Bundesregierung bewertet Bedrohung für Zivilbevölkerung in Afghanistan als „eher niedrig“

20160307_Frauentag_Kundus

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist in diesem Blog eher unter militärischen Aspekten ein Thema. Aber in der deutschen innenpolitischen Debatte spielt angesichts der vom Hindukusch nach Europa und nach Deutschland flüchtenden Afghanen die Bedrohungslage für die Zivilbevölkerung eine Rolle – was aus Sicht der Bundesregierung nicht unbedingt etwas miteinander zu tun hat.
Für die Debatte (nicht unbedingt hier auf Augen geradeaus!, aber insgesamt) ist deshalb von Bedeutung, wie aus Berliner Sicht die Lage eingeschätzt wird, nicht nur für die afghanischen Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF). Da ist eine Darstellung interessant, die sich in der vergangenen Woche erstmals in der regelmäßigen wöchentlichen Unterrichtung des Verteidigungsministeriums für die Bundestagsabgeordneten fand – und dazu muss man wissen, dass diese Informationen zwischen Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt abgestimmt werden:

Insgesamt bleibt die Sicherheitslage weiterhin regional unterschiedlich ausgeprägt. Noch ist die Sicherheitslage durch die ANDSF in den meisten urbanen Zentren, darunter fällt die Mehrzahl der Provinzhauptstädte, mindestens „ausreichend kontrollierbar“3. Insgesamt leben hier schätzungsweise zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Hingegen sind viele der ländlichen Gebiete mittlerweile „überwiegend nicht“ bis teilweise „nicht mehr kontrollierbar“.

Die in den Karten dargestellte Bedrohungslage in Afghanistan bewertet das Risiko gewaltsamer oder krimineller Aktionen gegen Angehörige administrativer Einrichtungen und Sicherheitskräfte des Landes sowie westliche Staatsangehörige und Organisationen, deutscher und verbündeter Truppen, Personal und Einrichtungen der Vereinten Nationen oder Hilfsorganisationen (Regierungs-/ und Nichtregierungsorganisationen). Sie ist regional und lokal stark unterschiedlich ausgeprägt und unterscheidet sich zudem explizit von der Bedrohung für die zivile Bevölkerung.
Eine detaillierte räumliche Abgrenzung des Bedrohungsgrades für die Zivilbevölkerung ist nicht möglich, da sich diese aufgrund Herkunft, Ethnie, Stammeszugehörigkeit, Religion und anderer sozioökonomischer Faktoren schon von Dorf zu Dorf signifikant unterscheiden kann. Zudem lässt die landestypische Dynamik der Veränderungen vor Ort auch keine zeitliche Festlegung zu.
Während für Sicherheitskräfte, Regierungsvertreter und Ausländer in Abhängigkeit von der Region ein „niedriges“ bis „hohes“ Risiko besteht, ist die unmittelbare Bedrohung für die zivile afghanische Bevölkerung – selbst in den Gebieten unter militantem Einfluss – jedoch im Vergleich dazu als eher „niedrig“ zu bewerten.

(Hervorhebung von mir; T.W.]

Die erwähnten Karten zeige ich hier nicht, die sehen aber nicht so viel anders aus als diese aktuelle Übersicht der Sicherheitslage.

Die als eher niedrig eingeschätzte unmittelbare Bedrohung für die zivile afghanische Bevölkerung scheint mir allerdings etwas im Kontrast zu der aktuellen Beurteilung der UN-Mission in Afghanistan zu stehen.

(Evtl. Kommentare dazu bitte nicht hier, damit es nicht zerfasert, sondern im aktuellen Thread zur militärischen Lage.)

(Foto: Feier zum internationalen Frauentag in Kundus am 7. März 2016 – UNAMA/Shamsuddin Hamedi)