Waffen für den Kampf gegen ISIS: Kurden müssen noch ein bisschen warten

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Für den Kampf gegen die ISIS-Terromilizen im Nordirak sind die kurdischen Peshmerga-Kämpfer außer auf deutsche Ausbildung auch auf Waffen aus Deutschland angewiesen – müssen derzeit aber seit Monaten auf eine versprochene neue Lieferung warten. Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte die Bundesregierung erneut ein Paket zugesagt, dass unter anderem 4.000 Sturmgewehre G36 mit sechs Millionen Schuss und 200 Milan-Panzerabwehraketen umfasst. Vor allem die Lenkflugkörper zur Panzerabwehr werden benötigt, um, die gepanzerten Lastwagen voller Sprengstoff zu stoppen, mit denen ISIS-Kämpfer gegen die Kurden vorgehen. Doch die beschlossene Lieferung ist, so bestätigte das Verteidigungsministerium auf Anfrage von Augen geradeaus!, bislang noch nicht auf dem Weg nach Kurdistan.

Der formale Hauptgrund: Für die Waffen fehlt bislang noch die so genannte Endverbleibserklärung, mit der die Empfänger zusichern, die Waffen nicht ohne deutsche Zustimmung weiterzugeben (was bei den Peshmerga allerdings weniger zu erwarten ist, weil sie diese Waffen dringend für ihren Kampf gegen ISIS brauchen). Da ist eben nicht nur die Zustimmung der kurdischen Regionalregierung in Erbil erforderlich, sondern ebenso die entsprechende Erklärung der irakischen Zentralregierung in Bagdad, über die formal die deutschen Lieferungen laufen. Und das kann dauern.

Neben diesem zur Zeit wohl ausschlaggebenden Grund gibt es aber eine weitere Erklärung für die monatelange Verzögerung: Zwischen Verteidigungs- und dem für Rüstungsexporte zuständigen Bundeswirtschaftsministerium gab es, sagen wir, einen gewissen Diskussionsbedarf, der die Sache nicht beschleunigt hat. (Anders als ich hier geschrieben habe, ist das Wirtschaftsministerium auch dann beteiligt, wenn es um eine so genannte Länderabgabe geht, also Material aus Beständen der Bundeswehr, und nicht nur bei Verkäufen der Industrie).

Und da kommt die geänderte Fassung der Außenwirtschaftsverordnung ins Spiel. Das Bundeskabinett hatte auf Initiative von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit der Neufassung festgelegt, dass grundsätzlich bei Rüstungsexporten eine nachträgliche Überprüfung, eine so genannte Post-Shipment-Kontrolle, möglich sein muss: Endlich können die Angaben, die Empfänger zum Verbleib der Waffen machen, vor Ort überprüft werden, erklärte Gabriel im März. Und diese Nachverfolgungsmöglichkeit galt mit Inkrafttreten der neuen Verordnung eben auch für die Waffenlieferungen der Bundeswehr an die Kurden.

Über den Modus der Nachverfolgung gab es, so ist zu hören, eine bürokratische Auseinandersetzung zwischen dem Wehrressort und dem Wirtschaftsministerium. Eine Zeitlang habe deshalb Gabriels Ressort die Lieferung nicht freigeben wollen. Inzwischen sei das Problem vorerst geklärt: Für die jetzt anstehende Lieferung reicht es, wenn in der Endverbleibserklärung eine Einwilligung zur Nachverfolgung der gelieferten Waffen enthalten sei.

Dass das Wirtschaftsministerium auch bei dieser – im Grunde zeitkritischen – Unterstützung für den Kampf gegen ISIS auf den Post-Shipment-Kontrollen beharrt, hat einen sehr offensichtlichen Grund: In den vergangenen Monaten hatte es Berichte gegeben, dass einzelne Peshmerga-Kämpfer ihre aus Deutschland gelieferten Waffen auf dem Schwarzmarkt verkauften. Sei es aus wirtschaftlicher Not oder um damit eine Flucht nach Europa zu finanzieren – oder auch nur aus finanziellem Interesse. Auch wenn die Zahlen kaum ins Gewicht fallen dürften: aus grundsätzlichen Erwägungen wird das Ministerium kaum darauf verzichten, beim Endverbleib der Waffen nicht nur den Angaben aus Erbil zu glauben, sondern das auch zu kontrollieren. Das allerdings dürfte schwierig werden, wenn es darum geht herauszufinden, ob und welche Gewehre, Pistolen oder gar Panzerabwehrwaffen den ISIS-Milizen bei Kämpfen in die Hände gefallen sind.

(Archivbild März 2016: Deutsche Ausbilder der Mobile Training Teams (MTT) vom Kurdistan Training Coordination Center (KTCC) bilden Peschmerga an der Panzerfaust 3 in der Kaserne in Bnslawa/Erbil in der Kurdischen Autonomieregion im Nordirak aus – Bundeswehr/Andrea Bienert)