet hat. Wir erinnern uns ja alle zum Beispiel an die IS-Kampagne gegen die Jesiden im Irak, die ja fast in einem Völkermord gegipfelt wäre. Das geschah ja, bevor die internationale Koalition zusammengetreten ist. Das war ja sozusagen eine Reaktion auf das Vorrücken des IS. Daher glaube ich nicht, dass der von Ihnen postulierte Zusammenhang so besteht.
Was aber im Übrigen natürlich so ist, das ist, dass wir und vor allen Dingen ja auch die Kolleginnen und Kollegen der Bundeswehr uns sehr stark darum bemühen das ist ja auch Teil ihres Auftrags , zivile Opfer so weit wie möglich zu verhindern, zu vermeiden. Uns liegen jetzt noch keine Erkenntnisse zu dem von Ihnen angesprochenen Vorfall vor. Aber es ist doch so, dass wir uns, glaube ich, mit allem, was wir haben und können, wirklich darum bemühen, zivile Opfer zu verhindern. Das mag im Einzelfall nicht immer gelingen, weil sich Dinge vor Ort verändern, weil nicht alle Informationen vorliegen. Aber Sie können davon ausgehen, dass diese Dinge im Hauptquartier der internationalen Koalition sicher ausgewertet werden und dass versucht wird, Konsequenzen zu ziehen, wenn es denn vorkommt.
NANNT: Ich kann das, was Herr Fischer gesagt hat, letztendlich noch einmal bestätigen oder noch einmal unterstreichen: Natürlich findet bei so etwas eine Überprüfung statt, und man schaut: Ist es so gewesen? Es ist aber natürlich auch eine schwierige Situation am Boden. Es muss ja erst einmal genau geprüft werden: Sind die Zahlen so richtig, sind die Zahlen nicht richtig? Auch in der Vergangenheit gab es ja immer wieder unterschiedliche Zahlen.
Wir versuchen natürlich alles, um zu vermeiden, dass irgendwo unschuldige Personen zu Schaden kommen. Aber was dort insgesamt durch die Anti-IS-Koalition geleistet wird, ist ein ganz wesentlicher, entscheidender Beitrag, wenn es darum geht, den IS einzudämmen. Ohne diesen Beitrag, den man dort insgesamt leistet, ist es eben nicht möglich, den IS erfolgreich zu bekämpfen. Wie gesagt, wir versuchen alles, um zu vermeiden, dass unschuldige Personen zu Schaden kommen, und natürlich wird man jetzt schauen und überprüfen: Was ist dort vorgefallen? Ich kann Ihnen dazu aber auch nicht mehr sagen als das, was dazu jetzt schon sowohl von Herrn Fischer als auch von mir gesagt wurde.
FRAGE JUNG: Die Zahlen sind ja eher zweitrangig; ob da jetzt 80 oder zehn gestorben sind, ändert ja nichts daran, dass es so oder so zu viele sind.
Herr Fischer, höre ich da jetzt ein Bedauern heraus? Tut es der Bundesregierung leid, wenn dort bei Angriffen, an denen Sie beteiligt sind, Menschen sterben, Zivilisten sterben?
FISCHER: Ich weiß nicht, was ich von dieser Frage halten soll. Natürlich tut jedes Opfer in einer militärischen Auseinandersetzung weh und verursacht Leid.
@ Tilo Jung
Es kann sein, dass ich das Format Ihres Journalismus nicht ganz verstehe – aber was bezwecken Sie mit diesem eher pseudo-investigativen Fragenfeuerwerk der letzten Zeit? Die YT-Abonnenten auf über 80k pushen?
Sie haben offensichtlich ein Problem mit militärischer Gewalt – soviel ist deutlich geworden – aber darüber hinaus? Warum lassen Sie sich „Aufklärung“ nicht erklären, bevor Sie sich auf diesen Aufhänger stürzen? Und was war der Anlass Ihrer letzten Frage an Herrn Fischer?
@ Thomas Melber | 23. Juli 2016 – 9:13
„Ich bin unangenehm überrascht ob der feindseligen Atmosphäre in der Fragerunde und den z.T. unprofessionellen Fragen aber auch ob der Qualität der Antworten“
Wäre das die Pressekonferenz des örtlichen Kaninchenzüchtervereins und bestünde die Reporterschar aus Schülern, die ihre ersten journalistischen Erfahrungen machen, so könnte man sagen: Nettes Schauspiel. Als Aufführung einer Laienspielschar der örtlichen Bauernschaft ginge das auch durch.
So ist dieses inzwischen offenbar ritualisierte Spiel eher erbärmlich und einer Bundespressekonferenz unwürdig. Die Regierungssprecherbank versucht sich darin, viel Belangloses von sich zu geben und ansonsten mit vielen Worten nichts zu sagen. Einige Reporter üben sich in Fundamentalopposition und erwecken mehr und mehr einen wichtigtuerisch eigenartigen Eindruck.
Wenn eine Regierung nicht über ihre Sicht auf die Welt informieren will und (einige) Reporter hinter jedem Wort einen Skandal wittern, dann kann man sich das Kasperletheater auch sparen.
So fördert man Verachtung gegenüber unseren politischen und journalistischen Eliten.
@Voodoo: Journalismus hat in seiner Eigenschaft als 4te Gewalt mehrere zentrale Aufgaben. Dazu gehört auch Gewissen und Empathie zu pflegen. Das hat Tilo Jung getan.
Herr Jung, meine naive Frage: Wenn alle Opfer in einer militärischen Ausseinandersetzung Leid verursachen, wie hoch muss die Auflösung des Smartphones sein, das die Truppe unter den Düsenflieger hängt, damit das von all den an dem Konflikt beteiligten Parteien verursachte Leid aufs Bild passt? Oder setzen die die Bilder dann zusammen? Oder machen die Panoramafotos?
Wir – also OIR – habe ja am wenigsten Leid verursacht obwohl wir sogar in zwei Staaten aktiv sind. Liegt das daran, dass die anderen – z.B die Russen und Assad – keine so dollen Smartphones haben?
Wenn man so mit den Leuten spricht, hat man das Gefühl “Der Gott des Gemetzels” (vgl. Der Freitag) habe sich erhoben. Daher gute Nachrichten:
1. Laut ANHA (video) hat die SDF die Stadtmitte von Manbij erreicht
https://isis.liveuamap.com/en/2016/24-july-sdf-fighters-entering-manbij-city-center
2. The Guardian berichtet:
With liberation of Mosul from Isis in sight, US envoy urges plan for refugees –
At an international meeting to discuss the recapture of the Isis stronghold, Brett McGurk says stabilisation plans must keep pace with military campaign
https://www.theguardian.com/world/2016/jul/21/isis-mosul-iraq-liberation-brett-mcgurk-refugee-plan
Das ist beides insofern wichtig, als das der Begriff “stabilisation plan” ein erster Schritt in die Richtung ist, Flüchtlinge legal rückführen zu können.
US Aussenminister Kerry kündigt Entwicklungen um Syrien für die erste Augustwoche an. Also in der Zeit in der Erdogan in Moskau aufschlagen will und laut Kommentatoren hier bei AGG die MiliGörus-Jugend eine Großdemo in Köln ankündigt. Wird eine interessante Woche.
Kerry: Progress with Russia on Syria despite military doubts
http://bigstory.ap.org/c63aa3fd93ce4259b03e82c8f72f5cfe
Denn was haben wir beobachtet? Die Großmacht USA und Mittelmächte wie die EU und Russland haben Staaten wie Saudi Arabien und die Tyrkei zunehmend an Bedeutung für die Zukunft Syriens einbüßen lassen. Zudem zeigen die wirtschaftlichen Entwicklungen auf, der Konflikt um Damaskus wird teurer als der aktuelle Ölpreis und die polit-ökonomischen Realitäten einer Türkei es als erschwinglich ansehen liesen.
Es kann zu einer Situation kommen, in welcher sämtliche islamistischen Proxys der sunnitischen Achse Riyadh-Ankara auf einer gemeinsamen Abschussliste RuAG-OIR stünden?! Zu weit gegriffen, ok. Aber es käme Bewegung rein und mehr Kräfte am Boden gegen Daesh würden gebündelt werden.
@KPK: In ihrer Abwesenheit: Sie sagten diese Entwicklungen für diese Jahreszeit bereits Ende letzten Jahres vorraus. WOW!