Tag der russischen Streitkräfte in Berlin: Ohne die NATO-Großen
Ein ganz kurzer Blick aufs diplomatische Parkett: Zum Tag der russischen Streitkräfte hatte die Botschaft der Russischen Förderation in Berlin zum Empfang gebeten, und es war interessant zu sehen, wer dort in Uniform auftauchte – und wer nicht. Die Attachés der großen NATO-Länder USA, Großbritannien und Frankreich ließen sich nicht blicken. Deutschland – als gastgebendes Land der Botschaft – war mit dem Leiter des Militärattachéreferats im Range eines Oberst vertreten, aber nicht höherrangig.
Dagegen waren etliche andere NATO-Uniformen zu sehen, unter anderem aus Italien, Griechenland, Portugal – und sogar aus der Türkei.
Das ist natürlich nicht mehr als ein Wasserstandsanzeiger. Aber der zeigt ja an, wie es mit den militärischen/politischen/diplomatischen Beziehungen aussieht. Der Botschafter Wladimir Grinin hoffte denn auch in seiner kurzen Ansprache, dass die gegenwärtigen Turbulenzen, wie er sich ausdrückte, überwunden werden könnten.
(Und die russische Botschaft Unter den Linden in Berlins Mitte ist natürlich in ihrer Monumentalität grandios, das mus man auch mal dazu sagen.)
(Foto: Im Kuppelsaal der russischen Botschaft in Berlin – Peter Kuley via Wikimedia Commons unter CC-BY-SA-Lizenz)
Da muss man sich ja auch innerlich ziemlich verbiegen, um in diesen Zeiten gerne zu einem Tag der russischen Streitkräfte zu gehen. Trotzdem ist die gezeigte Reaktion, die man zweifellos als Signal verstehen muss, aus meiner Sicht nicht sonderlich klug. Zumindest hilft sie nicht weiter. Denn die Russen werden sich damit umso mehr in ihrer paranoiden Einstellung gegenüber der Nato bestätigt fühlen.
Ich gebe aber zu: Gespräche mit Vertretern der russischen Streitkräften sind (übrigens anders als mit russischen Diplomaten) meist nicht sonderlich ergiebig. Allzu oft sitzt einem da ein Gesprächspartner mit dem Charme eines T-72 und ohne jede Flexibilität gegenüber, wenn es ans politisch Eingemachte geht. Gilt nicht pauschal, ist aber schon auffällig. Wenn man mit jemandem eine weiterführende Verständigung erreichen kann, dann eher nicht mit dem russischen Militär.
Aber vielleicht gibt es da auch Leute, die andere Erfahrungen gemacht haben.
PS: Dass ein türkischer Vertreter dabei war, finde ich sehr erfreulich.
Die kurze Ansprache passt zu einem Spruch, den mir ein russischer Diplomat mal weitergab: „Bei Empfängen wollen die Leute immer kurze Reden hören und lange Würste essen.“
Dabei sagt man doch inmer, gute Grußworte seien ‚kurz, prägnant und beleidigend‘ …
In der WeLT von heute, ein Artikel von Vytautas Landsbergis; ich empfehle, der sollte gelesen sein, Russland zu „verstehen“.
Wie kleinkariert kann man eigentlich sein. Das erinnert an die demonstrative Abwesenheir amerikanischer Offizieller bei den Feierlichkeiten zum 14. Juli seinerzeit, als FRA in Ungnade gefallen war.
@ KeLaBe: „Gespräche mit Vertretern der russischen Streitkräften sind meist nicht sonderlich ergiebig…“ Nur mal rein interessehalber: Wie häufig führst Du Gespräche mit Vertretern der russischen Streitkräfte?
@ TBC
Ab und zu bisher. Ich bin da nicht ganz so erfahrungslos, wie Sie vielleicht denken. ;-)
lol @TBC
..da haben Sie sich aber den falschen ausgeguckt ;-)
Es gab einmal eine Phase, da konnte man durchaus mit russischen Offizieren „ergiebige“ Gespräche haben – zumeist in kleinen, informellen Gruppierungen. Diese Zeit ist seit ca. 2007 vorbei. Russische Offiziere sind erbarmungslos „apolitisch“, verstecken sich gerne hinter technischen Verfahrens- und Rechtsfragen, schauen immer bitterböseernst aus der Wäsche (liegt an der russischen Physiognomie) obwohl sie eigentlich ganz entspannt sind. Sie saufen deutlich weniger als ihre Vorgänger, sind in der Regel hervorragend militärisch ausgebildet und kennen „den militärischen Westen“ oftmals besser, als der sich selbst. Sie leiden immer noch unter einem gewissen geschichtlich-kulturellen Minderwertigkeitsgefühl, das sie mehr oder weniger geschickt zu kompensieren oder kaschieren verstehen. Sie sind sehr stolz, patriotisch und unglaublich gastfreundlich. Eine Einladung sollte man also nicht abschlagen, schon gar nicht aus „politischen“ Gründen.