G36: Neues von Heckler&Koch (Update)

Operation Orpheus - Nawabad, Northern Afghanistan

In der aktuellen Runde des Streits um die Treffergenauigkeit des Sturmgewehrs G36, ausgelöst durch die Erklärung der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 30. April, hat sich der Hersteller Heckler&Koch am Freitag erneut zu Wort gemeldet – diesmal mit einer sehr technischen, zehn Seiten langen Stellungnahme. Die vorangestellten Kernaussagen:

Heckler&Koch fordert unabhängige Aufklärung der Unregelmäßigkeiten bei Bundeswehr-Untersuchungen
Heckler&Koch fordert unabhängige kriminaltechnische Untersuchung aller G36-Versuche der Bundeswehr durch das Bundeskriminalamt
Waffen- und munitionstechnische Grundsätze bei Bundeswehr-Untersuchungen ignoriert
Heckler&Koch stellt Kampfwertsteigerungsoptionen für G36 vor

Angesichts der Länge des Textes kopiere ich ihn hier nicht hinein; die komplette Pressemitteilung zum Herunterladen und Lesen:

Stellungnahme Nr.4 von Heckler&Koch zum Strumgewehr G36

Und zur Ergänzung: Am 2. April hat Generalisnpekteur Volker Wieker eine Weisung zum Gebrauch des G36 in den Einsätzen erlassen. Darüber berichtete das Verteidigungsministerium; allerdings ist auch die Weisung selbst interessant, deshalb in Auszügen:

Weisung Nr. 1
zur Umsetzung von taktisch/operativen Vorgaben bei der Ausstattung und Nutzung des Gewehrs G36 in den Einsätzen

(…)

2. Auftrag: Die Streitkräfte setzen taktisch/operative Vorgaben zur Ausstattung mit und zur Nutzung von Handwaffen in den Einsätzen so um, dass die möglichen Defizite des Sturmgewehrs G36 weitgehend ausgeglichen werden können. Priorität haben hierbei die Einsätze in den heißen Regionen Afghanistan, Mali und am Horn von Afrika.

(…)

4. Taktisch/operative Vorgaben

Gemäß Zentralrichtlinie A2-222/0-0-1210 „Schießen mit Handwaffen“ (Absatz Nr. 703) ist zu beachten:

‚Einzelfeuer ist die häufigste Feuerart, weil die Treffaussicht damit am größten ist. Feuerstöße sollen die Schützen bzw. die Schützinnen mit dem Gewehr nur gegen überraschend auftretenden und zahlenmäßig überlegenen Feind im Nahkampf einsetzen. Wirkung beim Feind ist jedoch nur dann zu erwarten, wenn dieser ein großes Ziel bietet und von der Feuereröffnung überrascht wird. Ist dies nicht der Fall, ist schnelles Einzelfeuer zu schießen.‘

Die Truppe im Einsatz verfügt über einen lage- und auftragsgerechten Waffenmix. Die leichten und schweren Waffen abgesessener Kräfte, die Präzisionswaffen sowie die fahrzeuggestütze Bewaffnung ergänzen sich dabei und ermöglichen maximale Wirkung. Die Anwendung des Waffenmixes im Einsatz hat lageabhängig so zu erfolgen, dass die Waffen optimal zur Wirkung gebracht werden können. Der taktische Führer vor Ort hat die Möglichkeit, durch lage- und auftragsgerechte Feuerleitung sowie zweckmäßigen Waffen- und Munitionseinsatz seinen Auftrag unter größtmöglichem Schutz seiner Soldaten durchzuführen. Insbesondere für das Herstellen örtlicher Feuerüberlegenheit und das Niederhalten feindlicher Kräfte sind vorrangig schwere Waffen (z.B. MG) zu nutzen.

In diesem Waffenmix hat auch das Gewehr G36 unter Beachtung des für diese Waffe vorgesehenen Wirkungsspektrums unverändert seine Bedeutung, insbesondere auch auf Grund seiner geringen Störanfälligkeit.

Abweichungen in der Trefferleistung bei thermischer und klimatischer Belastung können durch Anschießen der Waffe unter vergleichbaren Bedingungen, gemischtes Munitionieren mit Leuchtspur zur Schussbeobachtung, geleiteten Feuerkampf, Feuerzucht beim selbstständig geführten Feuerkampf sowie Verlegen des Haltepunktes grundsätzlich verringert werden.

Unter Beachtung dieser taktischen Vorgaben kann die gemäß Änderung Nr. 206A zur  ZDv 3/136 „Das Gewehr G36“ beschriebene Situation vermieden werden:

‚Veränderung der Präzision durch Temperatureinfluss. Nach dem Schießen im schnellen Einzelfeuer oder in kurzen Feuerstößen (60 Schuss d.h. zwei volle Magazine Gefechtsmunition in kurzer Zeit) ist ein präzises Bekämpfen von Zielen vorübergehend nicht mehr möglich. Nach Abkühlen der Waffe ist die Präzision wieder gegeben. Feuerzucht und Schießrhythmus (Einzelfeuer und Doppelschuss sowie schnelles Einzelfeuer) stehen im Vordergrund der Ausbildung.
Die Lage des Haltepunktes hängt von der Temperatur der Waffe ab. Eine Änderung der Umgebungstemperatur von 15 bis 20° C gegenüber dem Zustand der Waffe bei Ermittlung des Haltepunktes kann eine Veränderung um ca. 10 cm auf 100 m Zielentfernung nach Höhe und Seite bewirken.‘

Erfährt die Waffe eine Präzisionseinschränkung aus den dargestellten Gründen, ist ihr treffsicherer Einsatz im Kurzbereich jedoch weiter möglich. Ein Wirken darüber hinaus ist im Waffenmix sicherzustellen.

Es gilt unverändert, dass eine erhöhte Erwärmung der Waffe bei steigender Schussfrequenz (schnelles Einzelfeuer und kurze Feuerstöße) sowie heißes und feuchtes Klima nicht zum Ausfall der Waffe oder einer Gefährdung des Schützen führen. Die Waffe ist betriebssicher. Schnelles Einzelfeuer bzw. kurze Feuerstöße zum Niederhalten bei massivem Auftreten des Feindes im Gefecht sind unverändert möglich.

Sofern der Einsatz es zulässt, sind beim Umgang mit der Waffe unnötige Temperaturschwankungen etwa durch direkte Sonneneinstrahlung oder andere Wärmequellen zu vermeiden.

(…)

 

(Foto: Bundeswehrsoldaten mit G36 im Oktober 2011 in Nawabad, Distrikt Char Darrah, bei Kundus, Afghanistan – Timo Vogt/randbild.de)