Leserservice: 36 neue Hi-Tech-Störsender für die Truppe
Die Bundeswehr soll 36 neue Störsender mit modernster Technologie erhalten, die die Funkauslösung von Sprengfallen (Improvised Explosive Devices, IED) gezielt verhindern sollen. Das Neue an der Technik: Im Gegensatz zu herkömmlichen Jammern sollen die neuen Geräte nicht komplette Frequenzbänder blockieren (was ja auch für den eigenen Funk problematisch ist), sondern in weniger als einer Milisekunde genau die Frequenz, die zur Auslösung einer Sprengfalle verwendet wird.
Dazu gab es eine interessante Geschichte auf den Bundeswehr-Webseiten, die zwar bislang noch in der Suche angezeigt wird, ansonsten aber verschwunden ist. Deshalb als Leserservice: Das Internet vergisst ja nicht – zum einen hatte die Welt daraus eine Meldung gemacht (Link aus bekannten Gründen nicht), zum anderen hat ein Düsseldorfer Internetportal* den Text der Bundeswehr-Geschichte im Wortlaut übernommen. Die wesentlichen Aussagen:
Die Bundeswehr soll jetzt eines der weltweit modernsten Schutzsysteme gegen Bomben erhalten, die durch Funksignale ausgelöst werden. Die Airbus-Rüstungssparte hat hierfür eine Technologie entwickelt, die nicht mehr das gesamte Funk-Umfeld stört, sondern den tödlichen Anruf herauspickt. (…)
Nach Angaben von Airbus Defence and Space identifiziert das System die Funksignale, mit denen Straßenbomben gezündet werden sollen. In Echtzeit werden dann Störsignale gesendet, die exakt auf das feindliche Frequenzband zugeschnitten sind. Damit würde die Funkverbindung zwischen Attentäter und Bombe unterbrochen, noch bevor es zur tödlichen Explosion kommt. Die Reaktionszeit liege bei deutlich unter einer Millisekunde.
Das Bundesamt für Ausrüstung, Infrastruktur und Nutzung der Bundeswehr hat nun für mehrere Millionen Euro den Auftrag zur Lieferung von 36 Störsendern erteilt. Sie sollen in geschützte Fahrzeuge der Bundeswehr eingebaut werden.
So ganz klar ist mir auch nicht, warum die Meldung von der Bundeswehrseite verschwunden ist, denn bei Airbus Defence&Space gibt es eine ausführliche Pressemitteilung dazu:
March 9, 2015 – Press release
Airbus Defence and Space wins Bundeswehr contract to supply intelligent systems ensuring protection against roadside bombs
Electronic jamming system deactivates detonation signals in real time
Airbus Defence and Space will equip vehicles of the German Armed Forces with an electronic system for the protection against improvised explosive devices (IEDs). The German procurement authority BAAINBw has awarded the company a contract worth several million euros to supply 36 jammers of the type VPJ-R6 (VPJ = Vehicle Protection Jammer). The systems are intended to be integrated into protected vehicles of the German Armed Forces.
The Vehicle Protection Jammer uses the ultra-fast SMART Responsive Jamming Technology developed by Airbus Defence and Space to substantially enhance protection compared to conventional systems. It detects and identifies radio signals intended to detonate roadside bombs. After detection and classification, it transmits real-time jamming signals, which precisely match the hostile frequency band, thus interrupting the connection between assassin and bomb.
Thanks to new digital receiver and signal processing technologies, the system achieves reaction times of well below a millisecond. Up to 750.000 million threat signals in all common frequency bands can be detected and jammed each second. The jamming power is focused on the detonation signal’s specific frequency instead of being distributed over the whole frequency range, as is the case in conventional systems. In this way less energy is required, while the jamming effect is increased at the same time. Moreover, this also reduces the impact on friendly forces’ radio communication, which means that reliable command and control can be ensured.
Interessant übrigens – und jetzt wird es langsam eine Geschichte – ist diese Pressemitteilung von Airbus Defence&Space aus der Zeit, als die noch Cassidian hießen, nämlich vom April 2012:
Cassidian, die Verteidigungs- und Sicherheitsdivision von EADS, hat mit dem „Convoy Protection Jammer“ ein hochmodernes Störsystem entwickelt, das den Schutz von Fahrzeug-Konvoys gegen funkferngezündete improvisierte Sprengsätze (RCIEDs) erheblich verbessert.
Der Convoy Protection Jammer basiert auf der von Cassidian entwickelten superschnellen „SMART Responsive Jamming Technology“, einer intelligenten Störautomatik, die das Schutzniveau gegenüber konventionellen Systemen drastisch erhöht. Das System erfasst und klassifiziert Funksignale im Frequenzbereich von 20 MHz bis 6 GHz, mit denen Straßenbomben gezündet werden sollen. Daraufhin sendet es in Echtzeit Störsignale, die exakt auf das feindliche Frequenzband zugeschnitten sind und so die Verbindung zwischen Attentäter und Bombe unterbrechen.
Dank neuer digitaler Empfänger- und Signalverarbeitungstechnologien werden Reaktionszeiten von deutlich unter einer Millisekunde erreicht. Pro Sekunde können bis zu 1,5 Millionen Bedrohungssignale in allen gebräuchlichen Frequenzbändern detektiert und gestört werden. Dadurch dass die Störenergie auf die jeweils aktive Frequenz konzentriert wird, kann der Energiebedarf deutlich reduziert werden. Eigene Kräfte können auch während des Einsatzes des Störsenders miteinander kommunizieren.
Das verstehe ich nun so, dass diese Jammer für die Bundeswehr etwa drei Jahre nach der Ankündigung des Herstellers bestellt werden?
*Links zu deutschen Verlagswebseiten werden hier in der Regel nicht verlinkt; in diesem Fall mache ich wegen der offensichtlich im Wortlaut übernommenen Bundeswehr-Meldung eine Ausnahme
(Archivbild 2009: Transportpanzer Fuchs 1A8 in Afghanistan – Bundeswehr/Kaiser)
Der Vehicle Protection Jammer basiert auf der von Airbus Defence and Space entwickelten superschnellen „SMART Responsive Jamming Technology“, einer intelligenten Störautomatik, die das Schutzniveau gegenüber konventionellen Systemen drastisch erhöht. Das System erfasst und identifiziert Funksignale, mit denen Straßenbomben gezündet werden sollen. Daraufhin sendet es in Echtzeit Störsignale, die exakt auf das feindliche Frequenzband zugeschnitten sind und so die Verbindung zwischen Attentäter und Bombe unterbrechen.
Dank neuer digitaler Empfänger- und Signalverarbeitungstechnologien werden Reaktionszeiten von deutlich unter einer Millisekunde erreicht. Pro Sekunde können bis zu 750.000 Bedrohungssignale in allen gebräuchlichen Frequenzbändern detektiert und gestört werden. Die Störenergie wird gezielt auf die jeweils verwendete Zündfrequenz konzentriert, anstatt wie bei konventionellen Systemen auf das gesamte Spektrum verteilt zu werden. Dadurch wird der Energiebedarf reduziert und die Störwirksamkeit gesteigert. Außerdem wird die Funkkommunikation eigener Kräfte weniger beeinflusst, wodurch die Führungsfähigkeit gewährleistet werden kann.
Ja, die Pressemitteilung von Airbus habe ich jetzt auch gefunden ;-)
(Wäre aber nett, wenn Sie in solchen Fällen bei derartig ausführlichem Zitieren die Quelle angeben würden…)
sorry…hab es bei bei http://strategie-technik.blogspot.de/ gefunden
Leider ist die Industrie damit schon wieder 10 Jahre zu spät…..
In den meisten Einsatzgebieten (Afghanistan, Irak) wissen die „Insurgents“ sehr wohl, wie man dies umgeht……..und das auf einfachste Art und Weise…
Schutz ist gut-und wichtig…..aber es ist auch in diesem Fall kein Allheilmittel..
Hilft das gegen 125mm Panzergranaten? ;)
@JCR: „Hilft das gegen 125mm Panzergranaten?“
ja, wenn diese nicht mehr gezündet werden können. Oder: Wenn diese vorzeitig – mit größerem Abstand – aktiviert werden können, dann ist nicht nur besser dran, wer im geschützten Fahrzeug sitzt, sondern alls Nachfolgenden, die (an dieser Stelle) keine Bedrohnung mehr fürchten müssen.
Wie schon erwähnt – auch hier gibt es keine Eierlegendewollmilchsau, sondern nur Schritte in Richtung einer weniger bedrohlichen Umgebgung. Siehe auch: „Schweizer-Käse-Modell“. Weniger Löcher, und diese wenigstens kleiner als bisher.
http://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer-K%C3%A4se-Modell
@JCR
ich vereinfache mal:
es gibt keine „Antisprengstoff- oder Antimunitionssysteme“ (ausser… nja andere Sprengstoffe und Munition :D)
Wir reden hier immer von Antizündersystemen. Und da ist dieses intelligente System schon ein Meilensprung. Alleine die selektive Störung entgegen der Breitenstörung bisheriger Systeme bringt operationell irrsinnige Vorteile. Wenn ich meine Energie nicht auf ein ganzes Band verbrate kann ich selektiv deutlich andere Reichweiten erreichen.
Was ich damit sagen wollte, irgendwer hat die alte Maxime, daß eine Armee sich immer auf den letzten Krieg vorbereitet, etwas zu wörtlich genommen…
2010 wären diese Sender echt benötigt gewesen
Also wie ich es verstehe zwar drei Jahre später beschafft als möglich, aber an sich ein sinnvolles und gutes System. Kosten und Zeit sind nicht völlig aus dem Rahmen?
Das wäre doch einmal eine gute Nachricht.
Ja, dieses Störsystem wird vermutlich gut gegen die Zündung sogenannter RC-IEDs (Radio Controlled) schützen. Doch damit ist die Gafahr gegen IEDs nicht gebannt!
Es gibt deutlich mehr Auslösemöglichkeiten als die per Funk.
Ein möglicher zukünftiger Gegner wird darauf reagieren.
Aber es trotzdem wichtig und richtig, ihm diese Möglichkeit zu nehmen.
Verstehe ich das richtig – die Dinger stören jeglichen Mobilfunkverkehr, der zur IED-Auslösung genutzt werden könnte? Das heisst dann ja auch, dass im direkten Umfeld kein Mobilfunk mehr möglich ist, richtig?
Zum Thema „Jamming“ allgemein: Systeme zum Stören gegnerischer Sender b.z.w. Kommunikation kommen in der Ostukraine im großen Maßstab durch Russland zum Einsatz.
https://medium.com/war-is-boring/kremlin-tech-jams-ukrainian-airwaves-f77af2e3c56a
Ich hoffe, die Bundeswehr hat nicht nur selber Störsender sondern auch ausreichend Mittel um sich gegen feindliche Störsyteme zu schützen – im asymetrischem Konflikt war es ja bisher unwahrscheinlich, dass die eigene Kommunikation durch Taliban o.ä. gestört wurde.
Was gibt es an diesem Zeitverzug zwischen Firmenankündigung und Beschaffung nicht zu verstehen. Das ist der ganz normale Bundeswehrwahnsinn. Und der verbirgt sich im Beschaffungsprozess:
Man entdeckt eine sogenannte Fähigkeitslücke, dann muss eine Fähigkeitsforderung geschrieben werden. Diese muss oft auch noch langwierig zwischen den OrgBereichen abgestimmt werden. Dauer im schnellsten Fall etwa 1 Jahr. Dann muss das ganze beim Planungsamt / früher direkt im BMVg vorgestellt und durchgebracht werden. Geht auch nochmal mindestens ein gutes Jahr, dabei erfolgt auch eine ungeffähre Festlegung des Mengengerüsts für die Beschaffung (in der Regel abhängig von Verfügbaren Haushaltsmitteln in der mittel. und langfristigen Haushaltsplanung). Es geht hier immer nur darum was man sich gerade so leisten kann, nicht um das was man eigentlich wirklich bräuchte um die Fähigkeit wirklich sicherzustellen.
Wenn diese Abstimmerei (und Weichspülerei) erledigt ist wird das ganze dem Generalinspekteur zur Unterschrift vorgelegt. Der sogenannten Lösungsvorschlag, manchmal gibt’s es sogar mehrere für eine Problematik (unterscheiden sich in der Regel aber nur durch den Umfang des Mengengerüstes und damit in den benötigten Haushaltsmitteln, und welchen wird mal dann wohl wählen?). Irgendwann wird ein Lösungsvorschlag dann vom GI unterschrieben und damit zur AWE (Auswahlentscheidung). Damit steht dann auch fest wann (welches Jahr) wieviel Geld für die Realisierung der Beschaffung (ggfs. noch Entwicklungsanteile) zur Verfügung stehen können. Geld gibt es aber frühestens im Jahr nach der AWE. Diese AWE wird dann dem BAAINBw (Beschaffungsamt) zur Realisierung übergeben. Und dann sind die guten Beamten mit dem Ausplanen und Verträge schließen beschäftigt und wir können am Ende dieses Prozess so tolle Nachrichten lesen, die Auslöser dieses Eintrags waren.
Man erkennt also selbst wenn die Industrie etwas hat, das genau dem entspricht was das Militär haben will. Dauert es immer mindestens 3 Jahre bis es ggfs. beschafft wird. Das ist vom Beschaffungssystem so gewollt.
Und wer dann jetzt noch behaupten will das der CPM nov. (der novelllierte Beschaffungsprozess der Bundeswehr) schneller geworden ist, den muss ich leider als ganz großen Lügner bezeichnen, da es in Realität eben regelmäßig mindestens genau dieses 3 oder mehr Jahre dauert bis auf einen erkannten Mangel mit einer Beschaffung reagiert werden kann. Hier ist Planwirtschaft das Stichwort für all jene die einen BWL oder VWL Hintergrund besitzen. Daran werden die guten Ministerin und ihre Staatssekretärin nicht ändern können.
Gratulation für offenbar wunderbare Lobbyentscheidung. Rheinmetall hat ein Zünderdetektionssystem auf Basis non linear function detector – heisst detektiert nicht nur remote controlled Zünder – im
Angebot mit einem Hochenergielaser als Wirksystem. M.E. ein wesentlich fàhigeres System – aber Airbus scheint einfach über die besseren Kontakte zu verfügen.
Die Wirksamkeit dieser SMART Responsive Jamming Technology erscheint mir von Prinzip her eingeschränkt zu sein.
Natürlich wird dieses System alle Funksignale in der Umgebung detekieren können, die Frequenz erfassen und auf dieser Frequenz ein Sörsignal innerhalb von einer Millisekunden senden können.
Was passiert aber wenn für die IED Auslösung ein ganz normales Handy mit digitalen Auslösecode verwendet wird ? Entweder es wird die Frequenz aller Handys in der Umgebung gestört werden oder aber es wird dem einen Handy gelingen den Auslösecode an den Empfänger (ein anderes Handy) zu übertragen.
Also wird wahrscheinlich die Handykommunikation in der Umgebung unterbunden werden und zwar auf der Eingabefrequenz (Unterband) des Handys an die Relaisstation (Funkmasten des Handynetzes) in dem der Störer die Eingagefrequenz im Millisekundenbereich erfasst und durch ein dickes, eigenes Signal überlagert und damit vom Handymast wegdrückt.
Was macht man aber in städtischer Umgebung, wo vielleicht 100 Handies gleichzeitig auf mindestens 10 verschiedenen Frequenzen den Kontakt mit der Relaisstation (Handymast) aufnehmen wollen ?
Hier ist dann die Frage ob das „Frequency Hopping“ des Störers schnell genug erfolgen kann oder der Störsender muss doch wieder eine Breitbandstörung auf dem gesamten Handyfrequenzbereich erzeugen um die Auslösung zu verhindern.
Kommen die auf die Alten Fuchs oder werden die auf Neuere Fahrzeuge Insta.-
weil es scheint doch größere Umbau zu sein
@Fmoffz:
Die von Ihnen beschriebene Zeitverzögerung ist meiner Meinung nach nicht ein Problem des CPM(nov.) sondern des IPP, dessen Zusammenspiel mot CPM, die Personalausstattung des PlgABw sowie (in diesem Fall) die gemeinsam von AL Pld und AL AIN getroffenen Umklappentscheidungen. Der CPM kann auch schnell, dann müssen aber die Ranndbedingungen stimmen.
Warum jetzt beschafft wird? Vielleicht hat Airbus versprochen im aktuellen Jahr zu liefern. ;-)
Calm down.
Auch wenn es zu spät ist;
Sollten wir uns demnächst in einem Einsatz befinden in dem wieder eine IED „Remote“ Bedrohung gegeben ist und wir diese neuen Jammer jetzt nicht abnehmen würde, wäre auch hier das Geheule groß.
An der Vergangenheit können wir jetzt auch nichts mehr ändern.
Das Geheule wäre wesentlich geringer wenn man ein System gekauft hätte, das neben „remote“ IEDs auch andere Zündmechanismen entdecken und neutralisieren kann. Nun, was solls … hoffentlich sind die Lieferzeiten nicht „Airbus-typisch“ …