EuroHawk: Schadenersatzansprüche? Leider verjährt.

EURO HAWK®

Die Geschichte der gescheiterten deutschen Riesen-Drohne EuroHawk hat im vergangenen Jahr einen Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigt, für politischen Wirbel gesorgt und nicht zuletzt das Ansehen des damaligen Verteidigungsministers Thomas de Maizière beschädigt. Knapp ein Jahr nach de Maizières Ausstieg aus dem Verteidigungsressort wird nun allerdings bekannt, dass 2013 noch was ganz anderes passiert ist: Ungeachtet der Warnungen einer eigens beauftragten Anwaltskanzlei, die mögliche Schadenersatzansprüche gegen die Lieferfirma prüfte, ließ das Verteidigungsministerium die Verjährungsfrist für  solche Ansprüche verstreichen. Bewusst, angesichts des Erfolgs- und Kostenrisikos, sagt ein Sprecher des Ministeriums.

Entscheidendes Datum für einen möglichen – und dann auch nur gerichtlich zu klärenden – Anspruch auf Schadenersatz wäre der letzte Tag des Jahres 2013 gewesen. Denn die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren lief nach Einschätzung der Anwaltskanzlei Redecker Sellner Dahs ab dem 3. Februar 2010.

An jenem Tag versammelte sich in Manching, dem Sitz der Wehrtechnischen Dienststelle 61 und der Militärischen Musterzulassung für Luftfahrzeuge, eine Runde aus Beamten und Industrievertretern, um über das weitere Vorgehen beim Projekt EuroHawk zu sprechen. Der EuroHawk Airworthiness Executive Summit, für den Drohnen-Hersteller Northrop Grumman ein umfangreiches Papier vorbereitet hatte, sollte nach Lösungswegen für eine Zulassung des Full Scale Demonstrators, des Musters der für eine deutsche Serie zugelassenen Drohne suchen. Mit einer Prototype Plus-Lösung, schlugen die US-Industrievertreter vor, sollten die Deutschen ihre Zulassungsprobleme in den Griff bekommen: Die grundsätzliche Zulassung des zu Grunde liegenden Fluggeräts Global Hawk in den USA sollte als Grundlage genommen werden, die deutschen Prüfer dann nur noch die für den Kunden Bundeswehr vorgenommenen Änderungen bewerten.

Die Prototypenlösung wurde gewählt, und damit waren aus Sicht der Deutschen die Probleme vorerst gelöst, schilderte Projektleiter Rüdiger Knöpfel im vergangenen Jahr vor dem Bundestagsausschuss die Lage nach dem Gespräch im Februar 2010. Mit dieser Entscheidung haben wir ein Problem gelöst und mussten nicht über ein Problem berichten. Das hatte Konsequenzen: Die scheinbar gefundene Lösung wurde nicht nach oben weitergemeldet und schlug dort erst viel später ein. Als dann die Hersteller-Dokumentation für eine deutsche Zulassung für unbeding erforderlich erachtet wurde, präsentierte Northrop Grumman die dafür veranschlagten Kosten – was zum Abbruch des Projekts führte.

Die vertragsrechtlichen – und für einen möglichen Schadenersatz entscheidenden – Folgerungen zeigte die beauftragte Anwaltskanzlei im Oktober 2013 auf:

Ein wesentlicher Fakt für die Kostensteigerung resultiert aus der Tatsache, dass die Dokumentationsbasis des Global Hawk für eine europäische Musterzulassung in Qualität und Quantität nicht ausreichte. Zudem erwiesen sich die Schritte zur Schaffung entsprechender Nachweise für die Musterzulassung als unterwartet aufwändig. Hierbei wirkt sich eine vertraglich vereinbarte Einschränkung der Leistungspflichten entscheidend nachteilig aus. Sie reagiert offenbar auf den Umstand, dass auf einem fortgeschrittenen Rüstungsprojekt aufgesetzt wird, das einem fremden Zulassungsregime unterlag. Dessen bereits existende und in Aufstellung befindliche Dokumentationsbasis sollte für die deutsche Musterzulassung zur Verfügung gestellt werden. (…) Der Vertrag, seine wesentliche Ausgestaltung und die dem zugrundeliegende Kostenkalkulation beruhten ggf. auf einer Fehlvorstellung über die Verwertbarkeit, Qualität und Quantität der amerikanischen Zulassungsunterlagen des Global Hawk.

Ob damit die Basis für eine Klage auf Schadenersatz gegeben ist, wollten die Anwälte nicht von vornherein bejahen – aber auch nicht ausschließen:

Auch wenn derartige Ansrpüche stets mit nicht unerheblichen Prozessrisiken behaftet sind, ist zu erwägen, diesen nachzugehen. (…) Hier sind unterschiedliche Szenarien denkbar, die bis zum Anspruch auf Ersatz auch hoher Beträge gehen können, die bei einem Nichtzustandekommen des Vertrages oder einem grundlegenden abweichenden Vertrag nicht aufgewendet worden wären.

Allerdings, warnte die Kanzlei, sollte dabei die Verjährung im Auge behalten werden. Und die richte sich danach, wann der Auftraggeber, also das Ministerium und seine nachgeordneten Behörden, davon wissen konnten, dass die vom Auftragnehmer für Zwecke einer Musterzulassung des EuroHawk gelieferten Dokumente und Nachweise  in Unfang, Güte und insb. Verwendbarkeit im Musterzulassungsverfahren negativ von dem vortraglich in Aussicht gestellten abweichen. Als Datum dafür schlugen die Anwälte den 3. Februar vor – das Datum des EuroHawk Airworthiness Executive Summit. Drei Jahre später, ab Jahresende gerechnet, war der 31. Dezember 2013.

Datiert ist die gutachterliche Stellungnahme vom 18. Oktober 2013. Passiert ist in jenem Jahr, jedenfalls auf einer gerichtlichen Basis,  nichts mehr. Das Ministerium selbst sagt , aus dem Anwalts-Gutachten sei der Schluss gezogen worden, dass sich ein Prozess nicht gelohnt hätte. Der stellvertretende Ministeriumssprecher Oberst Ingo Gerhartz vor der Bundespressekonferenz:

FRAGE: Ich hätte eine Frage an das Verteidigungsministerium. Aus Ihrem Haus gibt es ein Gutachten in Sachen „Euro Hawk“, das besagt, dass Ende 2013 die Frist für Schadensersatzansprüche ausgelaufen ist und keine Rechtsmittel eingelegt wurden. Warum hat Ihr Haus etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber der EuroHawk GmbH oder den Besitzern EDAS oder Northrop Grumman verfallen lassen und keine Rechtsmittel eingelegt?
GERHARTZ: Zunächst einmal möchte ich klarmachen, um welches Rechtsgutachten es sich handelt. Das war das Rechtsgutachten, das in der letzten Legislaturperiode in Auftrag gegeben wurde, um zu klären, ob es mögliche Schadensersatzansprüche des Bundes gegenüber der EuroHawk GmbH geben könnte. Das Gutachten ist uns letztes Jahr im Oktober überreicht worden. In dem Gutachten werden natürlich alle Möglichkeiten und Optionen geprüft. Nach Abwägung aller „pros and cons“ das ist das Wesentliche kommt das Gutachten zu abschließenden Gesamtbewertung, dass von einer gerichtlichen Geltendmachung wegen ganz erheblicher Prozessrisiken abgeraten wird.
Dieser Gesamtbewertung haben wir uns durch eigene Prüfungen angeschlossen. Ich denke, das zeigt das Rüstungsgutachten. Das Konsortium KPMG ist sehr intensiv in die neuen Projekte eingestiegen, unter anderem auch in das Projekt „Euro Hawk“, um es hier einmal so zu nennen. Auch das Gutachten kommt zu keiner anderen Bewertung. Sie wissen selbst, wie hart die Gutachter mit den verschiedenen Projekten ins Gericht gegangen sind.
Es ist wesentlich festzustellen, dass auch bei der Durchsetzung der Ansprüche, wenn sie denn überhaupt möglich gewesen wären, ein direkter Durchgriff auf die Muttergesellschaften zum Beispiel Northrop Grumman ohnehin nicht möglich gewesen wäre, weil der Vertrag dementsprechend mit der Dachgesellschaft EuroHawk GmbH abgeschlossen wurde.
ZUSATZFRAGE: Das ist ja alles plausibel, aber letztendlich hätte man durch einen einfaches Schreiben eines Rechtsanwaltes die Frist verlängern können. Warum hat man das nicht getan?
GERHARTZ: Wenn Sie zu der Bewertung kommen, dass Sie ohnehin enorme Risiken haben und es wiederum zu erheblichen Mehrkosten führten könnte, diesen Weg zu gehen, wenn zu dieser Bewertung das Gutachten, aber auch wir selber und letztlich ein externer Gutachten kommen, gibt es keine Gründe für uns, den Schritt zu gehen, die Verjährung dementsprechend aufzuheben.
FRAGE: Herr Gerhartz, das hatte Ihr Ministerium vor einem Monat schon genauso mitgeteilt. Da ging es aber auch ein wenig um die Kosten. Es wurde gesagt, 616 Millionen Euro seien bis dahin für den „Euro Hawk Full Scale Demonstrator“ ausgegeben worden und die „ISIS“-Entwicklung sei darin mit 270 Millionen Euro enthalten gewesen. Ich wollte gerne einmal fragen, wie viel Geld denn für diesen „Euro Hawk Full Scale Demonstrator“ und für „ISIS“ ich meine dieses „ISIS“ und nicht das ISIS von Herrn Schäfer im Jahr 2015 oder gegebenenfalls für die alternativen Plattformen vorgesehen ist.
GERHARTZ: Das Thema „Euro Hawk“ ist hier schon öfter erörtert worden. Ich will es noch einmal ganz kurz erklären:
Wir müssen immer sehen, dass das eine die Plattform, das unbemannte Luftfahrzeug, ist, und dass das andere die Sensorausstattung, belegt durch den doppeldeutigen Begriff „ISIS“, ist. Die Gesamtkosten setzen sich aus diesen Anteilen zusammen. Diese ca. 616 Millionen Euro, die Sie erwähnt haben, sind die Gesamtkosten. An den Zahlen hat sich, wie sie damals veröffentlicht worden sind, nichts geändert.
Der Weg, den wir jetzt im weiteren Verlauf beschreiten das ist wiederum vom Rüstungsgutachten bestätigt worden , ist der, dass wir, bevor wir eine Beschaffungsentscheidung für ein mögliches Muster treffen, wie es durch das „Euro Hawk“ Nachfolgersystem „Triton“ beschrieben ist, eine Zulassungsstudie vorschalten werden, um dieses Risiko von Anfang an auszuschließen, damit uns das nicht noch einmal passiert. Davon losgelöst ist die Sensorausstattung zu betrachten, die wir hier natürlich entsprechend gut verwenden können.
Das heißt, wenn man sich jetzt die Frage stellt, wo Geld ist, dass irgendwo nicht mehr gut gemacht werden kann darauf zielt ja Ihre Frage , betrifft das maximal die Plattform „Euro Hawk“ und nicht die Sensorausstattung.
ZUSATZFRAGE: Meine Frage zielte tatsächlich auf etwas anderes und deswegen noch einmal eine Nachfrage dazu. Dieser „Euro Hawk Full Scale Demonstrator“ soll zumindest bislang für die „ISIS“-Weiterentwicklung weiter benutzt werden, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Es ist so, dass dieser „Euro Hawk Full Scale Demonstrator“ gewartet werden muss, wobei natürlich Kosten anfallen. Auch die „ISIS“-Weiterentwicklung wird ja vermutlich nicht kostenneutral sein. Deswegen noch einmal meine Frage, was das im Jahr 2015 aller Voraussicht nach kosten wird.
GERHARTZ: Ich kann Ihnen noch keine exakten Zahlen nennen. Das sind ohnehin Kosten, die auf uns zukommen, wenn wir diese Systeme voll nutzen. Dass wir den „Euro Hawk Full Scale Demonstrator“ dafür beanspruchen, ist natürlich der Tatsache geschuldet, dass es auch dafür keine Alternative gibt. Wir sind an dem Punkt, dass wir durch diese Zulassungsstudie die Frage vorschalten, ob wir diesen Weg dementsprechend gehen.
ZUSATZFRAGE: Können Sie konkretere Zahlen nachliefern?
GERHARTZ: Ich kann Ihnen dazu keine konkreten Zahlen nennen.

Die Regierung hat die Ansprüche des Steuerzahlers gegenüber den Herstellern sehenden Auges in die Verjährung laufen lassen, kritisiert die Grünen-Abgeordnete Katja Keul im Gespräch mit der Tagesschau, die über das Anwalts-Gutachten und die Verjährung berichtet hatte. Interessant wird jetzt die Frage, ob das Ministerium denn wenigstens Konsequenzen bei einem möglichen Nachfolgesystem für den EuroHawk zieht – für das Verteidigungsministerin von der Leyen bereits die auf dem gleichen Ursprungsmuster beruhende Drohne Triton ins Gespräch gebracht hatte.

(Über die Geschichte des EuroHawk hat Zeit Online im vergangenen Jahr in der Serie Die Drohnen-Dokumente berichtet, an der ich auch mitgearbeitet habe und aus der auch das verlinkte Originalpapier des EuroHawk Airworthiness Executive Summit stammt.)

(Foto: Northrop Gumman Pressefoto)