Zur Dokumentation: Pressekonferenz Hollande/Merkel am 4. März 2016
Zur Dokumentation: Am (gestrigen) Freitag haben Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Paris den Europäischen Rat am kommenden Montag vorbereitet. Es ging, unter anderem, auch um die Lage in Syrien und, im Zusammenhang mit den Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa, um den NATO-Einsatz in der Ägäis (Hollande kündigte Verstärkung durch ein französisches Kriegsschiff an).
Da das aus verschiedenen Gründen vielleicht noch gebraucht wird: Vom Elysee-Palast gibt es die Pressekonferenz hier als Video; außerdem von deutscher Seite die Abschrift der kompletten Pressekonferenz:
Präsident Hollande: Ich habe heute die Freude, Bundeskanzlerin Angela Merkel im Élysée empfangen zu können. Ziel war die Vorbereitung des Europäischen Rates am Montag. Es ging aber auch darum, dass wir hier in Paris eine Telefonkonferenz mit Wladimir Putin organisiert haben. David Cameron war ebenfalls dabei ‑ ihn habe ich gestern schon getroffen ‑, und auch Matteo Renzi war zugeschaltet. Diese Telefonkonferenz war zielführend, denn damit haben wir es geschafft, noch einmal daran zu erinnern, dass der Waffenstillstand in Syrien überall eingehalten werden muss. Die einzigen Aktionen, die toleriert werden können, sind die Aktionen, die sich gegen Da’esh und die Al-Nusra-Front richten. Jede andere Initiative würde den Waffenstillstand verletzen und wäre ein Vorwand, um diesen Waffenstillstand nicht wirklich umzusetzen. Wir haben festgestellt, dass gemeinsamer Wille ist, dass dies vor Ort global umgesetzt wird.
Wir wollen auch, dass sobald wie möglich humanitäre Hilfe zugunsten der Zivilbevölkerung geleistet wird, die die Opfer dieses Konfliktes ist und die teilweise heute ohne Nahrungsmittelversorgung da steht. Wir haben entschieden ‑ alle Teilnehmer haben dies getan ‑, dass wir unsere Initiativen und Anstrengungen miteinander koordinieren, damit wir für Aleppo ‑ aber nicht nur für Aleppo ‑ die Hilfsmaßnahmen, die notwendig sind, leisten.
Wir haben weiterhin noch einmal betont, dass es die Gelegenheit dieses Waffenstillstandes gibt, um die Debatten, die Diskussionen zu eröffnen, damit wir zu einem politischen Übergangsprozess kommen. Die Russen ‑ Wladimir Putin ‑ haben diesem Grundsatz der Verhandlung auf der Grundlage der Resolutionen der Vereinten Nationen zugestimmt. Wir haben sicher noch Gelegenheit, über Telefonkonferenzen miteinander zu sprechen, um diesen Weg weiter zu verfolgen, damit dieser politische Übergangsprozess weiter vorangetrieben werden kann. Aber es gibt eine Chance, und die Chance ist da. Das ist die Chance, dass die Situation vor Ort beruhigt wird, dass es für die Syrer möglich sein wird, dort weiter zu leben und dass wir es dann endlich schaffen, eine politische Verhandlung zu beginnen, die zu einem Übergang führt, um somit einen Krieg zu beenden, der ‑ ich erinnere noch einmal daran ‑ mehr als 300 000 Opfer gekostet hat.
Wir haben danach unsere Diskussionen weiter fortgesetzt und haben uns auf die Flüchtlingsfrage konzentriert. Es gibt eine Verbindung zwischen diesen beiden Fragen. Wenn wir es schaffen, die Situation in Syrien zu regeln, werden wir natürlich notwendigerweise auch die Situation der Flüchtlinge verbessern ‑ vor allem der Flüchtlinge, die in der Türkei, in Jordanien, im Libanon leben, aber auch die Situation der Binnenflüchtlinge innerhalb Syriens.
Angesichts dieser Flüchtlingsfrage haben Deutschland und Frankreich die gleiche Antwort. Diese Antwort heißt Europa, denn Europa muss in der Lage sein, die Lösungen, die erwartet werden, zu erbringen. Auch in der Hinsicht wollten wir den Europäischen Rat am Montag vorbereiten. Der türkische Premierminister wird erwartet. Wir haben noch einmal zwei Grundsätze in Erinnerung gerufen: Die syrischen Flüchtlinge, die Kriegsflüchtlinge sind, müssen aufgenommen werden, und zwar so nah wie möglich an ihren Herkunftsorten, also so nah wie möglich an ihrem Land, sprich in der Türkei, im Libanon oder in Jordanien. Außerdem müssen wir die notwendigen Hilfen leisten, damit das möglich ist.
Der zweite Grundsatz ist: Wenn die Flüchtlingsbevölkerung an die Grenzen Europas stößt, müssen wir dafür sorgen, dass wir schauen, wo sie herkommen, welchen Weg sie genommen haben und welches ihre Rechte insbesondere in Bezug auf Asyl sind. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Außenkontrollen unserer Grenzen sicherstellen. Darüber werden wir mit der Türkei sprechen, aber natürlich auch mit allen unseren anderen Partnern.
Es gab in den vergangenen Tagen Fortschritte, denn es sind Entscheidungen gefallen, die endlich umgesetzt worden sind. Das ist insbesondere die NATO, die sich entschlossen hat, mit Schiffen in der Ägäis zu operieren, und zwar zwischen Griechenland und der Türkei. Ich möchte hier ankündigen, dass Frankreich ebenfalls dieser Streitmacht ein Schiff zur Verfügung stellen wird, damit die Grenzkontrollen sichergestellt werden. Die NATO arbeitet mit Frontex zusammen, denn Frontex hat ja die Verantwortung im Namen Europas. Die Türkei muss mit Frontex und im Übrigen auch mit der NATO in ständiger Verbindung stehen, damit eine effektive Grenzkontrolle gewährleistet wird.
Wir haben in Griechenland die Hotspots eingerichtet. Diese dienen dazu, dass die Migranten identifiziert werden, dass wir die Asylbewerber von denen unterscheiden, die kein Asylrecht haben, indem diese dann zurückgeschickt und ebenfalls von der Türkei sozusagen zurückgenommen werden müssen. Wir haben außerdem Geldmittel zur Verfügung gestellt, damit die Länder, die Flüchtlinge aufnehmen, dies tun können, indem die Würde der Flüchtlinge gewahrt wird.
Im Europäischen Rat müssen wir dafür sorgen, dass die Verpflichtungen, die eingegangen worden sind, auch tatsächlich respektiert werden. Das heißt Zusammenarbeit mit der Türkei, um die Grenze so dicht wie möglich zu machen und die Rückführung der irregulären Migranten sicherzustellen sowie die Unterstützung Griechenlands. Griechenland muss unsere Hilfe unter den bestmöglichen Bedingungen erhalten, damit die Menschen, die immer noch zahlreich dorthin kommen ‑ auch wenn es weniger geworden sind ‑, gut aufgenommen werden können.
Schließlich ist unser Ziel die Rückkehr zu Schengen. Dabei geht es um Koordinierung, Solidarität und Stärkung der gemeinsamen Mittel. Das ist der Sinn dessen, was wir, also die Länder des Schengen-Raumes, gemeinsam wieder aufbauen müssen. Es geht dabei darum, dass Grenzkontrollen eingerichtet werden, dass Grenzschützer eingesetzt werden. Das werden wir tun, unserer Verantwortung in Bezug auf die Entscheidungen, die gefallen sind, gerecht werden, dafür sorgen, dass auch die Türkei ihren Verpflichtungen nachkommt und sie in die Lage versetzt wird, das zu tun. Wir werden auch dafür sorgen, dass Griechenland ‑ das ist ja unsere allgemeine Grenze ‑ dank der europäischen Solidarität Hilfe in Form von Verfahren bekommt, die wir gemeinsam im Schengen-Raum eingerichtet haben. Frankreich und Deutschland arbeiten im gleichen Geist und mit dem gleichen Willen. Frankreich wird alle seine Verpflichtungen insbesondere in Bezug auf den Verteilungsmechanismus einhalten.
Ich habe mich im September darauf verpflichtet, dass wir 30 000 syrische oder irakische Flüchtlinge in Frankreich aufnehmen. Diese Verpflichtung gilt, sie wird eingehalten. Sie wird umso eher eingehalten, als dass es Regeln von Schengen gibt und wir keine Migranten haben, die ohne Erlaubnis zu uns kommen. Frankreich wird also seine Verpflichtungen einhalten. Das ist der Grundsatz, der für alle Länder gelten muss. Jedes Land muss seinen Verpflichtungen nachkommen, damit wir der Lage gerecht werden, die ich beschrieben habe.
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, der auch in unseren Verhandlungen angesprochen wird und ein Punkt beim Landwirtschaftsrat am 14. März sowie beim nächsten regulären Europäischen Rat sein wird. Das ist die Situation der Bauern, der Landwirtschaft, insbesondere der Milchproduzenten und der Schweinezüchter, die von der Europäischen Union so viel erwarten. Auch hier möchte ich sagen, dass wir sofort Entscheidungen treffen werden, die von allen europäischen Ländern getragen werden.
BK`in Merkel: Danke schön für die Möglichkeit, heute hier in Paris zu sein und den Rat am Montag vorzubereiten. Es war erst einmal wichtig, dass wir als die vier europäischen Regierungschefs mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert haben. Auch ich möchte noch einmal betonen, dass die Verpflichtung zur Einhaltung der Waffenruhe eine wichtige Botschaft ist, die heute auch vom russischen Präsidenten bestätigt wurde; nur Angriffe auf Da’esh und gleichzeitig die Al-Nusra-Front (können toleriert werden). Wir haben darum gebeten, dass auch Russland seinen Einfluss geltend macht, damit das auch für das Assad-Regime gilt, und auf die spezielle Bedeutung der Situation in Aleppo hingewiesen.
Wir waren uns alle einig, und das ist eine wichtige Einigkeit, dass der politische Prozess so schnell wie möglich in Gang kommen muss, weil er die Grundlage für eine Transformation ist, und dass es natürlich als ein Zwischenelement ganz wichtig ist, dass sich die humanitäre Situation verbessert. Wir haben über bestimmte Fragen gesprochen, darüber, wo und wie humanitär mehr geholfen werden kann, und ich glaube, es wird eine sehr wichtige Botschaft an die Menschen in Syrien sein, wenn sich die Lage dort verbessert, wobei erste Fortschritte bereits sichtbar sind.
Wir haben natürlich alle noch einmal deutlich gemacht, dass wir die Arbeit von Herrn de Mistura unterstützen, der diesen politischen Prozess ja auch leitet und die verschiedenen Gruppierungen zusammenhält.
Insgesamt, glaube ich, war es wichtig, dass wir von europäischer Seite heute auch das Gespräch mit dem russischen Präsidenten aufgenommen haben, nachdem es jetzt auch intensivere Kontakte zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland gibt und wir damit unsere gemeinsame Verantwortung auch noch einmal unterstrichen haben.
In der Tat, wie der französische Präsident François Hollande es eben gesagt hat, hat die Frage der Situation in Syrien natürlich auch sehr viel mit dem Thema des Rats am Montag zu tun, nämlich der Frage der Bewältigung der Flüchtlingssituation. Wir, Deutschland und Frankreich, stimmen vollkommen überein, dass wir unsere Außengrenze schützen müssen, zum einen, um die Reisefreiheit im Inneren Europas erhalten zu können und schrittweise wieder von den Grenzkontrollen wegzukommen, zum anderen gleichzeitig aber auch aus Sicherheitsgründen; denn wir müssen wissen, wer nach Europa kommt. Dabei kommt Griechenland als einem Außenland eine zentrale Bedeutung zu, aber in Bezug auf die Seegrenze eben auch der Türkei. Insofern wird ein Schwerpunkt des Rats am Montag das Zusammentreffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlus ein.
Wir werden uns über den Stand der EU-Türkei-Agenda informieren. Einerseits geht es darum, was Europa tut, um die humanitären Projekte für die Flüchtlinge auch voranzubringen und die 3 Milliarden Euro, die zur Verfügung stehen, in der Praxis einzusetzen, zum anderen aber auch darum, was bei der Eindämmung der illegalen Migration erreicht worden ist und was noch getan werden muss. Die NATO-Mission muss sehr schnell in Gang kommen. Sie befindet sich immer noch in den Vorbereitungsarbeiten, und ich hoffe, dass wir da am Montag schon ein Stück weiter sein werden. Ich freue mich sehr, dass Frankreich auch bereit ist, ein Schiff zur Verfügung zu stellen, um die Kontrolle in der Ägäis zu verbessern und die Operation mit Frontex und der türkischen Küstenwache auch möglich zu machen.
Wir werden des Weiteren mit der Türkei auch über die Frage sprechen, wie wir die Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei noch weiter organisieren können. Insofern werden das sehr wichtige und sehr intensive Beratungen im Hinblick auf eine europäische Lösung sein. Wir sind nämlich gemeinsam davon überzeugt: Einseitige Lösungen helfen uns nicht weiter. Wir sehen, dass dadurch keine nachhaltige Reduktion der Flüchtlinge erfolgt. Selbst wenn in Deutschland in diesen Tagen weniger Flüchtlinge ankommen, ist das keine nachhaltige Lösung, weil Griechenland auf der anderen Seite jetzt ein größeres Problem hat. Wir müssen einen europäischen Ausgleich schaffen, das heißt eine gesamteuropäische Lösung, und die heißt „Schutz der Außengrenze“ und „Hilfe und Unterstützung für Griechenland, wo immer das notwendig ist“. Ich hoffe, dass wir hierbei mit unserem gemeinsamen Ansatz auch vorankommen werden. Wir glauben auch, dass die Vorarbeiten sowohl des Ratspräsidenten Donald Tusk durch seine Reisen als auch der Kommission hierbei sehr hilfreich sind.
Wir haben in der Tat auch über die Landwirtschaft gesprochen. Das ist, was die Situation der Bauern anbelangt, genauso in Frankreich wie in Deutschland ein Thema. Unsere Agrarminister arbeiten hierbei sehr eng zusammen, um im Sinne der Europäischen Union und gemeinsam mit der Kommission auch gemeinschaftliche Lösungen zu finden. Auch das ist ein wichtiges Signal an die betroffenen Bauern.
Frage: Bundeskanzlerin, wie hat sich der politische Laie das vorzustellen? Wie wollen Sie die türkische Regierung am Montag zu mehr Engagement bewegen?
BK´in Merkel: Ich will erst einmal hervorheben, dass die Türkei bereits eine Vielzahl von Maßnahmen mit einer Vielzahl von Ländern ergriffen hat, so eine Visa-Pflicht für Syrer aus Jordanien und dem Libanon, für Reisende aus Afghanistan, für Reisende aus dem Irak und für Reisende aus dem Iran. Die türkische Regierung hat darüber hinaus etwas gemacht, was sehr wichtig ist, damit Flüchtlinge auch in der Nähe ihrer Heimat bleiben können, wie der französische Präsident es gesagt hat, nämlich Arbeitserlaubnisse für Flüchtlinge geschaffen. Sie hat zum Beispiel auch zwei MoUs mit Deutschland unterschrieben, in deren Rahmen wir in der Polizeiarbeit enger zusammenarbeiten. Die türkische Regierung hat sich mit der Überwachung der Ägäis durch die NATO einverstanden erklärt. Das ist das Bekenntnis zu mehr Transparenz. Jetzt finden auch permanent Verhandlungen mit der Kommission und der niederländischen Ratspräsidentschaft über die Frage der Rücknahme statt. Die türkische Regierung wird in dieser Woche zum ersten Mal eine größere Zahl von Flüchtlingen auch aus Griechenland in die Türkei zurücknehmen.
Dass das Ganze ein komplizierter Prozess ist, kann sich jeder vorstellen. Die Flüchtlingszahlen sind noch sehr hoch. Aber ich will deutlich machen: Gegenüber Oktober bzw. November sind sie deutlich geringer. Wir haben bereits Frühling in der Ägäis, und insofern sehe ich durchaus, dass sich gegenüber dem Herbst schon eine gewisse Änderung ergeben hat. Allerdings sind wir noch nicht am Ende unserer Bemühungen angelangt, und deshalb sind der Montag und das intensive Gespräch auch so wichtig, wobei ich ausdrücklich sagen will, dass ich verstehe, dass auch die Türkei erwartet, dass wir als Europäer liefern und dass jetzt auch die ersten Projekte eingetütet oder eingestielt werden ‑ wenn Sie schon als Laie fragen, kann ich auch solche Worte benutzen ‑, damit es endlich vorangeht, was Projekte für Flüchtlinge angeht; das ist, glaube ich, auch sehr wichtig.
Gleichzeitig gibt es natürlich auch eine Agenda der sonstigen Zusammenarbeit mit der Türkei, was zum Beispiel die Kapiteleröffnung und anderes anbelangt. Darüber werden wir auch sprechen.
Frage: Schien Ihnen Wladimir Putin bereit, den Waffenstillstand in Syrien zu verbessern? Sie haben ja zu verstehen gegeben, dass das nicht perfekt ist. Ist Wladimir Putin bereit, politische Verhandlungen während des Waffenstillstands zu beginnen, das heißt also sehr schnell? Der Waffenstillstand soll ja maximal noch 14 Tage gelten.
Andererseits würde ich gerne etwas verstehen: Warum wäre denn Herr Erdoğan bereit, Europa zu retten? Er wird drei Milliarden Euro bekommen ‑ das stimmt schon ‑, aber welches wäre seine Motivation, um uns mehr zu helfen? Es wird ja viel von ihm verlangt. Wird er bereit sein, Frontex- und NATO-Boote in die territorialen Gewässer zuzulassen?
Präsident Hollande: In Bezug auf den Willen Wladimir Putins kann ich sagen: Er hat ihn zum Ausdruck gebracht. Er hat nämlich gesagt, dass er willens sei, den Waffenstillstand einzuhalten und dafür zu sorgen, dass es keine Bombardierungen gegen die Zivilbevölkerung gibt. Ich muss sagen: Das liegt im Interesse aller, denn damit würde es möglich werden, dass der Verhandlungstisch eröffnet wird. Es kann keine Verhandlungen geben, wenn der Waffenstillstand gebrochen und die Zivilbevölkerung bombardiert wird.
Es gibt auch einen weiteren Willen ‑ ich denke, das ist ehrlich gemeint ‑, dass nämlich der Zivilbevölkerung geholfen wird. Es ist ja ein humanitäres Drama in Aleppo, aber nicht nur in Aleppo. Aleppo ist ein humanitäres Drama. Die Verantwortlichen würden sehr streng bestraft werden, wenn es mit dieser Bombardierung weiter ginge. Der Wille ist also da. Es ist ein gemeinsamer Wille, dass humanitäre Hilfe in die Städte kommt, die heute unter dieser Tragödie leiden.
In Bezug auf die Diskussion, die in Genf eröffnet wird, möchte ich nicht an der Stelle von Wladimir Putin sprechen; ich würde genauso wenig wollen, dass er mit meiner Stimme spricht. Ich denke, es liegt im Interesse aller, dass es eine echte Verhandlung mit einem echten Verhandlungsprozess gibt, denn sonst würde sich die Opposition nicht an den Verhandlungstisch setzen, um die Zukunft Syriens in diesem Zusammenhang vorzubereiten. Ich spreche im Namen von Frankreich. Wahlen im Juli in Syrien sind nicht nur absolut provozierend, sondern das wäre nicht realistisch. Das wäre der Beweis dafür, dass es keine Diskussion, keine Verhandlung gegeben hat.
Zu dem Thema des Willens der Türken und von Herrn Erdoğan: Ich möchte noch einmal auf das eingehen, was Angela Merkel gesagt hat. Die Türken haben 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Das heißt, es ist absolut legitim, dass wir der Türkei helfen, genauso wie es notwendig ist, dass wir den Jordaniern oder den Libanesen helfen. Ich glaube, Herr Erdoğan hat ein Interesse daran, dass es weniger Flüchtlinge gibt und dass ein Teil der Flüchtlinge nicht in Lagern aufgenommen wird, sondern überall in der türkischen Gesellschaft. Deshalb auch die Erlaubnis zur Arbeit, die erteilt worden ist. Ich denke, eine Stabilität wäre in jeder Hinsicht auch gut für die Türkei. Jetzt geht es darum, dass wir die gesamte politische Frage Syriens lösen, damit Herr Erdoğan ein Verständnis dafür entwickelt, dass wir nicht nur über Flüchtlinge reden wollen, sondern dass wir eine globale Regelung der syrischen Frage wollen.
BK´in Merkel: Was die Frage des russischen Präsidenten und seines Interesses an einer Waffenruhe anbelangt, so ist heute sehr klar geäußert worden, dass man in diesen politischen Prozess einsteigen möchte. Deshalb kann ich all das unterstützen, was der französische Präsident François Hollande gesagt hat.
Was die Türkei und den türkischen Präsidenten Erdoğan anbelangt, so gibt es doch, erstens, ein großes Interesse der Türkei, nicht weitere Flüchtlinge zu bekommen, das heißt, eine Lösung in Syrien hinzubekommen, und zwar eine Lösung, die auch dem Willen der vielen Millionen geflüchteten Syrer entspricht. Das heißt, die Kooperation zwischen uns, der Europäischen Union, und auf der anderen Seite der Türkei ergibt sich schon daraus.
Zweitens hat die Türkei auch ein Interesse daran, die illegale Migration vor der eigenen Haustür einzudämmen. Ich denke, das ist richtig. Was sich dort abspielt, ist nicht, dass Menschen legal von einem Land in ein anderes wechseln und wir das über die Regierungen miteinander besprechen. Sondern es sind Schlepper und mafiöse Strukturen, die dort heute das Heft des Handelns in der Hand haben. Das betrifft nicht nur syrische Flüchtlinge, sondern auch viele andere. Ich denke, dass es ein gemeinsames Interesse gibt ‑ ein europäisches, aber auch ein türkisches ‑, hier zu Legalität zu kommen und nicht die Illegalität herrschen zu lassen.
Wir müssen wissen, dass es eine ganz schmale Meeresenge ist. Dort sind im vergangenen Jahr 800 Menschen ‑ Kinder, Familien ‑ ertrunken und in diesem Jahr bereits über 320. Der Türkei und uns kann nicht daran gelegen sein, dass Menschen einen so gefährlichen Weg gehen müssen, sondern dann wollen wir lieber die Lasten und die Aufgaben teilen. Deshalb ist es legitim und richtig, dass die EU mit 3 Milliarden Euro hilft und sich auch mit den Fragen befasst, die für die Türkei bestehen. Denn, wie François Hollande gesagt hat: Bei 70 Millionen Einwohner 2,5 Millionen Flüchtlinge und jeden Tag die Sorge, dass es noch 100 000, 200 000 oder 300 000 mehr werden – das ist für ein Land eine große Herausforderung. Deshalb ist es gut, wenn wir dabei zusammenarbeiten.
Präsident Hollande: Merci.
BK´in Merkel: Danke schön.
(Hier bitte keine Kommentare, sondern in den dazu gehörenden thematischen Threads.)
(Foto: Screenshot aus dem Video des Elysee)
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