6.000 Soldaten für die Flüchtlingshilfe: Die Zahlen im Kontext

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Für die neue Daueraufgabe der Bundeswehr, die Hilfe für Flüchtlinge im Inland, hat das Verteidigungsministerium bis zu 6.000 Soldaten zugesagt. In der Zahl ist bereits, das wurde bislang oft nicht klar, der Schichtbetrieb zum Beispiel in Aufnahmezentren mit eingerechnet – es werden also nicht, wie manchmal fälschlich angenommen wird, im Drei-Schicht-Betrieb dann auf einmal 18.000 Soldaten daraus. Und die Zahl 6.000 wird gerne der Zahl der Soldaten in den Auslandseinsätzen gegenübergestellt: Das sind derzeit 2.900, also wird – je nach Standpunkt – hervorgehoben oder beklagt, dass die Streitkräfte doppelt so viel Personal in der Flüchtlingshilfe binden wie bei Auslandsmissionen. Auch das Ministerium selbst stellt das in den Vordergrund, wie dessen Sprecher Michael Henjes in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Freitag:

 

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Nun ist diese Rechnung zwar richtig, aber unvollständig. Denn selten wird aufgelistet, wo die Truppe sonst noch Personal außerhalb ihres normalen Grundbetriebs gebunden hat, zum Beispiel durch internationale Verpflichtungen und Zusagen. Deshalb mal der Versuch einer Übersicht:

Auslandseinsätze: Nach der jüngsten Übersicht des Verteidigungsministeriums für das Parlament sind derzeit rund 2.700 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. die meisten davon bei Resolute Support in Afghanistan (zurzeit gut 920 und damit mehr als die geltende Personalobergrenze von 850, weil der Lufttransportstüztpunkt Termes in Usbekistan abgewickelt wird); bei KFOR im Kosovo (660); beim Rückbau der Patriot-Flugabwehrsysteme Patriot in der Türkei (240) und bei der EU-Mission Sophia im Mittelmeer (knapp 230).

NATO Response Force: Für die NATO-Eingreiftruppe hält die Bundeswehr derzeit rund 4.600 Soldaten in Bereitschaft. Rund 2.700 davon stehen zu einer raschen Verlegung als Speerspitze in der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) bereit.

EU Battle Group: Rund 2.000 Soldaten bereiten sich auf die so genannte Stand-By-Phase als Teil eines EU-Einsatzverbandes vor, der im zweiten Halbjahr 2016 für EU-Operationen zur Verfügung steht.

Einsatzverband für Evakuierungen: Für mögliche Evakuierungen deutscher Staatsbürger aus Krisengebieten, bis hin zur Geiselbefreiung, werden rund 1.800 Soldaten bereit gehalten, die bei Bedarf für einen solchen Einsatzverband zur Verfügung stehen.

Luftraumüberwachung über den baltischen Staaten: Im Rahmen der intergrierten NATO-Luftverteidigung stellt die Bundeswehr derzeit einen Einsatzverband mit fünf Eurofightern und rund 200 Soldaten in Estland.

Maritime Einsatzverbände der NATO: Die Marine stellt zu diesen Verbänden Schiffe und Boote in wechselnder Zusammensetzung ab. Derzeit ist die Bundeswehr an der Standing NATO Maritime Group 2 mit der Fregatte Hamburg und rund 220 Soldaten beteiligt, an den NATO-Minenabwehrverbänden mit zwei Booten mit jeweils rund 40 Soldaten.

ORF-Bataillon Kosovo: Als Eingreifreserve für die KFOR-Mission im Kosovo stehen als Operational Reserve Force (ORF) rund 520 Soldaten auf Abruf innerhalb von sieben Tagen zur Verfügung.

Reserve Afghanistan: Rund 610 Soldaten können bei Bedarf kurzfristig bei Resolute Support in Afghanistan eingesetzt werden, falls die Lage das erfordert.

Search and Rescue (SAR): Für Such- und Rettungseinsätze in Deutschland binden zwei Leitstellen und fünf Hubschrauber 160 Soldaten.

Und dazu kommt eben die Aufgabe Flüchtlingshilfe. Anfang November waren nach Angaben des Ministeriums dafür insgesamt 2.500 Soldaten gebunden, der größte Teil davon (1.700) als so genannte helfende Hände. Bei dieser Zahl scheint aber der Schichtbetrieb nicht berücksichtigt; ich habe gezielt noch mal beim Ministerium nachgefragt: Es seien, so die aktuelle Auskunft, rund 6.000 Soldaten in dieser Aufgabe gebunden.

Die Gesamtzahl (da ist dann auch noch die Luftraumsicherheit über Deutschland dabei) der Soldaten, die in irgendeiner Form mit festen Aufgaben gebunden sind, gab das Ministerium für Anfang November mit rund 15.400 an. Da muss man dann, siehe vorhergehenden Absatz, inzwischen noch 3.500 draufrechnen: insgesamt also knapp 19.000 Soldatinnen und Soldaten. Dass diverse Übungen auch im Ausland, so zum Beispiel beim gerade beendeten NATO-Großmanöver Trident Juncture 2015, noch oben drauf gerechnet werden müssen, macht die Belastung noch ein bisschen deutlicher.

(Foto: Soldaten bei der Essensausgabe in der Flüchtlingsunterkunft in der Kaserne Feldkirchen am 01.10.2015 – Bundeswehr/photothek/Thomas Trutschel)