Deutschlands erste Woche im Anti-ISIS-Krieg: Fregatte im Roten Meer, Tornados in Vorbereitung

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Die Bundeswehr hat ihre erste Woche im Kampfeinsatz in der Koalition gegen ISIS begonnen. Nachdem die Fregatte Augsburg am (gestrigen) 6. Dezember um 00.00 Uhr dem französischen Verband mit dem Flugzeugträger Charles de Gaulle unterstellt worden war, verlegte der Verband inzwischen durch den Suezkanal ins Rote Meer, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin mitteilte. Die ersten Aufklärungstornados der Luftwaffe, die über Syrien und dem Irak Stellungen der ISIS-Milizen auskundschaften sollen, und ein Tankflugzeug zur Luftbetankung werden nach der derzeitigen Planung in dieser Woche auf der türkischen Basis Inçirlik stationiert.

Die französische Trägergruppe hat das Ziel Persischer Golf – offensichtlich wird da, ungeachtet der Entwicklung nach den Anschlägen von Paris am 13. November, an der ursprünglichen Planung für die Charles de Gaulle und ihre Begleitschiffe festgehalten, die einen Einsatz in diesem Seegebiet vorsahen. Denn für Luftangriffe auf Ziele in Syrien, die von diesem Flugzeugträger aus gestartet werden, ist der Persische Golf nicht wirklich günstiger gelegen als das östliche Mittelmeer:

OSM_Syrien

Im Bundestagsmandat für den deutschen Einsatz wurde diese Route, sicherlich in Kenntnis der französischen Pläne, von vornherein berücksichtigt: Der Einsatz deutscher Streitkräfte erfolgt vorrangig im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS in Syrien sowie auf dem Territorialgebiet von Staaten, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer und angrenzende Seegebiete, heißt es im Text.

Wann die fliegenden Anteile des neuen Einsatzes verlegen, wird offensichtlich derzeit noch genauer ausgeplant – außer in dieser Woche höre ich bislang keine Einzelheiten. Die Tornados, geflogen von Besatzungen des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 Immelmann in Jagel bei Schleswig, sollen ohnehin erst im Januar mit ihren Aufklärungsflügen beginnen. Bis dahin, so heißt es, müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Unter anderem ein Update der Auswertestation für die vom Recce  Lite Pod der Tornados erfassten Aufnahmen – da müssten ja auch die entsprechenden Geodaten, sprich: elektronischen Karten für die Einsatzregion aufgespielt werden.

Nach der Vorstellung der Flieger und ihrer Aufgaben bei einem Medientag in der vergangenen Woche hatte es ein bisschen Irrititationen gegeben: Warum fliegen die Tornados in diesem Einsatz bewaffnet mit Luft-Luft-Raketen (im Foto unten ein Mock-up)– obwohl ihr eigentlicher Gegner, die islamistischen ISIS-Milizen, keine Bedrohung aus der Luft darstellen?

Das sei, sagt Oberstleutnant Alexander S., Kommandeur Fliegende Gruppe bei den Immelmännern, eine Frage des soldatischen Selbstverständnisses. Die Maschinen würden selbstverständlich mit der combat load, der Kampfbeladung, als Standard in ihre Einsätze starten. Allein schon, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Allerdings: beim letzten scharfen Einsatz der Aufklärungstornados, in den Jahren 2007 bis 2010 über Afghanistan, waren die Maschinen eben nicht mit der combat load unterwegs. Da hat sich offensichtlich über die Jahre im Verständnis der Luftwaffe was verändert – wie deren Inspekteur Karl Müllner im September deutlich gemacht hatte, mit seinem Hinweis, dass deutsche Eurofighter-Kampfjets bei der Luftraumüberwachung über dem Baltikum anders als früher nun auch voll bewaffnet aufsteigen.

Wichtiger dürfte für die Besatzungen aus Pilot und Waffensystemoffizier (WSO) aber sein, was sie einer möglichen Bedrohung vom Boden entgegenzusetzen haben. Ein Blick auf die Ladung, die die Tornados bei ihren Einsatzflügen mitnehmen sollen, zunächst auf die rechte Seite der Maschine:

Von außen hängen da ein Behälter für Täuschkörper (so geannte chaffs und flares, die Flugabwehrraketen mit Hitze-Suchkopf ablenken sollen), ein Zusatztank, eine Luft-Luft-Kurzstreckenrakete und dann mittig unter dem Rumpf der Aufklärungs-Pod.

Auf der linken Seite sieht es ähnlich aus:

Von außen hängen dort ein Pod für elektronische Abwehrmaßnahmen für Flugabwehrraketen, wiederum ein Zusatztank und ebenfalls eine Luft-Luft-Kurzstreckenrakete.

Vor der Bedrohung vom Boden haben die Besatzungen zwar großen Respekt – sehen sich aber durch ihre Flughöhe ausreichend geschützt. Die Tornados würden voraussichtlich mit mittleren Höhen von 15.000 bis 20.000 Fuß operieren, das entspricht fünf- bis gut sechstausend Metern. Da ISIS, nach den bisherigen Erkenntnissen, zwar über schultergestützte Flugabwehrraketen (MANPADS)  verfügt, außerdem über Flugabwehrgeschütze (AAA, Anti Aircraft Artillery), sehen die Tornado-Crews die Gefahr als beherrschbar an. Und auf die technische Zuverlässigkeit ihrer – schon ein paar Jahrzehnte alten – Kampfjets vertrauen sie ohnehin.

Nachtrag: Jenseits der deutschen Einsatz- und Debattenlage gibt es von den Luftangriffen der US-geführten Anti-ISIS-Koalition nun eine Entwicklung, die wieder einiges verändern kann:

An air strike on an army camp has killed three soldiers, the Syrian government says, blaming the US-led coalition for the attack.
It said warplanes fired missiles at the camp in Deir al-Zour province, which is largely controlled by the jihadist group Islamic State (IS).
The ministry condemned what it called an act of „flagrant aggression“.

berichtet die BBC. Da wird die weitere Entwicklung spannend.

Nachtrag 2: Die französische Trägergruppe auf dem Weg durch den Suezkanal:

Nachtrag 3: Zu dem Angriff auf die syrischen Einheiten (Nachtrag 1 oben): Da gibt es jetzt, noch unbestätigte, Meldungen, laut US-Angaben sei es ein russischer Angriff gewesen. Die US-geführte Koalition hatte zuvor den Vorwurf zurückgewiesen, dass ihre Kampfjets den Angriff geflogen hätten.

(Mehr Fotos hier; Karte: OpenStreetMap)