Rüstungsexporte: Bundesregierung will künftig Vor-Ort-Kontrolle

Bei Rüstungsexporten in so genannte Drittländer erwägt die Bundesregierung, in der Ausfuhrgenehmigung künftig auch die Möglichkeit für Inspektionen festzuschreiben, mit denen die Weitergabe der gelieferten Waffen verhindert werden soll. Bislang müssen die Empfängerländer zwar eine so genannte Endverbleibserklärung abgeben, in der zugesichert wird, dass die Waffen und Rüstungsgüter nicht ohne deutsche Genehmigung an andere Länder – oder sogar an andere Behörden im eigenen Land – weitergegeben werden.

Deutsche Behörden können allerdings bislang nicht überprüfen, ob diese Erklärung auch eingehalten wird – oder ob deutsche Waffen plötzlich in Ländern auftauchen, in die sie offiziell nie geliefert wurden, wie zum Beispiel Sturmgewehre G36 in Libyen 2011 (Foto oben).

Hintergrund der Überlegung der Bundesregierung, eine nachträgliche, tatsächliche Kontrolle einzuführen,  ist die Frage, ob in Saudi-Arabien in Lizenz hergestellte Sturmgewehre der Typen G3 und G36 möglicherweise entgegen den Vereinbarungen in den Jemen weitergeleitet wurden. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour hatte deshalb im Bundestag nachgefragt, inwiefern die Genehmigungen für die Lizenzproduktion in  Saudi-Arabien eine Endverbleibskontrolle vorsähen.

Die Antwort der Bundesregierung hat Bedeutung weit über den Fall Saudi-Arabien hinaus:

Eine gesonderte Genehmigung für eine Lizenzproduktion ist im Ausfuhrgenehmigungsverfahren nicht vorgesehen. Ausfuhrgenehmigungen, die im Zusammenhang mit der Lizenzproduktion des G3 und des G36 in Saudi-Arabien erteilt wurden, ergingen jeweils auf Grundlage der eingereichten und Bestandteil des Genehmigungsverfahrens bildenden Endverbleibserklärungen des Empfängers. Einer Ausfuhrgenehmigung bedürfen in diesem Zusammenhang die Technologieunterlagen zur Fertigung der Waffen, entsprechende spezielle Herstellungsausrüstung – Maschinen etc. – sowie einzelne Waffenteile, die in Deutschland und nicht in Saudi-Arabien gefertigt werden.
Eine physische Endverbleibskontrolle der in Saudi-Arabien gefertigten G3 und G36 ist auf Basis der zugrundeliegenden Genehmigungen nicht möglich. Eine solche Vor-Ort-Kontrolle würde die vorherige Zustimmung des Empfängerlandes voraussetzen. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob sie künftig die Zustimmung des Empfängerlandes zu derartigen nachträglichen Vor-Ort-Kontrollen in das deutsche Rüstungsexportkontrollverfahren einführen soll.

(Hervorhebung von mir, T.W.)

Mit anderen Worten: Möglicherweise müssen die Käufer deutscher Waffen außerhalb von EU; NATO und gleichgestellten Ländern wie Australien künftig beim Kauf auch unterschreiben, dass sie ihre Depots für amtliche Kontrolleure aus Deutschland öffnen – und die Waffen jederzeit vorzeigen können.

Nachtrag: Das Thema spielte auch in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Freitag eine Rolle; leider ging es da eher um künftige Genehmigungen von Produktionsstätten für Kleinwaffen und nicht um die in der oben zitierten Regierungsantwort in Aussicht gestellten Kontrollen. Es sprechen Martin Schäfer für das Auswärtige Amt und Tobias Dünow für das Bundeswirtschaftsministerium:

Frage : Herr Schäfer, wenn in Saudi-Arabien deutsche Heckler-&-Koch-Gewehre gebaut werden und diese im Jemen eingesetzt werden, gelten die dann als deutsche Gewehre im Jemen?

Schäfer: Sie müssten jetzt definieren, was Sie mit dem Adjektiv „deutsch“ meinen.

Zusatzfrage : Das ist ja ein deutscher Waffenhersteller.

Schäfer: Aber es sind Waffen, die in Saudi-Arabien hergestellt worden sind.

Zusatzfrage : Ist das auch die Haltung des Wirtschaftsministeriums? Gilt das nicht als Waffenexport, wenn Saudi-Arabien Heckler-&-Koch-Gewehre in Saudi-Arabien herstellt?

Dünow: Sie sprechen einen Sachverhalt an, der heute – ich habe das kurz vor der Abfahrt in die Regierungspressekonferenz gesehen – Gegenstand der Berichterstattung in einem großen Online-Portal unter der Überschrift „Bundesregierung gibt Lücke bei Waffenexportkontrolle zu“ war. Ich war ein bisschen verblüfft über diese Überschrift. Richtiger und präziser wäre gewesen: „Bundesregierung schließt Lücke beim Waffenexport“. Wie wir hier in der Bundespressekonferenz schon das eine oder andere Mal erläutert haben, ist der Bundestag am 15. Mai 2015 über die sogenannten Kleinwaffengrundsätze unterrichtet worden, die bereits in Kraft sind und die unter anderem vorsehen, dass der Export von neuen Fabrikationsanlagen in solche Drittländer wie Saudi-Arabien in Zukunft nicht mehr genehmigt wird.

Zusatzfrage : Habe ich das richtig verstanden: Die Lizensierung des Baus von G36-, also von Heckler-&-Koch-Gewehren in Saudi-Arabien ist künftig nicht mehr möglich?

Dünow: Sie haben das richtig verstanden: Eine solche Genehmigung würde nach diesen Kleinwaffengrundsätzen in Zukunft nicht erteilt werden können.

(Foto: Screenshot ARD-Tagesschau 20 Uhr 25.08.2011)